Urteil des SozG Marburg vom 11.04.2011

SozG Marburg: rlv, erlass, mitarbeitende ehefrau, kennzeichnung, behandlung, dokumentation, vergütung, hauptsache, vorauszahlung, abrechnung

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Gericht:
SG Marburg 11.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 11 KA 40/11 ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 85 Abs 4 S 9 SGB 5, § 86b
Abs 2 SGG
Kassenärztliche Vereinigung - Honorarberichtigung -
Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach Widerspruch
gegen den Honorarberichtigungsbescheid - Einbeziehung
der Honorarzahlungen in die private Vermögensplanung
unterfällt dem Risiko des Vertragsarztes - kein Erlass einer
einstweiligen Anordnung wegen drohender Zinsschäden
Leitsatz
Maßgeblich für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds in einem Streit um höheres
Honorar (hier: höhere Fallzahl für ein Regelleistungsvolumen im Quartal IV/10) ist
ausschließlich die aktuelle Einkommenslage und nicht der mögliche Verlust in der
Vergangenheit. Ein drohender Zinsschaden vermag den Erlass einer einstweiligen
Anordnung nicht zu begründen.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 21.01.2011 wird
abgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.600,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um
die die Höhe des Regelleistungsvolumens und das qualifikationsgebundene
Zusatzvolumen für das Quartal IV/10 und hierbei um die Festsetzung einer Fallzahl
von 1.077 Fällen.
Der Antragsteller ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen
Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt seit 1996 zugelassen. Er übt seine Tätigkeit
seit dem Quartal IV/10 in überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaft mit Herrn
Dr. med. C., Facharzt für Allgemeinmedizin, aus. Hauptsitz ist AAE..
Der Antragssteller beantragte am 08.11.2010 die Neuberechnung der RLV-Fallzahl
für das Quartal IV/10 und die Neuberechnung der abgerechneten H1N1-Fälle in
diesen Quartal. Entgegen seiner Abrechnung von 529 H1N1-Fällen, die gleichzeitig
kuraktive Fälle gewesen seien, seien nur 414 Fälle extrabudgetär vergütet worden.
Die Antragsgegnerin setzte mit Bescheid vom 31.08.2010 die Summe des
Regelleistungsvolumens und der qualitätsgebundenen Zusatzvolumina (QZV) für
das Quartal IV/10 auf 26.566,36 Euro fest. Die arztbezogene Rechnung des
Regelleistungsvolumens und QZV führte sie in folgender Tabelle auf:
Hiergegen legte der Antragssteller am 27.09.2010 Widerspruch ein. Er trug vor, die
RLV-Fallzahl sei zu niedrig angesetzt worden. Im Vergleichsquartal IV/09 hätte er
1.077 Fälle zur Abrechnung gebracht. In diesem Quartal seien auch viele Patienten
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1.077 Fälle zur Abrechnung gebracht. In diesem Quartal seien auch viele Patienten
gegen die Influenza H1N1 geimpft oder behandelt worden. Hierfür seien die
Patienten mit der Pseudoziffer 88200 gekennzeichnet worden. Diese Patienten
habe er nicht ausschließlich wegen der „Schweinegrippe“ therapiert, sondern auch
wegen ihrer chronischen oder akuten Erkrankungen. Hierfür habe er
entsprechende Leistungsziffern in Ansatz gebracht. In der Honorarabrechnung für
das Quartal IV/09 seien letztgenannte Fälle einfach aus dem RLV
herausgenommen und die Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten
Gesamtvergütung zugeordnet worden. Hierdurch habe sich fälschlicherweise die
Gesamtzahl der RLV-relevanten Fälle auf 636 verringert. Außer der Impfleistung
habe er hierdurch keine Gewinnsteigerung verzeichnen können. Es sei daher
unverständlich, weshalb nun die Fallzahl fast um die Hälfte reduziert worden sei.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragssteller unter Datum vom 01.12.2010 mit,
sie habe den Widerspruch des Antragsstellers als Antrag auf Erhöhung des
Regelleistungsvolumens gewertet.
