Urteil des SozG Marburg vom 10.02.2010

SozG Marburg: hessen, vergleich, grobe fahrlässigkeit, vertragsarzt, ausgleichszahlung, unrichtigkeit, rückforderung, verwaltungskosten, zusammensetzung, versorgung

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 10.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 639/09
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 14/10
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Berichtigung des Honorarbescheids für das Quartal III/06 und hierbei ausschließlich
um eine Rückforderung des Auffüllbetrages in Höhe von 6.627,78 EUR abzüglich Verwaltungskosten aufgrund der
Regelung nach Ziff. 7.5 des Honorarverteilungsvertrags.
Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 17.03.2007 für das Quartal III/06 das Honorar des Klägers auf netto
34.842,36 EUR fest. Auf den Primär- und Ersatzkassenbereich entfielen bei 896 Behandlungsfällen brutto 34.984,60
EUR. Im Rahmen der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV betrug der Referenzfallwert 40,6976 EUR, der aktuelle
Fallwert 31,2115 EUR und der Auffüllbetrag pro Fall 7,3971 EUR. Dies führte bei 896 Fällen zu einem
Ausgleichsbetrag in Höhe von 6.627,78 EUR.
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 17.03.2008 eine Überprüfung der Regelung nach Ziffer 7.5
Honorarverteilungsvertrag für das Quartal III/06 (sog. Ausgleichsregelung) vor und setzte eine Rückforderung des
Auffüllbetrages in Höhe von 6.627,78 EUR abzüglich Verwaltungskosten fest. Zur Begründung führte sie aus, bei einer
Fallwertminderung von mehr als 15% sei eine Überprüfung der Ursachen nach dem Honorarverteilungsvertrag im
Einzelfall vorgeschrieben. Sie habe bereits in den jeweiligen Begleitschreiben zu den Honorarunterlagen der Quartalen
II/05 bis II/06 beziehungsweise der Anmerkung auf dem Nachweisbogen zur Ausgleichsregelung in den Quartalen ab
III/06 daraufhingewiesen, dass für den Fall, dass die Fallwertminderungen mehr als 15% im aktuellen Quartal
gegenüber dem Reverenzquartal betrage, die geleisteten Zahlungen im Rahmen der so genannten Ausgleichsregelung
unter dem Vorbehalt einer einzelfallbezogenen Prüfung stünden. Sie habe festgestellt, dass im aktuellen Quartal
gegenüber dem Ausgangsquartal im Bereich der diagnostischen und therapeutischen orthopädischen Leistungen keine
Zusatzpauschalen für die Behandlung/Diagnostik für Erkrankungen des Stützt- und Bewegungsapparates
beziehungsweise von degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule (Nr. 18311, 18331 EBM 2005) mehr abgerechnet
worden seien. Eine Vergleichbarkeit der Leistungsspektren der genannten Quartale sei aufgrund dieses Sachverhalts
nicht mehr gegeben. Die Bedingungen, um an der Ausgleichsregelung teilzunehmen, würden somit in dem Quartal
III/06 nicht erfüllt werden.
