Urteil des SozG Marburg vom 11.07.2007

SozG Marburg: versorgung, stadt, anästhesie, anerkennung, rka, bereitschaftsdienst, sicherstellung, bevölkerung, chirurgie, einweisung

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 11.07.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 881/06
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 53/07
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger haben jeweils zur Hälfte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die
Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer gebietsärztlichen Rufbereitschaft Anästhesie im
Versorgungsbereich des DRK-Krankenhaus A-Stadt.
Die Kläger sind Fachärzte für Anästhesie und zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Sie sind zugleich Belegärzte am DRK-Krankenhaus A-Stadt. Bei dem DRK-Krankenhaus A-Stadt handelt es sich um
ein reines Belegkrankenhaus mit vierzehn Belegärzten, die in vier Fachrichtungen tätig sind. Weitere Anästhesisten
sind neben den Klägern am DRK-Krankenhaus nicht tätig.
Einen Antrag des Klägers zu 2) auf Nachzahlung der Bereitschaftsdienstpauschalen gemäß § 8 (1) a der
Notdienstordnung lehnte die Bezirksstelle GD. der Beklagten mit Bescheid vom 28.12.2004 ab, weil ihr
Geschäftsausschuss eine gebietsärztlichen Rufbereitschaft nicht eingerichtet habe und die Einrichtung nicht für
opportun ansehe auch im Hinblick auf die Bestimmung von § 6 (1) d der Notdienstordnung.
Am 30.12.2004 beantragten die Kläger die Anerkennung einer gebietsärztlichen Rufbereitschaft Anästhesie ab
01.01.2005 für den Landkreis PK.-A-Stadt bzw. den Versorgungsbereich des DRK-Krankenhaus A-Stadt. Sie trugen
vor, durch ihren Belegarztvertrag mit dem DRK-Krankenhaus A-Stadt seien sie zur anästhesiologischen Versorgung
der dortigen Patienten anderer Belegärzte verpflichtet. Das schließe Wochenenden, Feiertage und mehr ein. Ihre
ständig durchzuführende anästhesiologische Rufbereitschaft beschränke sich nicht nur auf die Versorgung von
Notfällen belegärztlicher Operationen am DRK-Krankenhaus A-Stadt, sondern schließe ambulante Notfalloperationen
ebenso ein. Aus diesem Grund sei den beiden chirurgischen Praxen Prof. R. u. Koll. sowie Dres. W. und Koll. von der
Bezirksstelle GD. der Beklagten die gebietsärztliche Rufbereitschaft Chirurgie seit längerem anerkannt worden.
Zusammen mit den Chirurgen würden sie in deren genehmigten Notdienst Notfallpatienten ambulant und stationär
versorgen. Ihre Benachteiligung und Hintanstellung ihres Faches Anästhesie sei offensichtlich. Es sei ihnen nicht
möglich, Narkosen bei Notfallpatienten deshalb abzulehnen. Sie würden dadurch genötigt werden, ihre Rufdienste
unentgeltlich durchzuführen. Das Versorgungsgebiet umfasse 85.842 Einwohner. Es handele sich um eine
ausschließlich ländliche Region. Umlandkliniken mit Notfallversorgung befänden sich in einer Entfernung von 29 km
bis 32 km.
Mit Bescheid vom 06.12.2005 gegenüber dem Kläger zu 2) und mit Bescheid vom 06.02.2006 gegenüber dem Kläger
zu 1) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie führte zur Begründung gleichlautend an, Belegärzte seien berechtigt, ihre
Patienten voll- oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten. Auch bei
der Versorgung von belegärztlichen Notfällen handele es sich nicht um Notfälle im Rahmen des
Sicherstellungsauftrages. Der Umstand, dass Anästhesiologen sich verpflichteten, auch für die Versorgung dort
auftretender Notfälle zu sorgen, tangiere deshalb nicht die Sicherstellung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Not-
bzw. Bereitschaftsdienst). Die Versorgung von belegärztlichen Notfällen könne kein Bestandteil des vertragsärztlichen
Not- bzw. Bereitschaftsdienstes sein. Eine Ungleichbehandlung aufgrund der Anerkennung des chirurgischen
Bereitschaftsdienstes liege nicht vor. Die Anerkennung des chirurgischen Bereitschaftsdienstes sei in Abhängigkeit
von der regionalen Bedarfssituation für die ambulante chirurgische Notfallversorgung erfolgt. Eine äquivalente
Bedarfssituation für anästhesiologische Leistungen im Rahmen der Versorgung von ambulanten Notfällen könne
hingegen nicht festgestellt werden.