Die Antragsgegnerin gab mit Bescheid vom 20.12.2010 dem Antrag insofern statt,
als sie die RLV-relevante Fallzahl für das Quartal IV/10 um 12 Fälle erhöhte, die im
Aufsatzquartal IV/09 im Zusammenhang mit Influenza A/H1N1 (Verdachts-)fälle an
einem weiteren Behandlungstag kurativ behandelt worden seien. Darüber hinaus
lehnte sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, durch die
Abrechnungskomplexe im EBM sei es in einigen Fällen nicht möglich gewesen, die
neben der Behandlung der Influenza A/H1N1 an anderen Tagen erbrachten
kurativen Leistungen gesondert abzurechnen. Sei die
Versichertenpauschale/Rundpauschale durch die Kennzeichnung mit der
Pseudoziffer 88200 außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung
vergütet worden, habe bei einem weiteren Arzt-Patienten-Kontakt im selben
Quartal ggf. keine kurative Leistung mehr angesetzt werden können. Der
Behandlungsfall sei demnach vollständig außerhalb der morbiditätsbedingten
Gesamtvergütung vergütet worden und habe folglich auch nicht als ambulant-
kurativer Behandlungsfall gezählt werden können. Nur in diesen speziellen
Fallgestaltungen sei es auf Antrag bei entsprechendem Nachweis möglich, die
Berücksichtigung der Influenza-Fälle zu erwirken. Die Prüfung habe ergeben, dass
von Herrn Dr. C. im Quartal IV/09 durch die Kennzeichnung durch die Pseudoziffer
88200 26 Fälle und von dem Antragssteller 54 Fälle mit nur einem Kontakt im
Quartal abgerechnet und somit extrabudgetär vergütet worden seien. Lediglich
diese Fälle hätten für die Erhöhung der RLV-relevanten Fallzahl in Betracht
kommen können. Für den Antragssteller erfüllten hiervon 12 Fälle die Kriterien für
eine Sonderregelung. Bei insgesamt 457 Fällen der dokumentierten 469 Fälle,
davon 55 der von Herrn Dr. C. dokumentierten 55 Fälle und 402 der vom
Antragssteller dokumentierten 414 Fälle, habe die Prüfung in Bezug auf den
Antragssteller ergeben, dass die Anzahl der vom Antragssteller angegebenen Fälle
die für die Prüfung in Betracht kommenden Fälle um 360 Fälle übersteige. Eine
weitergehende Prüfung für diese Fälle scheide daher aus. In 5 Fällen sei keine
Übereinstimmung der vom Antragssteller benannten Patienten mit den für die
Prüfung in Betracht kommenden Fällen festzustellen. Diese Fälle könnten für eine
weitere Prüfung nicht herangezogen werden. In 37 Fällen sei eine
Übereinstimmung der vom Antragssteller benannten Patienten mit den für die
Prüfung in Betracht kommenden Fällen zwar gegeben, allerdings liege die
geforderte Dokumentation nicht vollständig vor. Es fehle jeweils die Angabe des
weiteren Behandlungstages und Diagnose, an dem eine kurative Behandlung
stattgefunden habe. Für den Antragssteller könne daher dem Antrag für 402 Fälle
nicht stattgegeben werden.
Hiergegen legte der Antragssteller am 08.01.2011 Widerspruch ein.
Die Antragsgegnerin gab mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2011 dem
Widerspruch insoweit statt, als sie die regelleistungsvolumenrelevante Fallzahl um
36 Fälle auf insgesamt 711 Fälle erhöhte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch
zurück. Zur Begründung führte sie aus, wenn durch den Arzt keine weiteren
Leistungen abgerechnet worden seien, sei durch die Kennzeichnung mit der, Nr.
