Urteil des SozG Marburg vom 16.06.2010

SozG Marburg: missverhältnis, versorgung, kostenvergleich, hessen, rka, zahl, durchschnitt, krankenversicherung, wirtschaftlichkeit, beschränkung

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 16.06.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 215/09
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 57/10
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die
Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des
Gesamtfallwertes in den drei Quartalen I, III und IV/05 in Höhe von insgesamt 19.800,07 EUR.
Der Kläger ist seit 1979 als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Klage gegen eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des
Gesamtfallwertes in den drei Quartalen I bis III/03 in Höhe von insgesamt 17.346,52 EUR wies die Kammer mit Urteil
vom 13.06.2007 – S 12 KA 1080/06 –ab; LSG Hessen, Urteil vom 23.09.2009 – L 4 KA 40/07 – wies die Berufung
zurück.
In den vier Quartalen I bis IV/05 ergaben sich folgende Abrechnungswerte des Klägers (in nachfolgender Tabelle
abgekürzt als VZA) im Vergleich mit den Abrechnungswerten der hessischen Vertragszahnärzte (VG):
Quartal Fallzahl Pkte. pro Fall Mehrkosten pro Fall in Punkten In % I/2005 VZA- 537 152 56 58,3 VG- 410 96 II/2005
VZA- 506 116 23 24,7 VG- 438 93 III/2005 VZA- 577 152 62 68,9 VG- 408 90 IV/2005 VZA- 694 119 39 48,8 VG- 512
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Nach einem Auswahlverfahren führte der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen – Kammer
III - eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale I bis IV/05 durch. Der Prüfungsausschuss lud den Kläger zu einer
Prüfsitzung, an der er teilnahm.
Mit Bescheid vom 26.09.2007, ausgefertigt am 20.02.2008, setzte der Prüfungsausschuss für die streitbefangenen
Quartale eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 25.422,26 EUR fest, die er mit Rücksicht auf die HVM-
Einbehalte für das Jahr 2005 auf 24.840,09 EUR reduzierte. Er kürzte den Gesamtfallwert auf das 1,4-fache des
Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe. Im Einzelnen nahm er folgende Honorarreduzierungen (ohne Rücksicht auf die
HVM-Einbehalte für das Jahr 2005) vor:
I/05 um 8.336,19 EUR III/05 um 12.909,87 EUR IV/05 um 4.176,20 EUR
Hiergegen legten der Kläger am 12.03.2008 und die beigeladenen Verbände der Krankenkassen am 18.03.2008
Widerspruch ein.
Der Kläger führte aus, die Röntgenbilder seien ursprünglich einwandfrei gewesen. Eine Helferin habe jedoch auf eine
Schnellvorlauftaste gedrückt, so dass sie nachgedunkelt seien. Seine Praxis weise eine Vielzahl von ZE-Maßnahmen
aus. Hieraus folgten wegen der erforderlichen vorherigen Sanierung Mehraufwendungen. Die hohe Abfüllquote bei
Wurzelbehandlungen weise auf eine erfolgreiche endodontische Tätigkeit hin. Er habe weniger Extraktionen. Die
Praxis werde auch von einer Vielzahl von Sanierungsfällen frequentiert.
Die beigeladenen Verbände der Krankenkassen wiesen auf die Überschreitungswerte des Klägers und als
unwirtschaftlich anzusehende Mehrkosten in Höhe von 80.964,60 EUR hin. Es seien honorarberichtigende
Maßnahmen in Höhe von 25.422,26 EUR vorzunehmen.
Der Beklagte lud den Kläger unter Datum vom 04.08.2008 zu einer weiteren Prüfsitzung für den 16.10.2008 unter
Beifügung einer Patientenliste. Der Kläger nahm mit seiner Prozessbevollmächtigten an der Prüfsitzung teil.
