Urteil des SozG Marburg vom 06.05.2009

SozG Marburg: defizit, hessen, rechtsgrundlage, rka, obmann, mitgliederversammlung, stadt, bekanntmachung, verwaltungsvermögen, bestimmtheit

Sozialgericht Marburg
Gerichtsbescheid vom 06.05.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 398/08
1. Der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008 wird
aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 12.540,62 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Kostenbescheid in Höhe von noch 12.540,62 EUR aufgrund eines Defizits des
Bereitschaftsdienstes A. aus den Jahren 2003 bis 2006.
Der Kläger ist als Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die aus den Gemeinden AA., AB., A-Stadt, AC. und AD. bestehende Notdienstgemeinschaft B. erwirtschaftete in den
Jahren 2001 bis 2006 folgende Defizite (Angaben in EUR):
2001 2002 2003 2004 2005 2006 Ausgaben 140.405,12 196.668,62 202.541,08 200.327,95 154.805,46 Einnahmen
34.133,20 44.969,96 38.465,34 44.838,11 42.476,67 Defizit 106.271,92 151.698,66 164.075,74 155.489,84 112.328,79
Zahl der Ärzte 51, in IV/02 52 50 47 Defizit pro Arzt im Halbjahr bzw. Quartal 1.767,09 1.799,78 849,75 761,04 879,49
965,07 818,26 760,44 584,38 367,64 Defizit im Jahr pro Arzt 1.569,08 2.028,32 3.054,34 3.566,81 3.455,35 2.530,72
Defizit gesamt 2002-2006: 14.635,60 Defizit gesamt 2001-2006: 16.204,68
Die Notdienstgemeinschaft B. beschloss am 15.07.2003, dass die Nachzahlungen für das Jahr 2002 pro Kopf
errechnet werden sollten. Das Defizit solle mit den Abschlags- und Restzahlungen, insgesamt vier Zahlungen im
Quartal bzw. 16 Zahlungen im Jahr, verrechnet werden. Alle Beschlüsse sollten auch für die folgenden Jahre gelten.
Als Ansparung werde ein Betrag von 20 EUR pro Arzt und Monat als ausreichend angesehen.
Der Geschäftsausschuss der Bezirksstelle XY. beschloss am 16.10.2003, dass die Defizitauflösung der
Notdienstzentralen für die Quartale I bis IV/02 über zwei Quartale vorgenommen werde. Der Rücklagenaufbau solle
spätestens mit der Restzahlung IV/04 (April 2005) abgeschlossen sein. Der Geschäftsausschuss beschloss am
18.12.2003 für die Notdienstzentrale B., dass der arztbezogene Defizitanteil des Jahres 2002 entsprechend des
Beschlusses vom 16.10.2003 über zwei Quartale ausgeglichen werde und zwar als Einbehalt in Höhe von jeweils 250
EUR als Kürzung der Abschlagszahlungen Januar bis Juni 2004 und der Restzahlung III/03 im April 2004. Die
Defizitauflösung des Jahres 2003 solle ebf. über zwei Quartale in Höhe von max. 1.000 EUR pro Quartal über eine
Kürzung von Abschlagszahlung und der Restzahlung in Höhe von max. 250 EUR erfolgen, und zwar im Zeitraum Juli
bis Dezember 2004.
Der Vorstand der Beklagten beschloss am 07.03.2005 die Erhöhung der Quartalsbelastung auf 2.000 EUR ab
Restzahlung IV/04 hinsichtlich eines zeitnahen Defizitausgleichs.
Die Notdienstzentrale B. beschloss am 08.03.2007, dass sie mit den Zentralen RA. (AA., AB.), ZF. (A-Stadt, AC.)
und RB. (AD.) zusammengelegt werden sollte. Dem stimmte der Vorstand der Beklagten am 27.03.2007 zu. Die
Notdienstzentrale B. beschloss dann am 30.08.2007 ihre Auflösung zum 01.01.2008. Dem stimmte der Vorstand der
Beklagten am 05.09.2007 zu.
