Urteil des SozG Marburg vom 01.04.1997

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Sozialgericht Marburg
Beschluss vom 01.04.1997 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 520/07
I. Die Beklagte hat die notwendigen Kosten des Verfahrens zu tragen.
II. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
zu I.
Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
genannten Personen, was hier der Fall ist, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes
erhoben; die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind
entsprechend anzuwenden. Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht nach billigem
Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu
berücksichtigen (vgl. § 161 Abs. 2 VwGO). Das Gericht hat durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden (vgl. §
161 Abs. 1 VwGO). Weitere Ermittlungen sind nicht anzustellen.
Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch beiderseitige Erledigungserklärung ist die
Kostenentscheidung nach sachgerechtem Ermessen zu treffen. Zu berücksichtigen sind dabei alle Umstände des
Einzelfalles. Wesentlich sind grundsätzlich die Erfolgsaussichten der Klage und die Frage, wer Anlass für die
Klageerhebung gegeben hat. Hierzu rechnet die falsche Sachbehandlung, eine fehlende oder fehlerhafte Begründung
des Bescheides, unrichtige Beratung oder unzutreffende Rechtsmittelbelehrung. Gleichermaßen ist das Verhalten des
Klägers zu würdigen (z. B. verspätete Vorlage einer Vollmacht oder unzureichender Sachvortrag). Für die
Kostenentscheidung wesentlich ist im Übrigen, ob sich die Sach- und Rechtslage nach Erlass des Bescheides
geändert hat; trägt ein Beteiligter dem sofort Rechnung, hat er ggf. keine Kosten zu tragen. Das Anerkenntnis muss
unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB) abgegeben werden, um kostenrechtlich beachtlich zu sein (vgl. Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl. 2005, § 197a, Rdnr. 25b und § 193, Rdnrn. 12b ff.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind der Beklagten die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Klage mit Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger begehrte mit der Klage die Genehmigung zur Beschäftigung vom Frau Dr. med. C als
Sicherstellungsassistentin. Die Beklagte hatte die Genehmigung abgelehnt, da Frau Dr.C nicht über die Qualifikation
als Fachärztin verfügt. Nach Auffassung der Kammer ist jedoch für die Genehmigung einer Sicherstellungsassistentin
nicht erforderlich, dass diese über eine fachärztliche Qualifikation verfügt.
Die Beschäftig von Assistenten gem. § 3 Abs. 3 Ärzte-ZV bedarf der Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung.
Im Übrigen darf der Vertragsarzt einen Vertreter oder einen Assistenten nur beschäftigen, wenn dies im Rahmen der
Aus- oder Weiterbildung oder aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erfolgt; die vorherige
Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung ist erforderlich. Die Dauer der Beschäftigung ist zu befristen. Die
Genehmigung ist zu widerrufen, wenn die Beschäftigung eines Vertreters oder eines Assistenten nicht mehr begründet
ist; sie kann widerrufen werden, wenn in der Person des Arzt, des Vertreters oder des Assistenten Gründe liegen,
welche beim Vertragsarzt zur Entziehung der Zulassung führen können (§ 32 Abs. 2 Ärzte-ZV).
Anders als für die Zulassung als Vertragsarzt verlangt das Gesetz für die Genehmigung einer Sicherungsassistentin
keine fachärztliche Qualifikation. Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Arzt bewerben, der seine
Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister (Arztregister) nachweist (§ 95 Abs. Satz 1 SGB V). Die Eintragung in ein
Arztregister erfolgt auf Antrag nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a SGB V für Vertragsärzte (§ 95 Abs. 2
Satz 3 SGB V). Bei Ärzten setzt die Eintragung in das Arztregister unter anderem den erfolgreichen Abschluss
entweder einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung oder einer Weiterbildung in einem anderen Fachgebiet mit der
Befugnis zum Führen einer entsprechenden Gebietsbezeichnung voraus (§ 95a Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Entsprechend
verlangt § 3 Abs. 2 Buchstabe b Ärzte-ZV für die Eintragung in das Arztregister den erfolgreichen Abschluss entweder
einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung oder einer Weiterbildung in einem anderen Fachgebiet. Für die
Beschäftigung eines Assistenten wird weder in § 32 Ärzte-ZV noch in den genannten Vorschriften oder sonstigen