Hiergegen legten die Kläger am 08.01. bzw. 07.03.2006 Widerspruch ein. Sie trugen weiter vor, das Belegkrankenhaus
verfüge über keine anästhesiologische Hauptabteilung, weshalb es keinen anästhesiologischen Dienst bereitstellen
könne. Die Schlussfolgerung, betreffs Notfallanästhesien für belegärztliche Notfalloperationen in sprechstundenfreien
Zeiten fehle es an einem Sicherstellungsauftrag, sei nicht nachzuvollziehen. Auf die Lage der geburthilflichen
Belegabteilung hätten sie bereits hingewiesen. Für sie sei es unerheblich, ob es sich um einen ambulanten oder
stationären chirurgischen Fall handele.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 05.07.2006, der Klägerin jeweils zugestellt am 02.08., wies die Beklagte die
Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, bereits aus § 121 Abs. 3 SGB V folge eine
Unterscheidung zwischen belegärztlichen Notfällen und solchen Notfällen im Sinne des § 75 Abs. 1 SGB V. Den
Klägern gehe es um die Versorgung der Belegpatienten, nicht der Bevölkerung. Die Genehmigung werde nur für die
Versorgung der Belegpatienten am DRK-Krankenhaus A-Stadt begehrt. Damit fehle es bereits am Erfordernis eines
gebietsärztlichen Bereitschaftsdienstes. Der Belegarztvertrag betreffe ausschließlich die Versorgung der
Belegpatienten. Eine regionale Bedarfssituation für die ambulante anästhesiologische Notfallversorgung sei, anders
als im chirurgischen Bereich, im Gebiet A-Stadt nicht gegeben. Die chirurgische Notfallversorgung mache nicht
zwingend die Hinzuziehung eines Anästhesisten erforderlich. Sonderbedarfszulassungen für Belegärzte prüfe der
Zulassungsausschuss. Zwar habe die Notdienstgemeinschaft A-Stadt im Jahr 2002 eine anästhesiologische
Rufbereitschaft für notwendig erachtet und auch ihr Obmann die Einrichtung befürwortet, doch stellten die erwähnten
Fälle keine ambulanten Notfälle dar. Aus diesem Grund könne der Einschätzung nicht gefolgt werden.
Hiergegen haben die Kläger am 01.09.2006 die Klage erhoben. Sie tragen ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen
vor, ambulante Notfalloperationen könnten nur dann durchgeführt werden, wenn die erforderlichen anästhesiologischen
Leistungen ebf. notfallmäßig vorgehalten werden würden. Die positive Stellungnahme des Obmanns der
Notdienstgemeinschaft A-Stadt sei völlig übergangen worden. Sie erbrächten die Notfallanästhesien sowohl im
Krankenhaus als auch in den Praxen der Kollegen. Dies übersehe die Beklagte, weshalb ein Ermessensfehler
vorliege. Die Beklagte vergüte diese Leistungen auch als "normale" ambulante Leistungen. Die gebietsärztliche
Rufbereitschaft Chirurgie dokumentiere, dass auch die Beklagte von einem Bedarf ausgehe. Es sei ein Anspruch des
Vertragsarztes zur Teilnahme an der Rufbereitschaft anerkannt. Ohne die gebietsärztliche Rufbereitschaft Anästhesie
könne ihr Anspruch nicht erfüllt werden. Sie hätten jeder 180 Rufbereitschaften im Jahr zu erbringen. Auch hieraus
folge, dass die Rufbereitschaft Anästhesie anzuerkennen sei. Die Beklagte lasse bei der Ermessensausübung ihr
eigenes Verwaltungshandeln gegenüber den Klägern außer Betracht. Sämtliche ihrer Leistungen einschließlich der
notfallmäßigen Anästhesieleistungen werte sie als "normale", zu den regelmäßigen Sprechstundenzeiten erbrachte
Leistungen ab. Nunmehr ordne sie diese Leistungen dem stationären Bereich zu. Widersprüchlich hierzu sei, diese
Leistungen mit der Indikatorziffer 98997 zu kennzeichnen, damit die Leistungen als "stationäre Mitbehandlung des
