Urteil des SozG München vom 28.05.2009

SozG München: verzinsung, einzahlung, tod, minderung, malus, altersrente, rückzahlung, bilanz, rechtsgrundlage, auszahlung

Sozialgericht München
Urteil vom 28.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 30 R 2951/07
Bayerisches Landessozialgericht L 14 R 669/09
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 02.04.2007 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 13.09.2007 und
des Bescheides vom 21.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2008 wird abgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Beseitigung der Auswirkung eines nach Ehescheidung vorgenommenen
Versorgungsausgleichs. Der Kläger ist geboren 1936. Nach seiner ersten Ehe mit einer Ehezeit vom 01.06.1961 bis
30.11.1981 übertrug das Amtsgericht I. mit Beschluss vom 26.04.1983 von seinem Konto Rentenanwartschaften in
Höhe von DM 196,45 monatlich, bezogen auf den 30.11.1981, auf das Konto seiner früheren Ehefrau W.S., geboren
1939. Zur teilweisen Wiederauffüllung dieses Malus zahlte der Kläger am 31.10.1983 einen Betrag von DM 15.000,00
bei der Beklagten ein. Über den Versorgungsausgleich nach der zweiten Ehe des Klägers mit einer Ehezeit vom
08.06.1985 bis 30.04.1988 traf das Oberlandesgericht M. am 11.07.1997 einen Beschluss mit nur geringen
Auswirkungen. Am 11.07.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Altersrente. Mit Bescheid vom
13.09.2000 sprach die Beklagte ihm eine solche zu in der Höhe von monatlich DM 1111,08. Sie beruhte fast
ausschließlich auf nachentrichteten freiwilligen Beiträgen. Zu den Auswirkungen des Versorgungsausgleichs wurde im
Rentenbescheid ausgeführt: "Die übertragene Rentenanwartschaft ist festgestellt auf monatlich DM 196,45. Daraus
ergeben sich 6,8969 Punkte (gemeint Entgeltpunkte, nachfolgend EP). Zum Ausgleich der Minderung der
Rentenanwartschaft sind Beiträge entrichtet worden. Die sich für diese Beiträge ergebenden EP sind von den
errechneten EP abzuziehen. Beiträge sind entrich-tet für 2,6240 EP. Damit ist der Minderungsbetrag zu errechnen aus
4,2729 EP".
Aus der zweiten Ehe wurde eine Minderung um 0,1484 EP festgestellt. Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass die
erste Ehefrau des Klägers am 19.12.1995 verstorben ist. Ihr eigener Rentenbezug hatte nicht die für einen
Rückausgleich des Versor-gungsausgleichs schädliche Grenze überschritten. Inzwischen war zulasten ihres Versi-
cherungskontos eine große Witwerrente bewilligt worden, die wegen Einkommensanrech-nung jedoch in voller Höhe
ruhte. Mit Bescheid vom 14.11.2000 berechnete die Beklagte die Altersrente des Klägers neu, indem sie die
Minderung durch den Versorgungsausgleich aus der ersten Ehe beseitigte. Sie setzte die Rente mit nunmehr DM
1218,44 fest und minderte die Nachzahlung nach § 4 Versorgungsausgleichshärteregelungsgesetz (VAHRG) um den
für W. S. erbrachten Rentenbetrag. Der Kläger begann daraufhin mit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit
und Sozialordnung, Familie und Frauen einen Briefwechsel über die Rückzahlung der aus seiner Sicht unnötig
entrichteten DM 15.000,00. Das Ministerium und die Beklagte teilten ihm mit, es müsse noch abgewartet werden, ob
die derzeit nur wegen Einkom-mensanrechnung ruhende Witwerrente den Grenzbetrag künftig übersteigen werde. Am
09.01.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, der Witwer von W. S. beziehe jetzt eine Altersrente. Am 02.02.2007
teilte der Kläger der Beklagten mit, er möchte vorerst ausdrücklich nicht die Rückzahlung seiner freiwillig geleisteten
Rentenbeiträge beantragen, sondern es solle ihm freigestellt werden, ob dieser Betrag nicht entsprechend seiner
ursprünglichen Zweckbestimmung für eine Erhöhung seiner Rente verwendet werden kön-ne. Mit Bescheid vom
02.04.2007 verfügte die Beklagte die Rückerstattung des 1983 entrich-teten Betrages in nunmehriger Währung mit
EUR 7669,38. Als Rechtsgrundlage benannte sie § 8 VAHRG. Ein Verbleib des Ausgleichsbetrages im Konto für eine
Rentenerhöhung sei nicht möglich. Mit seinem Widerspruch hiergegen begehrte die Kläger entweder die Anrechnung
der Summe als rechtzeitig entrichtete freiwillige Beiträge oder die Zahlung von Zins und Zin-seszins. Mit Schreiben
vom 16.05.2007 teilte die Beklagte dem Kläger über den Bundes-minister (in der Adresse nur als Mitglied des
Bundestages bezeichnet) Horst Seehofer mit, dass eine Verzinsung der Rückzahlung nach § 44 Sozialgesetzbuch I
(SGB I) erst nach Ablauf von 6 Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages 09.01.2007 möglich sei.
