Urteil des SozG Marburg vom 07.07.2010

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Sozialgericht Marburg
Urteil vom 07.07.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 212/10
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 62/10 NZB
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die
Gerichtskosten.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Kieferbruchabrechnung für 04/2009 in dem
Behandlungsfall FF (BEK) in Höhe von noch 737,14 EUR.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Herr Dr. Dr. A. ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Herr
C. ist Zahnarzt, und Frau Dr. D. sowie Frau E sind Zahnärztinnen. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit
Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 03.07.2009 verschiedene Korrekturen an der KB Abrechnung 04/2008 des hier
strittigen Falles FF vor. Es seien alle Wiederholungen der Nr. 41a BEMA-Z (insgesamt 2x) am Behandlungstag
06.04.2009 sowie alle Wiederholungen der Nr. 40 BEMA-Z (insgesamt 8x) und Nr. 41a BEMA-Z (insgesamt 2x) am
Behandlungstag 17.04.2009 abzusetzen, da deren Notwendigkeit in Verbindung mit einem Eingriff in
Allgemeinnarkose bzw. deren medizinische Notwendigkeit nicht nachgewiesen worden sei. Der Ansatz der Nr. 2255
GOÄ-82 ("freie Verpflanzung eines Knochens oder von Knochenteilen (Knochenspäne)") sei im Rahmen einer
Dysgnathieoperation nicht nachvollziehbar. Diese Leistung sei 2x zu streichen. Leistungen nach Nr. 2702 GOÄ-82
würden für alle Behandlungstage (insgesamt 22x) abgesetzt werden, da für das Abnehmen und wieder Eingliedern
einer Verbandplatte diese Leistung nicht abrechenbar sei. Kontrollbehandlungen auch mit Einstellungsmaßnahmen z.
B. durch das Drehen von Schrauben erfüllten den Leistungsinhalt ebenfalls nicht. Dieser setze nach der
Leistungsbeschreibung kleine Änderungen, teilweise Erneuerungen von Schienen oder Stützapparaten oder auch die
Entfernung von Schienen oder Stückapparaten voraus. Die Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt C II legten fest,
dass die Leistungen nach Nr. 271 oder 272 je Gefäßzugang einmal, insgesamt jedoch nicht mehr als 2x je
Behandlungstag berechnungsfähig seien (vgl. 2. Absatz der Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt C II). Nr. 8272
GOÄ-82 sei daher an dem Behandlungstag 06.04.2009 2x zu streichen.
Hiergegen legte die Klägerin am 21.07.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, der umfangreiche
dysgnathiechirurgische Eingriff habe länger als drei Stunden gedauert. Aus diesem Grund seien die Wiederholungen
der Lokalanästhesien medizinisch indiziert und abrechenbar. Der Ansatz der Nr. 2255 GOÄ-82 werde häufig im
Rahmen von Dysgnathieoperationen zur Augmentation von Knochendefekten notwendig. Die Nr. 2702 GOÄ-82 sei
nicht, wie stereotyp behauptet werde, für Abnehmen und Wiedereinsetzen einer Verbandsplatte eingesetzt, sondern
für umfangreiche Änderungen, z. B. Abdeckung mit Kunststoff an der Schuchardtschiene. Dieses gebe genau den
Leistungsinhalt wieder. Die Leistungen nach Nr. 271 und 272 könnten jeweils 2x von zwei verschiedenen Behandlern
ausgeführt werden, so könnten insgesamt vier Infusionsziffern angesetzt werden.