Anästhesisten nach ambulanten Grundsätzen" bewertet und vergütet werden könnten. Vor diesem Hintergrund müsse
die Beklagte einen Bedarf anerkennen. Die Ablehnung der Beklagten verstoße gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Während der Chirurg für seine Leistungen mit einem festen
Punktwert von 4,6 Cent vergütet werde, könnten sie ihren Behandlungsfall für die notfallmäßigen
Anästhesieleistungen nur im Regelleistungsvolumen abrechnen. Unverständlich sei, weshalb die Leistungen im
Rahmen des Bereitschaftsdienstes für Belegpatienten im DRK-Krankenhaus nicht als stationäre bzw. belegärztliche
Leistungen vergütet werden. Dadurch würden ihre Leistungen niedriger vergütet werden.
Der Kläger zu 1) beantragt, den Bescheid vom 06.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn über seinen Antrag vom 30.12.2004 auf Anerkennung
einer gebietsärztlichen Rufbereitschaft Anästhesie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Der Kläger zu 2) beantragt, den Bescheid vom 06.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn über seinen Antrag vom 30.12.2004 auf Anerkennung
einer gebietsärztlichen Rufbereitschaft Anästhesie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen.
Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, im Rahmen ihres
Gestaltungsspielraumes sei sie zu dem Ergebnis gelangt, dass eine regionale Bedarfssituation nicht gegeben sei. Die
belegärztliche Versorgung betreffe allein den stationären Versorgungsbereich. Die überwiegende Mehrzahl der
ambulanten chirurgischen Notfälle sei ohne Hinzuziehung eines Anästhesisten behandelt worden. Bei den übrigenv
Fällen dürfte entweder die Einbestellung zu den üblichen Sprechstundenzeiten möglich oder die stationäre Einweisung
erforderlich sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und
Psychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und
Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Bescheide vom 06.02.2006 und vom 06.12.2005, jeweils in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 sind rechtmäßig und waren daher nicht aufzuheben. Die Kläger haben
keinen Anspruch darauf, sie über ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise die Anerkennung einer gebietsärztlichen Rufbereitschaft
Anästhesie im Versorgungsbereich des DRK-Krankenhaus A-Stadt abgelehnt.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die vertragsärztliche
Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden
gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und
vertraglichen Erfordernissen entspricht. Die Sicherstellung umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den
sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes,
soweit das Landesrecht nichts anderes bestimmt (§ 75 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch, V. Buch, Gesetzliche
Krankenversicherung - SGB V -). Der Umfang und die Durchführung des Notdienstes, der nicht auf das Wochenende
beschränkt sein muss, obliegt der KV im Rahmen ihrer Satzungshoheit (vgl. BSG, Urt. v. 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 -
MedR 1987, 122, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 15.04.1980 - 6 RKa 8/78 - USK 8055 m.w.N., juris Rdnr. 11; LSG
Baden-Württemberg, Urt. v. 16.07.2003 – L 5 KA 3081/02 – juris Rdnr. 18; SG Dresden, Urt. v. 10.02.2005 - S 11 KA
260/04 –juris Rdnr. 18; zur Rechtsgrundlage vgl. bereits BSG, Urt. v. 15.09.1977 - 6 RKa 8/77 - BSGE 44, 252, 256 f.
