Urteil des SozG München vom 12.09.2007

SozG München: umkehrung der beweislast, versorgung, körperverletzung, strafgericht, strafurteil, notwehr, nacht, wohnung, schlägerei, polizei

Sozialgericht München
Urteil vom 12.09.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 30 VG 8/06
Bayerisches Landessozialgericht L 15 VG 1/08
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 9. August 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar
2006 wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist eine Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen eines
gewaltsamen Angriffs vom 29.05.2004. Die AOK Bayern beantragte am 18.01.2005 für den 1985 geborenen Kläger
Leistungen der Opferentschädigung, nachdem der Kläger am 29.05.2004 bei einer Schlägerei schwere Verletzungen
davongetragen hatte. Am 24.01.2005 folgte ein gleichlautender eigener Antrag des Klägers. Zum aktuellen
gesundheitlichen Zustand des Klägers wurde ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in
Bayern vom 06.12.2004 vorgelegt. Darin wurde die Anerkennung der Pflegestufe 1 ab Oktober 2004 empfohlen, weil
der Kläger rollstuhlpflichtig sei und unter Aphasie leide. Nachdem bis 28.09.2004 eine Ernährungssonde zum Einsatz
gekommen sei, sei jetzt allerdings wieder orale Nahrungszufuhr möglich. Die Pflege werde durch die Mutter
wahrgenommen. Die Ermittlungen zum schädigenden Ereignis führten zur Rekonstruktion einer Schlägerei unter
erheblich betrunkenen Personen im jugendlich-russlanddeutschen Milieu. Ein G. H. wurde als Täter gegen den Kläger
ermittelt. Eine bei der Polizei abgegebene Zeugenaussage eines V. I. machte den Kläger dafür verantwortlich, den
gegenüber ihm gewalttätig gewordenen G. H. tätlich provoziert zu haben. Die Fallbearbeitung durch Polizei und
Strafjustiz mündete in ein Strafurteil des Amtsgerichts I., Jugendschöffengericht, vom 26.01.2005. Darin wurde der
am 28.05.1985 in Russland geborene G. H. unter Einbeziehung eines früheren Urteils des Amtsgerichts I. vom
19.05.2004 wegen zweifacher vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 10
Monaten verurteilt. Er war in den Jahren 2002 und 2004 mehrfach u.a. wegen räuberischer Erpressung und
gefährlicher Körperverletzung vorbestraft worden. Zu einer Verurteilung wegen zweifacher Körperverletzung kam es
wegen der Berücksichtigung einer vorliegend nicht gegenständlichen zusätzlichen Tat in der Justizvollzugsanstalt H
... Die Folge der Schläge gegen den Kläger wurde vom Strafgericht als einheitliche Tathandlung betrachtet. Zu deren
Ablauf und Folgen führte das Urteil aus: "In der Nacht vom 28. auf 29.05.2004 feierte der Angeklagte seinen 19.
Geburtstag in der Wohnung seiner Eltern. Gegen 0.30 h erschien der später geschädigte M. Z. zusammen mit einem
Bekannten A. B. auf der Feierlichkeit und hielt sich dort bis in die frühen Morgenstunden auf. Etwa gegen 6.00 h
morgens begann der stark betrunkene Geschädigte den Angeklagten zu beleidigen, indem er ihn auf Russisch als
Hurensohn, Wichser und Ähnliches bezeichnete. Dabei schlug der Geschädigte dem Angeklagten auch mehrmals mit
der Hand ins Gesicht. Die Situation beruhigte sich jedoch zunächst wieder, nachdem der Angeklagte beruhigend auf
den erkennbar Betrunkenen einsprach. Der Angeklagte begab sich sodann in sein Schlafzimmer, um einen anderen
Partygast aufzuwecken. Während der Angeklagte nun versuchte, den tief schlafenden W. V. zu wecken, trat ihm der
Geschädigte, welcher ihm gefolgt war, von hinten in den Gesäßbereich und beleidigte ihn dabei weiterhin. Es handelte
sich hierbei zunächst um relativ leichte Tritte, welche den Angeklagten eher provozieren sollten. Nachdem der
Geschädigte Z. jedoch den Angeklagten einmal an seinen Genitalien traf, was beim Angeklagten einen deutlichen
Schmerz hervorrief, drehte sich dieser blitzschnell um und schlug dem Geschädigten unvermittelt mit der Faust ins
Gesicht, worauf dieser nach rückwärts geworfen wurde und nach Anschlag des Kopfes gegen den Schreibtisch auf
dem Rücken zu liegen kam. Dem Angeklagten war hierbei bewusst, dass er von einem Volltrunkenen angegriffen war.
