Urteil des SozG München vom 04.10.2001

SozG München: medizinische rehabilitation, behinderung, krankenversicherung, gebärdensprache, krankenkasse, gebrauchsgegenstand, integration, versorgung, anschluss, isolation

Sozialgericht München
Urteil vom 04.10.2001 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 44 KR 624/99
I. Der Bescheid der Beklagten vom 27.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.1999 wird
aufgehoben. II. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für ein Bildtelefon zu übernehmen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Kostenübernahme für ein Bildtelefon. Der Kläger ist Student und als
Gehörloser bislang mit einem Faxgerät und Lichtsignallampe ausgestattet. Am 25.08.1999 beantragte er bei der
Beklagten schließlich ein Bildtelefon mit ISDN-Anschluss. Nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der
Krankenkasse lehnte die Beklagte den Antrag ab, da ein Bildtelefon kein zugelassenes Hilfsmittel sei und die
Ausstattung mit einem Kommunikationsgerät, nämlich dem Faxgerät auch im Falle des Klägers als ausreichend und
zweckmäßig anzusehen sei. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15.09.1999
zurückgewiesen. In der Begründung des Bescheides, mit dem der Antrag des Klägers auf ein Bildtelefon mit ISDN-
Anschluss zurückgewiesen wurde, bezog sich die Beklagte auf ein Schreibtelefon, welches der Kläger bereits früher
beantragt hatte.
Mit Datum vom 03.10.1999 legte der Kläger Klage beim Sozialgericht München ein. In der Begründung trug er vor,
dass sowohl das Faxgerät wie auch ein Schreibtelefon gravierende Nachteile gegenüber dem beantragten Bildtelefon
bäten. Mit dem Telefaxgerät sei ausschließlich eine Kommunikation in Briefform möglich, es käme kein Dialog
zustande und Missverständnisse seien vorprogrammiert. Mit einem Bildtelefon könne er dagegen erstmals in seiner
eigenen Muttersprache, der Gebärdensprache, kommunizieren und echte Dialoge führen. Der Anwendungsbereich sei
groß, da Gespräche sowohl mit den Gesprächspartnern möglich wären, die selbst über ein Bildtelefon verfügten als
auch mit "normal" hörenden Personen (z.B. Ärzten, Behörden), wenn Vermittlungsstellen die Gespräche am
Bildtelefon übersetzten. Weiter trug er vor, dass Kommunikation ein Grundbedürfnis sei und Isolation zu teueren
Folgekrankheiten führen könne. Darüber hinaus verstoße die Ablehnung des Bildtelefons gegen den
Gleichheitsgrundsatz und das Antidiskrimminierungsgesetz. Der Kläger teilte mit, dass er mittels des Bildtelefons mit
ca. 5-10 privaten Kontakten kommunizieren könne, daneben mit allen Verbänden und Vereinigungen, mit denen er als
Gehörloser in Verbindung stehe.
In der mündlichen Verhandlung am 04.10.2001 gab die Beklagte an, dass nach ihrer Ansicht die Rechtssprechung des
Bundessozialgerichts zum Schreibtelefon auf das Bildtelefon übertragbar sei und somit eine Kostenübernahme durch
die Krankenversicherung nicht zu erfolgen habe. Vom Beistand des Klägers wurde dagegen angeführt, dass in dem
neugeschaffenen SGB IX Regelungen enthalten sind, die die Verständigung durch Gebärdensprache mit Behörden
vorsähen und das Bildtelefon daher zukünftig zum Standard bei der Verständigung mit Gehörlosen gehören werde. Der
Kläger erklärte auf Nachfrage, dass er bereits über einen ISDN-Anschluss verfüge und dieser daher nicht mehr zum
Klagegegenstand gemacht werde.
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 27.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
15.09.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für ein Bildtelefon zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Klageakte Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig (§§ 51, 57 Abs. 1 Satz 1 Halbs.
1 SGG). Die Klage ist auch nach § 54 Abs. 4 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft. Der
Kläger beantragt die Kostenübernahme für ein noch nicht angeschafftes Gerät; dieser Antrag ist im Sinne der
Verurteilung zur Verschaffung einer Sachleistung zu verstehen. Der Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt,
obwohl er offen lässt, welches konkrete Fabrikat begehrt wird. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass eine
Klage auf eine global umschriebene Leistung jedenfalls dann zulässig ist, wenn nicht nur die Entscheidung über die
Art der Gewährung (Leihe oder Übereignung), sondern auch die Spezifizierung der geschuldeten Leistung im
Zusammenwirken der Behörde mit dem Leistungsempfänger zu erfolgen hat und kein Anhaltspunkt dafür vorliegt,
dass die Beteiligten im Falle einer Verurteilung der Behörde über die Auswahl streiten werden (BSG, Urteil vom
17.01.1996, Az.: 3 RK 39/94, USK 9676 Seite 433 ff.). Im vorliegenden Fall streiten die Parteien nicht über ein
konkretes Produkt, sondern um die grundsätzliche Frage, ob dem Kläger ein Bildtelefon zu gewähren ist. Da es also
um die Spezifizierung der Leistung geht, ist der Klageantrag zulässig gestellt.