Mit Bescheid vom 18.12.2007 setzte die Beklagte für den Zeitraum 2001 bis 2006 einen Gesamtbetrag in Höhe von
16.204,68 EUR fest. Sie verwies auf § 8 Abs. 3 der Notdienstordnung hin, wonach der Kläger als Mitglied der
Bereitschaftsdienstzentrale B. verpflichtet sei, Defizite finanziell zu tragen. Aufgrund Überschneidungen
organisatorischer Zuständigkeiten sei es zu einer Verzögerung gekommen. Zur Zusammensetzung des Betrages
verweise sie auf die beigefügte Aufstellung. Die Belastung des Arztkontos werde sie über acht Quartale (IV/07 bis
III/09) in Höhe von jeweils 2.025,59 EUR vornehmen.
Hiergegen legte der Kläger am 09.01.2008 Widerspruch ein. Er trug vor, eine überprüfbare Kostenrechnung mit
Kostenstellen und Kostenblättern liege ihm nicht vor. Aufgrund der jahrelangen Verschleppung der Abrechnung
bestehe der Verdacht einer fehlerhaften Buchung und Verwaltungsführung. Die Forderung sei verjährt. Nach § 9 Abs.
5 Notdienstordnung seien die Defizite spätestens im nachfolgenden Rechnungsjahr auszugleichen. Für das Jahr 2006
hätte die Rechnungslegung bis zum 31.12.2007 erfolgen müssen, der Rückforderungsbescheid sei ihm aber erst am
02.01.2008 zugegangen.
Die Beklagte gab mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2008 dem Widerspruch insoweit statt, als das Defizit für das
Jahr 2001 bereits Gegenstand des Bescheides vom 18.12.2002 gewesen sei, der Betrag für das Jahr 2002 verjährt
sei und das Defizit des Quartals III/06 in Höhe von 66,66 EUR zu vermindern sei, da das Defizit nur 23.297,02 EUR
anstatt 26.297,10 EUR bei 45 Ärzten betrage. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. In der
Begründung führte sie aus, eine Rückzahlung des Betrages für das Jahr 2001 scheide aus, da das Verfahren im
Hinblick auf einen Musterrechtsstreit ausgesetzt worden sei. Das Defizit sei nach dem Beschluss der
Notdienstgemeinschaft vom 15.07.2003 nach Köpfen zu verteilen. In § 9 Abs. 5 Notdienstordnung werde nicht
geregelt, dass die Fehlbeträge schon im folgenden Rechnungsjahr von den niedergelassenen Ärzten angefordert
werden müssten. Maßgeblich sei die allgemeine Verjährungsvorschrift von vier Jahren nach § 45 SGB I. Das Defizit
des Jahres 2003 habe erst zu Anfang des Jahres 2004 festgestanden, so dass nur das Defizit des Jahres 2002 von
der Verjährung betroffen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 11.08.2008 die Klage erhoben.
Er trägt vor, es fehle bereits an einem Beschluss der Notdienstgemeinschaft, eine Umlage zu verlangen. Sämtliche in
den jeweiligen jährlichen Versammlungen gefassten Beschlüsse befassten sich nur damit, gemäß welcher Quote ein
aufgelaufenes Defizit verteilt werden solle. Der Notdienstgemeinschaft sei noch nicht einmal mitgeteilt worden, wie
hoch das jeweilige Defizit gewesen sei, auch sei in den Einladungsschreiben das Defizit nicht beziffert worden.
Gemäß § 8 Abs. 3 lit. a) hätte auch vor Erhebung einer Umlage der Abzug eines angemessenen
Betriebskostenanteils von den Honoraren des Notdienstes beschlossen werden müssen. Einer nachträglichen
Beschlussfassung stehe § 9 Abs. 5 Satz 2 entgegen. Dieser setze voraus, dass es zuvor einen Beschluss gegeben
habe, aufgrund dessen das Defizit ausgeglichen werden solle. Darüber hinaus enthalte diese Regelung eine
Ausschlussfrist. Die Defizite müssten im Folgejahr nicht nur angefordert werden, sondern das Defizit müsse auch
ausgeglichen sein. Die Ausschlussfrist sei auch sinnvoll, damit die Notdienstgemeinschaft auf die Defizite reagieren
könne. Die Beklagte habe es auch in der Hand gehabt, durch ersetzende Entscheidungen das Auflaufen eines Defizits
über Jahre zu verhindern. Der Beklagten kämen auch gegenüber der Notdienstgemeinschaft Aufsichtsbefugnisse zu.