Auch wusste er, dass leistungssportmäßig Kickboxen betrieb und deshalb im Faustkampf ausgebildet war (Satzbau
sic!). Auch aufgrund des kurzfristigen Schmerzgefühls an den Hoden war der Angeklagte jedoch so verwirrt, dass er
der Ansicht war, mit einem massiven Faustschlag reagieren zu dürfen, obwohl er den erkennbar volltrunkenen
Geschädigten lediglich mit milderen Mitteln hätte abwehren dürfen. Nachdem der Geschädigte nunmehr hilflos am
Boden lag, beugte sich der Angeklagte ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund über ihn und schlug ihm
mehrmals mit der Faust ins Gesicht. Als er sich danach aufrichtete, trat er ihn noch zweimal mit dem Fuß in die
Rippen. Deshalb wurde er vom anwesenden Zeugen A. B. von hinten gepackt und trat in der Wut noch einmal mit dem
Fuß in Richtung Gesicht, welches er auch an der linken Stirnseite traf. Durch die Schläge des Angeklagten wurde der
Geschädigte erheblich verletzt. Er erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Blutergüssen im Stammhirn und war
mehrere Wochen ohne Bewusstsein. Zusätzlich erlitt er eine Nasenbeinfraktur mit zahlreichen Hämatomen am Kopf.
Er ist heute schwerbeschädigt und kann alltägliche Dinge des Lebens nicht mehr selbst tun, sondern muss von seiner
Mutter unterstützt werden. Auch ist es ihm nicht möglich, ganze Sätze auszusprechen. Es ist davon auszugehen,
dass der Geschädigte hirnorganisch geschädigt bleibt. Ob die schwere hirnorganische Schädigung bereits durch den
ersten Schlag oder durch einen der späteren Schläge verursacht worden ist, konnte nicht mehr sicher festgestellt
werden."
Bezüglich des ersten Schlages des Täters konnte das Gericht nicht ausschließen, dass er nach einem
schmerzhaften Schlag in seine Genitalien kurzfristig verwirrt war und deshalb im Sinne einer Notwehrüberschreitung
schuldlos handelte. Weil des weiteren nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die bleibende schwere Verletzung
des Klägers durch diesen ersten Schlag verursacht wurde, verurteilte das Amtsgericht G. H. insgesamt nur wegen
einfacher vorsätzlicher Körperverletzung. Ein Rechtfertigungsgrund der Notwehr wurde für die Verletzungshandlungen
nicht anerkannt. Als geübter Kampfsportler hätte der Täter gegen den Kläger nach Auffassung des Gerichts nicht so
aggressiv vorgehen dürfen. Mit Bescheid vom 09.08.2005 lehnte der Beklagte den Antrag auf
Beschädigtenversorgung ab. In der Begründung wurde der vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriff gegen den Kläger
bejaht, doch wurde nach § 2 Abs. 1 S. 1 OEG die Versagung der Leistungen ausgesprochen, weil eine Entschädigung
unbillig sei. Die Tätlichkeiten seien vom Kläger ausgegangen und ursächlich für den ersten Faustschlag des G. H.
