Urteil des SozG Marburg vom 11.10.2006

SozG Marburg: berufliche eignung, versorgung, innere medizin, psychotherapeut, hessen, stadt, psychotherapie, verfügung, leistungserbringer, anteil

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 11.10.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 732/06
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 72/06
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) und 9)
sowie die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Zulassung des Beigeladenen zu 1) zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit
als Psychologischer Psychotherapeut im Rahmen einer Praxisnachfolge der Beigeladenen zu 9), einer Ärztin, in C-
Stadt.
Die Beigeladene zu 9) war als Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin mit Praxissitz in C-Stadt zugelassen.
Aufgrund Verzichts stellte der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen
mit Beschluss vom 15.12.2005 fest, dass ihre Zulassung zum 31.12.2005 endet.
Der Beigeladene zu 1) ist seit 1999 approbierter Psychologischer Psychotherapeut und seit 11.01.2000 in das
Psychotherapeutenregister in Hessen eingetragen.
Die Beigeladene zu 9) gab ihren Kassenarztsitz zur Ausschreibung, auf den sich auch der Beigeladene zu 1) am
22.11.2005 bewarb.
Mit Datum vom 08.11.2005 teilte die Beigeladene zu 9) dem Zulassungsausschuss mit, trotz intensiver Bemühungen
sei es ihr nicht gelungen, einen ärztlichen Nachfolger zu finden. Sie bitte daher darum, den Kassenarztsitz an einen
psychologischen Bewerber zu vergeben. Andernfalls würde dem Sicherstellungsauftrag entgegengearbeitet als auch
ihrem berechtigten wirtschaftlichen Interesse.
Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ließ den Beigeladene zu 1)
mit Beschluss vom 15.12.2005 (Beschlussausfertigung am 23.12.2005) zur Übernahme des gem. § 103 Abs. 4 SGB
V ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes in C-Stadt, C-Straße, Landkreis H-Stadt zur vertragspsychotherapeutischen
Tätigkeit zu und wies die Anträge der vier weiteren Bewerber, allesamt Psychologische Psychotherapeuten, zurück.
In der Begründung heißt es u. a., da keine Bewerbung eines ärztlichen Psychotherapeuten vorgelegen habe, habe
man dem Antrag des Beigeladenen zu 1) stattgegeben. Die Zulässigkeit ergebe sich aus § 101 Abs. 2 SGB V.
Überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte und Psychotherapeuten bildeten danach eine
Arztgruppe.
Hiergegen legte Klägerin am 17.01.2005 Widerspruch ein. Sie führte aus, die Zulassungsgremien hätten auch Nr. 22b
der Bedarfsplanungs-Richtlinien zu beachten. Danach müssten jeweils mindestens 40 % der Psychotherapeuten
ärztliche bzw. psychologische Psychotherapeuten sein. Die "40/40/20-Regelung" habe zur Folge, dass in einem
Nachbesetzungsverfahren ein psychologischer Psychotherapeut nicht Nachfolger eines ärztlichen Psychotherapeuten
werden könne. Dies gelte auch dann, wenn es keinen ärztlichen Psychotherapeuten als Bewerber für den
ausgeschriebenen Vertragsarztsitz gebe. Der ausgeschriebene Vertragsarztsitz müsse dann frei bleiben. Andernfalls
werde im Ergebnis die Bedarfsplanung unterlaufen. Hintergrund sei, dass für psychologische Psychotherapeuten
grundsätzlich Zulassungsbeschränkungen bestünden, während ärztliche Psychotherapeuten auf Grund des
bestehenden Nachwuchsproblems noch freie Kontingente hätten. Bei einer Besetzung mit einem psychologischen
Psychotherapeuten steige deren Anteil und sinke der Anteil der ärztlichen Psychotherapeuten. Da der
Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Beschluss vom 31.08.2005 für die Fachgruppe der ärztlichen
Psychotherapeuten und die Fachgruppe der psychologischen Psychotherapeuten im Planungsbereich Landkreis H-
Stadt Zulassungsbeschränkungen angeordnet habe, könne der Vertragsarztsitz der Beigeladenen zu 9) nicht mit
einem psychologischen Psychotherapeuten nachbesetzt werden. Die Quotierung sei nicht auf Neuzulassungen
beschränkt. Der psychologische Psychotherapeut könne einen ärztlichen Vertragsarztsitz nicht voll einnehmen. Eine
Nachfolgezulassung sei nur innerhalb der Gruppen der Ärzte, der psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapeuten zulässig. Die "40/40/20-Regelung" solle fortwährend gelten. Die Beigeladene zu
9) sei lediglich wie alle Ärzte dem Risiko ausgesetzt, keinen Nachfolger zu finden.
