Urteil des SozG Marburg vom 29.11.2006

SozG Marburg: abrechnung, innere medizin, vergütung, vertragsarzt, versorgung, rka, psychotherapeut, verfügung, abgabe, fristversäumnis

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 29.11.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 888/06
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Er hat auch die
Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung für das Quartal IV/03 und hierbei noch um die
Absetzung von drei Leistungen nach Nr. 7269 EBM (Dialysesachkostenpauschale) in einem Behandlungsfall.
Die Kläger ist eine. Ihre beiden Mitglieder sind als Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur
vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Mit Bescheid vom 28.07.2004 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung im Quartal IV/03 von
Leistungen nach Nr. 5 EBM vor. Ferner setzte sie in verschiedenen Behandlungsfällen Leistungen nach Nrn. 7267,
7268 und 7269 EBM ab. U. a. setzte sie im Behandlungsfall E. O. viermal die Leistungen nach Nr. 7269 EBM ab, weil
diese nur einmal pro Behandlungswoche berechnungsfähig sei. Eine Behandlungswoche sei jede Kalenderwoche, in
der ein überwiegender Anteil der wöchentlichen Dialysen (d. h. zwei von drei Hämodialysetagen oder vier von sieben
Peritonealdialysetagen) durchgeführt würden.
Gegen die Berichtigung im Behandlungsfall E. O. legte die Klägerin mit Schreiben vom 27.08.2004, eingegangen am
31.08., unter Hinweis auf ein Schreiben vom 16.08.2004 Widerspruch ein. Sie führte aus, die Angaben beruhten auf
einem Eingabefehler in ihrer Praxis. Die Dialysebehandlungen seien nicht mit den Tagesleistunsziffern berücksichtigt
worden. Es fehlten die Angaben: 04.10.03 793-3661x2-3707x2 22.11.03 793-3661x2-3707x2 29.11.03 793-3661x2-
3707x2. Da Frau O. nur zweimal die Woche zur Dialysebehandlung komme, werde in der jeweiligen Woche auch die
Dialysebehandlung mit Nr. 7269 nicht anerkannt. Falls möglich bitte sie auch um nachträgliche Berücksichtigung.
Auf Hinweis der Beklagten mit Schreiben vom 02.09.2004, eine nachträgliche Berücksichtigung der fehlenden
Leistungen komme voraussichtlich nicht in Betracht, erwiderte die Klägerin unter Datum vom 02.11.2004, sie
verzichte auf Berücksichtigung der Fehleingabe. Die Fehleingabe habe sich aber auf die Nr. 792 mit jeweils 400
Punkten in drei Fällen bezogen. Die Anzahl der Wochenpauschalen sei dagegen richtig zum Ansatz gebracht worden.
Der Widerspruch werde daher auf die Erstattung der Sachkosten in Form der Wochenpauschalen reduziert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2006, dem Kläger zugestellt am 25.07.2006, wies die Beklagte den
Widerspruch zurück. In der Begründung führte sie aus, eine Korrektur der Abrechnung durch den Vertragsarzt sei
nach ihrem HVM nur innerhalb der ersten sechs Wochen nach Quartalsende möglich. Anhaltungspunkte für eine
Ausnahmeregelung seien nicht ersichtlich.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.08.2006 die Klage erhoben. Sie trägt ergänzend zu ihrem Widerspruchsvorbringen
vor, bei der Abrechnung habe sie für drei Behandlungstage vergessen, die ärztliche Betreuung der Dialyse zu
dokumentieren. Eine solche Folgehaftung könne bei kleinsten Fehlern zur Nichtanerkennung einer gesamten
Abrechnung führen. Die Abrechnung sei ihr erst Anfang August zur Verfügung gestellt worden, ein vorheriger Abgleich
mit ihren Unterlagen sei daher nicht möglich gewesen. Die Abrechnung auf der Basis von Wochenpauschalen sei
2003 eingeführt worden und habe sich erst einspielen müssen. Heute würden Fehler telefonisch besprochen und
könnten korrigiert werden.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 28.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
16.07.2006 insoweit aufzuheben, als im Behandlungsfall E. O. mehr als einmal die Leistung nach Nr. 7269 EBM
abgesetzt wurde und festzustellen, dass ein weiterer Anspruch auf Vergütung von drei Leistungen nach Nr. 7269 EBM
im Behandlungsfall E. O. besteht.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, entscheidungsrelevant sei die Nr.
