Urteil des SozG Marburg vom 04.02.2011

SozG Marburg: krankenkasse, versorgung, zahnarzt, wirtschaftlichkeit, zahnärztliche behandlung, angemessene frist, verwaltungsakt, rka, erlass, genehmigungsverfahren

Sozialgericht Marburg
Gerichtsbescheid vom 04.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 642/10
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 7/11
1. Die Verfahren mit Az.: S 12 KA 642/10, S 12 KA 643/10 und S 12 KA 644/10 werden zur gemeinsamen
Entscheidung unter dem führenden Az.: S 12 KA 642/10 miteinander verbunden.
2. Die Klagen werden abgewiesen.
3. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
4. Der Streitwert wird für die verbundenen Verfahren auf 1.685,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von den Beklagten die Bescheidung seiner Widersprüche gegen die Genehmigung seiner
Reparaturaufträge bzw. Therapieänderungen unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Der Kläger ist als Zahnarzt für Kieferorthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt
zugelassen.
Der Kläger beantragte zunächst am 07.07.2010 bei dem Sozialgericht Marburg zum Az.: S 12 KA 521/10 ER den
Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beigeladene für den Behandlungsfall des bei der AOK Hessen
versicherten D. X., weil die AOK Hessen die nachträglichen 50 EUR Laborkosten nur unter der Einschränkung "wenn
kein Eigenverschulden des Patienten vorliegt" genehmigt habe. Den Antrag zog er am 28.07.2010 wieder zurück.
Der Kläger hat am 23.06.2010 über das SG Gießen die Klagen erhoben. Das SG Gießen hat mit Beschlüssen vom
28.07.2010 zu den Az.: S 14 SV 12/10, S 14 SV 13/10 und S 14 SV 14/10 wegen örtlicher Unzuständigkeit die Klage
an das SG Marburg verwiesen.
Der Kläger trägt im Verfahren gegen die Beklagte zu 1) vor, die Beklagte habe am 17.08.2009 die am 13.08.2009 für
die Patientin BB beantragten Reparaturen unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung
genehmigt. Gegen den ihn persönlich betreffenden Teil habe er am 18.08.2009 Widerspruch erhoben. Die Beklagte sei
seitdem untätig geblieben. Im Verfahren gegen die Beklagte zu 2) trägt er vor, die Beklagte habe am 27.10.2009 die
am 01. und 26.10.2009 für den 1995 geb. Patienten CC beantragten Reparaturen unter dem Vorbehalt einer
nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung genehmigt. Gegen den ihn persönlich betreffenden Teil habe er am
30.10.2009 Widerspruch erhoben. Die Beklagte sei seitdem untätig geblieben. Im Verfahren gegen die Beklagte zu 3)
trägt er vor, er habe am 11.07.2009 für die Patienten DD und EE eine Therapieänderung beantragt, die die Beklagte
am 18.09.2009 unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung genehmigt habe. Gegen den ihn
persönlich betreffenden Teil habe er am 24.09.2009 Widerspruch erhoben. Seither sei die Beklagte untätig geblieben.
Für alle Verfahren trägt er weiter vor, der Zweck des Antrags sei es gerade, die Wirtschaftlichkeit der Reparatur
feststellen zu lassen. Der Vorbehalt sei wegen § 32 Abs. 1 SGB X rechtswidrig. Um Schaden von seinem Vermögen
abzuwenden, weigere er sich, die Reparaturen auszuführen. Gegenstand des Verfahrens sei nur die Rechtswidrigkeit
des Vermerks.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte zu verurteilen, ihn über seine Widersprüche zu bescheiden.
Die Beklagten beantragen, die Klagen abzuweisen.
Die Beklagten zu 1) und 2) sind der Auffassung, ein für den Kläger widerspruchsfähiger Bescheid sei nicht ergangen.