Der Beigeladene zu 1) trug vor, § 101 Abs. 4 SGB V i. V. m. Nr. 22b der Bedarfsplanungs-Richtlinien sei wegen des
Gesetzesvorbehaltes nach Art. 12 Abs. 1 GG auf die Neuzulassung von Bewerbern beschränkt. Die Regelungen zur
Nachfolgezulassung führten Gesichtspunkte der Bedarfsplanung nicht auf. Ohne gesetzliche Regelung werde auch die
Eigentumsgarantie unterlaufen. Nach § 101 Abs. 2 SGB V seien auch ärztliche und psychologische
Psychotherapeuten grundsätzlich gleichwertig.
Die Beigeladene zu 9) führte aus, bei einer anderen Entscheidung werde sie in ihren Grundrechten nach Art. 2, 12 und
14 GG verletzt. Auch sei die Sicherstellung nicht gewährleistet. Es gebe inzwischen eine Warteliste von mindestens
40 Patienten. Die Ausnahmeregelung nach § 103 SGB V solle gerade das Interesse an einem Praxisverkauf mit der
Bedarfsplanung harmonisiert werden. Trotz Zulassungsbeschränkung könne die Praxis aus Gründen des
Eigentumsschutzes verwertet werden. Diese Interessen seien vorrangig. Die Quotierung nach § 101 Abs. 4 SGB V i.
V. m. Nr. 22b der Bedarfsplanungs-Richtlinien sei eine Erprobungsregelung, die bis 31.12.2008 gelte.
Mit Beschluss vom 22.02.2006, ausgefertigt am 07.04.2006, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. In der
Begründung führte er aus, wegen des Gesetzesvorbehaltes in Art. 12 und 14 GG obliege es dem Gesetzgeber zu
regeln, ob und unter welchen Umständen ein psychologischer Psychotherapeut in der Nachfolge einer ärztlichen
Psychotherapeutin deren Vertragsarztsitz übernehmen könne. Eine ausdehnende Anwendung der Bedarfsplanungs-
Richtlinien sei nicht möglich. Auf eine Praxisnachfolge könnten diese Regelungen nicht angewandt werden. Mit § 103
Abs. 4 SGB V habe der Gesetzgeber eindeutig dem Eigentumsschutz Vorrang eingeräumt.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.04.2006 unter Wiederholung ihres Widerspruchsvorbringens die Klage erhoben. Sie
trägt ergänzend vor, bei der Auswahl eines Nachfolgers hätten die Zulassungsgremien auch Nr. 22b der
Bedarfsplanungs-Richtlinien zu beachten. Auch aus der systematischen Stellung des § 103 Abs. 4 SGB V ergebe
sich die Anwendung der Zulassungsbeschränkungen. Das wirtschaftliche Interesse des ausscheidenden Arztes sei
nicht in jedem Fall vorrangig.
Der Klägerin beantragt, den Beschluss vom 22.02.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den
Beschluss des Zulassungsausschusses/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seinen angefochtenen Beschluss und trägt weiter vor, die "40/40/20-Regelung" laufe 2008 aus. Der
BSG-Rechtsprechung könne die Geltung der Quotenregelung bei einer Nachfolgebesetzung nicht entnommen werden.
Mangels klarer Aussage des Gesetzgebers habe er Nr. 22b der Bedarfsplanungs-Richtlinien nicht anwenden können.
