Urteil des SozG Marburg vom 31.10.2007

SozG Marburg: hessen, stadt, versorgung, vergütung, durchschnitt, ausdehnung, zahl, bekanntmachung, vergleich, rlv

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 31.10.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 780/06
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Sonderregelung bei dem Regelleistungsvolumen für Leistungen des ambulanten
Operierens bei Versicherten der AOK Hessen für ausgewählte Operationsarten nach der "26-er Liste" für die drei
Quartale III/04 bis I/05.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Anästhesiologie seit 01.04.2004 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in
A-Stadt zugelassen. Sie hat eine Genehmigung zum ambulanten Operieren.
In den Quartalen II/04 bis II/05 erzielte die Klägerin folgende Honorarzahlungen:
Quartal Quotiertes Honorar in EUR PK+EK Fallzahl RLV AOK-Versicherte 26er Liste in Punkten Abrechnung über
RLV hinaus in Punkten II/04 43.525,90 189 - - III/04 28.820,60 148 55.586,9 48.693.1 IV/04 35.553,81 183 67.626,3
181.163,7 I/05 42.997,46 222 74.988,0 166.252,0 II/05 38.554,61 216 65.128,8 225.861,2
Nach Mitteilung der allgemeinen Rahmenbedingungen zum ambulanten Operieren bei Versicherten der AOK Hessen
mit Schreiben vom 22.07.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit weiterem Schreiben vom 25.08.2004 das der
Klägerin zur Verfügung stehende Regelleistungsvolumen für die "26er" Liste mit. Dieses betrage für das Quartal III/04
(Basis III/03): 55.586,9 Punkte, für das Quartal IV/04 (Basis IV/03): 67.626,3 Punkte.
Hiergegen wandte die Klägerin mit Schreiben vom 19.09.2004, bei der Beklagten am 22.09. eingegangen, ein, für sie
ergebe es keine Vergleichswerte, da sie ihre Tätigkeit erst 2004 aufgenommen habe. Sie arbeite für Orthopäden und
Chirurgen, die fast ausschließlich über den Strukturvertrag abgerechnet werden würden. Davon seien 40 bis 50 % der
Patienten bei der AOK Hessen versichert. Zum Vergleich habe sie das Quartal II/04 analysiert. 80 Narkosen bei AOK-
Patienten ergäben bei ihr eine Punktzahl von rund 785.000 Punkten. Das Regelleistungsvolumen bedeute für sie im
Ergebnis, dass ca. 85 % ihrer Tätigkeit nicht vergütet werden, da der Punktwert von 5 Cent nur für das
Regelleistungsvolumen gelte, weitere Leistungen nur noch zu 0,5 Cent vergütet werden würden.
Die Beklagte erwiderte hierauf, auf der Grundlage der Abrechnung für das Quartal II/04 würden bei 74 Anästhesien und
einem Punktzahlvolumen von 310.730,0 Punkten 55.586,9 Punkte (Fachgruppendurchschnitt aus III/03) zum oberen
Punktwert und 255.143,1 Punkte zum unteren Punktwert vergütet werden. Die Klägerin erwiderte hierauf, bei 75.000
Punkten würden nur 14-18 Anästhesieleistungen vergütet werden. Wegen der Kosten müsse sie Geld mitbringen. Sie
arbeite fast ausschließlich in einer Praxisklinik für sechs Chirurgen und habe keine Möglichkeit, Operationen in das
nächste Quartal zu schieben.
Mit Bescheid vom 26.04.2005 lehnte die Beklagte den Antrag im Schreiben vom 19.09.2004 auf eine Sonderregelung
ab. Zur Begründung verwies sie auf den Vertrag mit der AOK Hessen. Soweit Vergleichswerte nicht zur Verfügung
stünden, könne ausnahmsweise auf den Durchschnitt der Fachgruppe des entsprechenden Quartals zurückgegriffen
werden. Die Praxisvorgängerin habe keine entsprechenden Anästhesien durchgeführt. Der Umstand, dass die
Operateure, mit denen er zusammenarbeite, einen Anteil von 40 bis 50 % AOK-Versicherte hätten, führe nicht zu
einer Erhöhung des Regelleistungsvolumens.