Sie hafte auch gegenüber der Notdienstgemeinschaft und dem Kläger aufgrund der mannigfaltigen Hinweis-,
Unterrichtungs- und Aufsichtspflichten nach § 10 Abs. 1. Rein vorsorglich mache er einen Schadensersatzanspruch
geltend. Die Höhe des Defizits bestreite er. Vorsorglich mache er die Einrede der Verjährung geltend. Es gelte § 195
BGB, da § 45 SGB I nur für Sozialleistungen gelte. Er habe keine Kenntnisse über die finanzielle Situation der
Notdienstgemeinschaft gehabt.
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 18.12.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
23.07.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Bereitschaftsdienstzentrale
B. habe eine Zentrale in AA. betrieben. Mit den Dienstzeiten, am Wochenende von Samstag 08.00 Uhr bis Montag
07.00 Uhr, an Feiertagen vom Vortag 18.00 Uhr bis zum folgenden Werktag 07.00 Uhr und von Montag bis Freitag
20.00 Uhr bis zum folgenden Werktag 07.00 Uhr, habe die Zentrale zugleich eine Wochentagsversorgung an allen
Tagen sichergestellt, so dass es in der ärztlichen Bereitschaftsdienstgemeinschaft keine kollegialen Dienste gegeben
habe. Weiterhin habe sich die Zentrale eines Fahrdienstes mit Fahrern einer Hilfsorganisation bedient. Hinzu komme,
dass, was allerdings nicht unüblich sei, Garantiepauschalen gezahlt worden seien. Der Betriebskostenanteil von den
im Notdienst erzielten Honoraren sei mit 20 % erhoben worden. Es treffe daher nicht zu, dass ein Abzug eines
Betriebskostenanteils von den im Rahmen des Notdienstes von den Notdienstärzten erarbeiteten Honoraren gefehlt
habe. Vor Erhebung einer Umlage müsse auch nicht der Abzug eines angemessenen Betriebskostenanteils
beschlossen werden. Eine Umlage könne alternativ erhoben werden. Die Bereitschaftsdienstgemeinschaft B. habe in
der Sitzung vom 15.07.2003 beschlossen, dass die Defizite nach Köpfen zu verteilen seien. Der Sitzung sei eine
schriftliche Einladung mit Datum vom 18.06.2003 vorausgegangen. Dort sei ausdrücklich auf die maßgeblichen
Tagesordnungspunkte hingewiesen worden. Die Entscheidung sei von dem Geschäftsausschuss der zuständigen
Bezirksstelle genehmigt worden. In den folgenden Sitzungen der Ärzte der Bereitschaftsdienstgemeinschaft B. sei
diese Beschlusslage bestätigt worden. Es seien auch Einnahme-/Überschussrechnungen für das jeweils abgelaufene
Kalenderjahr erstellt worden. Es sei umfassend über die finanzielle Situation der Bereitschaftsdienstgemeinschaft und
die Belastungen mit aufgelaufenen Defiziten informiert worden. Dies folge aus den Einladungen zu den jährlichen
Versammlungen nebst den Sitzungsprotokollen. In den Sitzungen sei über die Kostenreduzierung gesprochen worden.
Bei der Frist zum Ausgleich der Fehlbeträge nach § 9 Abs. 5 SGB V handele es sich nicht um eine "Ausschlussfrist".