Das Widerspruchsverfahren ist auch ordnungsgemäß abgeschlossen worden. Die Verwechslung durch die Beklagte in
der Begründung des Widerspruchsbescheids ist unschädlich, da es sich offensichtlich und für beide Parteien
erkennbar um einen Schreibfehler handelte.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf ein Bildtelefon als Hilfsmittel.
Gemäß § 33 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung von Seh- und Hörhilfen,
Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der
Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 ausgeschlossen sind.
Ein Bildtelefon ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Bildtelefone gehören zwar nicht zu den
Gegenständen, die von der Konzeption ausschließlich für Hörbehinderte gedacht sind, so dass sie als allgemeine
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens grundsätzlich in Betracht kommen. Nach der Rechtsprechung des BSG
hängt die Frage des allgemeinen Gebrauchs eines Gegenstandes in erster Linie von seiner praktischen Bedeutung für
die Lebensführung der Menschen und ihre alltäglichen Lebensbetätigungen ab. Neben der tatsächlichen Verbreitung
ist auch der Preis in die Wertung mit einzubeziehen (BSG vom 17.01.1996, 3 RK 39/94, USK 9676, S. 436). Es ist
festzustellen, dass Bildtelefone derzeit (noch) einen sehr geringen Verbreitungsgrad in der Bevölkerung haben, sie
sind auf dem deutschen Markt kaum verfügbar. Auch wenn ihr Anschaffungspreis mit weniger als 1.000,00 DM nicht
sehr hoch ist, kann deswegen nach Ansicht des Gerichts nicht von einem Gebrauchsgegenstand des täglichen
Lebens ausgegangen werden, da darunter nur Gegenstände fallen, die allgemein im täglichen Leben verwendet
werden.
Die Gewährung eines Bildtelefons ist auch nicht durch § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen. In der aufgrund dieser
Vorschrift erlassenen Verordnung über Hilfsmittel von geringen therapeutischem Nutzen oder geringen Abgabepreis in
der gesetzlichen Krankenversicherung sind Bildtelefone nicht aufgenommen.
Auch die fehlende Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V steht der Leistungspflicht nicht
entgegen, da das Hilfsmittelverzeichnis den Gerichten nur als unverbindliche Auslegungshilfe dient (BSG SozR 3-
2500 § 33 Nr. 16).
Der geltend gemachte Anspruch scheitert auch nicht an der Tatbestandsvoraussetzung der Erforderlichkeit im Sinne
des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Das Gesetz gewährt einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln der gesetzlichen
Krankenversicherung, wenn sie "im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder
eine Behinderung auszugleichen". Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist danach allein die medizinische
Rehabilitation, also die Wiederherstellung der Gesundheit einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs und
des Behinderungsausgleichs. Dies bedeutet, dass die Körperfunktionen soweit wie möglich wiederhergestellt werden
sollen, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Bei einem
unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Organfunktion selbst gerichteten Hilfsmittel, insbesondere einem
künstlichen Körperglied, ist ohne weiteres anzunehmen, dass eine medizinische Rehabilitation vorliegt. Hingegen
werden nur mittelbar oder nur teilweise die Organfunktionen ersetzende Mittel nur dann als Hilfsmittel im Sinne der
Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten
Lebensbereich (Beruf, Gesellschaft, Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben beseitigen oder mildern und
damit einen "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betreffen (BSG vom 03.11.1999, Az.: B 3 KR 16/99 R).
Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehört nach der Rechtsprechung auch die erforderliche Erschließung
eines gewissen geistigen Freiraums durch die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen zur
Vermeidung von Vereinsamung und zum Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens. Maßstab ist stets der
gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke und behinderte Mensch durch die medizinische
Rehabilitation und mit Hilfe des von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittels wieder aufschließen soll (ständige
Rechtsprechung des BSG, SozR 3-2500, § 33 Nr. 1 Nr. 7, 13, 16 und 27).