Die Beigeladene zu 1) bis 6) und 9) beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen zu 7) und 8) haben keinen Antrag gestellt.
Der Beigeladene zu 1) ist der Auffassung, der Anwendungsbereich der Zulassungsbeschränkungen sei wegen des
Gesetzesvorbehalts nach Arzt. 12 Abs. 1 GG auf den gesetzlichen Inhalt beschränkt. Bei der Nachfolgezulassung
seien Gesichtspunkte der Bedarfsplanung nicht zu berücksichtigen.
Die Beigeladene zu 9) verweist auf die Ausführungen des Beklagten und wiederholt im Übrigen im Wesentlichen ihr
bisheriges Vorbringen.
Die übrigen Beigeladenen haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 28.04.2006 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und
Psychotherapeuten und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des
Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Kammer konnte dies trotz
Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 7) und 8) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese
Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 22.02.2006 ist rechtmäßig und war daher
nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, den Beschluss des
Zulassungsausschusses/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen aufzuheben.
Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet
sind, durch Erreichen der Altersgrenze, Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger
fortgeführt werden soll, hat die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung
über die Praxis berechtigten Erben diesen Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen
vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben und eine Liste der eingehenden Bewerbungen zu erstellen. Dem
Zulassungsausschuss sowie dem Vertragsarzt oder seinen Erben ist eine Liste der eingehenden Bewerbungen zur
Verfügung zu stellen. Unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen
Vertragsarztes fortführen wollen, hat der Zulassungsausschuss den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen
auszuwählen. Bei der Auswahl der Bewerber sind die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der
ärztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen, ferner, ob der Bewerber der Ehegatte, ein Kind, ein angestellter Arzt des
bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich ausgeübt wurde. Ab
dem 1. Januar 2006 sind für ausgeschriebene Hausarztsitze vorrangig Allgemeinärzte zu berücksichtigen. Die
wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben sind nur insoweit zu
berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswerts der Praxis nicht übersteigt (§ 103 Sozialgesetzbuch,
Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung i. d. F. des Gesetzes vom 14.11.2003, BGBl. I S. 2190 – SGB V).
Diese Voraussetzungen hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise beachtet. Streitig ist zwischen den
Beteiligten lediglich die Frage, ob ein Psychologischer Psychotherapeut die Praxis einer Fachärztin für
Psychotherapeutische Medizin übernehmen kann.
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, ein Psychologischer Psychotherapeut könne einen ärztlichen Vertragsarztsitz
nicht voll einnehmen, eine Nachfolgezulassung sei nur innerhalb der Gruppen der Ärzte, der Psychologischen
Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zulässig, so findet dies im Gesetz keine
Stütze.
Die Psychologischen Psychotherapeuten sind seit 1999 aufgrund des Gesetz über die Berufe des Psychologischen
Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 16.06.1998, BGBl. I S. 1311 (PsychThG) in Durchbrechung des alten
Ärztemonopols gleichberechtigt neben den Ärzten, beschränkt nur durch die Reichweite ihrer Fachkunde (vgl. §§ 28
Abs. 3 Satz 2, 73 Abs. 2 Satz 2 SGB V; s. a. § 1 Abs. 3 PsychThG), im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung
tätig. Für das Zulassungsrecht und damit § 103 SGB V folgt dies unmittelbar aus der Analogievorschrift des § 72 Abs.
1 Satz 2 SGB V (vgl. weiter die §§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, 69 S. 1, 72 Abs. 1 S. 1, 285 Abs. 4 SGB V).
Psychologische Psychotherapeuten üben sozialrechtlich nicht mehr einen Heilhilfsberuf, sondern einen heilkundlichen
Beruf aus (vgl. § 1 PsychThG). Ihre faktische Einbettung in die vertragsärztliche Versorgung über das sog.
Delegationsverfahren ist überholt. Damit sind sie grundsätzlich den ärztlichen Leistungserbringern gleichgestellt.