gewesen. Letztlich habe der Kläger sogar einen rechtswidrigen Angriff gegen ihn durchgeführt, welcher lediglich wegen
seiner Alkoholisierung nicht zu einem Notwehrrecht des G. H. geführt habe. Somit sei es unbillig, zumindest für die
Folgen des ersten Faustschlages eine Versorgung nach dem OEG zu gewähren. Da es nicht mehr feststellbar sei, ob
die schwere hirnorganische Schädigung bereits durch den ersten Schlag oder durch einen der späteren Schläge
verursacht worden sei, sei die Versorgung in vollem Umfang zu versagen. Mit seinem Widerspruch hiergegen ließ der
Kläger vortragen, wegen seiner Alkoholisierung keine Verantwortung für sein Verhalten zu tragen. Das Amtsgericht
habe richtig festgestellt, dass keine Notwehrsituation vorgelegen habe und der Schädiger in höchstem Maße
überreagiert habe. Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.02.2006 führte der Beklagte in Verschärfung
der ursprünglichen Begründung des Ablehnungsbescheids aus, der Kläger habe die gegen ihn geführten Schläge im
Sinne von § 2 Abs. 1 1. Alt. OEG mitverursacht. Mit der Klage wurde neuerlich eine Versorgung nach dem OEG
gefordert. Ein am 19.12.2006 begonnener Termin zur mündlichen Verhandlung musste vertagt werden, weil die seit
neun Monaten ausstehende Klagebegründung erst am Tag vor der Sitzung eintraf und das Gericht dem Beklagten die
Möglichkeit zur Stellungnahme geben musste. In dieser nachgereichten Klagebegründung wurde vorgetragen, der
Kläger habe wegen seines Alkoholkonsums keine Verantwortung für ein etwaiges provozierendes Verhalten getragen,
sich ein solches aber außerdem auch gar nicht habe zuschulden kommen lassen. Der Zeuge, der den Kläger insoweit
belastet habe, sei ein Freund und Verwandter des Schädigers. Sein Aussageverhalten weise eindeutig nach, dass er
stets bemüht gewesen sei, zu Gunsten des Schädigers auszusagen. Im Strafurteil werde der Eindruck des Gerichts
bestätigt, dass der Zeuge seinen Freund H. habe beschützen wollen. Des weiteren werden die Ausführungen des
Strafurteils zur Überreaktion des Täters und zum Ausschluss eines ihn entlastenden Notwehrrechts zitiert.
Hinsichtlich einer zeitweisen Unklarheit, ob die Schlägerei auf dem Volksfest I. oder in der Wohnung des Schädigers
stattgefunden habe, bezichtigte die Klagebegründung den G. H. der Anstiftung diverser Zeugen zu falschen Aussagen
bei der Polizei. Gegen den Schädiger spreche des weiteren, dass er eine Körperverletzung zulasten eines eigentlich
guten Freundes begangen habe. Zuletzt habe er den Kläger sogar mit Füßen getreten, als er bereits wehrlos auf dem
Boden gelegen habe. Nicht außer Acht zu lassen seien die schwersten Verletzungen und bleibenden gesundheitlichen
Schädigungen des Klägers. An dem neuerlichen Termin zur mündlichen Verhandlung, der mit Verkündung des
vorliegenden Urteils endete, nahmen weder der Kläger noch sein Vertreter teil.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 15.02.2006 zur Zahlung von Versorgungsleistungen zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte
sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht
beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet. § 1 Abs. 1
Satz 1 OEG gibt demjenigen einen Anspruch auf staatliche Versorgung, der infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen
Angriffs gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Auf das
Bundesversorgungsgesetz (BVG) wird verwiesen. § 30 Abs. 1 Satz 1 gebietet zur Prüfung des Anspruchs auf
Beschädigtenrente die Beurteilung der MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen
Erwerbsleben; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. § 2 Abs. 1 S. 1 OEG
lautet: Leistungen sind zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung mitverursacht hat oder wenn es aus
sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen unbillig wäre,
Entschädigung zu gewähren. Das rechtskräftige Strafurteil gegen G. H. diente dem Beklagten wie auch dem Gericht
als Grundlage für die unstreitige Feststellung, dass dieser den objektiven Tatbestand einer rechtswidrigen und
vorsätzlichen schweren Körperverletzung gegen den Kläger verwirklicht hat. Die Ausführungen der Klage, mit denen
dem Schädiger eine Rechtfertigung seines Vorgehens durch Notwehr abgesprochen wird, sind gegenstandslos, weil
das Strafgericht eine Notwehrlage verneint hat. Nur deshalb konnte es zu einer Verurteilung wegen rechtswidriger Tat
kommen und nur in Übernahme dieser strafgerichtlichen Feststellung konnte der Beklagte einen Tatbestand nach § 1
OEG anerkennen. § 2 Abs. 1 S. 1 OEG soll nicht eine zusätzliche Diskussion der Vorsätzlichkeit und/oder