Hiergegen legte die Klägerin am 12.05.2005 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 07.01.2005 gab die Beklagte der Klägerin das Regelleistungsvolumen für das Quartal I/05 mit
74.988,0 Punkten an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006, zugestellt am 20.04.2006, wies die Beklagte den Widerspruch bzgl. der
Quartale III/04 bis I/05 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die über das Regelleistungsvolumen hinausgehenden
Punkte könnten nur zum unteren Punktwert von 0,5 Cent bewertet werden. Die Praxisvorgängerin Frau Dr. HX. habe
die entsprechenden Leistungen in einem wesentlich geringeren Umfang als durch das Regelleistungsvolumen
zugestanden abgerechnet. Der arzt-/fachgruppenbezogene Durchschnittswert, der nur die Anästhesisten
berücksichtige, die entsprechende Leistungen erbracht hätten, stelle bereits eine begünstigende Sonderregelung dar.
In den Quartalen III/04 bis I/05 habe sich die Anzahl der Operateure am Operationszentrum, mit denen sie
zusammenarbeite, von 5 auf 7 (bzw. 8 – unter Einbeziehung von Frau Dr. FK.) gesteigert. Allein der Umstand einer
zunehmenden Inanspruchnahme durch neue Operateure könne nicht zu einer Sonderregelung führen. Der Hinweis auf
zwei Anästhesisten aus BX. sei nur von Bedeutung, soweit diese aus Sicherstellungsgründen tätig geworden seien.
Nach einem Vorstandsbeschluss sei hierbei auf einen Umkreis von 50 km abzustellen. In A-Stadt sei eine größere
Anzahl von Anästhesisten tätig, zudem sei der Planungsbereich mit Anästhesisten überversorgt. Eine
Sicherstellungsproblematik bestehe daher nicht.
Mit Schreiben vom 13.06.2005 gab die Beklagte der Klägerin das Regelleistungsvolumen für das Quartal II/05 mit
65.128,8 Punkten an. Hiergegen legte die Klägerin am 30.06.2005 Widerspruch ein, den die Beklagte als Antrag auf
Erhöhung des Regelleistungsvolumens ansah.
Mit Bescheid vom 01.08.2005 lehnte die Beklagte eine Erhöhung für das Quartal II/05 ebf. ab. Sie führte zur
Begründung aus, nach dem Vertrag mit der AOK Hessen sei eine Ausnahmeregelung nicht möglich. Die
Sicherstellung sei nicht gefährdet, da die von der Klägerin erbrachten Leistungen von weiteren Ärzten erbracht werden
würden. Es werde von Amts wegen geprüft, ob die Maßnahme auszusetzen sei, wenn das Honorar unter dem
Durchschnitt liege. Von einer Budgetierung werde dann abgesehen, wenn das arztgruppenspezifische
Durchschnittshonorar nicht erreicht werde. Für das Quartal II/05 fehlten hierzu noch die Unterlagen.
Hiergegen legte die Klägerin am 23.08.2005 Widerspruch ein.
Zur Begründung ihrer Widersprüche führte sie aus, sie habe den bereits bestehenden Tätigkeitsbereich des
Ambulanten Operationszentrums A-Straße in A-Stadt übernommen. Von dem übernommenen bestehenden Bestand
sei auszugehen. Die Leistungen seien zuvor von in BX. zugelassenen Anästhesisten erbracht worden. Die KV BX.
habe die Zahlungen bei der Beklagten über den Fremdarztausgleich abgewickelt. Die AOK zahle aber weiterhin ihre
Anteile. Eine Mengenausweitung habe nicht stattgefunden, da die Operateure in gleicher Weise weiterhin tätig seien.