Das Defizit für das Jahr 2003 habe frühestens Anfang des Jahres 2004 festgestellt werden können. Es gelte eine
Verjährungsfrist von 4 Jahren zum Ende des Kalenderjahres. Ein Vertrauensschutz greife nicht, da umfassend über
das Defizit informiert worden sei. Der Beschluss der Notdienstgemeinschaft B. vom 15.07.2003 sei hinreichend
bestimmt. Er sei, ebenso wie die Folgebeschlüsse, im Zusammenhang mit den entsprechenden Einnahme-
/Überschussrechnungen zu sehen. Zum Zeitpunkt des Beschlusses habe außerdem das Defizit für die
vorangegangenen Jahre 1992 bis 2001 bereits festgestanden, wie aus dem Bescheid vom 18.12.2002 entnommen
werden könne. Daraus habe bereits auf die Höhe des ungefähr auflaufenden Defizits auch für die Folgejahre
geschlossen werden können. In der Sitzung der Notdienstgemeinschaft vom 12.01.2006 sei über den Vorschlag, dass
die Kosten nicht mehr gleichmäßig pro Arzt, sondern schein- und umsatzabhängig zu regeln seien, um kleinere
Praxen von den hohen Belastungen zu entlasten, abgestimmt worden. Der Vorschlag sei mit 10 "nein", 6 "ja" und 2
"Enthaltungen" abgelehnt worden. Es sei daher in der Sitzung festgestellt worden, dass es bei der bestehenden
Regelung bleibe. Daraus folge, dass damit die bisherige Beschlusslage bestätigt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine
besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten
vorher gehört wurden (§ 105 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.12.2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.12.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008
ist rechtswidrig.
Eine Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist nach der hier maßgeblichen und ab 01.10.2005 gültigen
Notdienstordnung, bekannt gegeben durch das Landesrundschreiben/Bekanntmachung der Beklagten vom 15.12.2004
(Anlage 1) (im Folgenden: NDO), die Satzungsqualität hat, nicht ersichtlich. Soweit eine Beschlussfassung seitens
der Notdienstgemeinschaft für die Zeit davor geltend gemacht wird, fehlt es auch an einer Rechtsgrundlage für die
Beitragserhebung nach der ab 01.10.2002 gültigen Notdienstordnung, bekannt gegeben durch die Bekanntmachung
vom 20.09.2002 (Teil I), die in den hier maßgeblichen Teilen, sofern nicht auf eine Änderung hingewiesen wird, mit der
Neufassung inhaltsgleich ist.
Zur vertragsärztlichen Versorgung gehört auch der Notfalldienst (§ 75 Abs. 1 Satz 2) (vgl. BSG v. 12.10.1994 – 6 RKa
29/93 - USK 94139, juris Rdnr. 10). Die Verpflichtung zur Teilnahme am Notdienst ist Folge der aus der Zulassung
resultierenden Teilnahmeverpflichtung. Der Umfang und die Durchführung des Notdienstes obliegt der
Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Rahmen ihrer Satzungshoheit (vgl. BSG v. 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR
1987, 122, juris Rdnr. 12; BSG v. 15.04.1980 - 6 RKa 8/78 - USK 8055 m.w.N., juris Rdnr. 11; LSG Baden-
Württemberg v. 16.07.2003 – L 5 KA 3081/02 – juris Rdnr. 18; SG Dresden v. 10.02.2005 - S 11 KA 260/04 – juris
Rdnr. 18) Die KV kann alle Vertragsärzte zur Finanzierung heranziehen (vgl. BSG v. 03.09.1987 - 6 RKa 1/87 - SozR
2200 § 368m Nr. 4, juris Rn. 17).
In Erfüllung des gesetzlichen Auftrags zur Sicherstellung des Notfalldienstes werden nach der NDO Notdienstbezirke
gebildet. Die in einem Notdienstbezirk niedergelassenen Vertragsärzte bilden die Notdienstgemeinschaft in dem
beschriebenen örtlich abgegrenzten Bereich (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 NDO). Die für einen Notdienstbezirk
zuständige Notdienstgemeinschaft hat grundsätzlich die Einzelheiten des Notdienstes in eigener Zuständigkeit zu
regeln (§ 5 Abs. 1 Satz 1 NDO). Zur Finanzierung der Organisationsstruktur des organisierten Notdienstes erfolgen
Zahlungen durch die Beklagte (vgl. § 8 Abs. 1 NDO). Soweit die bei Betrieb von Notdienstzentralen und
Notdienstleitstellen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend sind, sind für die Finanzierung des organisierten
Notdienstes des Weiteren zu erheben: a) ein Abzug eines angemessenen Betriebskostenanteils von mindestens 15
%, höchstens 35 %, bezogen auf die im Rahmen des Notdienstes von den Notdienstärzten erarbeiteten Honorare und
im Falle einer weiteren Unterdeckung, b) eine Umlage von allen der Notdienstgemeinschaft angeschlossenen
niedergelassenen Vertragsärzten. Art und Umfang der Umlage und des Betriebskostenabzuges sind von der
Versammlung der Notdienstgemeinschaft festzulegen und von dem Vorstand oder einem von ihm beauftragten
Gremium zu genehmigen. Anstelle eines Betriebskostenabzuges nach Buchstabe a) ist es alternativ aufgrund der
Entscheidung der Versammlung der Notdienstgemeinschaft mit Zustimmung des von dem Vorstand oder eines von
ihm beauftragten Gremiums möglich, für die Finanzierung des Notdienstes ausschließlich eine Umlage gemäß
Buchstabe b) bei den Mitgliedern der Notdienstgemeinschaft zu erheben (vgl. § 8 Abs. 3 NDO).