= SozR 2200 § 368n Nr. 12; z. T. anders BVerwG v. 12.12.1972 - I C 30.69 - BVerwGE 41, 261 = NJW 1973, 576,
juris Rn. 32). Er kann auch für ein einzelnes Fachgebiet organisiert werden (vgl. BSG, Urt. v. 04.05.1994 - 6 RKa 7/93
- USK 94134, juris Rdnr. 18). Die Notdienstpflicht ist auf den Bereich der für den Vertragsarztsitz zuständigen KV
beschränkt; für die Heranziehung zu einem "grenzüberschreitenden" Notfalldienst findet sich keine gesetzliche
Grundlage (vgl. SG Dortmund v. 17.01.2003 - S 26 KA 44/02 – juris Rdnr. 21 ff.).
Zur Erfüllung ihrer Pflichten hat die Beklagte die hier anzuwendende und ab 01.10.2002 gültige Notdienstordnung
erlassen, bekannt gegeben durch die Bekanntmachung vom 20.09.2002 (Teil I), geändert durch Beschluss der
Abgeordnetenversammlung vom 24.11.2004, bekannt gegeben als Anlage 1 zum
Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 15.12.2004. Diese Notdienstordnung hat Satzungsqualität. Nach der
Notdienstordnung nehmen am organisierten allgemeinen Notdienst grundsätzlich alle niedergelassenen Vertragsärzte
an einer Notdienstgemeinschaft teil (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Notdienstordnung). Der organisierte allgemeine Notdienst ist im
Wege einer organisierten kollegialen Vertretung und/oder durch Errichtung einer Notdienstzentrale bzw.
Notdienstleitstelle (organisierter zentraler Notdienst) möglich. Er erstreckt sich dabei auf einen unter Berücksichtigung
der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse vom Vorstand oder einem von ihm beauftragten Gremium zu
definierenden Zuständigkeitsbereich (Notdienstbezirk) (§ 2 Abs. 1 Notdienstordnung). Die in einem Notdienstbezirk
niedergelassenen Vertragsärzte bilden die Notdienstgemeinschaft in dem beschriebenen örtlich abgegrenzten Bereich
(§ 2 Abs. 2 Notdienstordnung). Im Rahmen des organisierten Notdienstes können neben einem organisierten
allgemeinen Notdienst zusätzlich Hintergrundbereitschaftsdienste für die Basisversorgung und/oder gebietsärztliche
Bereitschaftsdienste bestehen, falls dies die örtlichen Gegebenheiten erfordern und dies im Interesse der
Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung zweckdienlich erscheint und vom Vorstand oder einem von
ihm beauftragten Gremium so beschlossen wird (§ 2 Abs. 3 Notdienstordnung). Dem Vorstand oder einem von ihm
beauftragten Gremium obliegt – nach Anhörung der Notdienstgemeinschaft – die Entscheidung über die zusätzliche
Einrichtung gebietsärztlicher Bereitschaften (auch in Form von Rufbereitschaften), die konsiliarisch oder direkt eine
Untersuchung und Behandlung im Notdienst sicherstellen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe d Notdienstordnung).
Nach § 2 Abs. 3 Notdienstordnung, an dessen Gültigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, steht es somit im
Ermessen der Beklagten, ob sie einen gebietsärztlichen Bereitschaftsdienst einrichtet, falls dies die örtlichen
Gegebenheiten erfordern und dies im Interesse der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung
zweckdienlich erscheint. Nach der Notdienstordnung muss die Einrichtung des Notdienstes erforderlich und
zweckdienlich sein. Abzustellen ist dabei auf eine vorläufige ärztliche Versorgung, bis der Patient wieder die
Regelversorgung im ambulanten Bereich erreichen kann. Soweit eine ambulante Versorgung nicht ausreichend ist, hat
der ärztliche Notdienst eine stationäre Versorgung zu veranlassen. Dabei ist davon auszugehen, dass die
Unterscheidung zwischen Patienten, die ambulant versorgt werden können, und Patienten, die einer stationären
Versorgung bedürfen, von allen Ärzten geleistet werden kann (vgl. SG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.11.2004 – S 27 KA
2040/04 verb. mit S 27 KA 2072/04).