Hiergegen legte die Klägerin am 12.4.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, der
Honorarverteilungsvertrag entspreche nicht den Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V, ebenso wenig wie den Vorgaben
des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004. Er verweise insoweit auf das Urteil des SG Stuttgart
vom 27.02.2008 – S 5 KA 2804/06 -, das inzwischen vom Landessozialgericht Baden-Württemberg in seiner
Entscheidung vom 29.10.2008 – L 5 KA 2054/08 - bestätigt worden sei. Der Honorarvertrag sehe nicht die von § 85
Abs. 4 S. 7 geforderten arztgruppenspezifischen Grenzwerte vor. Es fehle auch an einer
Restleistungsvergütungregelung für von verschiedenen Töpfen nicht umfasste sonstige Leistungen. Lediglich in Ziffer
7.3 finde sich eine Regelung, wie Nachzahlungen für bereits abgerechnete Quartalen verteilt werden sollten. Da der
Honorarverteilungsvertrag der Beklagten, der dem Rückforderungsverlangen zu Grunde liege, rechtswidrig sei, könne
der geltend gemachte Rückforderungsanspruch nicht auf dessen Ziffer 7 Nr. 5 gestützt werden.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur
Begründung führte sie darin aus, sie habe die Vorgaben des Bewertungsausschusses in dem
Honorarverteilungsvertrag umgesetzt. Gemäß Ziffer 7.5.1 Honorarverteilungsvertrag könne zur Vermeidung von
praxisbezogenen Honorarverwerfungen die im HVV vorgesehene Regelung zur Vermeidung von Fallwertverlusten zur
Anwendung kommen. Insoweit werde nach Vorlage des Abrechnungsergebnisses im aktuellen Quartal eine
fallbezogene Überprüfung, soweit es sich um Leistungen nach dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung handele,
im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal vorgenommen. Weiche der Fallwert dabei um mehr als 5% nach
oben oder nach unten ab, könne ein Ausgleich im Sinne der Auffüllung bei Abweichungen von mehr als 5% nach
unten (bis zu einer Differenz von 5%) beziehungsweise alternativ einer Kappung des Fallwertzuwachses bei einem
Wachstum von mehr als 5% nach oben erfolgen. Ein Ausgleich von Fallwertminderungen erfolge grundsätzlich nur auf
Basis vergleichbarer Praxisstrukturen. Ein Ausgleich sei auch dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im
Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht würden oder sich das
Leistungsspektrum der Praxis u. a. aufgrund Änderung einer personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert
habe. Er sei des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer 5.2 g)
HVV im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert habe. Betrage die Fallwertminderung mehr als 15%,
sei eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf diese Kriterien durchzuführen, bevor eine
Ausgleichszahlung erfolge. Ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% müssten vollständig ihre
Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben. Bei dem Kläger liege eine Änderung des Leistungsspektrums vor, da
die Leistungen nach Nr. 18311 und 18331 EBM 2005 im Quartal III/06 von ihm nicht mehr erbracht worden seien. Dies
entspreche einem Anteil am Gesamtpunktzahlvolumen von 14,6%. Daneben sei der Fallwertverlust auch auf die
Reduzierung von diversen anderen Leistungen zurückzuführen. So seien Briefe (Nr. 01601 EBM 2005) im
Ausgangsquartal III/05 709-mal, im aktuellen Quartal III/06 214-mal abgerechnet worden. Damit habe sich die Anzahl
der abgerechneten Briefe im Quartal III/06 im Vergleich zum Ausgangsquartal um 70% verringert. Dies stelle einen
Anteil am Gesamtpunktzahlvolumen von 5,8% dar. Des Weiteren sei ein Rückgang im Leistungsbereich der
konventionellen Radiologie zu verzeichnen. So habe der Kläger im Quartal III/05 82-mal Leistungen der
konventionellen Radiologie abgerechnet, im Quartal III/06 dagegen lediglich 15-mal. Dies entspreche einem Rückgang
von 82%. Aufgrund dieses Sachverhalts seien die Voraussetzungen zur Teilnahme an der so genannten
Ausgangsregelung nicht erfüllt.
Hiergegen hat der Kläger am 03.09.2009 die Klage erhoben. Er trägt vor, zur Begründung beziehe er sich auf das
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.04.2009 – L 4 KA 80/08 -. Danach verstoße die in Ziffer 7.5 HVV
geregelte Befugnis zur Honorarkürzung gegen die zwingenden Vorgaben des Bewertungsausschusses. Im Übrigen
verhalte sich die Beklagte widersprüchlich. Sie hätte vor der Vornahme einer Ausgleichszahlung eine auf die einzelne
Praxis bezogene Prüfung vornehmen müssen. Die Beklagte habe diese Überprüfung augenscheinlich unterlassen und
ungeprüft eine Zahlung an ihn veranlasst. Diese Umstände könnten nicht zu seinen Lasten gehen. Er habe darauf
vertrauen dürfen, den nunmehr zurückgeforderten Betrag behalten zu dürfen. Die Beklagte verhalte sich
widersprüchlich und damit treuwidrig.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 17.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2009
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Ein, wie vom Kläger vorgeschlagen, Ruhen des Verfahrens komme für sie nicht in Betracht. Gegenstand des vom
Kläger angeführten Revisionsverfahrens sei ausschließlich die Frage, inwieweit die Beklagte befugt sei,
Honorarkürzungen nach Ziffer 7.5 HVV vorzunehmen. Nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei dagegen die Frage,
inwieweit die Gewährung von Ausgleichsbeträgen im Rahmen der Ziffer 7.5 HVV rechtmäßig sei. In dem hier
streitgegenständlichen Verfahren gehe es um die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten vom 17.03.2008, mit
dem von dem Kläger der ursprünglich im Quartal III/06 gewährte Ausgleichsbetrag in Höhe von 6.627,78 EUR
vollständig abzüglich Verwaltungskosten zurückgefordert worden sei. Damit sei streitgegenständlichen hier nicht eine
unmittelbare Honorarkürzungen nach Ziffer 7.5 HVV, sondern eine Rückforderung des nach Ziffer 7.5 HVV gewährten
Ausgleichsbetrages. Sie verweise auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den
Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit
der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben
worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17.03.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29.07.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben.