Falls die Notdienstgemeinschaft keinen Beschluss fasst, der eine Deckung der Betriebskosten durch den Abzug
eines angemessenen Betriebskostenanteils oder durch eine Umlage bei den Mitgliedern der Notdienstgemeinschaft
sichert, kann der Vorstand oder ein von ihm beauftragtes Gremium anstelle der Notdienstgemeinschaft sowohl über
die Höhe eines Betriebskostenabzuges gemäß a) als auch der Art und Höhe einer Umlage gemäß Buchstabe b) eine
abschließende Entscheidung treffen. Diese ist der Notdienstgemeinschaft über den Obmann mitzuteilen (§ 8 Abs. 3
NDO).
Von der zuständigen Bezirksstelle ist dem Notdienst-Obmann, seinen Stellvertretern sowie ggf. den Mitgliedern des
Notdienstbeirates in halbjährlichen Abständen ein aktueller Bericht zur finanziellen Situation zu geben, sofern von der
Notdienstgemeinschaft Notdienstzentralen und Notdienstleitstellen betrieben werden. Der Notdienstgemeinschaft ist in
der jährlichen Versammlung nach § 5 Absatz (5) ein Bericht zu geben. Soweit in einem Abrechnungszeitraum
Fehlbeträge auflaufen, sind diese kurzfristig, spätestens im folgenden Rechnungsjahr, auszugleichen; der Vorstand
oder ein von ihm beauftragtes Gremium kann hier ggf. ergänzende Beschlüsse zur Einhaltung dieser Vorgaben zu
Lasten der der Notdienstgemeinschaft angehörenden niedergelassenen Ärzte treffen (§ 9 Abs. 5 NDO).
Auch bei einer Umlage handelt es sich insoweit um eine Abgabe an die Beklagte. Mit der Umlage werden die Kosten
für den Notdienst mitfinanziert. Die Umlage fließt in das Verwaltungsvermögen der Beklagten, auch wenn insofern ein
abgegrenzter Verwaltungsbereich in Form der Notdienstgemeinschaft mit z. T. eigenen Verwaltungsstrukturen über die
Erhebung der Umlage und Verwaltung der Mittel entscheidet. Die Verantwortlichkeit der Beklagten ist dabei durch das
Erfordernis der Zustimmung des Geschäftsausschusses der zuständigen Bezirksstelle (so in der bis September 2005
geltenden Fassung der NDO) bzw. jetzt in der ab 2005 geltenden Neufassung der Zustimmung des Vorstandes oder
eines von ihm beauftragten Gremiums gewahrt. Nach der Neukonzeption ab Oktober 2002 handelt es sich bei der
Notdienstgemeinschaft um eine verwaltungsorganisatorische Untergliederung der Beklagten. Die Umlage hat insofern
Beitragscharakter, als mit ihr der Betrieb des Notdienstes, der allen Mitgliedern der Notdienstgemeinschaft zugute
kommt, organisiert und mitfinanziert werden kann. Von daher besteht bereits weder ein Anspruch des einzelnen
Mitglieds auf Auseinandersetzung bei Ausscheiden aus einer Notdienstgemeinschaft noch erwirbt er eine wie auch
immer geartete vermögensähnliche Anwartschaft oder Anteile am Verwaltungsvermögen. Umgekehrt setzt aber die
Heranziehung zur Umlage voraus, dass der Betreffende im Beschlusszeitpunkt bzw. bei Zugang des
Umlagebescheides Mitglied der Beklagten und der Notdienstgemeinschaft ist (so bereits Urteil der Kammer v.