Rechtswidrigkeit einer im Prinzip anspruchsbegründenden Gewalttat oder einen Beurteilungsspielraum über deren
Verwerflichkeit eröffnen, sondern schließt aufgrund eines Verhaltens des Opfers eine Versorgung trotz unzweifelhaft
rechtswidriger und vorsätzlicher Schädigung aus. Vorrangig ist zu prüfen, ob der Anspruchsteller seine Verletzung
selbst verursacht hat. Der Beklagte hat dies im Widerspruchsbescheid festgestellt und die Versorgung demgemäß
abgelehnt. Die dadurch ersetzte ursprüngliche Versagung im Ablehnungsbescheid wegen einer Provokation der
Schädigung im Sinne der zweiten Alternative der Vorschrift ist deshalb nicht mehr streitgegenständlich. Die
Feststellung, dass der Kläger seine Schädigung selbst verursacht hat, ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Am
29.05.2005 hatten der Kläger, G. H. und andere junge Männer einen stundenlangen erheblichen oder sogar exzessiven
Alkoholgenuss hinter sich. Fast alle Beteiligten schliefen oder waren müde. Eine Konfliktlage war nicht gegeben. In
dieser Situation hat der Kläger eine verbale und alsbald auch tätliche Auseinandersetzung mit G. H. willkürlich vom
Zaun gebrochen. Er hat mit seinen im strafgerichtlichen Urteil beschriebenen Äußerungen und Handlungen selbst
rechtswidrige und vorsätzliche Straftaten der Beleidigung und vorsätzlichen Körperverletzung begangen. Das von der
Literatur (Kunz/Zellner, Opferentschädigungsgesetz, München 1999, § 2 Rdnr. 5) geforderte Verschulden des Klägers
ist nicht durch das Ausmaß seiner eigenen Alkoholisierung ausgeschlossen, das bei der ärztlichen Erstfeststellung
mit 1,85 Promille ermittelt wurde (Bl. 66 der Beklagtenakte). Im übrigen erscheint es nicht als angemessen, dem
Kläger seinen Alkoholkonsum schuldausschließend zu Gute zu halten, nachdem beim ebenfalls stark betrunkenen
Schädiger keine Minderung der Schuldfähigkeit für seine Aggressionshandlungen in derselben Konfrontation anerkannt
wurde. Beide Kontrahenten vom Strafgericht als "volltrunken" bezeichnet, ohne dass ihre Steuerungs- und
Einsichtsfähigkeit bezweifelt wurde. Zum Wesen der Verursachung einer Schädigung durch das Opfer in der hier
dokumentierten Weise gehört es, das Ausmaß der Reaktion auf eigenes Fehlverhalten weder vorhersehen noch
steuern zu können. Wer mit Beleidigungen und Tätlichkeiten beginnt, muss zwar im straf- und zivilrechtlichen Sinne
nur mit angemessener Notwehr rechnen, riskiert aber entsprechend der Lebenserfahrung auch eine nicht mehr vom
Notwehrrecht gedeckte strafbare Überreaktion seines Kontrahenten. Die Überreaktion von G. H. war zwar nicht
erlaubt, im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 OEG aber immer noch unmittelbar kausal und in vorwerfbarer Weise vom Kläger
verursacht. Der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid nicht mehr eine falsche Argumentation seines
Ausgangsbescheides wiederholt. Dort war ausgeführt worden, dass eine Versorgung wegen der Folgen jedenfalls des
ersten Schlages von G. H. unter dem Aspekt der Provokation unbillig sei. Da nicht mehr feststellbar sei, ob die
schwere hirnorganische Schädigung bereits durch den ersten Schlag oder durch einen der späteren Schläge
verursacht worden sei, sei die Versorgung in vollem Umfange zu versagen. Damit übernahm der Beklagte in
fehlerhafter Weise eine Überlegung aus dem Strafurteil. Weil das Strafgericht nicht ausschließen konnte, dass die
erhebliche Hirnschädigung mit der Folge der Qualifizierung der Körperverletzung als "schwer" bereits durch den ersten
Schlag eingetreten ist, und es des weiteren für diesen Schlag eine schuldausschließende Notwehrüberschreitung nicht
ausschließen konnte, verurteilte es den Kläger nur wegen einfacher Körperverletzung. Die Versagung der Versorgung
ist jedoch in Umkehrung der Beweislast nur möglich, wenn für jeden denkbaren Ablauf, also auch für den Fall der
wesentlichen Schädigung erst durch die letzten Schläge, die Versagungsgründe nachgewiesen sind. Das Gericht
kommt entsprechend der dargestellten eigenen Haftung des Klägers auch für eine von ihm selbstverständlich nicht
gewollte und nicht ohne weiteres vorhersehbare Eskalation zu dem Ergebnis, dass auch die besonders verwerflichen
Schläge gegen den bereits liegenden und kampfunfähigen Kläger noch im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 OEG von
diesem verursacht worden sind. Die Aggressionshandlungen des Klägers sind auch für die nur noch bösartige Rache
des G. H. im Sinne der Verursachung nicht wegzudenken. Das Gericht hat in diese Bewertung durchaus wie vom
Klägervertreter verlangt die schweren Folgen der Gewalttat für den Kläger für sein ganzes weiteres Leben einbezogen.