Das Prinzip der Honorarverteilungsgerechtigkeit werde verletzt. Auf Nachfrage der Beklagten teilte sie die Namen der
Operateure und der früheren Anästhesisten am Operationszentrum mit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006, zugestellt am 20.04.2006, wies die Beklagte den Widerspruch bzgl. des
Quartals II/05 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die über das Regelleistungsvolumen von 65.128,8 Punkten
hinausgehenden 225.861,2 Punkte im Quartal II/05 hätten nur zum unteren Punktwert von 0,5 Cent bewertet werden
können. Die Praxisvorgängerin Frau Dr. HX. habe die entsprechenden Leistungen in einem wesentlich geringeren
Umfang als durch das Regelleistungsvolumen zugestanden abgerechnet. Der arzt-/fachgruppenbezogene
Durchschnittswert, der nur die Anästhesisten berücksichtige, die entsprechende Leistungen erbracht hätten, stelle
bereits eine begünstigende Sonderregelung dar. Gegenüber den Quartalen III und IV/04 habe sich die Anzahl der
Operateure am Operationszentrum gesteigert, mit denen sie zusammenarbeite. Allein der Umstand einer
zunehmenden Inanspruchnahme durch neue Operateure könne nicht zu einer Sonderregelung führen. Der Hinweis auf
zwei Anästhesisten aus BX. sei nur von Bedeutung, soweit diese aus Sicherstellungsgründen tätig geworden seien.
Nach einem Vorstandsbeschluss sei hierbei auf einen Umkreis von 50 km abzustellen. In A-Stadt sei eine größere
Anzahl von Anästhesisten tätig, zudem sei der Planungsbereich mit Anästhesisten überversorgt. Eine
Sicherstellungsproblematik bestehe daher nicht.
Gegen beide Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 22.05.2006 die Klage erhoben. Die unter den Az.: S 12
780/06 und S 12 KA 1017 KA geführten Klagen wurden am 20.11.2006 zur gemeinsamen Verhandlung und
Entscheidung miteinander verbunden.
Die Klägerin trägt weiter vor, habe sich auf Anästhesien für orthopädische Eingriffe im Bereich Knie und Schulter
spezialisiert; hierauf entfielen 99 % ihrer Tätigkeit. Ihre Sondersituation bestehe darin, dass sie ausschließlich
Leistungen nach der "26-er" Liste durchgeführt habe. Insofern sei sie mit den anderen Anästhesisten nicht
vergleichbar. Da sie regelmäßig das Regelleistungsvolumen überschreite, würden 85 % ihrer Leistungen nicht vergütet
werden. Es fehle an der Homogenität der Vergleichsgruppe. Sie könne ihre Tätigkeit nicht auf andere Bereiche
ausdehnen. Sie sei an die Strukturen des Operationszentrums gebunden. Sie sei abhängig vom operierenden Arzt.
Sie habe sich verpflichten müssen, die in der Praxis anstehenden Narkosen auszuführen. Die Honorarverteilung habe
sich solcher Strukturen anzupassen. Es seien lediglich die Anästhesisten ausgetauscht worden. Die Leistungen seien
zuvor in vollem Umfang vergütet worden. Sie habe inzwischen ihre Tätigkeit aufgegeben, da sie nicht mehr in der
Lage gewesen sei, die Praxiskosten zu tragen. Im Gesamtzeitraum III/04 bis II/05 habe sie von 885.300 Punkten nur
263.330 Punkte (29 %) zum oberen Punktwert vergütet erhalten. Es gehe ihr um eine gerechte Teilhabe an der
Gesamtvergütung. Die von der Beklagten vorgelegten Abrechnungswerte zeigten, dass 162 (97 %) der 167
Anästhesisten weniger Leistungen erwirtschaftet hätten als sie. Im Durchschnitt würden nur ca. 13 % zum unteren
Punktwert vergütet werden.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 26.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.04.2006 und
den Bescheid vom 01.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides 12.04.2006 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, sie über den Antrag auf Festsetzung einer Sonderregelung für Leistungen des ambulanten Operierens bei
Versicherten der AOK Hessen nach der "26er"-Liste für die Quartale III/04 bis II/05 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angefochten Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, wegen der späteren Niederlassung
der Klägerin habe nicht auf deren eigene Abrechnungswerte zurückgegriffen werden können. Es seien somit die arzt-
/fachgruppenbezogenen Durchschnittswerte heranzuziehen gewesen. Eine abweichende Sonderregelung belaste die
Gesamtvergütung. Sicherstellungsgründe lägen nicht vor, da der Planungsbereich A Stadt mit Anästhesisten
überversorgt sei. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei nicht verletzt. Die Klägerin könne sich nicht