Die Entscheidung entfalte Wirkung nur gegenüber dem Versicherten. Dies hätten sie dem Kläger erläutert. Der
Versicherte habe keinen Widerspruchsbescheid erbeten. Es liege in der Natur der Sache, dass ein komplexer
kieferorthopädischer Behandlungsfall in seiner Gesamtheit erst nach Abschluss hinreichend gewürdigt werden könne.
Da eine Kostenzusage insbesondere bei Nachanträgen den Anspruch auf eine nachträgliche
Wirtschaftlichkeitsprüfung nach der Rechtsprechung des SG Marburg ausschließe, sehe sie sich in besonders
gelagerten Fällen veranlasst, eine Einschränkung auf Nachanträgen anzubringen. Sie teile diese Auffassung nicht in
Gänze. Jede Nachgenehmigung nach Aktenlage sei im Grunde genommen eine Entscheidung ins Blaue, oder sie
müsse eine Begutachtung durchführen, was verwaltungsökonomisch nicht machbar sei. Nur bei häufigeren
Nachanträgen behalte sie sich nach Rücksprache mit den Erziehungsberechtigten eine Einzelfallentscheidung vor.
Bei dem Kläger machten sie seit Jahren die Erfahrung, dass Nachanträge überhand nähmen. 6 oder mehr
Nachanträge pro Fall seien die Regel und nicht die Ausnahme. In Hessen sei dies die einzige Praxis. Meistens gehe
es um sich lösende Brackets. Klärungsversuch seien wegen fehlender Auskünfte des Klägers fehlgeschlagen. Auch
Mitteilungen nach § 16 BMV-Z, die einen Hinweis auf ein Fehlverhalten des Patienten liefern könnten, seien in den
meisten Fällen unterblieben. Die Ursache müsse daher bei dem Kläger liegen. Sie versuche seit Jahren, hierüber mit
dem Kläger ein Gespräch zu führen. Von daher mute der Vorhalt "Untätigkeit" sonderbar an.
Die Beklagte zu 3) führt aus, sie habe mehrere Nachanträge des Klägers unter dem Vorbehalt der
Wirtschaftlichkeitsprüfung genehmigt. Nach dem der Kläger erklärt habe, er habe die Reparaturmaßnahmen nicht
durchgeführt, habe sie weitere Nachanträge nicht bewilligt. Verlängerungsanträge vom 18.12.2009 habe sie nach dem
Gutachterverfahren abgelehnt. Anfragen zur derzeitigen Versorgung und Therapie seien unbeantwortet geblieben. Es
liege in der Natur der Sache, dass ein komplexer kieferorthopädischer Behandlungsfall in seiner Gesamtheit erst nach
Abschluss hinreichend gewürdigt werden könne. Sie akzeptiere im Regelfall 2 bis 3 Nachanträge. Bei dem Kläger
habe sie die Erfahrung gemacht, dass 7 bis 10 Nachanträge je Fall die Regel seien. Gesprächsangebote habe der
Kläger kategorisch abgelehnt.
Die Beigeladene hat sich schriftsätzlich nicht zum Verfahren geäußert und keine Anträge gestellt.
Die Kammer hat mit den Beteiligten am 19.01.2011 einen Erörterungstermin abgehalten. Hierzu wird auf die
Niederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verfahrensakten zu den
Az.: S 12 KA 521/10 ER und S 12 KA 414/07 bzw. L 4 KA 11/08 B ER Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt.
Die Kammer hat die Beteiligten hierzu im Erörterungstermin angehört.
Die Klagen sind unzulässig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass der Widerspruchbescheide.
Voraussetzung für die Erhebung einer Untätigkeitsklage wegen Nichterteilung eines Widerspruchbescheides ist, dass
überhaupt ein statthafter Widerspruch vorliegt. Statthaftigkeit liegt nur vor, wenn der Kläger sich gegen einem ihm
gegenüber ergangenen oder ihn rechtlich beschwerenden Verwaltungsakt wendet. Hieran fehlt es in allen drei
Verfahren.
Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht
beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des
Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht
erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert
werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 88
Abs. 1 SGG). Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als
angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt (§ 88 Abs. 2 SGG). Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind
Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen (§ 78 Abs.1 Satz 1
SGG). Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum
Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes
bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung
oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein (§ 54 Abs. 1 SGG).
Der Kläger kann sich aber nicht gegen einen ihn beschwerenden Verwaltungsakt wenden. Die vom Kläger angeführten
"Genehmigungen" können unter Beachtung des Empfängerhorizonts mit spezifisch vertragszahnärztlichem
Verständnis mangels Regelung gegenüber dem Kläger nicht als Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Sozialgesetzbuch,
Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren – SGB X verstanden werden.
Adressat der Genehmigungen mit dem vom Kläger angegriffenen Vorbehalt ist in rechtlicher Hinsicht allenfalls der
Versicherte und nicht der Kläger. Der Kläger wird als vertragszahnärztlicher Behandler nur mittelbar betroffen und hat
– abgesehen von der u. U. zulässigen Beantragung des Gutachterverfahrens – kein eigenes Recht zur Anfechtung.
Das Recht auf eine bestimmte zahnärztliche Leistung kommt nur Versicherten zu. Nur Versicherte haben einen
Anspruch auf Krankenbehandlung, die auch die zahnärztliche Behandlung umfasst (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr.
2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V). Hierzu gehört auch die
kieferorthopädische Versorgung. Versicherte haben Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in medizinisch
begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen,
Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht (§ 29 Abs. 1 SGB V). Der
Vertragszahnarzt ist nur zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der
Zulassung folgenden Versorgungsauftrags berechtigt und verpflichtet (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Zur
vertragszahnärztlichen Versorgung gehört, entsprechend dem Leistungsanspruch des Versicherten gegenüber seiner
Krankenkasse, auch die kieferorthopädische Behandlung (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Der Übergang des
vertragszahnärztlichen Versorgungsauftrags von der Krankenkasse (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) auf die
Kassenzahnärztliche Vereinigung (§ 75 Abs. 1 SGB V) hat aber zur Folge, dass zwischen der Krankenkasse und dem
Vertragsbehandler keine unmittelbaren rechtlichen Beziehungen bestehen. Zwischen beiden steht die
Kassenzahnärztliche Vereinigung, so dass unmittelbare Rechtsbeziehungen nur zwischen Versichertem und
Krankenkasse, Krankenkasse und Kassenzahnärztlicher Vereinigung sowie Kassenzahnärztlicher Vereinigung und
Vertragszahnarzt bestehen. Genehmigungen, die die Krankenkasse zur Konkretisierung des Leistungsanspruchs des
Versicherten erteilt, ergehen in rechtlicher Hinsicht nur diesem gegenüber. Werden sie durch die rechtlichen Vorgaben
konstitutiv ausgestaltet, so handelt es sich für den Vertragsbehandler um eine Leistungsvoraussetzung. Die
Genehmigung hat ihm gegenüber nur eine Wirkung im Sinne eines Rechtsreflexes, greift aber nicht unmittelbar in
seine Rechtsstellung ein, da er nur zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung berechtigt ist, also nur
die Leistungen erbringen darf, auf die der Versicherte einen Anspruch hat. Ferner hat eine solche Genehmigung u. U.
die Begründung von Vertrauensschutz hinsichtlich der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit zur Folge.
