Urteil des SozG München vom 25.06.2010

SozG München: form, einheit, krankengeld, erwerbseinkommen, bemessungsgrundlage, geburt, arbeitslosigkeit, krankheit, gehalt, konzern

Sozialgericht München
Urteil vom 25.06.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 30 EG 28/09
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 01.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2009 wird
abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Elterngeldes. Die Klägerin beantragte am 16.06.2008 beim
Beklagten die Zahlung von Elterngeld we-gen Erziehung ihrer am XX.XX.2008 geborenen Tochter P ... Mit Bescheid
vom 01.09.2008 bewilligte der beklagte Freistaat das beantragte Elterngeld. Für die Zeit vom 03.06.2008 bis
02.06.2009 wurde nach Auslauf eines anrechnungspflichtigen Mutterschaftsgeldes ein monatlicher Zahlbetrag von
EUR 1207,81 festgesetzt. Die Klägerin erhob am 07.09.2008 Widerspruch und beanstandete die Berechnung des
maßgeblichen Bemessungsentgeltes insofern, als das von ihr bezogene Kurzarbeitergeld nicht berücksichtigt worden
war. Sie sei zum 01.10.2006 intern in eine "siemenseigene Einheit" versetzt worden. Im ersten Jahr in dieser Einheit
seien die Gehälter zur Hälfte von der Agentur für Arbeit und zur anderen Hälfte von Siemens bezahlt worden. Die
Agentur für Arbeit unterstütze jedoch nur Kurzarbeitergeld-Leistungen, daher sei es zur Zahlung von Kurzarbeitergeld
bekommen. Ab 01.10.2007 habe Siemens das reguläre Gehalt ohne Zuschüsse des Arbeitsamtes gezahlt. Die
Klägerin bezeichnete es als ungerecht, wenn ihr nur wegen abrechnungstechnischer Details ihr Elterngeld nicht in
voller Höhe bewilligt würde. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2009 zurück.
Zur Begründung führte er aus, nach § 2 Abs. 1 S. 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) vom
05.12.2006 (BGBl. I S. 2748) werde Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem
Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem
Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich gezahlt. Steuerfreie Einnahmen im Sinne von §§ 3 – 3 c des
Einkommensteuergesetzes (EStG) seien für die Berechnung des Elterngeldes hingegen nicht zu berücksichtigen. Die
Klage hält an dem Begehren fest, für die Monate September 2007 außer dem Erwerbseinkommen auch das
Kurzarbeitergeld in seiner besonderen Form als Transfer-Kurzarbeitergeld für die Berechnung des Elterngeldes
heranzuziehen. Die Klägerin stellt den Vergleich mit Frauen an, die sich während der gesamten Schwangerschaft im
Kran-kenstand befanden, und fragt, ob auch bei ihnen wegen steuerfreien Einkommens in Ges-talt des Krankengeldes
das Elterngeld gekürzt werde.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 01.09.2008 der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.01.2009 zur Neuberechnung des Elterngeldes und Auszahlung in Höhe von
monatlich EUR 1695,46 unter Berücksichtigung des steuerfreien Transferkurzarbeitergeldes in der
Bemessungsgrundlage zu verur-teilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte
sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht
beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie erweist sich jedoch in der Sache als unbegründet. Die
angegriffenen Bescheide ent-sprechen der gesetzlichen Vorschrift des § 2 Abs. 1 BEEG. Das Elterngeld dient nicht
all-gemein dem Ziel, den durch finanzielle Zuflüsse aus verschiedensten Quellen gestützten Lebensstandard der
Eltern während der Erziehung ihres Kindes auf einen gewissen Ni-veau zu halten, sondern will ganz speziell die
Einbuße an Erwerbseinkommen in der er-ten Phase der Erziehung eines Kleinkindes ausgleichen. So verständlich wie
transparent orientiert der Gesetzgeber die Berechnung einer aus Steuermitteln finanzierten Sozialleistung an dem
zuvor versteuerten Einkommen eines Elternteils. Bei der Frage, ob der Ar-beitgeber eine Arbeitsleistung entlohnt hat
mit der Folge einer von Arbeitgeber und Ar-beitnehmer gemeinsam getragenen Abführung von Lohnsteuer (und
Sozialversicherungsbeiträgen) hieraus, oder ob ein aus Beiträgen und Steuern finanziertes System der solidarischen
Sicherung den zeitweisen Ausfall solcher Einnahmen ausgeglichen hat, handelt es sich nicht wie von der Klägerin
vorgetragen um "ein abrechnungstechnisches Detail", sondern um zwei geradezu diametral gegensätzliche
Sachverhalte. Dies gilt auch, wenn die Lohnersatzleistung nicht wie im typischen Fall für eine Phase des durch
Krankheit o-der Arbeitslosigkeit erzwungenen tatsächlichen Fernbleibens vom Arbeitsplatz gezahlt wurde, sondern für
Umstrukturierungsmaßnahmen bei im Prinzip fortbestehender Beschäftigung. Die von der Klägerin aufgeworfene
Frage, ob für das Elterngeld einer Mutter, die während des gesamten Jahres vor der Geburt ihres Kindes
arbeitsunfähig war, das Krankengeld ebenfalls nicht steigernd berücksichtigt wird, lässt sich unzweideutig dahin-
gehend beantworten, dass in der Tat ein solches Krankengeld wie auch Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage außer Betracht
bleibt. Das einzige Privileg im Falle eines Krankengeldbezuges kann darin bestehen, dass eine
schwangerschaftsbedingte Erkrankung zur Verschiebung des Bemessungszeitraums weiter in die Vergangenheit
führt. Der Arbeitgeber der Klägerin, ein bekannter weltweit tätiger Konzern, hat sich bei seinen
Umstrukturierungsmaßnahmen finanziell von der Solidargemeinschaft letztlich auch zum Vorteil der Klägerin selbst
unterstützen lassen. Gerade aus der dadurch resultierenden Gewährung einer Lohnersatzleistung nun den Anspruch
zu konstruieren, hieraus auch für die nächste Leistung der sozialen Ordnung einen Vorteil zu gewinnen, ist ein
origineller Gedanke im gesellschaftlichen Wettlauf um die Kumulation von Begünstigungen zulasten der öffentlichen
Finanzen. Im Gesetz findet diese Konstruktion jedoch keine Grundlage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).