7269 EBM. Unter Ziff. 5 des Kapitels U des EBM sei die Pauschalerstattung für Sach- und Dienstleistungen bei
Behandlung mit renalen Ersatzverfahren und extrakorporalen Blutreinigungsverfahren geregelt. Die Änderung sei zum
01.07.2003 in Kraft getreten. Die Pauschalerstattung nach Nr. 7269 EBM mit 584 EUR setzte eine Behandlungswoche
voraus. Behandlungswoche sei eine Kalenderwoche, in der ein überwiegender Anteil der wöchentlichen Dialysen
durchgeführt werde. Die Pauschalerstattung sei von der Durchführung und Abrechnung der ärztlichen
Dialyseleistungen abhängig. Der Eingabefehler der Praxis könne nicht berücksichtigt werden. Mit der Quartals-
/Sammelerklärung werde die Richtigkeit der Abrechnung bestätigt. Korrekturen könnten nach ihrem HVM nur innerhalb
von sechs Wochen berücksichtigt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 28.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2006 ist
rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen weiterer Anspruch auf Vergütung von drei
Leistungen nach Nr. 7269 EBM im Behandlungsfall E. O ... Die Klage war abzuweisen.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu
stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die
vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2
Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden
Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße
Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte
(BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten
Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.
Aufgrund der abgegebenen und der Beklagten vorliegenden Abrechnung war der Leistungsinhalt der strittigen Nr. 7269
EBM in den abgesetzten Fällen nicht erfüllt. Der Leistungsinhalt wäre nur dann erfüllt, wenn die Beklagte die von der
Klägerin vergessenen, d. h. nicht abgerechneten drei Leistungen nach Nr. 793 EBM zu berücksichtigen hätte. Insofern
geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass dies nur bei einer nachträglichen Abrechnungskorrektur möglich wäre.
Eine Rechtspflicht der Beklagten hierzu besteht nicht.
Nach dem für das streitbefangene Quartal geltendem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten gilt Folgendes:
§ 6 Einreichung der Abrechnung, Sonderbestimmungen
(601) Abrechnungsunterlagen, Termine und Quartalserklärung Die Abrechnungsunterlagen sind für jedes
Kalendervierteljahr bis zu dem von der Bezirksstelle festgesetzten Termin bei der zuständigen Bezirksstelle
einzureichen.
Soweit maschinell verwertbare Datenträger verwendet werden, bedarf dies der vorherigen Genehmigung durch die KV
Hessen. Die diesbezüglichen Bestimmungen der Bundesmantelverträge und deren Anlagen finden Anwendung.
Mit der Abgabe der Behandlungsausweise und ggf. eines maschinell verwertbaren Datenträgers bestätigen der Arzt
bzw. Psychotherapeuten oder bei einer die Ärzte bzw. Psychotherapeuten in einer
Sammelerklärung/Quartalserklärung, dass die zur Abrechnung eingereichten Leistungen nach den gesetzlichen und
vertraglichen Bestimmungen sowie nach den Vorgaben dieser Honorarverteilung erbracht worden sind, notwendig
waren und die eingereichte Abrechnung sachlich richtig und vollständig ist.
Wird die Abrechnung eines ermächtigten Krankenhausarztes vom Krankenhausträger gemäß § 120 Abs. 1 SGB V
erstellt, so haben Krankenhausträger und ermächtigter Krankenhausarzt die vorgenannte Erklärung abzugeben. Für
die Abrechnung ärztlich geleiteter Einrichtungen bzw. Psychologischer Ausbildungsinstitute haben der Träger und der
(ärztliche) Leiter dieser Einrichtung die im Satz 1 genannte Erklärung abzugeben.
Die Bezirksstelle kann gestatten, dass ein Arzt bzw. Psychotherapeut innerhalb der ersten 6 Wochen nach Ende
eines Abrechnungsvierteljahres seine bereits eingereichten Abrechnungsunterlagen in den Geschäftsräumen der
Bezirksstelle in Anwesenheit eines Bevollmächtigten der Bezirksstelle berichtigt. In begründeten Ausnahmefällen
kann diese Frist verlängert werden.