Die Beklagte gab mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2010 dem Widerspruch teilweise statt. Die zweimalige
Absetzung der Nr. 41a BEMA-Z wurde aufgehoben, da im nachträglich eingereichten OP-Bericht vom 06.04.2009 der
zeitliche Rahmen hinreichend dokumentiert worden sei. Es habe aber bei der Absetzung der
Wiederholungsanästhesien für den Behandlungstag 17.04.2009 bleiben müssen. Weitere Angaben hierzu seien weder
dem OP-Bericht zu entnehmen noch im Widerspruchsverfahren gemacht worden. Sie sei auch nicht dazu verpflichtet,
zum weiteren Nachweis aufzufordern. Die Erbringung der Leistung nach Nr. 2255 GOÄ-82 sei nach dem OP-Bericht
aber ausreichend belegt und die Absetzung daher aufzuheben. Die Absetzung der Nr. 2702 GOÄ-82 habe lediglich für
die Behandlung am 07.04.2009 aufgehoben werden können (2x). Aus dem Zusammenhang mit den übrigen für diesen
Tag abgerechneten Leistungen, insbesondere der Anästhesie, könne darauf geschlossen werden, dass die Klägerin
die Apparatur am 17.04.2009 entfernt habe, was die zweimalige Abrechnung rechtfertige. Im Übrigen seien die
Absetzungen zu bestätigen. Der Hinweis auf umfangreiche Änderungen an den Apparaturen reiche nicht aus. Bei
bestehenden und vorgetragenen Zweifeln an der einreichenden Abrechnung obliege es dem Vertragszahnarzt, diese
Zweifel durch dezidierten beweisbaren Vortrag auszuräumen. Für die Auffassung der Klägerin, die Nr. 271 und 272
GOÄ-82 könne pro Behandler 2x abgerechnet werden, treffe nach der GOÄ-82 nicht zu.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.03.2010 die Klage erhoben. Sie hat im Hinblick auf die Anästhesien das QM-
Protokoll überreicht, nachdem lediglich Wiederholungsanästhesien im Unterkiefer nach einer Dauer von 3,05 Stunden
vorgenommen worden seien. Im Hinblick auf die Gebührennummer 2702 GOÄ-82 habe sie bereits im Widerspruch
ausgeführt, dass umfangreiche Änderungen an Apparaturen vorgenommen worden seien.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 03.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2010
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Ergänzend führt sie aus, die Vorlage des
Dokumentationsbogens ergebe keine andere Bewertung, da sie die Wiederholungsanästhesien für den
Behandlungstag vom 06.04.2009 anerkannt habe. Der Hinweis auf umfangreiche Änderungen an Apparaturen reiche
für die Erbringung der Leistungen nach Nr. 2702 GOÄ-82 nicht aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den
Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte
handelt (§ 12 Abs. 3 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid den Bescheid vom 03.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.02.2010 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Die Beklagte war zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung
sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die
vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2
Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten
obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine
ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die
sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die Arzt
bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs.
2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 19 BMV-Z/17 EKV-Z der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten
Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen (vgl. BSG, Urt. v.
10.05.1995 - 6 RKa 30/94 - SozR 3-5525 § 32 Nr. 1 = NZS 1996, 134 = Breith 1996, 280 = USK 95120, juris Rdnr. 12;
BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA
34/03 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS
2005, 549, juris Rdnr. 17) bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z (vgl. BSG, Urt. v. 13.05.1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3-
5555 § 10 Nr. 1 = USK 98155, juris Rdnr. 13; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - aaO.; BSG, Urt. v.
30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - aaO.).
Bei den Absetzungen handelt sich auch um sachlich-rechnerische Berichtigungen.
Während die Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V bei der Menge der erbrachten Leistungen ansetzt,
erstreckt sich die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung auf die Frage, ob die abgerechneten
Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme
des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können zum Beispiel darin liegen, dass die
Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle
Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 1998,
Az: B 6 KA 48/97 R- BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 S 43 = Breith 1999, 659 = USK 98163, juris Rdnr. 15 m. w. N.).
Eine K(Z)V darf im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vom Arzt in Ansatz gebrachte Leistungen in
vollem Umfang streichen, wenn deren Voraussetzungen erweislich nicht vorliegen oder ihr Vorliegen sich im Einzelfall
nicht nachweisen lässt. Diese Berechtigung besteht unabhängig davon, ob die Nichterfüllung der Leistungslegende nur
in Einzelfällen oder in vielen Fällen im Streit ist. Während bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung allein an die Menge
ärztlicher oder ärztlich veranlasster Leistungen angeknüpft wird, die in grundsätzlicher Übereinstimmung mit den
gesetzlichen und/oder vertraglichen Bestimmungen erbracht worden sind, bezieht sich die Prüfung der Abrechnung
seitens der KV auf Rechenfehler und die Einhaltung der tatbestandlich umschriebenen Voraussetzungen einer
Position der Gebührenordnung und der sie flankierenden Regelungen. Dieses bedingt bei der
Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Zurückführung der überhöht erbrachten Leistungen ggf. auf Durchschnittswerte,
während für nicht in Einklang mit den Vergütungsnormen erbrachte Leistungen unabhängig von ihrer Menge - kein
Vergütungsanspruch besteht. Ergeben sich in einzelnen Behandlungsfällen begründete Zweifel daran, dass der
Tatbestand einer Gebührenordnungsposition erfüllt ist, weil der abrechnende Vertragsarzt den Inhalt der
Leistungslegende verkannt hat, obliegt es auch dem betroffenen Arzt, an der Beseitigung dieser Zweifel durch
sachdienliche Angaben mitzuwirken. Da ihn als Anspruchssteller grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der
Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch trifft, liegt eine derartige Mitwirkung in seinem eigenen Interesse.