Es durfte aber auch nicht außer Betracht lassen, dass der Schädiger im Falle der Zusprache einer Versorgung durch
den Regress des Beklagten in einem vermutlich für seine jedenfalls wirtschaftliche Existenz gleichermaßen
lebenslang in einer kaum absehbaren Dimension belastet würde. Die Beurteilung der Kausalität des Verhaltens des
Klägers auch für die letzten gegen ihn geführten Schläge von G. H. gehört zu den schwierigen Bewertungsfragen, bei
deren Beantwortung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer unter dem Eindruck einer zielführenden
Darlegung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Der in so
vielen anderen Fällen mit Blick auf Gesetz und ständige Rechtsprechung übliche eindringliche Vorschlag des
vorsitzenden Richters bleibt in der solchen Lage aus. Indem der Klägervertreter den ersten Sitzungstermin mit der zu
späten Vorlage einer Klagebegründung in eine alsbaldige Vertagung münden ließ und dem zweiten Termin
unentschuldigt fernblieb, hat er auf die klassische prozessuale Möglichkeit verzichtet, das Gericht von seinem
Standpunkt zu überzeugen. Seine schriftliche Klagebegründung war nicht geeignet, die Entscheidung des Beklagten
zu Fall zu bringen. Dass die nochmalige Widerlegung einer bereits vom Strafgericht nicht anerkannten Notwehrlage
unergiebig ist, wurde schon dargelegt. Keinesfalls konnte das Sozialgericht die vom Amtsgericht in der Sache gegen
G. H. einvernommenen Zeugen einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht bezichtigen und das auf ihre
Aussagen gestützte rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts für falsch erklären. Wenn der Kläger die für ihn
nachteiligen Aussagen des Strafurteils hätte anfechten wollen, so hätte er die prozessualen Möglichkeiten als
Nebenkläger ausschöpfen müssen. Das Sozialgericht ist jedoch nicht die richtige Instanz zur Korrektur
strafgerichtlicher Feststellungen. Im Übrigen hat das Amtsgericht ja durchaus eine vorsätzliche rechtswidrige
Körperverletzung des G. H. gegen den Kläger festgestellt und dessen Handlungsweise und Mentalität auch unter dem
Eindruck der ihn angeblich unzutreffend begünstigenden Zeugenaussagen mit scharfen Worten und einem keinesfalls
belanglosen Strafmaß verurteilt. Das Gericht musste auch nicht den speziellen Einwand nachgehen, die
Auseinandersetzung zwischen Schädiger und Kläger habe gar nicht in der Wohnung des Schädigers stattgefunden,
sondern auf dem I. Volksfest. Der Ausschank eines Volksfestes pflegt lange vor Mitternacht zu enden, so dass es
keinesfalls plausibel wäre, dass der Kläger morgens um 6 h blutüberströmt "vom Volksfest" gekommen sein soll.
Ohne eine Erläuterung, wo die am Geschehen beteiligten Personen die Nacht verbracht haben sollten bzw. was sie
auf dem stundenlangen verödeten Gelände des Volksfestes die Nacht über getan haben sollten, bleibt die "Variante
Volksfest" inhaltsleer.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).