Urteil des SozG Marburg vom 12.03.2008

SozG Marburg: wiedereinsetzung in den vorigen stand, treu und glauben, rückabwicklung, rücknahme, vertragsarzt, leistungserbringer, hessen, belastung, bestimmtheitsgrundsatz, verwaltungsakt

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 12.03.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 1008/06
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 41/08
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung bestandskräftig gewordener Honorarbescheide für die neun Quartale IV/02
bis I/05 mit Ausnahme des Quartals III/04.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis, bestehend aus zwei Ärzten mit Praxissitz in A-Stadt. Herr A ist als
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie und Frau A als Fachärztin für
Psychiatrie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Am 31.05.2005 beantragte die Klägerin die Rückabwicklung der Honorarbescheide für die streitbefangenen Quartale.
Sie trug vor, dass auch für diese Quartale – wie für das Quartal III/04 – eine Nachberechnung stattfinde, bei der die
Punktwertreduktion für die "Allgemeinen Leistungen" durch Stützung der psychotherapeutischen Leistungen in diesen
Quartalen aufgehoben werde. Die Berechnungen zur Ermittlung des Punktwertes seien für den einzelnen Vertragsarzt
nicht zu durchschauen. Sie hätten in Treu und Glauben gehandelt, wenn sie bisher nicht gegen jeden Honorarbescheid
Widerspruch eingelegt hätten. Sie hätten auch für das Quartal I/03 Widerspruch eingelegt. Dieser sei abgelehnt
worden. Es sei aus der Widerspruchsbegründung nicht ersichtlich geworden, dass die Punktwertreduktion durch die
Stützung der psychotherapeutischen Leistungen entstanden sei. Ihre Fachgruppe stehe seit langem sehr schlecht
dar. Da sie vermutlich aufgrund des derzeitigen Punktwertverfalls und der sie treffenden Fallzahlbegrenzung die "5%-
Regel", die sich auf die ausgezahlten Honorare der Quartale 04 beziehe, in Anspruch nehmen müsse, betreffe sie die
Punktwertreduktion dieser Quartale zweimal.
Mit Bescheid vom 19.06.2006 wies die Beklagte den Antrag ab. Sie wies darauf hin, dass die angefochtenen
Honorarbescheide bestandskräftig seien, da die Klägerin keinen Widerspruch erhoben habe bzw. der Widerspruch
gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/03 mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2004 zurückgewiesen worden
sei. Der Widerspruchsbescheid sei bestandskräftig geworden, da die Klägerin Klage nicht erhoben habe. Eine
Rückabwicklung bestandskräftig gewordener Honorarbescheide müsse dann in Betracht gezogen werden, wenn eine
Rücknahme für die Vergangenheit aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Eine Rücknahme für
die Vergangenheit scheide jedoch schon immer dann aus, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg
unverhältnismäßig hoch wäre. Im Fall einer Rücknahme sei sie nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gehalten,
auch alle anderen bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide rückabzuwickeln. Dies würde neben einem
immensen Verwaltungsaufwand zu derartigen finanziellen Belastungen der KV Hessen führen, die mit einem hohen
Punktwertverfall in den aktuellen Quartalen verbunden wären. Sie sei lediglich verpflichtet, für anhängige Verfahren
Rückstellungen zu bilden, die auch ausreichend seien, in diesen Verfahren Nachvergütungen vorzunehmen. Die
Rückabwicklung bestandskräftiger Verfahren ginge hingegen zu Lasten der Honorarverteilung und würde somit zu dem
bereits dargestellten Punktwertverfall führen. Dieses Ergebnis könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht akzeptiert
werden. Auch nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts bestehe kein Anspruch auf Rückabwicklung. Eine
andere Vorgehensweise widerspräche den Interessen der Mitglieder der KV, möglichst schnell und mit
Rechtsverbindlichkeit das Honorar für ein Quartal festgesetzt zu erhalten, um auf diese Weise Planungsgewissheit
und –sicherheit zu haben
Hiergegen hat die Klägerin am 17.07.2006 Widerspruch eingelegt. Die Beklagte setze sich nicht mit der Problematik
auseinander, dass das Zustandekommen des Punktwerts für den einzelnen Vertragsarzt völlig undurchschaubar sei
und daher eine gezielte Argumentation verunmögliche. Die Dauer des Widerspruchverfahrens könne nicht
entscheidend sein, ob eine Nachberechnung stattfinde. Zumindest für das Quartal I/03 fordere sie deshalb die
Rückabwicklung. Sie hätte bereits seinerzeit das Unverständnis über den niedrigen Punktwert zum Ausdruck