Beim Kläger liegt eine Behinderung vor, da er beidseitig gehörlos ist. Diese Behinderung schränkt ihn auch in seiner
Betätigung der allgemeinen Grundbedürfnisse ein, da die Fähigkeit zu hören und daraus folgend Kommunikation zu
betreiben zu den Grundbedürfnissen jedes Menschen gehören. Ein Bildtelefon kann im vorliegenden Fall der
Befriedigung des allgemeinen Grundbedürfnisses auf Kommunikation mit anderen Menschen dienen. Es versetzt den
Kläger in die Lage, sich nicht nur schriftlich zu äußern, sondern die erlernte Gebärdensprache einzusetzen, die es ihm
ermöglicht eine echte Kommunikation durch Dialoge zu führen. In diesem Sinne trägt das Bildtelefon auch dazu bei,
das Grundbedürfnis auf Integration zu fördern und eine drohende Isolation des Klägers zu verhindern.
Die Versorgung mit einem Bildtelefon ist im vorliegenden Fall der Leistungspflicht der Krankenkasse und nicht der
Sozialhilfeverwaltung zuzuordnen. Die Rechtsprechung hat Hilfsmittel, die nicht unmittelbar an der Behinderung
ansetzen, sondern bei deren Folgen auf beruflichem, gesellschaftlichem oder auch nur privatem Gebiet nicht als
Hilfsmittel der Krankenversicherung anerkannt und insoweit zwischen Hilfsmittel der Krankenversicherung und
solchen der Eingliederungshilfe unterschieden (vgl. BSG, SozR 2200 § 182 b Nr. 5). Dies gilt aber nach Ansicht des
BSG (SozR Nr. 3-2500 § 33 Nr. 16) nur für Hilfsmittel die ausschließlich oder nahezu ausschließlich für eines dieser
Gebiete eingesetzt werden. Soweit jedoch allgemeine Grundbedürfnisse betroffen sind, fällt nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG auch der Ausgleich der Folgen der Behinderung auf den genannten Gebieten in die
Leistungspflicht der Krankenversicherung (z.B. BSG, SozR 2200 § 182 b Nr. 10). Hieran dürfte sich auch nichts durch
die Regelungen des neuen SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.06.2001 geändert
haben. Gemäß § 5 Nr. 4 SGB IX werden zwar auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erbracht.
Träger dieser Leistungen sind gemäß § 6 Abs. 1 entweder die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Nr. 3) oder
die Träger der Sozialhilfe (Nr. 7). Gemäß § 7 gelten für Leistungen zur Teilhabe die Vorschriften des SGB IX
allerdings nur insoweit, als sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts
abweichendes ergibt. Für den hier zu behandelnden Fall bedeutet dies, dass soweit ein Anspruch aus § 33 Abs. 1
Alternative 2 SGB V besteht, die Regelungen des SGB IX nicht mehr eingreifen können.
Der geltend gemachte Anspruch scheitert auch nicht an der Tatsache, dass der Kläger bereits mit einem Faxgerät
und einer Lichtsignallampe ausgestattet ist. Der 3. Senat des BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden,
dass ein das Standardtelefon ersetzendes Gerät (wie das Telefaxgerät oder das Schreibtelefon) für einen Gehörlosen
oder Ertaubten jedenfalls dann als erforderliches Hilfsmittel im Sinne des Krankenversicherungsrechts anzusehen ist,
wenn der Versicherte wegen seiner Behinderung aufgrund besonderer Umstände auf die Verbindung mit anderen
Benutzern von Telefax bzw. Schreibtelefonen unumgänglich angewiesen ist (vgl. BSG Urteil vom 17.01.1996 - 3 RK
93/94, USK Nr. 9676). Der 1. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 03.11.1993 - 1 RK 42/92, SozR 3-2500 § 33
Nr. 5) offen gelassen, ob nicht generell anerkannt werden muss, dass Schreibtelefone für Gehörlose in der
Bundesrepublik ein erforderliches Hilfsmittel sind. Auch im dortigen Fall lag eine besondere Situation bei der Klägerin
vor.
Das Bildtelefon ist ersichtlich derzeit das einzige technische Hilfsmittel, das eine fernmündliche Verständigung im
direkten Dialog ermöglicht. Auch das sogenannte "Chatten" über den PC, den der Kläger besitzt, erreicht nicht den
Grad der Verständigung wie das Bildtelefon, das den Gesprächspartner mit der für den Gehörlosen wichtigen Mimik
und Haltung abbildet. Schon gar nicht ist ein Faxgerät in der Lage eine gleichwertige Alternative für das Bildtelefon
darzustellen, da ein Meinungsaustausch nur mit langer Verzögerung möglich ist und daher für private Kontakte relativ
uninteressant ist. Es ist also festzustellen, dass kein gleichgeeignetes Hilfsmittel zur Verfügung steht.