88200 ein vollständig extrabudgetärer Behandlungsfall entstanden. Hätte jedoch
im Quartal mehrere Kontakte stattgefunden, sei der Behandlungstag, der wegen
der Schweinegrippe mit der Nr. 88200 gekennzeichnet worden sei, weiterhin
extrabudgetär vergütet worden. Durch die anderen Behandlungstage, an denen
durch den behandelnden Arzt kurative Leistungen erbracht worden seien, sei ein
für das Regelleistungsvolumen relevanter Fall ausgelöst worden. Besuche ein
Patient seinen Arzt demnach zuerst wegen eines Schweinegrippenverdachtsfalles
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Patient seinen Arzt demnach zuerst wegen eines Schweinegrippenverdachtsfalles
und im selben Quartal wegen eines anderen Leidens auf, so zähle dieser Fall im
nächsten Quartal als RLV-Fall. Dies gelte allerdings nicht für die Fälle, in denen
auch die anderen Behandlungstage mit der Nr. 88200 gekennzeichnet worden
seien. Erfolge an dem weiteren Behandlungstag die Kennzeichnung
fälschlicherweise mit der Nr. 88200, so handele es sich um die Verletzung der
vertragsärztlichen Pflichten. Abrechnungstechnisch sei die Folge jedoch zunächst,
dass der Behandlungsfall ebenfalls komplett extrabudgetär vergütet werde und
nicht für die RLV-Fallzahl des Folgequartals zähle. Dies bewirke ggf. eine höhere
Vergütung im Behandlungsquartal und eine geringere Vergütung im Folgequartal.
Auf Grund der Abrechnungskomplexe des EBM sei es jedoch in bestimmten
Fallgestaltungen nicht möglich, diese, an anderen Tagen erbrachten kurativen
Leistungen neben der Behandlung der Influenza A/H1N1 gesondert abzurechnen.
Seien z. B. die Versichertenpauschale/Grundpauschale durch die Kennzeichnung
mit der Nr. 88200 außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vergütet
worden, könne bei einem weiteren Arzt-Patienten-Kontakt im selben Quartal ggf.
keine kurative Leistung mehr angesetzt werden. Demnach sei dieser
Behandlungsfall - trotz der erbrachten kurativen Leistungen - vollständig außerhalb
der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vergütet worden und zähle folglich
auch nicht als ambulant-kurativer Behandlungsfall für das Quartal IV/10. Dadurch
habe dieser Fall nicht zur RLV-Fallzahl gezählt werden können, obwohl an einem
Behandlungstag Leistungen erbracht worden seien, die eine Einstufung des Falls
als RLV-Fall hätten bewirken müssen. Ausschließlich für diese speziellen
Fallgestaltungen sei die Möglichkeit eröffnet worden, eine Berücksichtigung der
A/H1N1 (Verdachtsfälle) zu erwirken. Von den 1.054 ambulanten kurativen Fälle
habe der Antragssteller 519 Behandlungsscheine aus dem Kassenbereich mit der
Nr. 88200 gekennzeichnet. Hiervon seien 53 Scheine mit nur einem Arzt-
Patienten-Kontakt ausgewiesen. Zu den bereits anerkannten Fällen seien weitere
36 Fälle hinzugekommen, in denen der Antragssteller nachweislich bei denen
wegen der Influenza behandelten Patienten eine zusätzliche kurative Leistung
erbracht habe. Dies sei entweder am selben Tag oder bei einem Zweitkontakt
erfolgt. Die restlichen 5 Behandlungsscheine, die lediglich 1 Arzt-Patienten-Kontakt
aufwiesen, seien mangels nachgewiesener zusätzlicher Leistungen den
extrabudgetär vergüteten Fällen zugeordnet worden. Die Durchsicht der 466
Scheine mit mindestens 2 Arzt-Patienten-Kontakten und der Nr. 88200 habe
ergeben, dass in 128 Behandlungsfällen Leistungen enthalten gewesen seien, die
bereits einen regelleistungsvolumenrelevanten Fall ausgelöst hätten. Im Ergebnis
seien diese 128 Fälle in der RLV-Fallzahl für das Quartal IV/10 bereits enthalten. In
den weiteren 323 Behandlungsfällen habe die Überprüfung ergeben, dass die vom