gebracht. Sie seien auch durch mehrmalige Nachberechnungen, die bereits damals zu Nachzahlungen geführt hätten,
in den Glauben versetzt worden, alle Korrekturmöglichkeiten seien ausgeschöpft und eine Klage sinnlos. Es könne
sehr wohl der Umstand vorliegen, dass ein betroffener Arzt durch Hinweise der Kassenärztlichen Vereinigung von der
Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten worden sei, worauf das Bundessozialgericht im Urteil vom 22.06.2005,
Aktenzeichen B 6 KA 21/04 R, hingewiesen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2006, der Klägerin am 10.10. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch mit
weitgehend gleichlautender Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 09.11.2006 die Klage erhoben. Ergänzend zu ihrem Vorbringen im
Verwaltungsverfahren führt sie aus, mit Bescheid vom 16.05.2006 habe die Beklagte eine Neuberechnung des
Honorars wegen der vom Vorstand der Beklagten beschlossenen Änderungen im Berechnungsverfahren
vorgenommen und eine Nachvergütung in Höhe von 2.201,13 EUR bewilligt. Aus diesem Grund habe sie eine
Nachberechnung auch für die streitbefangenen Quartale beantragt. Die Beklagte habe von dem ihr in § 44 Abs. 2 SGB
X eingeräumten Ermessen keinen rechtmäßigen Gebrauch gemacht. Sie gehe davon aus, sie sei zu einer
Rücknahme nicht verpflichtet. Sie habe keine eigene Ermessensentscheidung getroffen. Die Beklagte sei auch zur
Rückabwicklung verpflichtet, wenn sie darauf hingewirkt habe, dass keine Rechtsmittel eingelegt werden. Die
Beklagte habe auch zugegeben, dass die von ihr für die Honorarberechnung verwandten notwendigen
Programmieranweisungen nicht mehr beherrscht würden. Das sei ihr aber nicht erkennbar gewesen, da auch im
Bereich der Beklagten fast alle Honorarbescheide angefochten würden, entstehe durch die Rückabwicklung keine
übermäßig ungeplante Belastung der Beklagten. Die Missstände bei der Beklagten reichten bereits ins Jahr 2000
zurück. In einem Musterprozess werde die Honorarverteilung überprüft. Die Fachgruppe der Nervenärzte, Neurologen
und Psychiater habe längst das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Beklagten verloren. Die Beklagte müsse sich
strikt an das Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Grundgesetz halten und alles vermeiden, was Zweifel an der
rechtsmäßigen Verwaltungstätigkeit hervorrufen könnten. Gegen diese Anforderungen verstießen verschiedene
Äußerungen des stellvertretenden Vorsitzenden der Beklagten. Die Beklagte fange erst in jüngster Zeit damit an, die
Verständlichkeit ihrer Honorarbescheide zu verbessern. Bei den streitgegenständlichen Honorarbescheiden sei dies
jedoch nicht der Fall. Die Abrechnungsunterlagen seien intransparent. Aufgrund massiver Beeinflussung durch die
Beklagte habe sie den Widerspruchsbescheid vom 30.11.2004 bestandskräftig werden lassen. Anfang 2006 habe sie
dann zufällig erfahren, dass die Beklagte zwischenzeitlich für die Quartale IV/02 bis I/05 Nachvergütungen an andere
gezahlt habe, ohne sie hiervon zu informieren. Es sei auch von Amts wegen zu erforschen, ob die Honorarbescheide
dem Bestimmtheitsgrundsatz genügten. Die Hessische Sozialministerin weise in ihrem Rundschreiben vom
12.12.2007 darauf hin, die Beklagte habe sich gegenüber dem Ministerium verpflichtet, die Honorarbescheide mit dem
Ziel zu überarbeiten, sie so zu gestalten, dass sie für den Empfänger verständlich und übersichtlich seien. Die
Beklagte habe damit einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz zugestanden.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 19.07.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 09.10.2006 die Beklagte zu verpflichten, die Honorarbescheide für die Quartale IV/02
bis II/04 sowie IV/04 und I/05 abzuändern und sie über ihre Honoraransprüche für diese Quartale unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, sie habe von dem ihr in § 44 Abs. 2 SGB X eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Das
Bundessozialgericht habe es nicht beanstandet, wenn sich eine KV bei ihrer Weigerung zur Rücknahme
bestandskräftiger Honorarbescheide "nur" darauf berufe, die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne
Rechtspflicht durch Vorwegabzüge vermindern zu wollen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 21/04 R Juris,
Rdnr. 26). Bei ihrer auf generellen Erwägungen abstellenden Ermessensausübung sei eine KV nicht verpflichtet, als
maßgeblichen Gesichtspunkt eine mögliche, besondere individuelle Betroffenheit des Klägers zu berücksichtigen (vgl.