Die Beklagte hat eine sachlich-rechnerische Berichtigung vorgenommen (so bereits SG Marburg, Gerichtsbescheid
vom 31.03.2009 - S 12 KA 303/08 verbunden mit S 12 KA 303/08 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Berufung
anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 40/09 -).
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu
stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die
vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2
1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu
überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der
von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit
der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf
Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb
nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der
Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu
prüfen und ggf. zu berichtigen.
Vorrangiges Anwendungsfeld der Berichtigungsbefugnis einer KV sind Fehler aus der Sphäre des Vertragsarztes. Die
Berichtigungsbefugnis ist jedoch nicht auf derartige Konstellationen beschränkt. Die bundesmantelvertraglichen
Vorschriften berechtigen die KV vielmehr generell zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide; die einzige
tatbestandliche Voraussetzung für das Berichtigungsrecht der KV ist schon nach dem Wortlaut der Vorschriften die
Unrichtigkeit des Honorarbescheides. Die Regelungen differenzieren nicht danach, in wessen Verantwortungsbereich
die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt. Ein Fehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit des Honorarbescheides
und damit seine Unrichtigkeit im Sinne der genannten Vorschriften ist daher auch gegeben, wenn diese auf Gründen
beruht, die nicht dem Verantwortungsbereich des Vertragsarztes zuzurechnen sind (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6
KA 34/03 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS
2005, 549 = USK 2004-124, juris Rdnr. 19).
Der ursprüngliche Honorarbescheid für das Quartal III/06 war rechtswidrig, soweit die Beklagte die sog.
Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den
Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage
2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV), die insoweit bis zum Quartal I/07 fortgeführt
wurde, angewandt hat.
Im Einzelnen bestimmt Ziffer 7.5 HVV:
7.5.1 Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus erfolgt nach
Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal
berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen
Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 ausschließlich beschränkt auf
Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen
genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Bei der Ermittlung des Fallwertes bleiben Fälle, die
gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, unberücksichtigt. Zeigt der Fallwertvergleich eine
Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5% (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004),
so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei
Fallwertminderungen – Einzelheiten siehe Ziffer 7.5.2 – notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen
Honorar(unter)gruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch
weitergehende Quotierung der Bewertungen bzw. Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte
auf einen Zuwachs von 5% resultierende Honoraranteile hierfür nicht ausreichend sein sollten. Sollte durch eine
solche Quotierung die Fallwertminderung (wieder) auf einen Wert oberhalb von 5% steigen, führt dies zu keinem
weitergehenden Ausgleich.
7.5.2 Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zur Grenze von 5% erfolgt grundsätzlich auf der Basis
vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur
Abrechnung gekommen ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal
im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich
das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis,
verändert hat. Er ist des weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer 5.2
Buchstabe g) im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert hat. Beträgt die Fallwertminderung mehr
als 15%, ist eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien
durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15%
müssen vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2000plus haben.
7.5.3 Die vorstehende Ausgleichsvorschrift steht im Übrigen unter dem Vorbehalt, dass von Seiten der Verbände der
Krankenkassen mindestens eine gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbare budgetierte
Gesamtvergütungszahlung geleistet wird und die aufgrund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses vom
29.10.2004 vorzunehmenden Honorarverschiebungen nach Abschluss des Abrechnungsquartals – siehe Ziffer 2.5 der
Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.2 – noch ein ausreichendes Honorarvolumen für diese Maßnahme in der einzelnen
Honorar(unter)gruppe belassen.