Vorschriften verlangt, dass der Assistent eine Weiterbildung absolviert haben muss. Ein solches Erfordernis erfolgt
auch nicht durch Sinn und Zweck der genannten Vorschriften. Bei der Assistentenbeschäftigung handelt es sich um
eine Ausnahme zum Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung durch den Vertragsarzt nach § 32 Abs. 1 Satz 1
Ärzte-ZV. Die Leistung des Assistenten wird dem Vertragsarzt als eigene persönliche Leistung im Sinne der
genannten Vorschrift zugerechnet. Der Vertragsarzt hat entsprechend den Assistenzarzt anzuweisen und zu
überwachen. Eine arbeitsteilige Beschäftigung wie bei angestellten Ärzten oder Praxispartnern ist nicht möglich. Das
Gesetz unterscheidet auch insofern nicht zwischen Weiterbildungsassistenten, deren Zweck gerade die
Beschäftigung zur Erlangung einer Weiterbildung ist, und den übrigen Sicherstellungsassistenten. Der
Sicherstellungsassistent wird auch im Unterschied zum Vertreter, der gerade in Abwesenheit des Vertragsarztes
eingesetzt wird, nicht alleine tätig. Eine Regelungslücke ist der Kammer nicht ersichtlich. Das allgemeine
Facharzterfordernis wurde durch das Gesundheitsstrukturgesetz mit Wirkung zum 01.01.1994 mit Einführung des §
95a SGB V in das Sozialgesetzbuch eingeführt. Insofern konnte nach altem Recht eine vertragsärztliche
Niederlassung erfolgen, ohne dass eine Weiterbildung vorlag. Entsprechend konnte auch ein Sicherstellungsassistent
ohne Weiterbildung beschäftigt werden. Mit Einfügen des Weiterbildungserfordernisses für die vertragsärztliche
Zulassung hat der Gesetzgeber § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV nicht geändert. Er hat auch in der Folgezeit, als er die
Voraussetzungen für die Weiterbildung von einer drei- auf eine fünfjährige Weiterbildungszeit heraufgesetzt hat, § 32
Ärzte-ZV nicht geändert. Von daher geht die Kammer davon aus, dass es sich um eine bewusste Entscheidung des
Gesetz- bzw. Verordnungsgebers handelt, eine Weiterbildung auch für Sicherstellungsassistenten nicht zu verlangen.
Von daher war die Klage zum Zeitpunkt der Klageerhebung mit Aussicht auf Erfolg.
Soweit die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Kostenübernahme abgelehnt hat, da zum Zeitpunkt des
Klageeingangs am 06.12.2007 dem Kläger hätte bekannt sein müssen, dass er zum Jahresende seine
vertragärztliche Tätigkeit beenden würde, so ändert dies nichts an der Begründetheit der Klage zum Zeitpunkt der
Klageerhebung. Der Kläger hat im Übrigen bereits im Antragsschreiben vom 24.07.2007 darauf hingewiesen, er werde
im Oktober in den Ruhestand gehen. Im Übrigen hat die Beklagte nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers die
Genehmigung der FrauC als Entlastungsassistenten bereits für den Zeitraum vom 01.04.1997 bis 01.04.2006
genehmigt gehabt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte nunmehr von dieser Genehmigungspraxis
abgewichen ist, da sie offensichtlich weiterhin von einem Sicherstellungsbedarf ausgegangen ist.
Nach allem waren der Beklagten die Verfahrenkosten aufzuerlegen.
Dieser Beschluss zu I. ist unanfechtbar (§ 158 Abs. 2 VwGO) (vgl. LSG Hessen, Besch. v. 29.03.2004 – L 14 B
55/03 P -; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.10.2006 – L 5 KA 236/06 AK-B – www.sozialgerichtsbarkeit.de =
juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 06.10.2004 – L 3 B 79/03 KA - www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG
Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.01.2005 - L 2 B 162/04 KR – juris = www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Berlin,
Beschl. v. 20.12.2004 - L 9 B 290/04 KR - juris; LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 04.05.2007 - L 1 B 436/07 KR –
juris; anders LSG Hessen, Beschl. v. 31.08.2007 – L 4 B 230/07 KA –; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v.
22.05.2007 - L 8 AL 3833/06– juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.08.2003 - L 5 SB 25/02 KR - Breith 2003,
877; LSG Berlin, Beschl. v. 28.04.2004 - L 6 B 44/03 AL/ER - SGb 2005, 55-57 = juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschl.
v. 28.07.2005 - L 4 B 7/05 SF – juris).
zu II.:
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach
den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet
der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert
von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Ein wirtschaftlicher Wert kann dem Klagebegehren nicht zugeordnet werden, weshalb der Regelstreitwert als Streitwert
festzusetzen war. Dies ergab den festgesetzten Wert.