BSG, aaO. Rdnr. 19). Atypische Umstände seien im Fall der Klägerin nicht gegeben. Sie habe zu keinem Zeitpunkt
ihre Mitglieder von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten. Es sei bereits höchstrichterlich entschieden, dass
ihre Honorarbescheide hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X seien. Das von der Klägerin angeführte
Rundschreiben der Hessischen Sozialministerin sei auf die Quartale II/05 bis IV/06 beschränkt. Diese Quartale seien
nicht rechtsanhängig. Auch das LSG Hessen sei einer in einem vergleichbaren Fall geforderten Beweiserhebung nicht
nachgekommen, da die Äußerungen sogar als wahr unterstellt werden könnten, ohne dass diese Auswirkungen auf
den konkreten Rechtsstreit hätten (vgl. LSG Hessen, Urteil vom 24.10.2007, L 6/7 KA 28/04, Seite 12 u. 13 der
Urteilsausfertigung).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und
Psychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten
handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom
19.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2006 ist rechtmäßig und war daher nicht
aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, die Honorarbescheide für die Quartale
IV/02 bis II/04 sowie IV/04 und I/05 aufzuheben und sie über ihre Honoraransprüche für diese Quartale neu zu
bescheiden.
Der Bescheid vom 19.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2006 war rechtmäßig.
§ 44 Abs. 1 SGB X ist auf vertragsärztliches Honorar nicht anzuwenden, weil dieses keine Sozialleistung i. S. des §
44 Abs. 1 SGB X darstellt. Als Rechtsgrundlage der von der Klägerin begehrten Rücknahme und Korrektur dieser
Bescheide kommt allein § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X in Betracht. Danach kann ein rechtswidriger nicht begünstigender
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor.
Die Entscheidung einer KÄV, ob sie bestandskräftig gewordene Honorarbescheide zurücknimmt und ggf.
Nachvergütungen gewährt, ist danach von den Gerichten nur auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und
Ermessensüberschreitung zu prüfen. Das Ermessen der KÄV, ob sie inzwischen als rechtswidrig erkannte
Honorarbescheide zurücknimmt und Nachvergütungen leistet, ist nur im atypischen Fall von vornherein im Sinne der
Bescheidkorrektur und Nachvergütung vorgeprägt, soweit sie nämlich auf die Entscheidung ihrer Mitglieder,
Rechtsmittel einzulegen, direkten oder indirekten Einfluss genommen und für ihre entsprechenden Auskünfte ggf.
einzustehen hat. Wenn die KÄV sich dafür entscheidet, nur solchen Leistungserbringern Nachvergütungen zu
gewähren, die den Eintritt der Bestandskraft ihrer Honorarbescheide verhindert haben, geht davon unverkennbar ein
Anreiz aus, in Zukunft bei jedem noch so fern liegenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der generellen Grundlagen der
Honorarverteilung Honorarbescheide vorsorglich mit dem Widerspruch anzugreifen, um sich die Chance von
Nachvergütungen für den Fall offen zu halten, dass in gerichtlichen Verfahren deren Rechtswidrigkeit festgestellt
werden sollte. Dies führt zu einer erheblichen Belastung der KÄV sowohl wegen des mit jedem Widerspruchsverfahren
verbundenen Verwaltungsaufwands als auch hinsichtlich der Entscheidung, bei massenhaften Widersprüchen, die
nicht von vornherein als erkennbar aussichtslos beurteilt werden können, Rückstellungen in beträchtlichem Umfang
vorzunehmen. Dem kann eine KÄV vorbeugen, indem sie in Fällen, in denen zahlreiche Leistungserbringer Bedenken
gegen die Rechtmäßigkeit der normativen Grundlagen der Honorarverteilung geltend machen, ausdrücklich erklärt,
dass Rechtsmittel nicht erforderlich sind, weil sie dann, wenn sich die Bedenken in nachfolgenden gerichtlichen
Verfahren (Musterverfahren) als berechtigt erweisen sollten, alle Leistungserbringer entsprechend den gerichtlichen
Vorgaben behandeln werde. Wenn eine KÄV nicht so verfährt, verbleibt das Risiko, von einer künftigen, für den
einzelnen Leistungserbringer günstigen Rechtsprechung zu profitieren, bei diesem. Er muss sich entscheiden, ob er