Nach der Rechtsprechung des LSG Hessen, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, ist
Ziffer 7.5 HVV grundsätzlich rechtmäßig, soweit sie im Sinne einer Härtefallregelung zur Begünstigung eines
Vertragsarztes führt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 04.11.2009 – L 4 KA 99/08 –; LSG Hessen, Urt. v. 11.02.2009 – L 4
KA 82/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Lediglich soweit die sog. Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV bei
Überschreiten des Fallwerts des Vorjahresquartals von mehr als 5 % u. U. zu einer Honorarkürzung führt, ist die
Regelung zu beanstanden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 29.04.2009 – L 4 KA 80/08 – www.sozialgerichtsbarkeit.de =
juris, Revision anhängig: BSG - B 6 KA 16/09 R –; LSG Hessen, Urt. v. 24.06.2009 – L 4 KA 110/08 –
www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig: BSG - B 6 KA 26/09 R -; LSG Hessen, Urt. v. 24.06.2009 –
L 4 KA 85 u. 86/08 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig: BSG - B 6 KA 27/09 R bzw. B 6 KA
28/09 R -). Ziffer 7.5 HVV ist ferner rechtswidrig, soweit er junge Praxen, die erst mit oder nach Inkrafttreten des EBM
2005 gegründet wurden, mangels Referenzquartal nicht an der Ausgleichsregelung hat teilnehmen lassen (vgl. LSG
Hessen, Urt. v. 26.11.2008 – L 4 KA 14/08 – Revision zurückgewiesen durch BSG, Urt. v. 03.02.2010 - B 6 KA 1/09
R -, zitiert nach Terminbericht Nr. 5/10 v. 04.02.2010; LSG Hessen, Urt. v. 29.04.2009– L 4 KA 76/08 –
www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision anhängig: BSG - B 6 KA 17/09 R -).
Danach war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Ziff. 7.5 HVV im Sinne einer begünstigenden Regelung
anzuwenden. Die Beklagte hat aber, was gerichtsbekannt ist, nicht nur im Falle des Klägers bei Erlass des
Honorarbescheids Ziff. 7.5 HVV lediglich schematisch angewandt, ohne in die von Ziff. 7.5 HVV gebotene
Einzelfallprüfung bei Überschreiten der 15 %-Grenze einzutreten. Nach Ziff. 7.5.2 Satz 4 und 5 HVV ist, wenn die
Fallwertminderung mehr als 15%, beträgt, eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend
aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Dabei müssen ausgleichsfähige
Fallwertminderungen oberhalb von 15% vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben. Als
maßgebliche Kriterien nennt Ziff. 7.5.2 Satz 1 bis 3 HVV vergleichbare Praxisstrukturen; ausgeschlossen ist ein
Ausgleich bei Nichterbringung (ausgewählter) Leistungsbereiche oder Veränderung des Leistungsspektrums der
Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis sowie der Kooperationsform der
Praxis entsprechend Ziff. 5.2 Buchstabe g). Ziff. 5.2.1 Buchstabe g) HVV nennt u. a. den Wechsel von der
Praxisgemeinschaft zur Gemeinschaftspraxis und umgekehrt.
Die Kammer hält diese Regelung, soweit bisher die Regelung nach Ziff. 7.5 HVV als zulässig angesehen wurde, ebf.
für zulässig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen tragen dafür Sorge, dass nur EBM-bedingte, nicht aber solche
Honorarverluste, für die der Vertragsarzt die Verantwortung selbst zu tragen hat, ausgeglichen werden. Der aktuelle
Fallwert und der Fallwert des Vorjahresquartals müssen miteinander vergleichbar sein. Bei verändertem
Leistungsspektrum der Praxis ist dies nicht mehr der Fall. Ebenso können veränderte Kooperationsformen eine
Vergleichbarkeit ausschließen. Gleiches gilt für veränderte Berechnung des Honorars durch Einschließung oder
Ausschließung von Vergütungsanteilen, insbesondere sog. extrabudgetären Leistungen, im Vergleich zum
Vorjahresquartal. Im Gegensatz zu der von den Sozialgerichten beanstandeten Honorarkürzungen nach Ziff. 7.5.1
Satz 3 HVV wird nicht das regulär nach dem HVV zustehende Honorar gekürzt, sondern erfolgt lediglich eine
genauere Ursachenforschung und Berechnung der den Vertragsarzt begünstigenden Ausgleichsregelung. Die
Regelung zur Beschränkung der Ausgleichsregelung ist damit selbst unmittelbarer Teil der Ausgleichsregelung im
Sinne einer Härteregelung. Ihr Inhalt ist aus den genannten Gründen nicht zu beanstanden und ist vom
Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien des HVV gedeckt.