(602) Verspätete Abrechnungsabgabe Geht die Abrechnung einer Praxis ohne eine hinreichende Begründung nicht
fristgemäß oder unvollständig ein, können die laufenden Vorauszahlungen gesperrt und die Abrechnung bis zum
nächsten Abrechnungstermin zurückgestellt werden.
In diesen Fällen hat der Arzt, der Psychotherapeut, der Krankenhausträger bzw. das Psychologische
Ausbildungsinstitut höchstens Anspruch auf die Auszahlungsquote, die für das Abrechnungsvierteljahr gezahlt wurde,
in dem die verspätet abgerechneten Leistungen ausgeführt wurden. Diese Bestimmung gilt nicht für einzelne
Nachzüglerfälle.
(603) Abgeltung des Verwaltungsaufwandes bei Fristversäumnis Für jeden Tag, um den der Termin für die Einreichung
der vollständigen Abrechnung überschritten wird, kann der Geschäftsausschuss zur Deckung des hierdurch
entstehenden Mehraufwandes an Verwaltungskosten einen Honorarabzug von 51,13 EUR pro Arzt, Psychotherapeut,
Krankenhausträger bzw. Psychologischem Ausbildungsinstitut, höchstens 10 % des gesamten Nettohonorars, jedoch
insgesamt maximal 2.556,46 EUR, beschließen.
(604) Verlust des Abrechnungsanspruches Werden die Abrechnungsunterlagen nicht innerhalb von 12 Monaten nach
dem vorgeschriebenen Einreichungstermin bei der Bezirksstelle vorgelegt, so sind die Honorarforderungen verwirkt. In
begründeten Ausnahmefällen kann der Geschäftsausschuss eine verspätete Abrechnung zulassen.
Ein Honoraranspruch besteht auch dann nicht, wenn die Abrechnung nicht den allgemeinen Grundsätzen einer
ordnungsgemäßen Rechnungslegung (z. B. Lesbarkeit der Leistungseintragungen) entspricht oder die gemäß LZ 601
zu bestätigende Einhaltung gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen sowie der Vorgaben dieser Honorarverteilung
offensichtlich und erkennbar verletzt wurden.
Es ist eine der grundlegenden Pflichten jedes Vertragsarztes, die erbrachten Leistungen peinlich genau abzurechnen,
weil die korrekte Abrechnung von der KV angesichts der Vielzahl der von ihr in jedem Quartal zu bewältigenden
Datenmengen nur in eingeschränktem Umfang überprüft werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 -
BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 (juris Rdnr. 22); BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6, 8 =
SozR SozR 2200 § 368a Nr 24 )juris Rdnr. 15); BSG, Urt. v. 08.07.1981 – 6 RKa 17/80 - USK 81172 (juris Rdnr. 31)).
Der Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung gilt unabhängig davon, ob die Abrechnung auf manuellem Wege oder
mittels elektronischer Datenträger erfolgt. Auch wenn sich der Vertragsarzt im zweiten Fall entsprechender
Abrechnungsprogramme bedient, entlastet ihn dies nicht davon, sich vor Weiterleitung der Diskette an die KV
wenigstens anhand von Stichproben zu vergewissern, dass die dort enthaltenen Angaben frei von Fehlern sind,
unabhängig davon, ob diese auf eigenen Falscheingaben oder auf Mängeln der benutzten Software beruhen (vgl. LSG
Niedersachsen, Beschl. v. 17.02.2005 - L 3 KA 218/04 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.01.1997 - L 11 Ka
74/96 - NZS 1997, 384, 386).
Der Arzt hat daher mit Abgabe der Abrechnung in einer Sammelerklärung/Quartalserklärung zu bestätigen, dass die
zur Abrechnung eingereichten Leistungen nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie nach den
Vorgaben des Honorarverteilungsmaßstabs erbracht worden sind, notwendig waren und die eingereichte Abrechnung
sachlich richtig und vollständig ist (LZ 601 Satz 4 HVM).
Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind auf der Rechtsgrundlage des § 85 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V befugt, in
ihrem HVM Regelungen über die Modalitäten der Abrechnung durch die Vertragsärzte zu treffen. Sie dürfen in diesem
Zusammenhang auch Abrechnungsfristen vorgeben und diese als Ausschlussfristen ausgestalten. Im HVM können
insbesondere nicht nur die Fristen geregelt werden, die die Vertragsärzte bei der Abrechnung einhalten müssen,
sondern auch die Folgen, die sich aus einem Fristversäumnis für die Abrechnungen ergeben. § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB
V lässt daher auch eine Regelung im HVM zu, nach der Abrechnungsscheine von der Vergütung ausgeschlossen
sind, die nicht innerhalb des festgesetzten Einsendetermins zur Abrechnung eingereicht werden. Die Ausgestaltung
einer Abrechnungsfrist als Ausschlussfrist stellt für sich genommen keinen derart schwerwiegenden Eingriff in die
Berufsausübung dar, dass für ihn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung erforderlich wäre. Zweck der
Honorarverteilung ist, dass nach jedem Quartal möglichst schnell und möglichst umfassend die für die
Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge ausgekehrt werden. Dies entspricht vor allem dem Interesse der
Vertragsärzte. Denn diese sind - insbesondere wegen der zu bestreitenden Praxiskosten - auf eine möglichst kurze
Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und Leistungshonorierung angewiesen. Auch widerspräche die Zahlung
lediglich von Abschlägen auf das voraussichtliche Honorar über einen längeren Zeitraum hinweg dem berechtigten
Interesse der Ärzte an der Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen. Der Zeitpunkt, zu dem die KÄV nach Abschluss des
jeweiligen Quartals die Abrechnung vorzunehmen und den Vertragsärzten ein Honorarbescheid zu erteilen hat, ist
bundesrechtlich zwar nicht vorgegeben. Die KÄVen sind jedoch gehalten, die ihnen von den Krankenkassen gezahlte
Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 SGB V) umgehend an die Vertragsärzte zu verteilen (§ 85 Abs. 4 SGB V). Demgemäß
sind die KÄVen verpflichtet, den Vertragsärzten alsbald nach Quartalsabschluss Honorarbescheide zu erteilen.
Zahlreiche Bestimmungen sowohl der Bundesmantelverträge als auch des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für
vertragsärztliche Leistungen legen fest bzw. setzen voraus, dass die vertragsärztlichen Leistungen in einem
Kalendervierteljahr zusammengefasst vom Vertragsarzt abgerechnet und von der KÄV vergütet werden. Der
Eigengesetzlichkeit eines auf das einzelne Quartal ausgerichteten Gesamtvergütungssystems entspricht es,
Zahlungen möglichst aus der für das jeweilige Quartal zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung vorzunehmen und
Rückstellungen oder Nachvergütungen weitestgehend zu vermeiden. Die Bildung von Rückstellungen, d. h. der
Einbehalt von Teilen der für ein Quartal entrichteten Gesamtvergütung, kann unerwünschte Auswirkungen auf die
Finanzierbarkeit vertragsärztlicher Praxen und damit letztlich auf die Versorgung der Versicherten haben. Auch die
berechtigten Belange der Krankenkassen können tangiert sein, wenn diese die Gesamtvergütung in
gesetzeskonformer Höhe an die KÄV entrichten, die Vertragsärzte davon aber nur Teile erhalten, die eine
angemessene Vergütung der von ihnen erbrachten Leistungen möglicherweise nicht gewährleisten. Schließlich sind
zahlreiche mengenbegrenzende Regelungen in Honorarverteilungsmaßstäben, wie etwa
Fallzahlzuwachsbeschränkungen oder Individualbudgets, auf das einzelne Quartal bezogen. Die KÄV muss deshalb
gewährleisten können, dass prinzipiell alle Leistungen eines Quartals rechtzeitig abgerechnet und von derartigen
Steuerungsinstrumenten erfasst werden. Hierfür müssen Anreize zur Verlagerung von Abrechnungen in Folgequartale,
etwa wenn die elektronische Erfassung der Abrechnungswerte einer Praxis einen starken und partiell unerwünschten