Rechtsmittel einlegen will oder nicht. Legt er Rechtsmittel ein, hat das seit dem 2. Januar 2002 jedenfalls für ein
anschließendes Klageverfahren ggf. Kostenkonsequenzen (§ 197a Abs. 1 SGG). Deshalb muss auch der
Vertragsarzt/Vertragspsychotherapeut Chancen und Risiken von Rechtsmitteln gegen Honorarbescheide bei
vermuteten Fehlern der normativen Grundlagen der Honorarverteilung abwägen. Scheut er das Kostenrisiko, ist es
nicht unbillig, ihm zu versagen, an dem prozessualen Erfolg anderer Ärzte zu partizipieren. Soweit keine atypischen
Umstände im Einzelfall gegeben sind, etwa ein betroffener Arzt durch Hinweise der KÄV von der Einlegung von
Rechtsmitteln abgehalten worden ist oder die KÄV sich insoweit zumindest mehrdeutig verhalten hat, ist es danach
grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich die KÄV bei ihrer Weigerung zur Rücknahme bestandskräftiger
Honorarbescheide "nur" darauf beruft, die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne Rechtspflicht durch
Vorwegabzüge vermindern zu wollen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2006 – B 6 KA 21/04 R – SozR 4-1300 § 44 Nr. 6 =
GesR 2005, 541 = MedR 2006, 223 = Breith 2006, 359 = NZS 2006, 332 = USK 2005-105, zitiert nach juris Rn. 15
ff.).
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Honorarbescheide für die Quartale IV/02 bis II/04 sowie IV/04 und I/05
rechtswidrig waren. Auch unterstellt, diese Honorarbescheide seien rechtswidrig, so hat die Beklagte ihr Ermessen
hinreichend und fehlerfrei ausgeübt.
Soweit die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid ausführt, eine Rückabwicklung sei ihr "aus rechtlichen
Gründen nicht möglich", so bringt sie damit, wie aus dem Kontext ersichtlich wird, nicht zum Ausdruck, dass ihr eine
Rückabwicklung verwehrt sei, sondern legt hinreichend dar, dass sie ihr Ermessen im Sinne einer Nichtaufhebung der
strittigen Honorarbescheide ausübt. Sie führt im Einzelnen aus, dass jeder Vorwegabzug von
Gesamtvergütungsanteilen in mehr oder weniger großem Ausmaß den Auszahlungswert vermindere, der der
Honorierung der im laufenden Quartal erbrachten vertragsärztlichen Leistungen zugrunde liege. Ziel der
Honorarverteilung sei aber, dass die für ein bestimmtes Quartal geleistete Gesamtvergütung möglichst ungeschmälert
für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet werde. Eine Rückabwicklung sei daher nur
dann in Betracht zu ziehen, wenn dies aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Das sei jedoch
dann nicht der Fall, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Bei einer
Rückabwicklung im Falle der Klägerin sieht die Beklagte auch eine Verpflichtung, alle anderen Leistungserbringer
entsprechend zu behandeln wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dies würde aus ihrer Sicht zu einem
immensen Verwaltungsaufwand und zu einer finanziellen Belastung führen, die mit einem Punktwertverfall im
aktuellen Quartal verbunden sei. Von daher legt die Beklagte hinreichend dar, aus welchen Gründen für sie eine
Rückabwicklung nicht in Betracht kommt. Die Beklagte war dabei auch nicht verpflichtet, darüber hinausgehend auf
den Vortrag der Klägerin einzugehen. Insofern liegt kein atypischer Fall seitens der Klägerin vor. Die Klägerin hat nicht
substantiiert dargelegt, dass die Beklagte sie tatsächlich von einer Rechtsverfolgung abgehalten hätte. Soweit die
Klägerin vorträgt, sie habe auf die Rechtmäßigkeit des Handelns der Beklagten vertraut, so oblag dies ihrer eigenen
Einschätzung. Die Beklagte ist durchaus befugt, bei einem Vertragsarzt anzufragen, ob er ein Rechtsmittel im
Hinblick auf eine bestimmte Rechtssprechung oder auf bestimmte Nachbesserungen ihrerseits zurücknimmt. Es
obliegt dann dem rechtsuchenden Bürger, hier dem einzelnen Vertragsarzt, ob er diesen Hinweisen vertraut und das
Rechtsmittel zurücknimmt, ob er sein Rechtsbegehren weiterverfolgt oder ob er sich fachlichen Rat durch
Rechtsanwälte oder auch Berufsverbände einholt. Die Beklagte hat jedenfalls nicht dargelegt, dass von einer weiteren
Rechtsverfolgung abgesehen werde, da sie ihrerseits von Amtswegen gegebenenfalls Nachkorrekturen vornehmen
werde.