Antragssteller erbrachten und abgerechneten Leistung, auch wenn diese bei
einem Zweit- und/oder Drittkontakt nicht im Zusammenhang mit der Influenza
gestanden habe, durch den Antragssteller mit der Nr. 88200 gekennzeichnet
worden sei. Dies habe zur Folge gehabt, dass der gesamte Fall extrabudgetär
vergütet worden sei und deshalb nicht in die regelleistungsvolumenrelevante
Fallzahl habe einfließen können. Dies sei dem Verantwortungsbereich des
Antragsstellers zuzurechnen. In weiteren 15 der überprüften Behandlungsscheine
sei eine Leistung abgerechnet worden, die nach den Vorgaben des
Honorarverteilungsvertrages nicht in das Regelleistungsvolumen einfließe, sondern
gesondert vergütet werde. Auch diese Fälle hätten keinen
regelleistungsvolumenrelevanten Fall ausgelöst. Durch die Erhöhung der 48 Fälle
steige die regelleistungsvolumenrelevante Fallzahl auf insgesamt 711 Fälle. Der
Antragssteller habe auch in den Quartalen IV/09 und I/10 deutlich
überdurchschnittliche Honorarzahlungen erhalten und die Steigerung sei im
Rahmen der extrabudgetären Leistungen erfolgt. So habe er im Quartal IV/09
66.050,49 Euro erwirtschaftet, wovon 25.097,31 Euro extrabudgetär durch die
Behandlung der Influenzafälle gezahlt worden sei. Im Quartal I/10 sei vom
Antragssteller insgesamt 66.949,63 Euro erwirtschaftet worden, wovon 19.089,78
Euro extrabudgetär bezahlt worden sei. Der Antragssteller habe in der
Vergangenheit in erheblichen Maße von der Kennzeichnung der
Behandlungsscheine mit der Nr. 88200 profitiert, obwohl die sachliche Richtigkeit
der Kennzeichnung in zahlreichen Fällen nach seinem Vortrag in diesen Verfahren
zweifelhaft gewesen sei. Rein informativ weise sie darauf hin, dass dieser Bescheid
das Ergebnis einer möglichen Plausibilitätsprüfung nicht vorwegnehme.
Hiergegen hat der Antragssteller am 18.03.2011 zum Aktenzeichen S 11 KA
210/11 die Klage erhoben.
Bereits zuvor, am 21.01.2011, hat der Antragssteller den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung gestellt. Er trägt vor, es treffe zwar zu, dass die nicht
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einstweiligen Anordnung gestellt. Er trägt vor, es treffe zwar zu, dass die nicht
berücksichtigten Fälle mit der Pseudoziffer 88200 im Quartal IV/09 versehen
worden und dementsprechend ausschließlich außerbudgetär vergütet worden
seien. In 400 der 402 behandelten Fälle habe er aber eine Dokumentation
vorgelegt, in der er die Diagnosen mittels ICD-Schlüssel und die Behandlungstage
angegeben habe. Die Diagnosen belegten, dass in diesen Behandlungsfällen eine
Behandlung auch wegen anderer Erkrankungen im Quartal erfolgt sein. Selbst
dort, wo die Behandlung nur an einem einzigen Tag im Quartal stattgefunden
habe, weise der Diagnoseschlüssel eine Behandlung aus, welche belege, dass der
Patient auch wegen anderer Diagnosen behandelt worden sei. Die Auffassung der
Antragsgegnerin führe zu der fatalen Konsequenz, dass die regelmäßig bei ca.
1.000 Fällen liegenden RLV-relevanten Zahlen auf die anerkannten 675 Fälle
„abgeschmolzen“ worden seien. Entsprechend sei das Regelleistungsvolumen,
welches immer bei 40.000,00 Euro gelegen habe, auf jetzt ca. 27.000,00 Euro
reduziert worden. Entsprechend seien die monatlichen Vorauszählungen gekürzt
worden. Seine Kosten beliefen sich auf 38.000,00 Euro im Quartal. Da den
Abschreibungen von ca. 8.780,00 Euro Darlehensverpflichtungen zugrunde lägen,
minderten auch diese die Liquidität. Selbst wenn man Einnahmen aus der
Privatpraxis von 13.000,00 Euro hinzurechne, verfüge er über ein
Quartalseinkommen von jetzt noch ca. 42.000,00 Euro. Unter Berücksichtigung
der Praxisausgaben trage der Quartalsüberschuss gerade noch ca. 4.000,00 Euro.
