Urteil des SozG Marburg vom 10.12.2008

SozG Marburg: stadt, zweigpraxis, versorgung, ermächtigung, genehmigung, therapie, ivf, verfügung, zusammenarbeit, gynäkologie

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 10.12.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 115/08
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Zweigpraxis in B-Stadt bei einem Praxissitz in A-Stadt.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt, die nunmehr als Medizinisches
Versorgungszentrum betrieben wird. Das MVZ besteht aus einer Ärztin und drei Ärzten, die alle als Fachärzte für
Gynäkologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind. Das MVZ hat ferner einen Anästhesiologen
angestellt. Das MVZ führt im Rahmen eines sogenannten Kinderwunschzentrums Sterilitätsdiagnostik und -therapie
durch und ist im Besitz der Genehmigung zur Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft nach § 121a SGB V (IVF-Zentrum).
Die Klägerin beantragte unter Datum vom 25.05.2007 die Genehmigung einer Zweigpraxis zur Untersuchung
gynäkologisch-endokrinologischer Fragestellungen in der S-Str. in B-Stadt. Sie trug vor, in den Jahren 2004 - 2006
hätte sie insgesamt 675 Paare aus B Stadt am Kinderwunschzentrum in A-Stadt behandelt. Eine Sterilitätsdiagnostik
und therapie einschließlich der In-vitro-Behandlung umfasse mehrere Beratungsgespräche, und das Zyklusmonitoring
bedürfe mehrere Untersuchungstermine, sodass für die Patientinnen aus dem Raum B-Stadt über die Zweigpraxis
eine deutlichere Verbesserung der Versorgungssituation eintreten würde. Zusätzlich erlaube die direkte Kooperation
mit dem ebenfalls in der S-Str. praktizierenden endokrinologischen Kollegen des Endokrinologikums eine
fachübergreifende Abklärung verschiedener Fragestellungen. Geplant sei, dass Herr Dr. C 10 Wochenstunden und in
Vertretung Frau Dr. D eine Sprechstunde für Sterilitätsdiagnostik und –therapie durchführe. Die ordnungsgemäße
Versorgung der Versicherten an ihrem Vertragsartsitz werde nicht beeinträchtigt, da durch den Rückgang der
Behandlungszahlen um ca. 30% als Folge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes Kapazitäten freigesetzt würden.
Zusätzlich sei Frau Dr. D seit 15.04.2007 in A-Stadt tätig.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14.11.2007 den Antrag ab, weil eine Verbesserung der Patientenversorgung
nicht vorliege. Nach den Richtlinien zur künstlichen Befruchtung sei bereits in den Empfehlungen zur
Qualitätssicherung eine enge Kooperation mit andrologisch qualifizierten Ärzten in Diagnostik und Therapie
vorgesehen. Den Patienten sei auch zuzumuten, längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen. Es bestehe kein
Anspruch, in unmittelbarer Nachbarschaft eine fachärztliche Versorgung zu erhalten. Im Bereich B-Stadt und C-Stadt
bestehe ein umfassendes Beratungs- und Behandlungsangebot zu allen Fragen der künstlichen Befruchtung, so dass
die Frage der Unterversorgung bei der Beurteilung des Antrags keine Bedeutung habe. Eine Zweigpraxis in B-Stadt-X.
führe nicht zu einer Verbesserung der Patientenversorgung.