30.08.2006 – S 12 KA 261/05 –, bestätigt durch LSG Hessen, Beschl. v. 20.06.2007 – L 4 KA 67/06 – beide in
www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris = http://web2.justiz.hessen.de/migration/rechtsp.nsf/suche?Openform).
Der Beschluss der Mitgliederversammlung muss bestimmt sein. Er muss erkennen lassen, in welcher Höhe die
Mitglieder zu einer Umlage herangezogen werden. Es reicht nicht aus, einen Rechenweg erkennen zu lassen. Um
Verbindlichkeit gegenüber einem Mitglied zu erlangen, muss der Beschluss selbst die Höhe der Umlage, dass heißt
die Angabe eines festen Wertes, umfassen (vgl. Urteil der Kammer v. 30.08.2006 – S 12 KA 261/05 –, aaO.).
Die Notdienstgemeinschaft B. fasste in der Versammlung am 15.07.2003 ausweislich des Ergebnisprotokolls vom
23.09.2003 den Beschluss, dass die Nachzahlungen für das Jahr 2002 pro Kopf und nicht pro Scheinzahl errechnet
werden sollen. Das Defizit solle mit den Abschlags- und Restzahlungen, insgesamt vier Zahlungen im Quartal bzw. 16
Zahlungen im Jahr, verrechnet werden. Alle Beschlüsse sollten auch für die folgenden Jahre gelten. Als Ansparung
werde ein Betrag von 20 EUR pro Arzt und Monat als ausreichend angesehen.
Der Beschluss ist damit unbestimmt. Er bestimmt nur die Art der Aufteilung, nicht aber die Höhe des Betrages, der
auf den einzelnen Vertragsarzt entfällt. Der Beschluss ist auch nicht dadurch bestimmt, dass die
Mitgliederversammlung gleichzeitige die Höhe des Defizits festgestellt hat. Dann könnte eine Bestimmtheit dadurch
gegeben sein, dass der auf den einzelnen Vertragsarzt entfallende Betrag durch Teilung des Defizits und Anzahl der
Vertragsärzte errechnet wird. Weder die Einladung noch das Protokoll enthalten aber irgendwelche Feststellungen zur
Höhe des Defizits oder zur Zahl der Vertragsärzte. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass dies Gegenstand der
Mitgliederversammlung war, da hierüber keinerlei Hinweise in der Verwaltungsakte sind. Selbst wenn dies aber der
Fall sein sollte, käme eine Bestimmtheit des Beschlusses aber überhaupt nur dann in Betracht, wenn in der Einladung
oder im Beschluss, wenigstens im Protokoll, soweit dies an alle Mitglieder versandt wird, Angaben zur Höhe des
Defizits und zur Zahl der Vertragsärzte enthalten wären. Es muss, da der Beschluss auch für nicht teilnehmende
Vertragsärzte Geltung beansprucht, auch für diese erkennbar sein, wie hoch ihre Belastung ist. Hinzu kommt, dass
auch die beschließende Versammlung eine klare Vorstellung davon haben muss, über was sie beschließt. Ist sie
nicht in Kenntnis des Gesamtdefizits und der Pro-Kopf-Rate, so kann ihr nicht unterstellt werden, sie wolle einen für
alle Mitglieder verbindlichen Beschluss fassen.