Mit Beschluss vom 16.10.2008, ausgefertigt am 25.02.2009 und dem Kläger am 27.02.2009 zugestellt, wies der
Beklagte den Widerspruch der beigeladenen Verbände der Krankenkassen zurück und gab dem Widerspruch des
Klägers teilweise statt. Er setzte eine Gesamthonorarberichtigung wiederum in Höhe von 25.422,26 EUR fest, die er
mit Rücksicht auf die HVM-Einbehalte für das Jahr 2005 aber auf 19.800,07 EUR reduzierte. Zur Begründung führte er
aus, er habe einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Die Grenze zur unwirtschaftlichen Behandlungsweise
sehe man im Bereich des Gesamtfallwertes bei einer Überschreitung von 40 %. Die Abrechnungswerte des Klägers
legten daher eine unwirtschaftliche Behandlungsweise nahe. Im Ergebnis hätten Praxisbesonderheiten sowie
Unterschiede in der Praxisstruktur, die geeignet gewesen wären, den ausgewiesenen Mehraufwand in zu rechtfertigen,
nicht festgestellt werden können. Eine exemplarische Überprüfung der Behandlungsfälle habe gezeigt, dass die die
Vorgehensweise des Klägers nicht mit dem Gebot eines wirtschaftlichen Vorgehens als vereinbar angesehen werde.
Der Beklagte hat dies im Einzelnen ausgeführt. Insoweit wird auf Bl. 5 bis 9 des Beschlusses Bezug genommen.
Weiter führte der Beklagte aus, aus dem Vortrag, Patienten aus einem Altenheim und einer Lungenfachklinik bzw.
Übersiedler zu betreuen, folge keine Praxisbesonderheit. Der Mehrbedarf sei nicht auf eine signifikant veränderte
Klientelstruktur zurückzuführen. ZE Fälle gingen auch als Behandlungsfälle in die Statistik der konservierend-
chirurgischen Fälle ein. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte habe er eine Kürzung auf den 1,4-fachen Vergleichswert
für erforderlich gehalten. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Sozialgerichts Frankfurt habe man den sich
daraus ergebenen Berichtigungsbetrag verringert, soweit für den Prüfzeitraum Einbehalte auf der Grundlage des
Honorarverteilungsmaßstabs einschließlich der Degressionsregelungen erfolgt seien.
Hiergegen hat der Kläger am 27.03.2009 die Klage erhoben. Er verweist auf die vermehrte Durchführung von ZE-
Behandlungen. Hierdurch entstünden Leistungen im Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen. Bei den von
dem Beklagten angeführten Mängeln handele es sich um Einzelfälle. Bei den Patienten aus der Lungenfachklinik
handele es sich vorwiegend um Schmerzpatienten, die die Überschreitungswerte im Bereich der Endodontie
verursachten. Mit weiteren notwendigen Leistungen werde der Falldurchschnitt überschritten. Auch bei der vermehrten
Anzahl der Übersiedler bestehe ein überdurchschnittlicher Sanierungsbedarf.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 16.10.2008 den Beklagten zu
verpflichten, seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 8) haben keinen Antrag gestellt.
Der Beklagte verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Klagebegründung
sei äußerst pauschal und unsubstantiiert. Die Begleitleistungen im ZE- oder PAR-Bereich führten nicht notwendig zu
einer Erhöhung des durchschnittlichen Fallwerts. Die Beanstandung der Einzelfälle sei lediglich im Rahmen der
intellektuellen Prüfung erfolgt. Die Kürzung beruhe auf dem statistischen Kostenvergleich. Die reine Behandlung von
Schmerzpatienten führe in der Regel nicht zu einer Erhöhung des Fallwerts. Diese brauchten eher einen geringeren
Versorgungsaufwand.
Die Beigeladenen haben sich schriftsätzlich nicht geäußert.
Mit Beschluss vom 30.03.2009 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.
Die Kammer hat mit den Beteiligten am 25.11.2009 einen Erörterungstermin abgehalten. Hierzu wird auf die
Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte und
einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine
Angelegenheit des Vertragszahnarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie konnte dies
ohne mündliche Verhandlung tun, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss vom 16.10.2008 ist rechtmäßig und war daher nicht
aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des
Prüfungsausschusses vom 27.10.2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Klage war daher
abzuweisen.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt
- Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen
Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des
Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich
sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12
Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.
Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
SGB V in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2001 (BGBl I 3773).
Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter
Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen
ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen
seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben
Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte
berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die
Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei
Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht,
d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur
oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der
Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004,
13, zitiert nach juris, Rdnr. 17 m. w. N.).
Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein
verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1995 - Az: 6 RKa 37/93, BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106.
Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt
zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum
sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen
Missverhältnis hat das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter
bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen
Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem
Hintergrund hat das BSG es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise
dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom
06.09.2000 - Az: B 6 KA 24/99 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit
engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe
um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500
§ 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen
größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu
vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des
Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, aaO., juris
Rdnr. 23).
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei den Zahnärzten um eine inhomogene Arztgruppe handeln
könnte und deshalb Veranlassung bestünde, der Verwaltung eine Sachaufklärung in dieser Richtung aufzugeben.
Berücksichtigt man, dass es auch in der Zahnheilkunde und den angrenzenden ärztlichen Bereichen besondere
Fach(zahn)ärzte für Spezialgebiete gibt, die besondere Fachgruppen bilden (Fachzahnärzte für Kieferorthopädie,
Gebietsärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie), und ein großer Teil der zahnärztlichen Leistungen aus der
(nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen ist, so bleiben im Wesentlichen lediglich die in Teil 1
des Bema aufgeführten "konservierenden und chirurgischen Leistungen und Röntgenleistungen" als
Prüfungsgegenstand übrig. Da ferner in der Zahnheilkunde generell die Erhaltung der Zähne vorrangiges
Behandlungsziel ist, kann angenommen werden, dass die allgemeinen Zahnarztpraxen in etwa einen gleichen
Behandlungsbedarf zu befriedigen haben (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, SozR 2200 § 368n Nr.
48 = BSGE 62, 24 = SGb 1988, 549 = USK 87212, juris Rdnr. 20).
Ein statistischer Kostenvergleich kann dann nicht durchgeführt werden, wenn die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so
gering ist, als sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr
aussagekräftig ist. Die Prüfung nach Durchschnittswerten geht von der Grundannahme aus, dass es die Ärzte der
Vergleichsgruppe unter Einbeziehung des geprüften Arztes im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun
haben und deshalb im Durchschnitt aller Fälle in etwa die gleichen Behandlungskosten benötigen. Diese Annahme ist
aber nur gerechtfertigt, wenn für den Vergleich einerseits eine hinreichend große Anzahl vergleichbarer Ärzte und
andererseits bei dem zu prüfenden Arzt eine hinreichende Zahl von Behandlungsfällen zur Verfügung stehen Zwar ist
es statistisch genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, dass der zu prüfende Arzt mit geringer Fallzahl dieselbe
Patientenstruktur aufweist wie die Ärzte seiner Vergleichsgruppe, so dass die Relation von behandlungsintensiven
und weniger aufwändigen Behandlungsfällen in kleinen Praxen nicht notwendig anders sein muss als bei großen. Eine
in Relation zur Vergleichsgruppe besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes kann aber zur Folge haben,
dass einzelne schwere, besonders aufwändige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional
in die Höhe treiben. Deshalb ist zu verlangen, dass der mit einer sehr geringen Fallzahl einhergehenden Vergröberung