Fallzahlzuwachs anzeigt, vermieden werden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur gestattet, sondern sachlich
geboten, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass alle vertragsärztlichen Leistungen eines Quartals weitestgehend aus
den für dieses Quartal von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen honoriert werden. Die Ausgestaltung
von Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfristen ist zur Erreichung einer möglichst zügigen, zeitgerechten und
vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung grundsätzlich geeignet. Fristen für die Abrechnung vertragsärztlicher
Leistungen dienen umso mehr einer schnellen und umfassenden Honorarverteilung, je weniger Ausnahmen sie
zulassen. Auf der anderen Seite können von Ausschlussfristen erhebliche Wirkungen für den Vergütungsanspruch
des Vertragsarztes ausgehen. Vertragsärzte, die auf Grund eines Versehens oder einer möglicherweise nicht sofort
erkennbaren Störung im elektronischen Übermittlungssystem oder in der praxiseigenen Software einen größeren Teil
ihrer Abrechnungen nicht zu dem von der KÄV gesetzten Termin innerhalb der ersten zwei Wochen des neuen
Quartals vorlegen, laufen Gefahr, keinerlei Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistungen zu erhalten. Solche
Auswirkungen einer nicht weiter differenzierten und abgestuften Ausschlussfrist sind durch die
Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V nicht gedeckt und stellen zugleich eine unverhältnismäßige
Einschränkung des durch Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rechts der Vertragsärzte auf eine Honorierung ihrer
Leistungen dar. Das billigenswerte Ziel möglichst frühzeitiger, zu einem einheitlichen Zeitpunkt abgeschlossener
Abrechnungen der vertragsärztlichen Leistungen rechtfertigt und fordert eine rigide und vor allem kurze
Ausschlussfrist nicht (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 19 = SGb 2006, 370,
juris Rdnr. 21 - 25). Sachgerechterweise kann die nachträgliche Korrektur von bereits vorgelegten
Abrechnungsscheinen ausgeschlossen sein (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R – aaO., Rdnr. 26).
Ausgehend hiervon ist § 6 LZ 601 Satz 7 HVM nicht zu beanstanden (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 09.11.2005
– S 12 KA 28/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Nach den Einlassungen der Klägerin ist nicht schlichtes technisches Versagen im Sinne einer höheren Gewalt für die
fehlerhafte Abrechnung Ursache. Die Klägerin hat selbst dargelegt, dass Ursache nicht ein Programmfehler ist. Es
handelt sich insoweit um ein Versehen bzw. um einen Eingabefehler. Diesen muss sich die Klägerin aber zurechnen
lassen. Dabei ist es unerheblich, ob die Voraussetzungen für die Sachkostenpauschale tatsächlich vorliegen.
Massgeblich ist insoweit ausschließlich, ob die Voraussetzungen nach der Abrechnung vorliegen, was hier nicht der
Fall ist. Aus der vorgelegten Abrechnung folgt nicht zwingend, dass die "fehlenden" ärztlichen Leistungen für die
Abrechnung der Sachkostenpauschale tatsächlich von der Klägerin erbracht wurden. Von daher kann auch ein
Zusetzten oder "Hinzudenken" dieser Leistungen durch die Beklagte nicht erfolgen. Die Richtigkeit der Eingaben
gehört insbesondere zum Verantwortungsbereich der Klägerin. Ein Vertragsarzt hat sich mit neuen
Abrechnungsbestimmungen zu befassen. Die insoweit mit zwei Vertragsärzten fachkundig besetzte Kammer verkennt
nicht, dass Änderungen bei der Abrechnung oft umfassend sind oder kurzfristig eingeführt werden. Dies trifft aber
nicht die Klägerin allein, sondern alle Vertragsärzte. Die Klägerin ist ihrer Verantwortung nicht in vollem Maße
nachgekommen, was sie sich nunmehr zurechnen lassen muss. Von daher hat die Beklagte auch zu Recht keine
Ausführungen zu LZ 601 Satz 8 HVM gemacht, wonach in begründeten Ausnahmefällen die Korrekturfrist verlängert
werden kann. Auch trifft die Gesamteinbuße aufgrund der fehlerhaften Abrechnung die Klägerin nicht in einem
Umfang, der unzumutbar wäre.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.