Nach Ansicht der Kammer liegen aber auch im Sinne der Entscheidungen der 3. und 8. Senate des BSG beim Kläger
besondere Umstände vor, die die Gewährung eines Bildtelefones durch die Krankenkasse rechtfertigen. Der Kläger ist
noch in der Berufsausbildung und verfügt über einen Bekannten- und Freundeskreis, mit dem er sich durch
Gebärdensprache verständigen kann. Weitere Kontakte mit Personen, die hierzu nicht in der Lage sind, gestalten sich
schwierig, d.h. sind grundsätzlich nur schriftlich oder mittels eines Dolmetschers möglich. Der Kläger hat vorgetragen,
dass Isolation und Vereinsamung unter Gehörlosen weit verbreitet sind. Nach Ansicht des Gerichts ist es
einleuchtend, dass die Integration eines jungen Behinderten, wie dem Kläger, umso mehr erleichtert wird, je besser
die Kommunikationsmöglichkeiten zu anderen Personen sind. Die Pflege eines Bekannten- und Freundeskreises z.B.
ist durch das Versenden von Faxnachrichten um einiges schwieriger als ein regelmäßiges Gespräch über das
Bildtelefon. Für den noch jungen Kläger, bei dem wichtige Weichenstellungen sowohl im beruflichen wie im privaten
Bereich anstehen, ist das Bildtelefon ein notwendiges Hilfsmittel zur Integration und Gleichberechtigung in der
Gesellschaft.
Das Bildtelefon ist auch geeignet einen entsprechenden Ausgleich zu bewirken. Der Kläger hat überzeugend
vorgetragen, dass die auf dem Markt befindlichen Geräte technisch so ausgereift sind, dass eine Verständigung durch
Gebärdensprache einwandfrei möglich ist. Der Kläger hat auch dargelegt, dass die Gewährung eines Bildtelefones in
seinem speziellen Fall nicht daran scheitern müsse, dass etwaige Gesprächspartner nicht mit einem derartigen Gerät
ausgestattet wären. Nach seinen glaubhaften Angaben verfügt er über 5-10 private Kontakte, die ebenfalls ein
Bildtelefon besitzen. Darüber hinaus steht er mit zahlreichen gehörlosenspezifischen Verbänden und Einrichtungen in
Verbindung, die ebenfalls über Bildtelefone kommunizieren. Hierzu gehören wohl auch die neuen nach § 23 SBG X
einzurichtenden gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger, die gemäß § 23 Abs. 3 so auszustatten sind,
dass sie ihre Aufgaben umfassend und qualifiziert erfüllen können, Zugangs- und Kommunikationsbarieren nicht
bestehen und Wartezeiten in der Regel vermieden werden. Aufgrund der technischen Möglichkeiten des Bildtelefones
und der zahlreichen Einsatzvarianten, ist es als geeignetes Hilsmittel für den Kläger im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V
anzusehen.
Die von der Beklagten vertretene Ansicht, dass die beim Kläger vorhandene Ausstattung mit einem Telefaxgerät und
Lichtsignallampe ausreichend sei, kann das Gericht nicht teilen. Die Beantwortung der Frage, ob etwas ausreichend
ist oder nicht, muss sich nach Überzeugung des Gerichtes auch an den vorhandenen Möglichkeiten und dem
technischen Fortschritt orientieren (Krauskopf, Kommentar zur sozialen Kranken- und Pflegeversicherung, § 33 SGB
V Rdnr. 29), auch wenn Leistungsträger nicht die neuesten und hochentwickeltsten Hilfsmittel schulden. Ein
Bildtelefone ist in diesem Sinne gegenüber dem vorhandenen Telefaxgerät weit überlegen, bzw. sie sind kaum
miteinander zu vergleichen.
Bildtelefone sind in der Gesamtschau auch nicht weniger wirtschaftlich als Telefaxgeräte (§ 12 Abs. 1 SGB V). Der
Kläger hat beispielhaft auf ein Gerät der Telekom in Standardausführung zu einem Anschaffungspreis von 998,00 DM
hingewiesen. In Anbetracht der weitreichenden Vorteile, und des nicht als überzogen erscheinenden
Anschaffungspreises ist davon auszugehen, dass dem Gebot der Wirtschaftlichkeit des Hilfsmittels insoweit genüge
getan werden kann.
Der Kläger hat einen Eigenanteil für die Anschaffungs- und Betriebskosten des Bildtelefons zu tragen. Das Bildtelefon
ersetzt bei Gehörlosen und Ertaubten ein Standardtelefon; dieses ist ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des
täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Da anzunehmen ist, dass sich der Kläger ohne eine
Hörbehinderung ein Standardtelefon angeschafft hätte, hat er ersparte Aufwendungen bei den Anschaffungs- und
Betriebskosten als Eigenanteil zu tragen.
Da die Beklagte mit ihrem Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2001 unterlegen ist, hat sie auch etwaige
notwendige außergerichtliche Kosten des Klägers zu tragen (§ 193 Abs. 1 SGG).