des Aussagewerts der statistischen Vergleichsprüfung durch die Einführung einer Mindestquote der in die Prüfung
einzubeziehenden Fälle zu begegnen ist. Dabei ist an ein objektives Kriterium, nämlich die durchschnittliche Fallzahl
der Vergleichsgruppe anzuknüpfen. Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Behandlungsfälle einer
einzelnen Krankenkasse ist daher nur mit der Einschränkung zugelassen worden, dass diese mindestens 20 v. H. der
Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ausmachen. Die Mindestquote von 20 % der Durchschnittsfallzahl der
Vergleichsgruppe ist nicht nur bei der auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Kasse beschränkten Prüfung zu
beachten, sondern muss auch dann erreicht sein, wenn die Zahl der insgesamt vom zu prüfenden Arzt behandelten
Patienten besonders niedrig ist. Soweit seit 1995 die Wirtschaftlichkeit der (nunmehr einheitlichen) vertragsärztlichen
Versorgung für den (früheren) RVO-Kassen- und den Ersatzkassenbereich einheitlich geprüft wird, hat dies zur Folge,
dass die in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehenden Behandlungsfälle nunmehr das gesamte Spektrum der
vertragsärztlichen Tätigkeit des zu prüfenden Arztes abdecken und nicht mehr - wie zuvor - jeweils nur einen
Teilbereich. Dies spricht dafür, die absoluten Fallzahlenuntergrenzen bei einer die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit
erfassenden Prüfung höher anzusetzen, als das bisher in besonderen Konstellationen für den einen oder anderen
Kassenbereich für zulässig gehalten worden ist. Gegen eine starre Grenzziehung etwa bei 100 Fällen spricht, dass
dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei kleineren Arztpraxen aus solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahlen
unter 500 liegen, häufig nicht als statische Vergleichsprüfung durchgeführt werden könnte. Angesichts der ständig
verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des
Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen
oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre
Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 09.09.1998 - Az: B 6 KA 50/97 R, SozR 3-
2500 § 106 Nr. 45 = NZS 1999, 310 = Breith 1999, 664 = USK 98174, juris Rdnr. 15 bis 19).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Der Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Durch die Ladung zur mündlichen Verhandlung des Beklagten, an der der Kläger teilgenommen hat, hat eine
ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X).
Eine Verpflichtung des Beklagten, alle sog. Belegfälle in der Prüfsitzung zu erörtern, besteht nicht. Die
Belegfallprüfung dient im Rahmen der sog. intellektuellen Prüfung der Feststellung, ob die auf Unwirtschaftlichkeit
hindeutenden Abrechnungswerte nicht durch Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Ersparnisse ganz oder
teilweise gerechtfertigt sind. Insofern besteht lediglich eine Mindestverpflichtung der Prüfgremien, bei Vorliegen eines
offensichtlichen Missverhältnisses von Amts wegen nach Gründen für die hohen Abrechnungswerte zu suchen. Im
Übrigen ist es Sache des Vertragszahnarztes, substantiiert den Anschein der Unwirtschaftlichkeit zu widerlegen.
Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Im Hinblick auf das Vorliegen eines sog. offensichtlichen
Missverhältnisses und eines statistischen Kostenvergleichs war er nicht gehalten, zu Ausführungen zu Einzelfällen
Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Er hat zudem über fast fünf
engzeilig beschriebene Seiten (Blatt 5 bis 9 des angefochtenen Beschlusses) weitere Ausführungen zur
systematischen Behandlungsweise, zum Röntgenkomplex, zu Leistungen nach Nr. 8 (ViPr), zu Füllungsmaßnahmen
nach Nr. 13a 13d (F1 – F4), zu Leistungen nach Nr. 16 (St) und zur Endodontie (Wurzelbehandlung) gemacht.
Der Beklagte hat auch die Absetzungsfrist für den Bescheid von fünf Monaten eingehalten.
Der angefochtene Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat den Kläger mit den Abrechnungswerten aller hessischen Vertragszahnärzte verglichen. Dies war
nicht zu beanstanden, da die Mitglieder der Klägerin ebenfalls als Vertragszahnärzte in Hessen zugelassen und als
solche tätig sind. Soweit der Beklage Honorarberichtigungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise
vorgenommen hat, war nicht zu beanstanden, dass er vom Vorliegen eines sog. offensichtlichen Missverhältnisses
bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes von 40 % ausging. Dies steht im Einklang mit der bereits zitierten
Rechtsprechung des BSG.