darauf berufen, bestehenden Organisationsstrukturen unterworfen zu sein. Es bestehe nur ein Anspruch auf
Teilnahme an der Honorarverteilung. Die Kostendeckung sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Für die
Angemessenheit der Versorgung komme es auf die Gefährdung des Versorgungssystems für eine Arztgruppe an. Die
Klägerin gebe selbst an, auf Anästhesien für Operationen im Bereich von Knie und Schultern spezialisiert zu sein. Auf
diesen Bereich könne aber nicht abgestellt werden. Rechtsgrundlage für die Vereinbarung mit der AOK Hessen sei
§83 S. 1 SGB V. Die Vereinbarung sei zu Recht in den für die Quartale III/04 bis I/05 geltenden HVM und ab dem
Quartal II/05 in den HVV überführt worden. Bei extrabudgetären Leistungen seien Begrenzungsmaßnahmen
flankierend erforderlich. Der HVM sei als Honorarvertrag für die Quartale III und IV/04 fortgeführt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben
worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.04.2005 in der Gestalt des
Widerspruchbescheides 12.04.2006 und der Bescheid vom 01.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides
12.04.2006 sind rechtmäßig und waren daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, über den
Antrag auf Festsetzung einer Sonderregelung für Leistungen des ambulanten Operierens bei Versicherten der AOK
Hessen nach der "26er" Liste für die Quartale III/04 bis II/05 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu
beschieden zu werden.
Die Beklagte hat durch Beschluss ihrer Abgeordnetenversammlung vom 11.06.2003 ihre Grundsätze der
Honorarverteilung neu gefasst, veröffentlicht als Anlage zum Rundschreiben 5/6 der Bekanntmachung vom
25.06.2003 (info.doc Nr. 5/6 Juni 2003) (im Folgenden: HVM). Für den Bereich des hier strittigen ambulanten
Operierens hat die Beklagte mit der AOK Hessen eine Vereinbarung zur Regelung der Vergütung für ausgewählte
Leistungen des ambulanten Operierens im Rahmen des Honorarverteilungsvertrages der KV Hessen für die Quartale
3/2004 bis 2/2005 am 30.05.2005 geschlossen (im Folgenden: Vb). Für die in der Vereinbarung im Einzelnen
niedergelegten Operationsarten und Begleitleistungen gilt ein Regelleistungsvolumen, berechnet auf der Basis der
Honoraranforderungen für das entsprechende Quartal des Jahres 2003. Für das in den vergleichbaren
Ausgangsquartalen ermittelte Punktzahlvolumen wird ein Punktwert von 5,0 Cent vergütet. Leistungsanforderungen in
Punkten oberhalb des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens werden mit einem Punktwert von 0,5 Cent bewertet
und vergütet (§ 2 Abs. 2.1 Vb). Bei der Ermittlung des Regelleistungsvolumens für die Quartale ab 3/2004 wird
möglichen Praxisstrukturänderungen im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal durch entsprechende
Aufteilung des im jeweiligen Quartal des Jahres 2003 von der Praxis abgerechneten Honorarforderungen auf die neue
Praxisstruktur dergestalt Rechnung getragen, dass keine Mehrforderungen gegenüber der AOK Hessen entstehen.
Soweit eine Praxis erstmals nach dem Quartal 2/2003 Leistungen des ambulanten Operierens gemäß Anlage zu
dieser Vereinbarung erbringt, erfolgt die Zuerkennung eines arzt-/fachgruppenspezifischen durchschnittlichen
Regelleistungsvolumens mit einer Bewertung der in diesem Rahmen erbrachten Leistungen zu einem Punktwert von
5,0 Cent sowie der entsprechenden über diesem Regelleistungsvolumenansatzes liegenden Honorarforderungen zu
einem Punktwert von 0,5 Cent. Die sich durch diese Regelung ergebenden Honorarmehrforderungen gehen zu Lasten
der AOK Hessen (§ 2 Abs. 2.4 Vb). Diese Vereinbarung wurde in der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen
Vereinigung Hessen und der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, dem BKK Landesverband Hessen, der IKK
Hessen, dem Verband der Angestellten Krankenkassen e. V. (VdAK) – Landesvertretung Hessen, dem AEV-Arbeiter-
Ersatzkassenverband e. V. – Landesvertretung Hessen, der Landwirtschaftlichen Krankenkassen Hessen, Rheinland-
Pfalz und Saarland, der Krankenkasse für den Gartenbau und der Knappschaft zur Honorarverteilung für die Quartale
2/2005 bis 4/2005 vom 10.11.2005, veröffentlicht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom
10.11.2005 (im Folgenden: HVV) für die Quartale ab II/05 ff. übernommen (vgl. Nr. 2 der Anlage 3 zu Ziff. 7.2 HVV).