Nach der Auffassung der Beklagten wird ein anästhesiologischer Notfalldienst nicht annähernd in einem Umfang
benötigt, der einen besonderen anästhesiologischen Bereitschaftsdienst erfordern würde. Hieran zu zweifeln besteht
für die Kammer kein Anlass. Insbesondere kommt es hierbei nicht auf die zum stationären Bereich zu zählende
Versorgung der Belegpatienten an. Soweit für Belegpatienten anästhesiologische Leistungen benötigt werden, ist es
Aufgabe des Krankenhausträgers, diese zur Verfügung zu stellen. Gleichfalls haben dieser oder die aufgrund eines
Belegarztvertrages hierzu von ihm beauftragten Belegärzte sicherzustellen, dass die Versorgung zu jeder Tages- oder
Nachtzeit gewährleistet ist. Soweit die Kläger diese Gewährleistung für ihr Fachgebiet allein am Krankenhaus
erbringen mit der Folge, dass jeder von ihnen 180 Tage in Rufbereitschaft steht, folgt dies allein aus ihrer sich selbst
oder auch vertraglich auferlegten Verpflichtung gegenüber dem Belegkrankenhaus und/oder den belegärztlich tätigen
Operateuren. Allein aus dem Umfang ihrer Rufbereitschaft kann auf einen Versorgungsbedarf im allein maßgeblichen
ambulanten Bereich nicht geschlossen werden. Soweit sie auch im ambulanten Bereich eine Notfallversorgung
wahrnehmen, geschieht dies deshalb, da auf die im Regelfall umfassenderen Versorgungsmöglichkeiten eines
Krankenhauses in sprechstundenfreien Zeiten zurückgegriffen wird. Wie jedem Arzt bzw. Krankenhausarzt steht auch
ihnen hierfür die geschuldete Vergütung durch die Beklagte zu. Eine Verpflichtung, im ambulanten Bereich außerhalb
ihrer Sprechzeiten zur Verfügung zu stehen, folgt aber weder hieraus noch aus anderen Vorschriften. Soweit im
Einzelfall eine ambulante Notfallversorgung ohne anästhesiologische Hilfestellung nicht erfolgen kann, hat eine
stationäre oder teilstationäre Einweisung durch den Arzt zu erfolgen. Die Kläger selbst haben nicht im Einzelnen
dargelegt, in welchem Umfang sie überhaupt in der Vergangenheit an einer ambulanten Notfallversorgung beteiligt
waren. Soweit für den Kläger zu 2) in der mündlichen Verhandlung angegeben wurde, 31 mal in einem Quartal zu
ambulanten Operationen nach 20.00 Uhr gerufen worden zu sein, so ergibt dies, auch wenn von einer doppelten
Anzahl für beide Kläger ausgegangen wird, keine zwingende Bedarfslage. Der insoweit mit Vertretern aus den Kreisen
der Ärzte und Psychotherapeuten fachkundig besetzten Kammer ist auch kein Notdienstbezirk bekannt, der einen
anästhesiologischen Notdienst eingerichtet hätte. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vor der
Kammer gleichfalls für das Land Hessen die Einrichtung eines solchen Notdienstes verneint. Aufgrund der
unterschiedlichen Bedarfslage zum chirurgischen Versorgungsbedarf hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen,
dass eine Ungleichbehandlung zu den Fachärzten für Chirurgie nicht besteht.