Damit könne die private Lebensführung nicht mehr bestritten werden. Die in der
Praxis mitarbeitende Ehefrau verdiene lediglich 400,00 Euro netto im Monat. Er
habe darüber hinaus einen minderjährigen Sohn im Alter von 15 Jahren zu
unterhalten. Auf Rücklagen könne er nicht zurückgreifen. Er müsse auch noch
Steuern zahlen, vierteljährlich trage die Vorauszahlung 11.297,00 Euro. Allein im
Quartal IV/10 laufe er auf ein Minus von mindestens 9.000,00 Euro. Er habe
darüber hinaus weitere Verbindlichkeiten zu bedienen, die nicht in den
Jahresabschlusseingang fänden. Sein Sollstand auf dem Postgirokonto zum
Jahresende 2010 betrage 73.219,16 Euro. Die genehmigte Überziehung betrage
15.000,00 Euro. Von Rücklagen in Höhe von 45.000,00 Euro könne er zwar den
Stand des Girokontos teilweise zurückführen. Es bleibe dann aber immer noch eine
nicht genehmigte Überziehung von 15.000,00 Euro übrig. Er habe den
einstweiligen Anordnungsantrag erst nach Ablauf des Quartal IV/10 gestellt, weil er
angenommen habe, dass die Vorauszahlung allein auf ihn entfallen würde. Richtig
sei aber, dass er dabei mit lediglich 27.000,00 Euro veranschlagt werde. Die
betriebswirtschaftliche Auswertung für das Quartal IV/10 ergebe einen Verlust von
16.460,00 Euro. Es verbleibe wegen Darlehensverpflichtungen bei einer
Liquiditätserhöhung bzw. der Abschreibungen von lediglich 5.423,00 Euro. Damit
betrage der liquiditätswirksame Verlust noch 11.137,00 Euro. Er habe die
Steuervorauszahlung zwar zwischenzeitlich absenken können, sie betrage aber für
das 4. Quartal 2010 noch 5.494,00 Euro. Eine Saldenbescheinigung vom
25.03.2011 zeige ein negatives Saldo von 70.496,21 Euro auf dem Konto. Hierbei
sei die Restzahlung für das Quartal III/10 in Höhe von 11.904,29 Euro bereits
berücksichtigt. Die Abschlagszahlungen in Höhe von 23.000,00 Euro pro Monat
erfolgten an die Gemeinschaftspraxis, wovon er lediglich einen Betrag in Höhe von
9.150,00 Euro erhalte.
Der Antragssteller beantragt,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, das Regelleistungsvolumen (RLV) und das
qualifikationsgebundene Zusatzvolumen (QZV) betreffend das Quartal IV/10 auf
der Basis von 1.077 Fällen bis zur Entscheidung in der Hauptsache festzusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, es fehle bereits an der Glaubhaftmachung eines
Anordnungsgrundes. Es müsse auf den jetzigen Zeitpunkt abgestellt werden. Für
das Quartal I/11 sei dem Antragssteller ein Regelleistungsvolumen von 44.175,31
Euro zugewiesen worden, zzgl. QZV-Zuweisungen. Dieses Regelleistungsvolumen
überschreite sogar die Zuweisung aus den Quartalen I bis III/10. Die streitigen
Influenza-Fälle spielten für das aktuelle Quartal keine Rolle mehr. Selbst für das
Quartal IV/10 habe der Antragssteller Einnahmen von 1.300,00 Euro monatlich,
seine Ehefrau in Höhe von 400,00 Euro monatlich, hinzukomme das Kindergeld.
Eine existenzbedrohende Situation habe nicht vorgelegen. Der
Zuweisungsbescheid sei auch offensichtlich nicht rechtswidrig. Der Antragssteller
habe selbst ausgeführt, dass alle nicht berücksichtigten Fälle mit der Ziffer 88200
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habe selbst ausgeführt, dass alle nicht berücksichtigten Fälle mit der Ziffer 88200
versehen und dementsprechend extrabudgetär vergütet worden seien. Der
Antragssteller trage lediglich vor, dass ca. 13.500,00 Euro seiner Schulden auf der
Verringerung der Vorauszahlungen beruhten. Die Vorauszahlung bleibe jetzt aber
nicht mehr aus. Ausgehend vom RLV-Zuweisungsbescheid für das Quartal I/11
werde ein RLV in Höhe von 44.175,31 Euro zugewiesen, zzgl. der QZV-Zuweisung
in Höhe von weiteren 1.815,36 Euro. In den Quartalen IV/09 und I/10 habe der
Antragssteller deutlich überdurchschnittliche Honorarzahlungen erhalten. Die
laufenden Abschlagszahlungen betrügen 23.000,00 Euro im Monat. Die
Restzahlung für das Quartal III/10 habe 11.904,00 Euro betragen und werde für das
Quartal IV/10 in einer Höhe von 14.500,00 Euro erwartet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und
Verwaltungsakte sowie beigezogenen Verfahrensakte mit Az.: S 11 KA 210/11
verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber
unbegründet.