Bei der Vereinbarung handelt es sich um einen Strukturvertrag mit der AOK Hessen. An dessen Vorgaben ist die
Beklagte bei der Honorarverteilung ebenso wie im Quartal II/05 an den HVV gebunden. Angesichts einer
extrabudgetären Vergütung zu festen Punktwerten ist es ferner nicht zu beanstanden, dass hierfür feste
Regelleistungsvolumen vorgesehen werden, die auf frühere Abrechnungsquartale Bezug nehmen (vgl. BSG, Urt. v.
08.02.2006 – B 6 KA 25/05 R -, SozR 4-2500 § 85 Nr. 23 = MedR 2006, 603 = NZS 2006, 667, juris Rdnr. 23 m.w.N.).
Zu beachten ist ferner, dass diese Regelleistungsvolumen im Regelfall nur einen geringeren Teil des ärztlichen
Honoraranspruchs ausmachen (so bereits auch Urteil der Kammer v. 29.08.2007 - S 12 KA 1194/05 –
www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Ausgehend von diesen Regelungen der Vb hat die Beklagte der Klägerin zutreffend die Durchschnittspunktzahl der
abgerechneten ambulanten Operationen der abrechnenden Ärzte der Fachgruppe im Vergleichsquartal zugebilligt.
Eigene Abrechnungswerte der Klägerin lagen im maßgeblichen Referenzquartal I/03 nicht vor, da die Klägerin erst
danach zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde. Allein hierauf, also auf das Vorliegen entsprechender
Abrechnungswerte im Referenzquartal kommt es nach der Vb an.
Satz 2 des § 2 Abs. 2.4 Vb für die Zuerkennung eines durchschnittlichen Regelleistungsvolumens auf die erstmalige
Leistungserbringung nach dem Quartal 2/2003 abstellt, knüpft dies an den Beginn der Regelung ab dem Quartal III/04
an und berücksichtigt nicht, dass für das Quartal I/05 an das erste Quartal des Jahres 2003 anzuknüpfen ist. Insofern
handelt es sich offensichtlich um ein Redaktionsversehen, woraus nicht die Rechtswidrigkeit der Vb folgt. Ebf. trifft
die Vb. keine Regelungen darüber, welches Regelleistungsvolumen zu gelten hat, wenn der Vertragsarzt im
Referenzquartal keine Abrechnungen vorzuweisen hat. Diese offensichtliche Lücke im Vertragswerk ist im Wege der
ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Diese Lücke ist unter entsprechender Heranziehung der Regelung der
Bestimmungen in Anlage 3 zu LZ 702 (Abschnitt 1.2 Satz 1) der ab 01. Juli 2003 geltenden Grundsätze der
Honorarverteilung, deren Fortgeltung die Beklagte mit den Landesverbänden der Krankenkassen vereinbart hat, zu
schließen (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 29.08.2007 – S 12 KA 1194/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de.).
Insofern geht die Beklagte im Ergebnis zutreffend davon aus, dass auf die durchschnittliche Honorarforderung der
Fachgruppe im Quartal I/03 abzustellen ist.
Soweit die Kammer im Urteil vom 29.08.2007 – S 12 KA 1194/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de und vom 31.10.2007
- S 12 KA 899/06 – für den Bereich der Augenheilkunde die Auffassung vertreten hat, es sei unzulässig, das
maßgebliche Honorarvolumen anhand der Zahl der Ärzte in allen operierenden Gemeinschaftspraxen zu bestimmen,
es könne nur die Zahl der tatsächlichen Operateure herangezogen werden, so geht die Kammer hier davon aus, dass
bei den anästhesistischen Gemeinschaftspraxen, die operieren, die Operationsleistungen von allen Anästhesisten in
der Gemeinschaftspraxis erbracht werden. Von daher führte dieser Gesichtspunkt nicht zur Beanstandung der
angefochtenen Bescheide.