Soweit § 103 Abs. 1 Satz 1 SGB V voraussetzt, dass die "Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden soll", ist
grundsätzlich eine fachliche Identität zwischen dem ausscheidenden Leistungserbringer und dem Praxisübernehmer
zu verlangen. Diese fachliche Identität ist aber nicht auf die fachärztlichen Bereiche nach den
Weiterbildungsordnungen beschränkt. Dies zeigt bereits die Möglichkeit, dass Vertragsarztsitze der hausärztlichen
Versorgungsebene insbesondere von Fachärzten für Allgemeinmedizin oder Fachärzten für Innere Medizin besetzt
sein können und der Gesetzgeber offensichtlich voraussetzt, dass diese Vertragsarztsitze im Wege einer
Praxisnachfolge gegenseitig übernommen werden können. Andernfalls hätte der Gesetzgeber nicht bestimmen
können, dass ab dem 1. Januar 2006 für ausgeschriebene Hausarztsitze vorrangig Allgemeinärzte zu berücksichtigen
seien (§ 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Nach der Begründung zum Gesetzentwurf soll mit dieser Sonderregelung für die
Praxisübergabe in hausärztlich überversorgten Gebieten der Zulassungsausschuss bei der Erteilung der Zulassung für
einen ausgeschriebenen Hausarztsitz verpflichtet werden, geeignete Allgemeinärzte gegenüber Internisten ohne
Schwerpunktbezeichnung, die entsprechend § 73 Abs. 1a ebenfalls an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen
können, zu bevorzugen. Die Sonderregelung sei für Internisten zumutbar, da diesen Ärzten, anders als den
Allgemeinärzten, eine weitere Zulassungsmöglichkeit im fachärztlichen Bereich zur Verfügung stehe. Der
Zulassungsausschuss sei nicht gehindert, im Rahmen seiner Ermessensentscheidung auf der Grundlage der weiteren
Auswahlkriterien eine vom Grundsatz abweichende und daher besonders zu begründende Entscheidung zu treffen
(vgl. BT-Drs. 14/1245, S. 80, zu Nr. 55 (§ 103); BT-Drs. 15/1525, S. 112, zu Nr. 80 b (§ 103)).
Für die fachliche Identität ist somit darauf abzustellen, ob der Praxisübernehmer in der Lage ist, die Praxis im
Wesentlichen fortzuführen, also den Teil der Sicherstellung der Versorgung gewährleisten kann, den zuvor der die
Praxis abgebende Leistungserbringer erbracht hat.
Entsprechend stellt der Gesetzgeber auch für die Bedarfsplanung nicht unmittelbar auf die Weiterbildungsordnungen
ab. Die Ermittlung des Versorgungsgrades hat "arztgruppenspezifische" Veränderungen angemessen zu
berücksichtigen (§ 101 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Die "Arztgruppe" muss nicht notwendig mit dem Fach- bzw. Teilgebiet
i. S. des landesrechtlich geregelten ärztlichen Weiterbildungsrechts identisch sein (vgl. BSG, Urt. v. 09.06.1999 - B 6
KA 37/98 R - SozR 3-2500 § 101 Nr. 3, zitiert nach juris Rn. 19). So gibt es keinen bundeseinheitlich gebrauchten
berufs- bzw. weiterbildungsrechtlichen Begriff des "Nervenarztes" und kann der Bundesausschuss hierunter auch
Psychiater und Neurologen zählen (vl. BSG, Urt. v. 09.06.1999 - B 6 KA 37/98 R - SozR 3-2500 § 101 Nr. 3, juris Rn.
24). Die Zusammenfassung verschiedener Fachgebiete im berufsrechtlichen Sinne zu einer Arztgruppe im
bedarfsplanungsrechtlichen Sinne kann allerdings dazu führen, dass in einer der Bereiche eine massive
Überversorgung besteht, während im anderen Bereich die Versorgung nicht ausreichend gewährleistet ist. Unter
Versorgungsgesichtspunkten kann dem durch Sonderbedarfszulassungen begegnet werden (vgl. BSG v. 09.06.1999 -
B 6 KA 37/98 R - SozR 3-2500 § 101 Nr. 3, juris Rn. 24).