Erst Recht fehlt für die Folgejahre ein Beschluss der Mitgliederversammlung. Soweit der Beschluss vom 15.07.2003
unbestimmt ist, ist auch der allgemeine Vermerk im Protokoll, alle Beschlüsse sollten auch für die folgenden Jahre
gelten, unbestimmt. Es ist bereits nicht eindeutig, ob damit ein verbindlicher Beschluss gefasst, oder nur eine
allgemeine Absicht bekundet wurde. Jedenfalls werden konkrete Beträge damit nicht bestimmt. Im Übrigen war zum
Zeitpunkt der Beschlussfassung am 15.07.2003 die Höhe des Defizits für die Jahre 2003 bis 2006 noch nicht
absehbar. Ferner wird auch bereits in der Einladung nicht darauf hingewiesen, dass über zukünftige Defizite
entschieden werden soll. Für die Nachzahlungen bezieht sich die Einladung vom 18.06.2003 auf den Zeitraum 2002
(hier erstmal die Quartale 1-3). Eine Verbindlichkeit der Entscheidung setzt aber voraus, dass eine schriftliche
Einladung zur jeweiligen Versammlung mindestens zwei Wochen vor dem Versammlungstermin, unter Bekanntgabe
der Tagesordnungspunkte, erfolgt ist und in der Versammlung die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder die
Entscheidung getroffen hat (§ 5 Abs. 5 Satz 2 NDO). In der Einladung muss demnach klar hervorgehen, welche Art
von Beschlüssen gefasst werden sollen, also insbesondere auch, dass über eine Umlage oder über ihre Höhe
befunden werden soll. Nur dann ist das einzelne Mitglied der Notdienstgemeinschaft in der Lage zu entscheiden, ob er
an der Versammlung teilnehmen will oder es unter Umständen hinnimmt, dass ein Beschluss ohne seine Mitwirkung
gefasst wird, der ihn auch rechtlich bindet. Der Beschluss über Art und Umfang der Umlage ist weiter von dem
Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle zu genehmigen (§ 5 Abs. 1 NDO). Dieser kommt eine Art
Aufsichtsbefugnis zu, um zu überwachen, dass das Verfahren auch eingehalten wurde (vgl. Urteil der Kammer v.
30.08.2006 – S 12 KA 261/05 –, aaO.; v. 09.11.2005 - S 12 KA 35/05 – rechtskräftig nach Rücknahme der Berufung
durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Hessen; v. 29.08.2007 - S 12 KA 575/06 –
rechtskräftig; v. 26.11.2008 - S 12 KA 963/06 – Berufung anhängig bei dem LSG Hessen - L 4 KA 121/08 -).
Andere Beschlüsse, die als Rechtsgrundlage in Betracht kommen, sind nicht gefasst worden.
Der Geschäftsausschuss war weder nach der alten noch nach der neuen NDO befugt, die Umlage zum Ausgleich des
Defizits festzusetzen (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 18.06.2008 – L 4 KA 59/06 und L 4 KA 64/06 –
www.sozialgerichtsbarkeit.de). Im Übrigen hat er bzgl. der Defizitauflösung des Jahres 2003 lediglich über
Zahlungsmodalitäten befunden.
Der Vorstand oder ein von ihm beauftragtes Gremium war nach der Ergänzung durch Abs. 4 des § 8 NDO ab dem
01.01.2005 befugt, anstelle der Notdienstgemeinschaft sowohl über die Höhe eines Betriebskostenabzuges als auch
der Art und Höhe einer Umlage gemäß eine abschließende Entscheidung zu treffen und dies ggf. dem Obmann der
Notdienstgemeinschaft mitzuteilen.
Der Beschluss der Beklagten vom 07.03.2005 betraf die Erhöhung der Quartalsbelastung auf 2.000 EUR ab
Restzahlung IV/04 hinsichtlich eines zeitnahen Defizitausgleichs. Hierbei handelte es sich aber um
Zahlungsmodalitäten, zudem bezogen nur auf den Ausgleich für das Jahr 2004. Der Vorstand hat gerade nicht von der
ihm neu eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht. Auch der hier angefochtene Bescheid vom 18.12.2007 beruht
offensichtlich nicht auf einem entsprechenden Beschluss.
Der Vorstand bzw. – bis 2004 – der Geschäftsausschuss der Bezirksstelle haben auch nicht von den Befugnissen
nach § 9 Abs. 5 NDO Gebrauch gemacht. § 9 Abs. 5 NDO geht offensichtlich davon aus, dass Defizite spätestens im
Folgejahr zu bereinigen sind. Insofern wird die Selbstverwaltungsbefugnis der Notdienstgemeinschaft wieder
eingeschränkt. Er gibt der Beklagten ein ausreichendes Instrumentarium, umgehend für eine nicht defizitäre
Notdienstgemeinschaft zu sorgen. Warum die Beklagte über mehrere Jahre hiervon keinen Gebrauch gemacht hat,
obwohl ausweislich der Verwaltungsakte jedenfalls bereits am 16.10.2003 der Bezirksstelle das Defizit für das Jahr
2002 bekannt war und die Landesstelle am 29.03.2005 mit dem Defizitausgleich befasst war, erschließt sich für die
Kammer nicht.
Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Hessen, von der abzuweichen die Kammer hier keine
Veranlassung sieht, sind, soweit den Bezirksstellen der KV die gesamte Buchhaltung und das Rechnungswesen der
Notdienstgemeinschaft obliegt, auch die weiteren Regelungen zu Buchhaltung und Rechnungswesen nicht nur als
verwaltungsinterne Ordnungsvorschriften zu verstehen, sondern besitzen gegenüber den Mitgliedern der
Notdienstgemeinschaft subjektiv-rechtlichen Schutzcharakter, denn diese haben gegebenenfalls die Folgen einer
Misswirtschaft zu tragen. War dem Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstellen in halbjährlichen Abständen
ein aktueller Bericht zur finanziellen Situation der betreffenden Notdienstgemeinschaft zur Kenntnis zu bringen,
zumindest soweit auch NFD-Zentralen und -Leitstellen betrieben wurden, und waren Fehlbeträge kurzfristig,
spätestens im folgenden Rechnungsjahr auszugleichen, so ist die Beklagte gehindert, im Jahr 2002 noch eine Umlage
wegen Fehlbeträgen aus den Jahren 1993 bis 2000 zu erheben (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 11.02.2009 – L 4 KA 22/08
–).
Diese zu den Vorläuferbestimmungen ergangene Rechtsprechung ist auch für die NDO gültig. Auch im hier
maßgeblichen Zeitraum war von der zuständigen Bezirksstelle dem Notdienst-Obmann in halbjährlichen Abständen
ein aktueller Bericht zur finanziellen Situation zu geben, war in der jährlichen Versammlung ein Bericht zu geben und
waren Fehlbeträge kurzfristig, spätestens im folgenden Rechnungsjahr, auszugleichen; der Vorstand war ermächtigt,
notwendige ergänzende Beschlüsse zu treffen (§ 9 Abs. 5 NDO). Die Beklagte verweist hierzu lediglich auf die
Einladungen und Sitzungsprotokolle. Wie bereits ausgeführt, enthalten aber weder die Einladung noch das Protokoll
irgendwelche Feststellungen zur Höhe des Defizits oder zur Zahl der Vertragsärzte. Aus den Protokollen kann
lediglich entnommen werden, dass das Defizit bzw. steigendes Defizit bekannt war und über Ursachen des Defizits
gesprochen wurde. Entscheidend ist aber, dass die Beklagte ihrer insoweit bestehenden Aufsichtspflicht nicht
nachgekommen ist. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass das Defizit insbesondere durch die breiten
Öffnungszeiten und den Verzicht auf kollegiale Bereitschaftsdienste während der Wochentage, des Unterhaltens eines
Fahrdienstes mit Fahrern einer Hilfsorganisation und der Zahlung von Garantiepauschalen verursacht wurde.
Spätestens nach Abrechnung des ersten bzw. zweiten Jahres war erkennbar, dass diese üppige Ausgestaltung des
Notdienstes auf der bisherigen Finanzierungsgrundlage nicht zu halten war. Warum die Beklagte dennoch nicht
entsprechend ihrer Notdienstordnung eingegriffen hat, hat sie im Verfahren auch nicht ansatzweise erklärt. Diese
Fragen können aber letztlich dahinstehen, da bereits eine Rechtsgrundlage für den strittigen Bescheid fehlt.
Soweit bereits eine Rechtsgrundlage für die Forderung der Beklagten fehlt, brauchte die Kammer über die Frage der
Verjährung ebf. nicht zu entscheiden.
Im Ergebnis war der Klage daher vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.
Für die Streitwertfestsetzung gilt in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, dass, soweit nichts
anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der
Sache nach Ermessen zu bestimmen ist. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine
genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Hier war
der Streitwert nach der noch im Klageverfahren strittigen Forderung festzusetzen. Dies ergab den festgesetzten Wert.