Der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung, das Regelleistungsvolumen (RLV) und das qualifikationsgebundene
Zusatzvolumen (QZV) betreffend das Quartal IV/10 auf der Basis von 1.077 Fällen
bis zur Entscheidung in der Hauptsache festzusetzen, ist zulässig, aber
unbegründet.
Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag einen Erlass einer einstweiligen
Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht,
dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines
Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 1 u. 2
Sozialgerichtsgesetz – SGG). Es müssen ein Anordnungsanspruch und ein
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden (§ 920 Zivilprozessordnung i. V. m. §
86b Abs. 2 S. 4 SGG).
Nach Aktenlage ist ein Anordnungsanspruch eher zweifelhaft.
Maßgeblich für die Berücksichtigung eines Falles für das Regelleistungsvolumen ist
die Abrechnung und Art der Vergütung im Vorjahresquartal. Die Antragsgegnerin
hat eingehend die vom Antragsteller gerügten Fälle überprüft und im
Widerspruchsbescheid vom 16.02.2011 dargelegt, dass die Vielzahl der Fälle, die
nicht als RLV-relevante Fälle hätten anerkannt werden können, vor allem auf dem
Umstand beruht, dass der Antragsteller sie vollständig, auch an anderen
Behandlungstagen, mit der Nr. 88200 als A/H1N1-Fälle gekennzeichnet hat,
demzufolge sie extrabudgetär vergütet worden sind. Dies hat zur Folge gehabt,
dass der gesamte Fall extrabudgetär vergütet worden ist und deshalb nicht in die
regelleistungsvolumenrelevante Fallzahl hat einfließen können. Dies ist, worauf die
Antragsgegnerin zu Recht hinweist, dem Verantwortungsbereich des
Antragsstellers zuzurechnen. Letztlich bleibt eine Überprüfung im Einzelfall dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Nach Aktenlage kann damit nicht davon ausgegangen werden, dass der
Antragssteller in jedem Fall einen Anspruch auf Erhöhung seines
Regelleistungsvolumens für das Quartal IV/10 hat. Ein solcher Anspruch kann aber
auch nicht von vorneherein vollständig ausgeschlossen werden. Von daher kommt
es maßgeblich auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes an.
Je größer die Erfolgsaussichten der Klage sind, umso geringere Anforderungen sind
an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Je geringer umgekehrt die
Erfolgsaussichten der Klage zu bewerten sind, umso schwerwiegender muss das
Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts an der aufschiebenden Wirkung
sein, um eine Aussetzung rechtfertigen zu können. Kann eine endgültige Prognose
bezüglich der Erfolgsaussichten (noch) nicht gestellt werden, müssen die
Interessen gegeneinander abgewogen werden (vgl. LSG Bayern, Beschl. v.
30.07.2009 – L 12 B 1074/08 KA ER - juris Rdnr. 16).
An das Vorliegen eines solchen Anordnungsgrundes werden im Vertragsarztrecht
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An das Vorliegen eines solchen Anordnungsgrundes werden im Vertragsarztrecht
strenge Anforderungen gestellt. Er kann regelmäßig nur beim Drohen erheblicher
irreparabler Rechtsnachteile angenommen werden, die bei honorarrelevanten
Maßnahmen insbesondere dann zu bejahen sind, wenn ohne Maßnahmen des
einstweiligen Rechtsschutzes der notwendige Lebensunterhalt oder die Existenz
der Praxis gefährdet wäre (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.
