Urteil des SozG München vom 03.08.2009

SozG München: eintritt des versicherungsfalls, kostenvorschuss, auflage, einfluss, beitrag, psychiatrie, vergleich, rücknahme, rente, neurologie

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 03.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 15 R 1219/05
Bayerisches Landessozialgericht L 13 R 108/09 B
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 20. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Gegenstand des beim SG München anhängig gewesenen Rechtsstreits war die Gewährung einer
Erwerbsunfähigkeitsrente für zurückliegende Zeiten.
Die Beschwerdeführerin (Bf) hatte am 07.11.1995 die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt. Im
anschließenden Klageverfahren wurde ein Gutachten des Nervenarzt und Psychiaters Dr. M. vom 30.12.1998
eingeholt, der die Bf für voll erwerbsfähig hielt. Auf das klageabweisende Urteil hatte sie Berufung eingelegt. Der in
diesem Verfahren nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Sachverständige gehörte Nervenarzt Dr. K. kam zum
Ergebnis, dass bei der Bf seit November 1998 Erwerbsunfähigkeit vorliege. Auf dieser Grundlage wurde das Verfahren
am 16.05.2002 durch Vergleich beendet und das Vorliegen des Versicherungsfalls zum November 1998 angenommen.
Der darauf basierende Rentenbescheid erging am 22.10.2002. Am 20.11.2003 beantragte die Bf die Rücknahme
dieses Bescheides und die Gewährung der Rente ab 01.11.1995. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 08.09.2004 und
Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 abgelehnt. Im daran anschließenden Klageverfahren wurde auf Antrag der Bf
die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Frau Dr. B. gemäß § 109 SGG gehört. In ihrem Gutachten vom
15.06.2007 schloss die Sachverständige nicht aus, dass bereits 1995 keine Tätigkeit mehr zumutbar gewesen sei,
folgte aber Dr. K., dass seit Ende 1998 von einem Dauerzustand auszugehen sei. In der mündlichen Verhandlung
vom 14.11.2007 wurde die Klage zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 19.11.2007 beantragt die Bf sodann, die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten
der Staatskasse aufzuerlegen, da es wesentlich zur Sachaufklärung beigetragen und die Entscheidungsfindung
wesentlich gefördert habe. Mit Beschluss vom 20.01.2009 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und ausgeführt,
dem Gutachten der Frau Dr. B. habe kein wesentlicher Beitrag zur Sachaufklärung entnommen werden können. Die
Sachverständige habe sich mit Formulierungen wie " ...zwar nicht eindeutig, aber doch auch nicht ausschließend ..."
oder " ...nicht auszuschließen, denn eher anzunehmen ..." sehr vage zum Eintritt des Versicherungsfalls eingelassen.
Daher könne das Gutachten auch nicht als beweiserheblich angesehen werden. Dagegen richtet sich die Beschwerde
der Bf, die weiterhin an ihrer Auffassung festhält, das Gutachten der Frau Dr. B. habe wesentlich zur Aufklärung des
Sachverhalts beigetragen.
II.
Die zulässige und insbesondere rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.
Die Bf hat keinen Anspruch darauf, dass die Kosten des auf ihren Antrag nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens
der Frau Dr. B. vom 15.06.2007 auf die Staatskasse übernommen werden.
Soweit § 109 Abs. 1 SGG vorsieht, dass auf Antrag des Versicherten, Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen
ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören ist, stellt dieses Beweisantragsrecht ein Korrelat zu dem im
sozialgerichtlichen Verfahren ansonsten vorherrschenden Amtsermittlungsprinzip dar. Es gewinnt seine
verfahrensrechtliche Bedeutung im Wesentlichen dann, wenn das Gericht weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht
(mehr) für erforderlich hält. In diesem Fall ist es grundsätzlich sachlich gerechtfertigt, die nach § 109 Abs 1 SGG
beantragte Beweiserhebung gemäß Satz 2 dieser Vorschrift von einem Kostenvorschuss abhängig zu machen (vgl.
Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, 2008, § 109 Rdnr. 1, 2, 13). Für die etwaige spätere Übernahme der Kosten der
Begutachtung auf die Staatskasse folgt hieraus zugleich, dass diese im Wesentlichen davon abhängig zu machen ist,
ob das gemäß § 109 Abs. 1 SGG eingeholte Gutachten nachträglich die Annahme rechtfertigt, dass bei vorheriger
Kenntnis des Beweisergebnisses eine gleichartige Maßnahme gerichtlicher Amtsaufklärung erforderlich oder
zumindest förderlich gewesen wäre. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Gutachten Einfluss auf die
gerichtliche Entscheidung genommen hat (Meyer-Ladewig, aaO, Rdnr. 16a). Zugleich ergibt sich aus den
vorstehenden Erwägungen, dass eine Übernahme der Kosten auf die Staatskasse abzulehnen ist, soweit sich aus
dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten keine für die Entscheidung wesentlichen Erkenntnisse ergeben.
Unter Berücksichtigung dessen sieht auch der Senat im vorliegenden Fall keinen Anlass für die Übernahme der durch
die Einholung des Gutachtens der Frau Dr. B. entstandenen Kosten. Aus diesem Gutachten haben sich hinsichtlich
der für die erstinstanzliche Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Umstände keine wesentlichen neuen
Gesichtspunkte ergeben. Dies folgt bereits daraus, dass Frau Dr. B. lediglich zu den gleichen Ergebnissen wie der
bereits vor ihr im Verfahrensverlauf gehörte Sachverständige Dr. K. gekommen ist und die zum Antragsdatum
wesentlich zeitnäheren Gutachten die von der Bf vertretene Auffassung gerade nicht stützen. Wegen der Einzelheiten
nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG auf die
Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 20.01.2009 Bezug. Zu weitergehenden Ausführungen besteht kein
Anlass, zumal die Bf ihre Beschwerde nicht näher begründet hat.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177
SGG).