Aus dem Umstand, dass weitere Belegärzte zugelassen wurden, folgt ebenfalls keine Anerkennung eines Bedarfs für
ambulante anästhesiologische Notfallleistungen. Auf die Zulassung als Belegarzt besteht unter den Voraussetzungen
des § 103 Abs. 7 SGB V ein Anspruch. Der durch das 2. GKV-NOG eingefügte und bisher unveränderte § 103 Abs. 7
SGB V berücksichtigt die Interessen der Krankenhäuser mit Belegärzten und ermöglicht unter bestimmten
Voraussetzungen deren Zulassung – was Voraussetzung für eine belegärztliche Tätigkeit ist - trotz bestehender
Zulassungsbeschränkungen. Das BVerfG hatte zuvor auf entsprechende Auslegungsmöglichkeiten der
Bestimmungen zur Sonderbedarfszulassung hingewiesen (vgl. BVerfG v. 08.10.1996 - 1 BvL 3/95 - NJW 1997, 792 =
MedR 1997, 77, juris Rdnr. 12). Nach § 103 Abs. 7 SGB V haben in einem Planungsbereich, für den
Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, Krankenhausträger das Angebot zum Abschluss von Belegarztverträgen
auszuschreiben. Kommt ein Belegarztvertrag mit einem im Planungsbereich niedergelassenen Vertragsarzt nicht
zustande, kann der Krankenhausträger mit einem bisher im Planungsbereich nicht niedergelassenen geeigneten Arzt
einen Belegarztvertrag schließen. Dieser erhält eine auf die Dauer der belegärztlichen Tätigkeit beschränkte
Zulassung; die Beschränkung entfällt bei Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen nach Absatz 3, spätestens nach
Ablauf von zehn Jahren. Die Zulassung von Belegärzten kann somit entgegen einer Überversorgung im ambulanten
Bereich erfolgen. Soweit durch weitere belegärztliche Ärzte im belegärztlichen Bereich der Bedarf an
anästhesiologischen Leistungen steigt, gehört dessen Bedarfsdeckung nicht zu den notdienstlichen
Sicherstellungsaufgaben der Beklagten.
Aus der Nichteinrichtung eines gebietsärztlichen Bereitschaftsdienstes Anästhesiologie wird auch das Recht auf
Teilnahme der Kläger am ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht vereitelt. Das Recht auf Teilnahme am ärztlichen
Bereitschaftsdienst beinhaltet nicht, dass ein Bereitschaftsdienst auch oder nur im jeweiligen Fachgebiet zu leisten
ist. Es beschränkt sich auf ein Recht auf Teilnahme an den eingerichteten Notdiensten, soweit nicht die Fachgruppe
eines Arztes hiervon ausgeschlossen ist.
Grundsätzlich sind alle Vertragsärzte zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst geeignet. Der Anspruch eines
Vertragsarztes beschränkt sich darauf, im Rahmen der Gleichbehandlung nicht öfters zum Notfalldienst herangezogen
zu werden als die übrigen Ärzte. Das BSG hat wiederholt betont, dass es sich bei der Sicherstellung eines
ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte handelt, die nur erfüllt
werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit und sonstigen
individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen
gleichmäßig herangezogen werden (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2006 – B 6 KA 43/05 R -, juris Rdnr. 11; BSG, Urt. v.
18.10.1995 - 6 RKa 66/94 - USK 95124, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 15.09.1977 - 6 RKa 8/77 - BSGE 44, 252, 257 f.
= SozR 2200 § 368n Nr. 12). Auch nach Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in eine hausärztliche und eine
fachärztliche Versorgung (§ 73 Abs. 1 und Abs. 1a) können Fachärzte weiterhin zum Notdienst herangezogen werden
(vgl. LSG Bayern, Urt. v. 08.06.2005 - L 12 KA 369/04 – juris, bestätigt durch BSG, Urt. v. 06.09.2006 – B 6 KA 43/05
R -). Es besteht auch eine Pflicht zur Fortbildung für eine Tätigkeit im Notdienst (vgl. BSG, Urt. v. 15.04.1980 - 6 RKa
8/78 - USK 8055 m.w.N., juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 15.09.1977 - 6 RKa 8/77 - BSGE 44, 252, 258 = SozR 2200 §
368n RVO Nr. 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 08.12.2004 – L 10 KA 5/04 – www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG
Baden-Württemberg, Urt. v. 16.07.2003 – L 5 KA 3081/02 – juris Rdnr. 22; LSG Bayern, Urt. v. 08.06.2005 - L 12 KA
369/04 – juris). Die Teilnahme am allgemeinen Notfalldienst kann auf praktische Ärzte, Allgemeinärzte und Internisten
beschränkt werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.07.2003 – L 5 KA 3081/02 – juris Rdnr. 23).
Von daher besteht nur ein Anspruch auf Teilhabe am allgemeinen Notdienst im aufgezeigten Rahmen, den die Kläger
aber nicht geltend machen. Durch die Nichteinrichtung eines gebietsspezifischen Notdienstes wird dieses Recht
jedenfalls nicht vereitelt.
Nach allem waren die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und die Klagen daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.