Hiergegen legte die Klägerin am 22.11.2007 Widerspruch ein. Sie trug weiter vor, es sei richtig, dass in den Richtlinien
eine Kooperation mit Endokrinologen vorgesehen sei. Die danach erteilte IVF-Genehmigung bringe jedoch nicht
automatisch die Genehmigung mit sich, außerhalb der Praxisräume in A-Stadt im Rahmen der Kooperation mit den
Endokrinologen auch Leistungen außerhalb der Praxisräumlichkeiten in A-Stadt abrechnen zu dürfen. Ihr Konzept
gehe über die geforderte Kooperation hinaus. Auf eine Unterversorgung komme es nicht an. Es bestehe eine
entsprechende Ermächtigung zu Gunsten des Chefarztes der Frauenklinik am RB-Krankenhaus. Eine Ermächtigung
könne nur bei einer entsprechenden Sicherstellungslücke erteilt werden. Die Tätigkeit von niedergelassenen
Vertragsärzten - auch in Zweigpraxen - gehe der Ermächtigung vor.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die Landesärztekammer Hessen unter Datum vom 12.03.2008 mit, die Versorgung
der Patienten mit reproduktionsmedizinischen Maßnahmen sei in B-Stadt durch die bereits bestehenden und von ihr
genehmigten IVF-Einrichtungen ausreichend gewährleistet. In B-Stadt gäbe es drei genehmigte IVF-Einrichtungen und
eine weitere in unmittelbarer angrenzenden C-Stadt. Es seien ihr keine Fälle bekannt, in den Patienten für einen
ersten Gesprächstermin übermäßig hätten lange warten müssen oder aufgrund organisatorischer Belastung gar
abgelehnt worden seien. Angesichts der rückläufigen Patientenzahlen sei auch künftig nicht von einer
Unterversorgung mit reproduktionsmedizinischen Maßnahmen in B-Stadt auszugehen. Auch sei seitens der Klägerin
nicht hinreichend dargelegt worden, wie konkret die Zusammenarbeit mit den im Endokrinologikum tätigen Ärzten
ausgestaltet sein solle. Im Übrigen gehe sie davon aus, dass auch die vorbereitenden beziehungsweise
therapiebegleitenden Maßnahmen für IVF-Leistungen unter den Genehmigungsbereich der Richtlinie zur Durchführung
der assistierten Reproduktion fielen und dann mit genehmigungspflichtig nach § 121a SGB V seien. Ein Antrag auf
Genehmigung liege bei ihr nicht vor. Die Herrn Dr. C bereits im Jahre 1996 erteilte Genehmigung berechtige nach ihrer
Auffassung nicht zur Erbringung von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen an weiteren Standorten.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2008 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur
Begründung führte sie aus, die Voraussetzung für eine Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis sei nicht
erfüllt. Die Patienten aus B-Stadt seien nicht darauf angewiesen, für die Sterilitätsdiagnostik und therapie unter
großem Zeitaufwand nach A-Stadt zu fahren, da sich in B-Stadt und in C-Stadt insgesamt drei Zentren für
Reproduktionsmedizin befänden (Kinderwunschzentrum RB Krankenhaus, zwei Vertragsärzte – davon einer mit Praxis
in B-Stadt und einer mit Sitz in C-Stadt). Die beiden Vertragsärzte hätten angegeben, dass sie noch freie Kapazitäten
hätten und die Wartezeiten gering seien. Diese Praxen lägen nur zwischen 7 und 9 Kilometer von der in der S-Str.
geplanten Zweigpraxis entfernt und seien mit dem in B-Stadt und Umgebung sehr gut ausgebauten
Personennahverkehr problemlos zu erreichen. Auch die Zusammenarbeit mit endokrinologisch tätigen Kollegen im
gleichen Haus stelle keine Verbesserung der Versorgung dar. Eine Kooperation sei bereits nach der Richtlinie nach
der künstlichen Befruchtung vorgesehen. Auch besitze Herr Dr. C die geforderte fakultative Weiterbildung
"gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin". Auch müssten gegebenenfalls zusätzlich notwendige
fachübergreifende konsularische Beratungen nicht "Tür an Tür" erfolgen. Auch bestehe bereits jetzt eine Kooperation
mit dem Endokrinologikum. Eine Verbesserung der Versorgung trete nicht bereits dann ein, wenn Patientin
zusätzliche Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten erhielten. Eine Ermächtigung könne auch bei qualitativ-
speziellem Bedarf erteilt werden. Die Ermächtigung des Arztes beziehe sich auf Leistungen zur Diagnostiken und
Therapie bei Sterilität. Dies seien hochspezielle Leistungen der Gynäkologie. Zu dem dürfe der ermächtigte Arzt diese
Leistungen laut seiner Ermächtigung nur auf Überweisung durch Frauenärzte beziehungsweise Urologen erbringen. Zu
einem Vorrang der Tätigkeit in einer Zweigpraxis gegenüber einer Ermächtigung könne man nur dann ausgehen, wenn
in der Zweigpraxis dieselben speziellen Leistungen erbracht werden sollten, für die die Ermächtigung bestehe. Die
Klägerin habe nicht vorgetragen, welche Leistungen in der Zweigpraxis angeboten werden sollten. Von einer
Versorgungsverbesserung könne man auch nur dann sprechen, wenn den Patienten die gesamten Sterilitätsdiagnostik
und –therapie in B Stadt zur Verfügung stünde. Auch nach einer Stellungnahme der Landesärztekammer sei die
Versorgung gewährleistet.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.04.2008 die Klage erhoben. Sie weist nochmals auf den Umfang der aus B-Stadt
stammen Patienten hin sowie auf die räumliche Nähe zu den internistisch-endokrinologischen Kollegen. Die Kollegen
am Endokrinologikum hätten festgestellt, dass sie sei Januar 2004 845 Kinderwunschpatientinnen untersucht hätten.