Von daher war der Auffassung des Klägers nicht zu folgen, die in Ziffer 7.5 HVV geregelte Befugnis zur
Honorarkürzung verstoße gegen die zwingenden Vorgaben des Bewertungsausschusses.
Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Berichtigungsbescheid die ursprünglich fehlerhafte Festsetzung des
Ausgleichsbetrags zutreffend korrigiert. Sie hat im Einzelnen im angefochtenen Widerspruchsbescheid dargelegt,
dass bei dem Kläger eine Änderung des Leistungsspektrums eingetreten ist, da die Leistungen nach Nr. 18311 und
18331 EBM 2005 im Quartal III/06 von ihm nicht mehr erbracht wurden und diverse andere Leistungen (Briefe, Nr.
01601 EBM 2005 und konventionelle Radiologie) wesentlich weniger abgerechnet wurden. Dieser Feststellung und der
Berechnung des Berichtigungsbetrags ist der Kläger weder im Widerspruchs- noch Gerichtsverfahren
entgegengetreten. Ein fehlerhaftes Vorgehen vermochte auch die Kammer nicht zu erkennen.
Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Berichtigung nicht entgegen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die umfassende Berichtigungsbefugnis der KV, die den
Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, im Hinblick auf den gebotenen
Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre
des Vertragsarztes finden, wie auch bei solchen, die auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung,
insbesondere der Unwirksamkeit der ihr zu Grunde liegenden Vorschriften, beruhen. Insbesondere im letztgenannten
Fall müssen die Interessen des einzelnen Arztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher
Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der KV auf die Weitergabe nachträglicher Änderungen der rechtlichen
Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht
werden (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 21). Die Befugnis der KV zur nachträglichen
Honorarberichtigung auf der Grundlage der bundesmantelvertraglichen Vorschriften endet nicht nur mit dem Ablauf der
dazu vorgesehenen Fristen, sondern auch dann, wenn die KV eine sachlich-rechnerische Berichtigung durchgeführt
und diese auf Rechtsbehelfe des Vertragsarztes hin ohne jegliche Einschränkung rückgängig gemacht hat. In diesem
Fall wird die jedem Honorarbescheid innewohnende Vorläufigkeit im Verhältnis zum Vertragsarzt insoweit aufgehoben,
und die KV kann einen Honorarbescheid wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter den Voraussetzungen des
§ 45 SGB X zurücknehmen. Unabhängig davon hat das Bundessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen das
Vertrauen des Vertragsarztes auf die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Abrechnungsweise gegenüber rückwirkenden
Bescheidkorrekturen im Zusammenhang mit der Erbringung fachfremder Leistungen für schutzwürdig gehalten (vgl.
BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 27). Soweit die anfängliche Rechtswidrigkeit des
Honorarbescheides auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung beruht, wird der
Vertrauensschutz des Arztes durch die Grundsätze über die Anbringung von Vorläufigkeitshinweisen und deren
inhaltliche und umfangmäßige Begrenzung realisiert (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 28)
(BSGE 89, 62, 72 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 S 352). In der Konstellation einer individuell fehlerhaften
Rechtsanwendung der KV bei Erlass des ursprünglichen Honorarbescheides können Honorarberichtigungen nach den
einschlägigen bundesmantelvertraglichen Vorschriften über die nachträgliche Korrektur von anfänglich rechtswidrigen
Honorarbescheiden durchgeführt werden, im Rahmen des Berichtigungsverfahrens sind aber die speziellen
Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB X entsprechend heranzuziehen (vgl. zur
Begründung im Einzelnen BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 30-36).
Es kann hier letztlich dahinstehen, ob die speziellen Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB
X entsprechend heranzuziehen sind. Danach entfällt Vertrauen u. a. dann, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit
des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der
Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).
Jedenfalls kann dann kein Vertrauen auf den Bestand oder Teile des Honorarbescheids bestehen, wenn der
Vertragsarzt ausdrücklich unter Nennung der Gründe auf die Vorläufigkeit der Festsetzung hingewiesen wird.