Ausgehend von diesen Regelungen der Vb und des HVV hat die Beklagte der Klägerin zutreffend die
Durchschnittspunktzahl der abgerechneten ambulanten Operationen der abrechnenden Ärzte der Fachgruppe im
Vergleichsquartal zugebilligt. Eigene Abrechnungswerte der Klägerin lagen in den maßgeblichen Referenzquartalen
des Jahres 2003 nicht vor, da die Klägerin erst danach zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde.
Auch aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit folgt für die Kammer kein Anspruch darauf, dass allen
Praxen die jeweiligen Durchschnittswerte der Fachgruppe hinsichtlich der ambulant operativen Tätigkeit zuerkannt
bekommen müssten bzw. bis zu solchermaßen bestimmten Regelleistungsvolumen wachsen dürften. Die
Vertragspartner haben dies ausdrücklich durch die Begrenzung auf neu hinzukommende Operateure ausgeschlossen.
Dies liegt offensichtlich daran, dass es sich um mit festen Punktwerten vergütete Leistungen handelt und keine
Anreize für die Ausdehnung dieses operativen Bereichs geschaffen werden sollten. Aufgrund der Spezialität dieses
Bereichs verbleiben den Ärzten Wachstumsmöglichkeiten in den übrigen Leistungsbereichen. Soweit dort auch
Regelleistungsvolumen bestehen, würde die Zulässigkeit des Wachstums in segmentierten Regelleistungsvolumen
dazu führen, dass insgesamt eine Ausdehnung der Leistungen und des Honorarvolumens ermöglicht wird, was zu
Lasten der anderen Ärzte gehen würde oder den Krankenkassen und damit den Beitragszahlern weitere Kosten
auferlegen würde. Insofern kann für einen segmentierten Bereich mit festen Punktwerten an das Abrechnungsvolumen
vorangegangener Quartale angeknüpft werden, da hieraus auf die Wahrnehmung des Versorgungsumfangs und
insoweit auch auf den Punktebedarf der Praxis geschlossen werden kann. Es obliegt insofern dem
Entscheidungsspielraum der Vertragspartner des Strukturvertrags bzw. des HVV, ob sie darüber hinaus Anreize für
eine Leistungsausdehnung oder weitere Spezialisierung setzen wollen. Im Übrigen werden die Leistungen auch bei
Überschreitung des Regelleistungsvolumens vergütet ... Es wird noch ein Punktwert mit 0,5 Cent geleistet. Von daher
war die Klage im Hauptantrag abzuweisen.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie hat nicht dargelegt, welche Äußerung oder
Handlung der Beklagten einen Vertrauenstatbestand bei ihr begründet haben sollten. Allein aus dem Umstand der
anderen Art der Vergütung im Quartal II/04 konnte die Klägerin keinen Vertrauenstatbestand ableiten. Die Regelungen
zum ambulanten Operieren mit festen Vergütungen sind seit Jahren jeweils befristet und Ergebnis der Verhandlungen
zwischen der KBV und den Kassenverbänden. Bereits von daher kann aus bestehenden Regelungen kein Vertrauen
darauf abgeleitet werden, die Regelung werde unverändert fortgelten.
Auch der Gesichtspunkt, dass der orthopädische Operateur, mit dem die Klägerin seinerzeit zusammenarbeitete, ein
ausreichendes Regelleistungsvolumen hatte und die Klägerin als Anästhesistin nicht auf den Umfang der Operationen
einwirken konnte, konnte nicht zur Aufhebung der Regelleistungsvolumen führen. Wie bereits ausgeführt, obliegt es
den Vertragsparteien, ob und welche Anreize sie schaffen wollen. Soweit sich die Klägerin privatrechtlich gegenüber
dem Operateur zur Leistungserbringung verpflichtet haben sollte, lag dies in ihrem unternehmerischen Risiko. Nach
den Einlassungen ihres Ehemannes in der mündlichen Verhandlung hat sich auch insofern die Konsequenzen
gezogen, als sie mit anderen Operateuren zusammenarbeitet.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.