Den KVen ist es nicht untersagt, anhand von Einzelfällen zu prüfen, worauf etwa ein als implausibel bewerteter
Anstieg der Ansatzhäufigkeit einer bestimmten EBM-Ä-Position beruht und darauf ggf. mit einer Korrektur der
Abrechnung zu reagieren (vgl. BSG, Beschl. v. 06.09.2000 - B 6 KA 17/00 B - juris Rdnr. 8).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist ferner anerkannt, dass die K(Z)Ven ärztliche Leistungen nicht honorieren
müssen, die der Vertragsarzt nicht hat erbringen dürfen, weil sie nicht Gegenstand der Leistungspflicht der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind. Eine Leistungspflicht der GKV besteht nicht bei solchen Leistungen,
die sich im konkreten Behandlungszusammenhang in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen
Wissenschaft befinden oder erkennbar ohne jeden Nutzen erbracht worden sind. Ist bei vertragsarztrechtlich an sich
zulässigen Leistungen diese Evidenzschwelle nicht erreicht, kommt aus kompetenzrechtlichen Gründen nur die
Untersuchung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise durch die zuständigen Prüfgremien in Betracht (vgl. BSG,
Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 15/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 1 = MedR 2003, 591 = Breith 2003, 704 = USK 2003-125,
juris Rdnr. 19; BSG, Urt. v. 20.03.1996 - 6 RKa 85/95 - SozR 3-5533 Nr. 3512 Nr. 1 = NZS 1997, 44 = SGb 1997, 229
= MedR 1997, 187 = USK 9696, juris Rdnr. 14; jurisPK-Clemens, § 106a, Rdnr. 38; s.a. BSG, Beschl. v. 17.03.2010 -
B 6 KA 23/09 B -, juris Rdnr. 11).
Die Beklagte geht davon aus, dass die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Abrechnung einer Gebührenposition
vom Vertragszahnarzt nicht nachgewiesen worden sind. Von daher war sie für die Berichtigung zuständig.
Die Absetzung der noch strittigen Anästhesieleistungen war berechtigt. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin
die abgesetzten Leistungen tatsächlich erbracht hat. Es liegen keine Unterlagen vor, aus denen sich entnehmen lässt,
dass bzw. wann die Klägerin diese weiteren Anästhesieleistungen am Behandlungstag 17.04.2009 erbracht hat. Ein
OP-Bericht wurde nicht vorgelegt. Nach der insoweit fachkundig besetzten Kammer gehört aber die Anfertigung eines
OP-Berichts und die entsprechenden Angaben zu den Wiederholungsanästhesien zu den Standards
zahnmedizinischer Dokumentation. Wegen des Ausnahmecharakters solcher Anästhesien bei einem ITN-Eingriff ist
ferner generell zu verlangen, dass die Verabreichung mit Zeit (in Bezug auf den Operationsverlauf) und Bereich
vermerkt wird. Von daher fehlt es an einem Leistungsnachweis für diese Leistungen und handelte es sich nicht um
Fragen der Wirtschaftlichkeit. Das im Klageverfahren nachgereichte QM-Protokoll ist zum Nachweis der Leistung
nicht geeignet. Die Beklagte hat die darin aufgeführten Wiederholungsanästhesien für den Behandlungstag vom
06.04.2009 anerkannt; diese sind nicht streitbefangen. Im Übrigen können nach der Rechtsprechung der Kammer
Nachweise im Gerichtsverfahren nicht nachgereicht werden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 07.07.2010 – S 12 KA 325/09 -).
Die verbliebenen Absetzungen der Nr. 2702 GOÄ-82 waren nicht zu beanstanden.
Die mit 34 Punkten bewertete Leistung nach Nr. 2702 GOÄ-82 beinhaltet die Wiederanbringung einer gelösten
Apparatur oder kleine Änderungen, teilweise Erneuerung von Schienen oder Stützapparaten – auch Entfernung von
Schienen oder Stützapparaten -, je Kiefer.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass der Hinweis auf umfangreiche Änderungen an den Apparaturen nicht
ausreicht. Es hätte der Klägerin oblegen, durch substantiierten Vortrag und Nachweis wenigstens einer Dokumentation
zu belegen, dass sie den Inhalt der Leistungslegende erfüllt hat. Im Klageverfahren hat die Klägerin lediglich lapidar
auf ihr Widerspruchsvorbringen verwiesen, dass sie dort ausgeführt habe, dass umfangreiche Änderungen an
Apparaturen vorgenommen worden seien.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine 6-seitige Kopie einer Karteikarte mit handschriftlichen
Aufzeichnungen bzw. Ergänzungen zur Gerichtsakte in der mündlichen Verhandlung gereicht hat, kann die Klägerin
damit nicht mehr gehört werden. Von daher kann hier dahinstehen, ob der behauptete Vortrag die Leistungslegende
erfüllt und ob hierfür ein ausreichender Nachweis besteht.