Praxisbesonderheiten sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Eine Praxisbesonderheit liegt auch nicht in den vorgetragenen Tätigkeitsschwerpunkten im Bereich der Endodontie
vor. Bei diesen Gebieten handelt es sich um das typische Leistungsspektrum einer zahnärztlichen Praxis. Im Übrigen
kommt es entscheidend auf das Krankheitsbild der Patientenschaft an. Klägerseits wird nicht nachvollziehbar
dargelegt und belegt, dass aufgrund besonderer Fertigkeiten und Kenntnisse ein von der Vergleichsgruppe signifikant
abweichendes Patientenklientel behandelt wird. Soweit damit zum Ausdruck gebracht werden soll, durch die
Arbeitsweise werde besonders zahnerhaltend gearbeitet, so kann hierdurch eine Praxisbesonderheit nicht
nachgewiesen werden. Zahnerhaltung gehört seit langem zum zahnärztlichen Therapiestandard. Auch die
Vergleichsgruppe ist einer zahnschonenden und zahnerhaltenden Behandlungsweise seit Jahren, wenn nicht gar
Jahrzehnten verpflichtet (vgl. SG Marburg, Urt. v. 13.12.2006– S 12 KA 797/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris
Rdnr. 38).
Weshalb Patienten aus einer Lungenfachklinik einer besonderen Versorgung bedürfen, hat der Kläger nicht im
Einzelnen dargelegt und ist der fachkundig besetzten Kammer nicht ersichtlich. Der Kläger hat auch nicht den Umfang
dieser Patienten dargelegt. Schmerzpatienten bedürfen nicht von vornherein einer aufwändigeren Versorgung, da
zunächst in erster Linie eine Schmerzbeseitigung zu erfolgen hat. Im Übrigen gehören Schmerzpatienten zum Alltag
jeder zahnärztlichen Praxis. Die Behandlung schwerer Fälle stellt keine Praxisbesonderheit dar, da sie im
durchschnittlichen Gesamtfallwert bereits enthalten ist (vgl. SG AAD., Urt. v. 05.09.2007 – S 2 KA 434/06 –
www.zahn-forum.de). Statistischen Zufälligkeiten wird mit der genannten Mindestfallzahl für einen statistischen
Kostenvergleich und der Erstreckung des Prüfungszeitraums auf mehrere Quartale begegnet.
ZE-Fälle bedeuteten ebf. keine Praxisbesonderheit. Der hier strittige konservierend-chirurgische Behandlungsbereich
ist nicht Teil des ZE-Behandlungskomplexes, sondern kommt allenfalls im Rahmen einer Vorbehandlung oder von
Begleitleistungen zur Anwendung. Die Kammer geht davon aus, dass zum einen fast alle ZE-Fälle auch als
Behandlungsfälle in die Statistik der konservierend-chirurgischen Behandlung eingehen und zum anderen, dass
Begleitleistungen nicht notwendig zu erhöhten durchschnittlichen Kosten führen. ZE-Leistungen können auch im
Ergebnis zu geringeren Kosten im Bereich der konservierend-chirurgischen Behandlung führen, indem z. B. bei einer
Überkronung eine mehrflächige Füllung erspart wird (vgl. SG Marburg, Urt. v. 07.12.2005 – S 12 KA 48/05 – juris
Rdnr. 43 = www.sozialgerichtsbarkeit.de; Urt. v. 07.12.2005 – S 12 KA 34/05 -).
Es gibt auch keinen Erfahrungssatz, dass Übersiedler einen überdurchschnittlichen Sanierungsbedarf hätten. Auch ist
diese Personengruppe nicht eindeutig abgrenzbar. Letztlich trägt der Kläger damit vor, sog. schwere Fälle zu
behandeln, ohne dies im Einzelnen darzulegen.
Nach allem war der angefochtene Widerspruchsbescheid rechtmäßig und nicht aufzuheben und die Klage insgesamt
abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende
Teil trägt die Kosten des Verfahrens.