Eine schnelle und möglichst umfassende Auskehrung der für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge
entspricht vor allem auch der Interessenlage der Vertragsärzte; denn sie sind zum einen – insbesondere wegen der
Bestreitung der Praxiskosten - regelmäßig auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und
Leistungshonorierung angewiesen. Zum anderen widerspräche die Zahlung lediglich von Abschlägen auf das
voraussichtliche Quartalshonorar über einen längeren Zeitraum hinweg dem berechtigten Interesse der Ärzte an einer
Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen (vgl. BSG, Urt. v. 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R -, SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 = BSGE
89, 62 = Breith 2002, 392 = NZS 2002, 552 = USK 2001-216, juris Rdnr. 26). Im Hinblick auf den Aufwand der
Einzelfallprüfung zahlreicher Bescheide, die wegen des Rückkoppelungseffekts auf den Punktwert dann vor Erlass
sämtlicher Honorarbescheide hätte durchgeführt werden müssen, hätte dies zu – weiteren – erheblichen Verzögerung
der Honorarbescheide geführt. Auch begrenzt auf die lediglich betroffenen Ärzte, hätte dies bei diesen zu einer
erheblichen Verzögerung geführt. Insofern war die Ausgangslage hier, da sie die gesamte Honorarbescheidung betraf,
vergleichbar mit Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung.
Die Beklagte hat aber von Anfang an, das heißt seit Geltung der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV, die Vertragsärzte
ausdrücklich auf die nachträgliche Überprüfung hingewiesen. In den Quartalen II/05 bis II/06 hat sie in
Begleitschreiben zu den Honorarbescheiden jeweils darauf hingewiesen, dass sie die Überprüfung aufgrund der 15 %-
Regelung erst nachträglich vornehmen werde. Ab dem Quartal III/06 hat sie an den mit "Nachweis zur
Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages" überschrieben Teil des Honorarbescheids den
"Hinweis" angefügt: "Honorarzahlungen aus der sog. ‚Ausgleichsregelung’ stehen ausschließlich bei den Praxen bzw.
MVZ unter einem Vorbehalt, bei denen (vor Durchführung der sog. ‚Ausgleichsregelung’) die Fallwertminderung mehr
als 15 % beträgt."
Die Beklagte war auch berechtigt, die Berichtigung nachträglich vorzunehmen. Insofern steht der nachträglichen
Berichtigung auch nicht Ziff. 7.5.2 Satz 4 HVV entgegen. Zwar soll danach die Prüfung erfolgen, "bevor eine
Ausgleichszahlung erfolgt". Der Sinn der Regelung liegt insbesondere im Rückkoppelungseffekt auf den Punktwert bei
einer fehlerhaften Festsetzung, da im Regelfall der Ausgleichsbetrag dem Honorartopf der Fachgruppe zu entnehmen
ist und so zu einer Senkung des Punktwertes führt. Nur mittelbar dient diese Vorschrift dem Schutz des einzelnen
Vertragsarztes. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass der Vertragsarzt wenigstens im Ansatz die
Veränderungen der Leistungsstruktur oder die Einschließung oder Ausschließung von Vergütungsanteilen bei der
Berechnung der zu vergleichenden Fallwerte kennt.
Von daher kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen nach Ziff. 7.5.3 HVV vorlagen. Danach steht die
Ausgleichsvorschrift insb. unter dem Vorbehalt, dass eine gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbare budgetierte
Gesamtvergütungszahlung geleistet wird. Danach ist nicht maßgeblich, dass zum Zeitpunkt der Honorarfestsetzung
bereits der Umfang der Gesamtvergütung feststeht, sondern nur die letztlich gezahlte Höhe. Diese Regelung trifft
insofern Vorsorge im Sinne eines "Wegfalls der Geschäftsgrundlage", nämlich für den Fall, dass die erwartete
Gesamtvergütung geringer ausfällt und von daher die Ausgleichsregelung nicht als finanzierbar angesehen wird. Für
diesen Fall sieht Ziff. 7.5.3 HVV eine Neuberechnung vor. Dies betrifft aber alle Honorarbescheide mit begünstigenden
Ausgleichszahlungen und nicht lediglich Ausgleichszahlungen bei Fallwertverlusten mit 15 % oder mehr. Im Übrigen
ist von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden, dass Gesamtvergütungszahlung hinter dem Vorjahresquartal
zurückgeblieben sei.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.