Sind von einem Zahnarzt abgerechnete Leistungen aus den Krankenblättern nicht ersichtlich, so ist zunächst davon
auszugehen, dass er diese Leistungen tatsächlich nicht erbracht hat. Es obliegt dann dem Zahnarzt, die Erbringung
der von ihm abgerechneten Leistungen nachzuweisen. Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung ist gerechtfertigt,
wenn die gebührenordnungsgemäßen Leistungen und Abrechnungsvoraussetzungen nicht eingehalten worden sind,
die Behandlungsdokumentation Vollständigkeit vermissen lässt und Richtlinienverstöße vorliegen, die im Hinblick auf
die Qualitätssicherung der vertragszahnärztlichen Versorgung zu beachten und einzuhalten sind (so LSG Bayern, Urt.
v. 07.07.2004 - L 3 KA 510/02- www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 25).
Soweit die Beklagte daher Zweifel an einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung hat, hat sie einen Vertragszahnarzt
hierzu anzuhören und ihn aufzufordern, einen vollständigen Beweis für die Leistungserbringung zu führen. Maßgeblich
sind dann die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Urkunden oder sonstigen Nachweise. Die vom Vertragszahnarzt
geführte Dokumentation nebst weiteren technischen Aufzeichnungen kann allein vom Vertragszahnarzt vorgelegt
werden.
Die vollständige Leistungserbringung ist grundsätzlich bereits mit der Abrechnung nachzuweisen. In Zweifelsfällen
kann sie in einem Verwaltungsverfahren nachgereicht werden. Im Gerichtsverfahren kann die Dokumentation weder
nachgereicht noch ergänzt werden. Insofern ist auch die Amtsermittlungspflicht beschränkt. Die
Amtsermittlungspflicht gilt nur für die Frage, in welchem Umfang im Verwaltungsverfahren Unterlagen vorgelegt
wurden und ob diese zum Nachweis der Leistungserbringung ausreichend waren.
Die vollständige Leistungserbringung ist grundsätzlich bereits mit der Abrechnung nachzuweisen (vgl. SG Marburg,
Urt. v. 03.06.2009 - S 12 KA 521/08 – juris Rdnr. 27, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 50/09 -). Ein
Vertragszahnarzt ist in zeitlicher Hinsicht darauf beschränkt, seiner Nachweispflicht bis zur Entscheidung der
Beklagten als Widerspruchsbehörde nachzukommen. Dies beruht letztlich darauf, dass die Kenntnis solcher
möglicherweise entscheidungserheblichen Tatsachen allein in der Sphäre des Vertragszahnarztes liegt, soweit sie
nicht offenkundig sind und von Amts wegen erkannt werden können. Bei Zweifeln an der ordnungsgemäßen
Leistungserbringung wird der Vertragszahnarzt wieder auf die ursprüngliche Position eines Leistungserbringers
zurückgeworfen, auch die ordnungsgemäße Erbringung seiner Leistungen nachzuweisen. Es handelt sich hierbei um
ein bloßes Tatsachenvorbringen. Wie im allgemeinen Wirtschaftsleben muss dann der Vertragszahnarzt nachweisen,
dass er die Leistung erbracht hat (vgl. bereits zur Wirtschaftlichkeitsprüfung SG Marburg, Urt. v. 25.11.2009 - S 12
KA 137/09 – juris Rdnr. 73 (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 99/09 -; zum verspäteten Vorbringen in einem
Disziplinarverfahren SG Marburg, Urt. v. 25.11.2009 - S 12 KA 137/09 – AZR 2007, 108, juris Rdnr. 43).
Ausgehend von diesen Grundsätzen (s.a. SG Marburg, Urt. v. 07.07.2010 – S 12 KA 325/09 -) kommt es nicht darauf
an, welchen neuen Sachvortrag die Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegt hat.
Die Beklagte hat auch zu Recht die Leistungen nach Nr. 8272 GOÄ-82 abgesetzt.
Nr. 8272 GOÄ-82 beinhalt eine Infusion, intravenös, von mehr als 30 Minuten Dauer und wird mit 20 Punkten
bewertet. Nach den Abrechnungsbestimmungen sind die Leistungen nach Nr. 8271 und 8272 je Gefäßzugang nur
einmal, insgesamt jedoch nicht mehr als zweimal je Behandlungstag berechnungsfähig. Die zweimalige Berechnung
der Leistungen setzt gesonderte Punktionen verschiedener Blutgefäße voraus. Diese Abrechnungsbestimmungen sind
verbindlich und Teil der Leistungslegende. "Zweimal je Behandlungstag" ist eindeutig auf den Behandlungsfall
bezogen und unabhängig von der Zahl der Behandler. Weshalb die Zahl der Behandler zu einer vermehrten
Abrechnung führen sollte, war der Kammer auch nicht nachvollziehbar. Jedenfalls sind medizinische Gründe oder
Gründe eines vermehrten Aufwands hierfür nicht ersichtlich.
Nach allem war der angefochtene Bescheid rechtmäßig und die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil hat die
Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§§ 143, 144 SGG).