Bei 45 von 100 Patientinnen seien Schilddrüsenfunktionsstörungen festgestellt worden. Eine besondere internistisch-
endokrinologische Betreuung sei bei diesen Patientinnen erforderlich. Bei 35 von 100 Patientinnen habe eine Störung
des Zuckerstoffwechsels im Sinne einer Insulinresistenz festgestellt werden müssen. Bei 23 von 100 Patientinnen
liege ein Syndrom der polycystischen Ovarien (PCOS) vor. 5 von 100 Patientinnen hätten Störungen in der
Steroidsynthese gehabt, bei 3 von 100 Patientinnen sei eine Hyperprolaktinãmie diagnostiziert worden. Die Praxis in
C-Stadt liege außerhalb des Planungsbereichs.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 14.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2008
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Zweigpraxisgenehmigung für den Standort S-Str. in B-Stadt zu
erteilen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Unter Verweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid im Übrigen trägt sie ergänzend vor,
Versicherten seien Entfernungen von mehreren Kilometern bis zur nächsten Praxis zumutbar. Hier handele es sich
um Leistungen, die nicht üblicherweise ortsnah zu erbringen seien, weshalb Leistungsangebote in einem
angrenzenden Planungsbereich einbezogen werden könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den
Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit
der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben
worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.11.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.03.2008 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Genehmigung einer Zweigpraxis für den Standort S-Str. in B-Stadt.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
12.03.2008 ist rechtmäßig.
Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz). Der Vertragsarzt muss am
Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten. Er hat seine Wohnung so zu wählen, dass er für die zahnärztliche
Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht. Vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb
des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten sind zulässig, wenn und soweit 1. dies die Versorgung der Versicherten an
den weiteren Orten verbessert und 2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des
Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern die weiteren Orte im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung
liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Anspruch auf
vorherige Genehmigung durch seine Kassenärztliche Vereinigung (§ 24 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 u. 2 Ärzte-ZV i.d.F. d.
VÄndG).
Mit der Versorgungsverbesserung werden geringere Bedarfsanforderungen als nach § 15a BMV-Ä/§ 15a EKV-Ä a. F.,
nach dem die Genehmigung zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sein
musste, gestellt. Statt einer "Erforderlichkeit" reicht nunmehr eine "Verbesserung" aus. Damit scheiden auch
Sicherstellungsanforderungen i.S.d. § 116 SGB V aus. "Verbesserung" ist wenigstens in dem Sinne zu verstehen,
dass eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt ("Erforderlichkeit") geschlossen werden muss, die aber
nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung
verbesserte Versorgungssituation am Ort der Zweigpraxis herbeiführt (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA
701/06 – juris Rn. 55). Die Interessen anderer, bereits niedergelassener Vertragsärzte sind nicht zu berücksichtigen.
Sie sind nur mittelbar über die Prüfung der "Bedarfslücke" von Bedeutung, da eine Versorgungsverbesserung nur
eintreten kann, wenn die örtlichen Leistungserbringer das Leistungsangebot des Zweigpraxisbewerbers nicht oder
nicht im erwünschten Umfang erbringen können.