Über die Auszahlung des Erstattungsbetrages könne erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens entschieden
werden. Der Widerspruchsbescheid vom 13.09.2007 wies den Widerspruch zurück und bezeichnete die
Wiederauszahlung der EUR 7669,68 als rechtlich zutreffend. Über die Verzinsung ergehe noch ein gesonderter
Bescheid. Mit seiner am 04.10.2007 erhobenen Klage begehrte der Kläger erneut eine höhere als die bisher
angekündigte Verzinsung und im Übrigen Auskunft, was mit dem eingezahlten Betrag zwischenzeitlich gemacht
worden sei und auf welches Konto er eingezahlt wurde. In einem Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.05.2008
worden sei und auf welches Konto er eingezahlt wurde. In einem Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.05.2008
akzeptierte der Kläger, dass der Rückerstattungsbetrag nicht rentensteigernd angerechnet werden kann. Er beantragte
die Auszahlung des Betrages und zugleich seine Verzinsung seit 1983. Der Beklagten wurde aufgegeben, zu dem
jetzt auf die Verzinsung beschränkten Antrag den bereits im Widerspruchsbescheid angekündigten Bescheid zu
erlassen. Der Rechtsstreit wurde ver-tagt. Mit einem am 23.10.2007 eingegangenen Schreiben konkretisierte der
Kläger seinen An-trag auf Verzinsung des Erstattungsbetrages und errechnete Zins und Zinseszins jeweils auf der
Basis eines Zinssatzes von 4 Prozent und von 5 Prozent. Mit Bescheid vom 21.08.2008 lehnte die Beklagte eine
Verzinsung des Erstattungsbetrages ab 1983 ab und legte dar, dass eine solche erst mit 01.06.2007 beginnen könne.
Das Widerspruchsver-fahren hiergegen blieb erfolglos.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.04.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13.09.2007 und des Bescheides vom 21.08.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.12.2008 zu einer Verzinsung des Rückzahlungsanspruches von DM 15.000,00 ab
31.10.1983 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte
sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht
erhoben. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Zugunsten des Klägers wurden § 4 Abs. 1 und 2 VAHRG in der
seinerzeit gültigen Fas-sung angewendet. Die Absätze lauteten: § 4 Abs. 1: Ist ein Versorgungsausgleich gemäß §
1587 b Abs. 1 oder 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durchgeführt worden und hat der Berechtigte vor seinem
Tod keine Leistungen erhalten, so wird die Versorgung des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebe-nen nicht aufgrund
des Versorgungsausgleichs gekürzt. § 4 Abs. 2: Ist der Berechtigte gestorben und wurden oder werden aus dem im
Versor-gungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt, die insgesamt zwei Jahresbe-träge einer auf das
Ende des Leistungsbezuges ohne Berücksichtigung des Zugangsfak-tors berechneten Vollrente wegen Alters aus der
Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten aus dem erworbenen Anrecht nicht übersteigen, so gilt Absatz 1
entspre-chend, jedoch sind die gewährten Leistungen auf die sich aus Absatz 1 ergebende Erhöhung anzurechnen.