Entsprechend werden nach Nr. 7 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die
Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der
vertragsärztlichen Versorgung in der Fassung vom 9. März 1993, BAnz. Nr. 110 a vom 18. Juni 1993, zuletzt
geändert am 21. Februar 2006, BAnz. Nr. 68, S. 2541 vom 6. April 2006, zitiert nach http://www.g-ba.de
(Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte – BedarfsPlRl-Ä)) allgemeine Verhältniszahlen für verschiedene Arztgruppen
bestimmt. Gemäß § 101 Abs. 4 Satz 1 bilden überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte und
Psychotherapeuten eine Arztgruppe im Sinne des § 102 Abs. 2. Der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad ist
erstmals zum Stand des 01.01.1999 zu ermitteln (§ 101 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Zu zählen sind die zugelassenen
ausschließlich und überwiegend (Faktor 0,7) psychotherapeutisch tätigen Ärzte sowie die Psychotherapeuten, die
nach § 95 Abs. 10 SGB V zugelassen werden. Ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte sind Fachärzte für
psychotherapeutische Medizin und Ärzte, deren psychotherapeutische Leistungen (Kapitel G IV und V sowie Nrn. 855
bis 858 nach G III EBM´96 bzw. ab 1. April 2005 die Leistungen der Abschnitte 35.2 und 35.3 sowie die Leistungen
nach den Nummern 35111 bis 35113, 35120, 35130, 35131, 35140 bis 35142 und 35150 des EBM 2000 plus) an ihren
Gesamtleistungen den Anteil von 90 v. H. überschreiten, überwiegend psychotherapeutisch tätige Ärzte sind Ärzte mit
einem Leistungsanteil von über 50 bis 90 v. H. (Nr. 8 Buchst. d Nr. 1 BedarfsplRL-Ä). Auch das Bundessozialgericht
hat in Fragen der Honorierung psychotherapeutischer Leistungen für ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte
(vgl. § 85 Abs. 4 Satz 4) diese nicht von psychologischen Psychotherapeuten unterschieden (vgl. BSG, Urt. v.
25.08.1999 - B 6 KA 14/98 R - BSGE 84, 235 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 33; BSG, Urt. v. 12.09.2001 - B 6 KA 8/01 R –
juris; s. a. BSG, Urt. v. 20.01.1999 - B 6 KA 46/97 R - BSGE 83, 205 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 29). Damit geht der
Gesetzgeber gerade für den Bereich der Psychotherapie offensichtlich davon aus, dass diese sowohl von ärztlichen
als auch psychologischen Psychotherapeuten gleichberechtigt und in gleicher Qualität erbracht werden kann und dass
die auf die Ärzte beschränkte organmedizinische Qualifikation für diesen Bereich ohne Bedeutung ist.
Der Beklagte ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) die Praxis der Beigeladenen zu 9)
fortführen kann. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich nicht um eine psychotherapeutische Praxis gehandelt haben
sollte.
Nicht zu folgen war auch dem weiteren Einwand der Klägerin, die Zulassungsgremien hätten auch Nr. 22b
BedarfsplRl-Ä zu beachten. Danach müssen jeweils mindestens 40 % der Psychotherapeuten ärztliche bzw.