Anders als im Bereich der Versorgung der Versicherten mit Zahnersatz in der bis Ende 2004 geltenden Fassung des §
30 Abs. 4 Satz 1 bis 5 SGB V ("Der Zahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien, die gesamte
Behandlung nach den Absätzen 1 und 3 umfassenden Heil- und Kostenplan zu erstellen. Der Heil- und Kostenplan ist
von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen. Die im Heil- und Kostenplan vorgesehene
Versorgung mit Zahnersatz nach Absatz 1 bedarf vor Beginn der Behandlung der Genehmigung. Die Krankenkasse
hat den Versichertenanteil an diesen Kosten zu bestimmen. Aufwendige Versorgungen sollen vor der Genehmigung
begutachtet werden."; zur aktuellen Regelung vgl. § 87 Abs. 1a Satz 2 SGB V) ist bei kieferorthopädischen
Leistungen weder die Erstellung eines Heil- und Kostenplans noch dessen vorherige Genehmigung durch die
Krankenkasse gesetzlich vorgeschrieben, obwohl der Gesetzgeber in § 29 Abs. 3 SGB V die Erstellung eines solchen
Plans voraussetzt (so auch SG Stade, Urt. v. 01.02.2007 - S 1 KR 43/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de). Soweit aus
der Verwendung des Begriffs "Behandlungsplan" in § 29 Abs. 3 Satz 2 SGB V z. T. die Schlussfolgerung gezogen
wird, anders als im Fall sonstiger ärztlicher oder zahnärztlicher Behandlungen werde der Behandlungsanspruch der
Versicherten nach § 29 SGB V nicht durch die bloße Behandlungsentscheidung des Kieferorthopäden konkretisiert,
sondern erst durch die Bewilligung der Kasse (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 13.09.2006 - L 3 KA 90/05 -
www.sozialgerichtsbarkeit.de) oder – noch unter Geltung der Reichsversicherungsordnung – allgemein festgestellt
wird, auch den bundesmantelvertraglichen Bestimmungen liege eine der Behandlung vorausgehende
Leistungsbewilligung durch die Krankenkassen zugrunde (vgl. BSG, Urt. v. 18.05.1989 - 6 RKa 10/88 - SozR 2200 §
182 Nr. 115 = BSGE 65, 94, juris Rdnr. 26), so kann dies hier dahingestellt bleiben, da hierdurch nur das Verhältnis
zwischen Krankenkasse und Versicherten betroffen wird. Die Genehmigung der Krankenkasse stellt jedenfalls
gegenüber dem Vertragszahnarzt keinen Verwaltungsakt dar (vgl. a. Niggehoff, in: Becker/Kingreen, SGB V,
Gesetzliche Krankenversicherung, Kommentar, 2008, § 29, Rdnr. 13 unter Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen v.
27.11.1985 – L 11 Ka 72/84). Nur der Versicherte hat das Recht, einen etwaigen Behandlungsanspruch gegen ihre
Krankenkasse auf dem Rechtsweg durchzusetzen (vgl. SG Hamburg, Urt. v. 11.07.2001 - 3 KA 306/97 - juris Rdnr.
32).
Soweit die bundesmantelvertraglichen Vorschriften eine Genehmigung vorsehen, wird hierdurch kein Anspruch auf
Erlass einer Genehmigung des Vertragszahnarztes begründet.
Im Bundesmantelvertrag – Zahnärzte für den Primärkassenbereich (Stand: 01.07.2010, zitiert nach
http://www.kzbv.de/rechtsgrund/BMVZ 20100701.pdf) (im Folgenden: BMV Z) haben die Vertragsparteien vereinbart,
dass im Falle kieferorthopädischer Maßnahmen, der Behandlung von Parodontopathien und der Versorgung mit
Zahnersatz und Zahnkronen sich die Krankenkassen eines Gutachterverfahrens bedienen können, das in
Vereinbarungen zwischen den Partnern dieses Vertrags geregelt wird (Anlagen 6, 9 und 12) (§ 2 Abs. 3 BMV-Z). Nach
§ 17 "Vordrucke zur Durchführung der vertragszahnärztlichen Versorgung, edv-mäßige Erstellung der Abrechnung"
gilt, dass für den kieferorthopädischen Behandlungsplan Anlage 8 gilt (§ 17 Abs. 1 Satz 4). Nach Anlage 6 zum BMV-
Z "Vereinbarung über das Gutachterverfahren bei kieferorthopädischen Maßnahmen" ist vom Zahnarzt vor Beginn der
Behandlung anhand der erforderlichen diagnostischen Unterlagen ein Behandlungsplan (Anlage 8 zum BMV Z) zu
erstellen. Der Zahnarzt sendet den Behandlungsplan in doppelter Ausfertigung der Krankenkasse zu. Entsprechendes
gilt bei einem Verlängerungsantrag und einer Therapieänderung. Eine weitere Ausfertigung des Behandlungsplans
sendet der Zahnarzt seiner zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung zu (§ 1 Abs. 1 Anlage 6 zum BMV-Z). Bei
Kostenübernahme bzw. Bezuschussung sendet die Krankenkasse in der Regel innerhalb von 4 Wochen ein Exemplar
des Behandlungsplanes an den Zahnarzt zurück (§ 2 Abs. 1 Anlage 6 zum BMV-Z). Mit der Behandlung soll erst nach
Rücksendung des Behandlungsplanes an den Zahnarzt begonnen werden (§ 2 Abs. 2 Anlage 6 zum BMV-Z).