Eine offensichtliche Parteilichkeit des Vorstands der Beklagten ist bezüglich des hier streitbefangenen Bescheides
nicht ersichtlich. Die Klägerin verweist auf allgemeine berufspolitische Äußerungen, die, auch unterstellt, sie seien
parteilich, jedenfalls keinen Eingang in die konkrete Entscheidung gefunden haben. Es ist der Kammer jedenfalls nicht
ersichtlich, dass gerade der Klägerin oder Angehörigen ihrer Berufsgruppe es in besonderer Weise verwehrt worden
sein sollte, bestandskräftige Honorarbescheide einer erneuten Überprüfung zuzuführen.
Die Ausführungen des Hessischen Sozialministeriums haben keine Auswirkungen auf die Überprüfung eines
Bescheides nach § 44 Abs. 2 SGB X und betreffen im Übrigen andere Quartale.
Soweit die Rechtsmäßigkeit der Honorarbescheide für die streitbefangenen Quartale nicht zu überprüfen war, kommt
es auch nicht auf die Bestimmtheit der Bescheide an. Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass die
Bescheide, die eindeutig den Honoraranspruch den Euro festsetzen, hinreichend bestimmt sind. Das
Bundessozialgericht hat zu Honorarbescheiden der Beklagten aus früheren Quartalen hierzu ausgeführt, dem
Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X entspreche ein Verwaltungsakt nur dann nicht, wenn dessen
Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei sei und der davon Betroffene bei
Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage sei, sein Verhalten
daran auszurichten. Diesen Anforderungen genügten die angefochtenen Honorarbescheide. Aus ihnen gehe klar und
unzweideutig hervor, in welcher Höhe die Beklagte den Honoraranspruch des Klägers für die jeweiligen Quartale
festgestellt habe. Zum Verfügungssatz eines Honorarbescheides gehörten aber nicht die einzelnen Rechenschritte,
die erforderlich seien, um von der Honoraranforderung des Vertragsarztes zu der Honorarsumme zu gelangen, die er
nach den für die Honorarverteilung geltenden Vorschriften beanspruchen könne. Dies gelte auch dann, wenn bei der
Berechnung Honorarbegrenzungsmaßnahmen anzuwenden seien. Auch in diesem Fall sei es im Hinblick auf § 33
Abs. 1 SGB X unerheblich, wie verständlich die der festgestellten Honorarsumme zu Grunde liegenden
Rechenschritte in dem Honorarbescheid dargestellt seien. Hierbei handele es sich vielmehr um eine Frage der
Begründung des Verwaltungsakts, die an § 35 SGB X zu messen sei (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R -
SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50 = GesR 2005, 307 = MedR 2005, 538 = Breith 2005, 817, juris Rdnr. 31).
Aber auch die Begründungen genügten nach dem Bundessozialgericht den Anforderungen des § 35 Abs. 1 SGB X;
selbst wenn die Begründungen der angefochtenen Honorarbescheide den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB
X nicht entsprechen würden, könnte nicht allein deswegen beansprucht werden, dass die Bescheide wenigstens
insoweit aufgehoben werden, als darin eine weitergehende Vergütung abgelehnt worden sei. Denn nach § 42 Satz 1
SGB X rechtfertigen bei rechtsgebundenen Verwaltungsakten, was hier der Fall sei, bloße Begründungsmängel
grundsätzlich nicht deren Aufhebung (vgl. BSG, aaO., Rdnr. 32 – 35).
Der Antrag der Klägerin vom 17.02.2006 war auch nicht als Widerspruch gegen die Quartalshonorarbescheide für die
strittigen Quartale anzusehen. Die Klägerin hat dies nicht geltend gemacht. Auch liegen keine Gründe für eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor (vgl. § 67 Abs. 1 bis 3 i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Nach allem war der angefochtene Bescheid rechtmäßig und die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.