Der Kläger sollte sich bei der Bewertung des gesamten Ablaufes zunächst der Tatsache bewusst sein, dass er ohne
eigenes Zutun, sondern lediglich durch den frühen Tod seiner Ex-Ehefrau von der hohen finanziellen Belastung durch
den 1983 vorgenommenen Ver-sorgungsausgleich befreit wird. Immer wieder werden die Rentenversicherungsträger
und die Sozialgerichte mit dem Begehren nach Abmilderung oder Beseitigung der Folgen eines
Versorgungsausgleichs konfrontiert, ohne jedoch abhelfen zu können, weil die durch den Versorgungsausgleich
begünstigten früheren Partner oder ihre Hinterbliebenen so lange und/oder in solcher Höhe Renten wegen
Erwerbsminderung, Alters oder Todes be-zogen haben oder noch beziehen, dass der Versorgungsausgleich zum
Tragen kommt und nicht rückabgewickelt werden kann. Die insoweit komfortable Situation des Klägers weist
vorliegend die Besonderheit auf, dass er auf die Rückabwicklungsmöglichkeit des VAHRG nur teilweise angewiesen
ist, weil er selbst durch eine Einzahlung an den Rentenversicherungsträger den durch Ver-sorgungsausgleich
eingetretenen Malus großenteils beseitigt hat. Dies ist nach der inzwi-schen vorliegenden jahrzehntelangen Erfahrung
mit dem Versorgungsausgleich insge-samt selten geblieben, sicher auch deshalb, weil Ehescheidungen und ihre
Konsequen-zen in Gestalt des Zugewinnausgleichs, des Aufbaus separater Haushaltungen usw. usw. mit so großen
finanziellen Belastungen verbunden sind, dass der Nachteil in der eigenen Alterssicherung wohl oder übel
hingenommen wird. Ist schon der Ausgleich eines Malus insgesamt selten, so trifft ein solcher Fall noch seltener mit
einem Anwendungsfall von § 4 VAHRG zusammen, durch den die Einzahlung überflüssig wird und rückabgewickelt
wer-den kann. Wie dem Kläger bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.05.2008 erklärt wurde, ist eine
Umwidmung dieses Betrages in zeitgerecht eingezahlte freiwillige Beiträge nicht möglich. Die Entrichtung freiwilliger
Beiträge ist an die Erfüllung der in § 7 Sozialge-setzbuch VI (SGB VI) genannten Voraussetzungen im jeweiligen
Zeitraum gebunden und kann zudem nach § 197 Abs. 2 SGB VI (bzw. den vor 01.01.1992 gültigen Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung) jeweils nur bis zum 31. März des Jahres nach dem Jahr erfolgen, für das sie gelten
sollen. Von daher kann eine Zweckbestimmung der erst 2007 freigegebenen DM 15.000,00 für Monate oder Jahre
lange vor Beginn der Altersren-te nicht in Betracht kommen. Dazu kämen schwer lösbare Berechnungsprobleme durch
das Zusammentreffen dieser "neuen" Beiträge mit den im Versicherungsverlauf schon vorhandenen. Den Anspruch
auf Verzinsung der Erstattung stellt der Kläger in den Zusammenhang mit der Frage, was die Beklagte seit 1983 mit
dem Geld gemacht hat. Kein Rentenversiche-rungsträger bewahrt eingezahlte Beiträge individuell auf oder legt sie
möglichst günstig an, um dann genau aus dem Ertrag dieser Beiträge die jeweilige Rente zu zahlen. Viel-mehr floss
die Einzahlung des Klägers 1983 zusammen mit der Milliardensumme von Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen
jenes Jahres in die Finanzierung der Renten und Rehabilitationsmaßnahmen desselben Jahres ein. Der 2008 wieder
ausgezahlte Be-trag ist nicht wirklich identisch mit der Einzahlung von 1983, sondern wurde zusammen mit Millionen
Renten des Jahres 2008 auch vom Beitrags- und Steuerzahler des Jahres 2008 aufgebracht. Von daher ist die Frage
gegenstandslos, wo der 1983 eingezahlten Betrag oder die daraus erzielten Zinsen geblieben sind. Insgesamt ist an
den Versiche-rungscharakter des Rentensystems zu erinnern: Wenn beispielsweise ein Versicherter nach
jahrzehntelanger Beitragszahlung stirbt, ohne je eine Rente bezogen zu haben und ohne dass Witwe oder Waisen
einen Rentenanspruch haben, kann ebenfalls nicht gefragt werden, wo nun die Beiträge dieses Versicherten bleiben.
Sie fließen in die allgemeine Bilanz der Rentenversicherung ein – genau wie aus dieser allgemeinen Bilanz auch Leis-
tungen über Jahrzehnte hinweg gezahlt werden, die bedingt durch frühe Erwerbsminde-rung oder frühen Tod eines
Versicherten zuvor nur durch ganz unbedeutende Beitrags-zahlungen gestützt wurden. Ein Zinsanspruch bedarf einer
speziellen gesetzlichen Rechtsgrundlage. Diese besteht zu Gunsten des Klägers nicht. Nach § 44 SGB I sind
Sozialleistungen zu verzinsen, nach § 27 SGB IV sind fälschlich entrichtete Pflichtbeiträge anlässlich ihrer Erstattung
zu ver-zinsen. Die Rückabwicklung des Malusausgleichs von 1983 ist jedoch diesen Varianten nicht zuzuordnen. Es
handelt sich auch nicht beispielsweise um ein privatrechtliches Dar-lehen. Von daher kommt eine Verzinsung nicht in
Betracht. Nochmals sei der Kläger jedoch an die für ihn günstige Gesamtbilanz erinnert: Bei einem nur unwesentlich
anderen Verlauf, den er nicht beeinflussen konnte, wären ohne jeden Vorteil für seine Rente die DM 15.000 für ihn
verloren gewesen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).