Oktober 2003, L 3 KA 447/03, zitiert nach juris, Rdnr. 3). Es reicht nicht aus
vorzutragen, die Verrechnung entziehe dem Praxisbetrieb die kalkulatorischen
Grundlagen, wenn hierzu nichts Näheres vorgetragen wird, aus dem sich ein
irreparabler Rechtsnachteil ergeben würde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v.
06.11.2009 – L 7 KA 104/09 B ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 25;
LSG Hessen, Beschl. v. 21.12.2009 - L 4 KA 77/09 B ER - juris Rdnr. 32). Der
Anordnungsgrund als Voraussetzung einer einstweiligen Anordnung setzt das
Fehlen zumutbarer Selbsthilfemöglichkeiten, zu denen auch der Einsatz eigenen
Vermögens gehört, voraus (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 28.03.2011 - L
5 KR 20/11 B ER - RID 11-02-124, juris).
Maßgeblich für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist ausschließlich die
aktuelle Einkommenslage und nicht der mögliche Verlust in der Vergangenheit.
Der Antragsteller hat nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb er seine Praxis nicht
fortführen können sollte. Die Antragsgegnerin weist insofern darauf hin, dass das
Regelleistungsvolumen für das Quartal I/11 wieder entsprechend erhöht wurde.
Der Antragssteller hat zunächst lediglich Unterlagen zu seinem Einkommen in den
Jahren 2008 und 2009 vorgelegt. Auf Hinweis der Kammer hat er dann auf eine
betriebswirtschaftliche Auswertung für das Quartal IV/10 hingewiesen. Wesentlich
hat er ferner ein negatives Kontensaldo bei seiner Bank in Höhe von 73.219,00
Euro und zuletzt von noch 70.496,21 Euro geltend gemacht. Dieses negative
Kontensaldo beruht aber allenfalls zu einem nur ganz geringen Teil auf dem hier
strittigen, aus Sicht des Antragsstellers vorenthaltenen Honorar. Strittig ist noch
die Einbeziehung weiterer etwa 400 Fälle zu einem Fallwert – einschließlich der
QZV - von ca. 42 Euro. Im Ergebnis streitet der Antragsteller um ein um ca. 16.800
Euro erhöhtes Honorar. Der Antragsteller ist durch das Ausbleiben dieser Zahlung
und trotz des hohen negativen Kontensaldos nicht in eine existenzielle
Bedrohungslage gelangt. Er hat insbesondere auf Nachfrage der Kammer
bestätigt, weiterhin über ein Guthaben in Höhe von 45.000,00 Euro zu verfügen. Er
hat nicht dargelegt, dass dieser Betrag rechtlich gebunden sei, so dass die
Kammer davon ausgeht, dass der Antragsteller über diesen Betrag, der fast das
Dreifache des zwischen den Beteiligten streitigen Anspruchs beträgt, frei verfügen
kann. Hinzu kommt, dass der Antragsteller laufende Abschlagszahlungen auf der
Grundlage des Zuweisungsbescheids für das Quartal I/11 für ihn allein mit einem
Regelleistungsvolumen von 44.175,31 Euro zzgl. der QZV-Zuweisung von weiteren
1.815,36 Euro erhält und mit einer weiteren Restzahlung für das Quartal IV/10 in
Höhe von 14.500 € zu rechnen ist. Damit erhält der Antragsteller gegenwärtig
seine üblichen laufenden Zahlungen. Dem – strittigen – Einnahmeausfall steht
aber das wesentlich höhere Guthaben in Höhe von 45.000,00 Euro gegenüber,
dass der Antragsteller zudem wohl bis zuletzt nicht angetastet hat. Damit geht es
letztlich um einen möglichen Zinsschaden. Ein drohender Zinsschaden vermag
den Erlass einer einstweiligen Anordnung aber nicht zu begründen (vgl. SG
Marburg, Beschl. v. 10.03.2011 - S 12 KA 26/11 ER – juris Rdnr. 27).
Eine unzumutbare Härte bei Ablehnung des Antrags auf Erlass eines einstweiligen
Anordnungsgrundes vermochte die Kammer daher nicht zu sehen.
Nach allem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der
unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung geht vom strittigen Honoraranspruch in Höhe von
14.800 € aus. Hiervon war für das einstweilige Anordnungsverfahren 1/3 zu
nehmen. Dies ergab den festgesetzten Streitwert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.