Behandlungen, für die die Krankenkasse auf Grund eines Behandlungsplanes die Kosten übernommen oder einen
Zuschuss gewährt hat, unterliegen nicht mehr der Prüfung auf Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 3 Anlage
6 zum BMV-Z). Die Krankenkasse kann den bei ihr eingereichten Behandlungsplan begutachten lassen. In diesem
Falle sendet sie den Behandlungsplan in doppelter Ausfertigung in der Regel innerhalb von 4 Wochen an den Zahnarzt
zurück mit der Bitte, dem von ihr benannten Gutachter beide Ausfertigungen des Behandlungsplanes zusammen mit
den Befundunterlagen (Kiefermodelle, Rö Aufnahmen, ggf. Fotografie, Fernröntgenaufnahme und HNO-Befund)
zuzuleiten. Die Krankenkasse erteilt den Auftrag zur Begutachtung unter Verwendung der Anlage 13a zum BMV-Z (§
3 Abs. 1 Anlage 6 zum BMV-Z). Bei unterschiedlicher Auffassung über die Zuordnung der beabsichtigten
kieferorthopädischen Maßnahmen zur kassenzahnärztlichen Versorgung hat die Krankenkasse auf Antrag des
Zahnarztes ein Gutachten herbeizuführen (§ 3 Abs. 6 Anlage 6 zum BMV-Z). Gegen die Stellungnahme des
Gutachters zum Behandlungsplan oder zum Verlängerungsantrag können Zahnarzt und Krankenkasse Einspruch zum
Zwecke der Einholung eines Obergutachtens einlegen. Der Einspruch ist zu begründen und binnen zweier Monate
nach dem Zugang der Stellungnahme des Gutachters schriftlich bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
einzulegen (§ 4 Abs. 1 Anlage 6 zum BMV-Z). In Anlage 8 zum BMV Z haben die Vertragsparteien einen
"Kieferorthopädischen Behandlungsplan" vereinbart. Dieser sieht eine "Entscheidung der Krankenkasse" vor, die mit
Datum und Stempel der Krankenkasse zu versehen ist. Ferner sieht Anlage 8 zum BMV-Z eine durch den Zahnarzt
auszufüllende "Mitteilung an den Patienten nach § 29 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V. Buch (SGB V)" für den Fall vor,
dass eine Leistungspflicht nicht vorliegt.
Die vorherige Aufstellung eines Behandlungsplans dient zunächst dem Zweck, der Krankenkasse Gelegenheit zu
geben, die Zweckmäßigkeit, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der vorgesehenen Maßnahme zu überprüfen und
gegebenenfalls einen Gutachter einzuschalten (vgl. SG Hamburg, Urt. v. 11.07.2001 - 3 KA 306/97 – juris Rdnr. 27).