psychologische Psychotherapeuten sein. Diese Regelung beruht auf § 101 Abs. 4 Satz 5 und 6 SGB V. Danach ist
für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2008 sicherzustellen, dass jeweils ein Versorgungsanteil von 40 v. H. den
ärztlichen und den psychologischen Psychotherapeuten (einschließlich der nach § 95 Abs. 11 ermächtigten
Psychotherapeuten) vorbehalten ist. Damit soll gewährleistet werden, dass die allgemeine Verhältniszahl den
allgemeinen Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen (Soll-Stand) und die örtliche Verhältniszahl die örtliche
Bedarfsdeckung (Ist-Stand) möglichst zielgenau abbilden. Für die Anfangsphase der Integration der
Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung wird den psychotherapeutisch tätigen Ärzten und den
Psychotherapeuten jeweils ein bestimmter Versorgungsanteil vorbehalten, um zu ermöglichen, dass beide Gruppen in
einem zahlenmäßig ausgewogenen Verhältnis an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten teilnehmen
können. Die Quotierung bewirkt, dass in einem gesperrten Planungsbereich (Versorgungsgrad über 110 %) dennoch
psychotherapeutisch tätige Leistungserbringer zugelassen werden können, sofern die für sie geltende Quote noch
nicht ausgeschöpft ist (vgl. Entwurfsbegründung, BT-Drs. 13/8035, S 22, zu § 101 Abs. 4 SGB V). Faktisch kommt
diese Regel nur den ärztlichen Psychotherapeuten zugute.
Bereits die Befristung der Regelung zeigt, dass es sich um ein Übergangsrecht handelt, womit der Gesetzgeber den
Neuerungen durch das PsychThG Rechnung trägt, nicht aber eine grundsätzliche Unterschiedlichkeit der ärztlichen
und psychotherapeutischen Arbeit zum Ausdruck bringt. Sie ist vielmehr Konsequenz der aus Sicht des
Gesetzgebers strukturellen Gleichheit, die ihn bewogen hat, beide Gruppen bedarfsplanungsrechtlich in einer
Arztgruppe zu erfassen. Systematische Folgerungen für die Praxisnachfolgeregelung in § 103 Abs. 4 SGB V können
hieraus nicht abgeleitet werden. Hierfür hätte es eines weiteren gesetzgeberischen Aktes bedurft, sei es durch den
Ausschluss einer gegenseitigen oder bestimmten Praxisnachfolge, der Berücksichtigung des § 101 Abs. 4 SGB V
oder einer entsprechenden Regelung, wie sie mit § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V für die hausärztliche Versorgungsebene
gilt. Im Fehlen einer solchen Regelung hat der Gesetzgeber die von der Klägerin aufgezeigten Konsequenzen in Kauf
genommen.
Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 103 Abs. 4 SGB V scheidet aber gerade im Hinblick auf
die gesetzgeberische Intention, das wirtschaftliche Interesse des Praxisabgebers zu schützen, aus.
Nach den Beratungen im Gesundheitsausschuss soll mit § 103 Abs. 4 SGB V den verfassungsrechtlichen
Voraussetzungen zur Konkretisierung des sozialpflichtigen Eigentums Rechnung getragen werden. Trotz
Überversorgung in einem bestimmten Gebiet ermögliche es die Vorschrift, eine Vertragsarztpraxis zum Verkehrswert
zu veräußern. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass das Eigentum an einer Vertragsarztpraxis maßgeblich von
der öffentlich-rechtlichen Zulassung geprägt werde. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten gewesen, wertsteigernde oder
wertbegründende Entscheidungen des Staates dem Inhaber des Eigentumsrechtes als eigenen Verdienst
anzurechnen. Die Regelung stelle eine Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht des niedergelassenen Arztes und
seiner Erben vor dem Hintergrund eines gesperrten Bezirks dar. Bis 1998 (gemeint ist die Bedarfszulassung nach §
102) habe man sich dafür entschieden, dass der Eigentumsaspekt trotz Sperrung zu berücksichtigen sei. Dies werde
dadurch deutlich, dass der Verkehrswert bei der Vergabe berücksichtigt worden sei (vgl. Bericht des Ausschusses für
Gesundheit (15. Ausschuss), BT-Drs. 12/3937 (Teil A III c ee)).
Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.
Die Beigeladenen zu 1) und 9) haben ebf. einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Klägerin.
Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der
unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser
Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit
anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004,
§ 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch
Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 – B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, zitiert nach juris
Rdnr. 44).
Die Beigeladenen zu 1) und zu 9) haben im Ergebnis mit Erfolg einen Antrag gestellt. Sie waren notwendig beizuladen,
so dass es unbillig wäre, ihnen die eigenen Kosten zu belassen.