Indem die Vertragspartner der Bundesmantelverträge die vorherige Genehmigung der Behandlungspläne bei
kieferorthopädischen Maßnahmen durch die Krankenkassen vorgesehen haben, haben sie im Fall der Ablehnung
eines ordnungsgemäß begründeten Antrages durch die Krankenkasse die Verantwortung für die dann ausbleibende
kieferorthopädische Behandlung dem Vertragszahnarzt genommen und auf die Krankenkasse und die von ihr
herangezogenen Gutachter übertragen. Diese Berufsausübungsregelung ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Namentlich ist sie mit dem Grundrecht des Art. 12 Grundgesetz (GG) zu vereinbaren, da sie der Sicherstellung der
Wirtschaftlichkeit der vertragszahnärztlichen Versorgung und damit der Sicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit
der Krankenkassen, mithin einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut, dient und das vorgesehene
Gutachterverfahren nicht zuletzt im Hinblick auf die Einholung eines Obergutachtens auf Antrag des betroffenen
Vertragszahnarztes hinreichende Gewähr für sachgerechte Entscheidungen bietet (so zutreffend LSG Niedersachsen,
Urt. v. 27.06.2001 - L 3 KA 181/00 - juris Rdnr. 26). Das Gutachterverfahren mit dem Ergebnis einer entsprechenden
Genehmigung gegenüber dem Versicherten dient maßgeblich auch den Interessen der Versicherten, die davor zu
schützen sind, dass sie bereits begonnene Behandlungen auf eigene Kosten fortführen oder abbrechen müssen, weil
sich nachträglich herausstellt, dass sie nicht genehmigungsfähig sind (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v.
13.09.2006 - L 3 KA 90/05 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Ausgehend von dieser im Wesentlichen auf dem Bundesmantelvertrag beruhenden Rechtslage, deren Kenntnis auch
dem Kläger als Vertragszahnarzt unterstellt werden kann, können die vom Kläger angeführten "Genehmigungen" unter
Beachtung des Empfängerhorizonts mit spezifisch vertragszahnärztlichem Verständnis nicht als Verwaltungsakt
i.S.d. § 31 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren – SGB X verstanden werden. Hinzu kommt, dass
die Beklagten die "Genehmigungen" nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen haben und die Beklagten zu 1)
und 2) kein förmliches Anschreiben mit vollständigem Briefkopf gewählt haben. Die Beklagten zu 3) hat den Kläger
zwar förmlich angeschrieben, hat sich aber mit der Formulierung "den beantragten Therapieänderungen stimmen wir
zu" ganz an die bundesmantelvertraglichen Vorgaben gehalten. Die Beklagten erkennen damit lediglich an, dass sie
zunächst von der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistung ausgehen, relativieren diese Aussage aber
zugleich, da sie sich eine nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung vorbehalten. Im Ergebnis gestehen sie dem Kläger
nur das zu und behalten sich nur das vor, was ohnehin aus den bundesmantelvertraglichen Regelungen folgt.
In den Fällen der Beklagten zu 1) und 2) war im Übrigen bereits der Antrag des Klägers unzulässig. Nach den
dargelegten bundesmantelvertraglichen Regelungen ist der Behandlungsplan nur für die Therapie, deren Verlängerung
und deren Änderung zu erstellen, nur in diesen Konstellationen ist das Genehmigungsverfahren mit der Möglichkeit
eines Gutachterverfahrens zu beantragen. In den Fällen der Beklagten zu 1) und 2), in denen es sich lediglich um
Reparaturen handelt, ist ein solches – förmliches – Verfahren überhaupt nicht vorgesehen. Der Kläger verkennt, dass
er als Vertragsbehandler grundsätzlich auch für die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit seiner zahnärztlichen
Behandlung verantwortlich ist, was die Kammer mit ihm und den übrigen Beteiligten im Erörterungstermin eingehend
besprochen hat. Das Genehmigungsverfahren mit der Möglichkeit eines Gutachterverfahrens nimmt ihm in den
genannten Konstellationen einen Teil der Verantwortung gegenüber den Krankenkassen dann ab, wenn eine
Genehmigung erteilt wird. Die Genehmigung schafft aber einen Vertrauenstatbestand nur in einem begrenzten Umfang
und schließt eine nachträgliche Prüfung nicht grundsätzlich aus.
Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ist nur insoweit ausgeschlossen, wie die Wirtschaftlichkeit schon im
Genehmigungsverfahren zu prüfen ist und nach den gemachten Angaben geprüft werden kann. Der
Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen grundsätzlich alle Bereiche der vertragszahnärztlichen Versorgung. Das Gesetz
schreibt in § 106 SGB V eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit ausdrücklich vor. In untergesetzlichen Normen ist ein
Ausschluss der nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nur zulässig, soweit diese oder andere Normen eine
vorherige Prüfung der Wirtschaftlichkeit vorsehen. Ein so begrenzter Ausschluss der Wirtschaftlichkeitsprüfung kann
es für den kieferorthopädischen Bereich z. B. nicht rechtfertigen, der Genehmigung eine stillschweigende
betragsmäßige Begrenzung der genehmigten Laborkosten zu entnehmen (vgl. BSG, Urt. v. 08.09.1993 - 14a RKa 9/92
- SozR 3-5555 § 13 Nr. 1 = USK 93148, juris Rdnr. 20). § 2 Abs 3 der Anlage 6 zum BMV-Zahnärzte (Vereinbarung
über das Gutachterverfahren bei kieferorthopädischen Maßnahmen) schließ die nachträgliche
Wirtschaftlichkeitsprüfung nur hinsichtlich der geplanten Behandlungsmaßnahme aus, nicht aber hinsichtlich der
tatsächlich ausgeführten Maßnahme, soweit diese vom Behandlungsplan abweicht (vgl. BSG, Urt. v. 05.08.1992 -
14a/6 RKa 61/91 - USK 92162, juris Rdnr. 23; s. a. BSG, Urteil vom 05.08.1992 - 14a/6 RKa 17/90 - SozR 3-2500 §
106 Nr. 12 = USK 92196, juris Rdnr. 39). Die Bewilligung kann nur Ansprüche im Rahmen der vertragsärztlichen
Versorgung auslösen. Mit ihr ist nicht eine kieferorthopädische Behandlung als solche, sondern die Behandlung durch
einen bestimmten, in das System der Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogenen
Zahnarzt zugesprochen. Nur dieser ist nach § 95 Abs. 3 SGB V i.V.m. dem von ihm aufgestellten und von der
Krankenkasse genehmigten Behandlungsplan gehalten, die Behandlung wirklich durchzuführen, und hat eventuelle
Verstöße gegen gesetzliche oder vertragliche Vorschriften gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und
damit mittelbar nach § 75 Abs. 1 SGB V auch gegenüber der Krankenkasse zu verantworten (vgl. BSG, Urt. v.
18.01.1996 - 1 RK 22/95 - SozR 3-2500 § 29 Nr. 3 = BSGE 77, 227 = NZS 1996, 390 = Breith 1996, 833 = SGb 1997,
123, juris Rdnr. 16).
Hierauf hat die Kammer den Kläger im Übrigen im Wesentlichen bereits im Beschluss v. 14.12.2007 – S 12 KA
414/07 ER – hingewiesen.
Im Ergebnis waren die Klagen daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach
den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet
der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert
von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Zur Streitwerthöhe hat die Kammer bereits im Beschluss über die vorläufige Festsetzung Ausführungen gemacht. Der
Streitwert war nach Abschluss des Verfahrens in gleicher Höhe festzusetzen, da sich neue Gesichtspunkte nicht
ergeben haben. Der jetzt festgesetzte Wert ist daher gleich hoch wie der vorläufig festgesetzte Wert. Nach
Verbindung der Verfahren waren die Einzelwerte zu addieren. Dies ergab den festgesetzten Wert.