Ob eine Versorgungsverbesserung vorliegt, hängt ähnlich der weiteren Bedarfsdeckung durch eine Ermächtigung oder
Sonderbedarfszulassung von verschiedenen Faktoren ab (z. B. der Anzahl der Ärzte, dem Stand der
Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, von Art und Umfang der Nachfrage und von der räumlichen
Zuordnung aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander
weitgehend unbestimmt sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb bereits der nach altem Recht allein
zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren
Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BSG v. 20.12.1995 - 6 RKa 55/94 - juris Rn. 17 f. - BSGE 77, 188 = SozR 3-
2500 § 75 Nr. 7). Dies gilt auch für die nach § 24 Abs. 3 Satz 2 u. 3 Ärzte-ZV zuständigen Gremien. Im Fall einer
Unterversorgung dürfte eine Zweigpraxis regelmäßig zur Versorgungsverbesserung beitragen, es sei denn, dass
gerade am Sitz der Zweigpraxis eine ausreichende Versorgung besteht.
Es kann aber nicht darauf abgestellt werden, dass jede weitere Eröffnung einer Praxis bzw. Zweigpraxis das
Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert". Hätte der Gesetzgeber dies
unterstellt bzw. gewollt, so hätte er von weiteren Bedarfsgesichtspunkten abgesehen. Der Gesetzgeber hat es ferner
bei der Grundentscheidung für die Bedarfsplanung belassen, dass maßgebend die Versorgung im Planungsbereich ist.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, soweit es auf Entfernungen ankommt, den Versicherten jedenfalls Wege von
mehreren Kilometern zumutbar sind. In überversorgten großstädtischen Planungsbereichen ist von einer
ausreichenden Versorgung auszugehen. Auch in den Randbezirken einer Großstadt besteht eine hinreichende
Verdichtung und Verkehrsvernetzung, die das Aufsuchen eines Vertragsarztes in benachbarten Stadtteilen ermöglicht.
Es kann nicht auf die Anhaltszahlen nach den BedarfsplRL-Ä, die z.B. von Verhältniszahlen unter 2.000 Bewohnern
für einen Vertragsarztsitz im hausärztlichen Bereich ausgehen (vgl. Anlagen 4.1 bis 4.3 BedarfsplRL-Ä), abgestellt
werden, da diese Anhaltszahlen lediglich für die Bedarfsdeckung eines gesamten Planungsbereiches heranzuziehen
sind (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 701/06 – juris Rn. 55 f.).
Für die Beurteilung, welche Entfernungen für die Versicherten noch zumutbar sind, kann auf die Rechtsprechung zu
Ermächtigungen – bei überversorgten Planungsbereichen insb. zu einem sog. qualitativ-speziellen Bedarf - und
Sonderbedarfszulassungen zurückgegriffen werden. Je spezieller das Leistungsangebot ist, desto größere
Entfernungen sind den Versicherten zumutbar; bei normalerweise ortsnaher Leistungserbringung ist von geringeren
Entfernungen auszugehen. So begründen nach Auffassung des BSG für Leistungen, die üblicherweise ortsnah
erbracht werden, wie dies bei MRT-Leistungen der Fall sei, seitdem diese zum Standard radiologischer Diagnostik
gehörten, Entfernungen von im konkreten Fall mehr als 25 km zu anderen Standorten benachbarter Planungsbereiche
einen Ermächtigungsbedarf (vgl. BSG v. BSG v. 19.07.2006 - B 6 KA 14/05 R – juris Rn. 19 - GesR 2007, 71 = MedR
2007, 127). Allerdings liegt gerade in der ortsnäheren Leistungserbringung spezieller Leistungen eine Verbesserung
der Versorgung. Liegen die Voraussetzungen für eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung vor, so dient die
Zweigpraxis immer einer Verbesserung der Versorgung. Im Umkehrschluss kann aber die Genehmigung nicht versagt
werden, da die Anspruchsvoraussetzungen geringer sind.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht von einer Versorgungsverbesserung in B Stadt durch die Zweigpraxis
des Klägers auszugehen.
Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass im Planungsbereich B-Stadt mehrere Behandler für die Leistungen, die
in der Zweigpraxis erbracht werden sollen, zur Verfügung stehen. Der Kläger macht letztlich geltend, dass die Wege
für die Patienten, die er aus dem Raum B-Stadt behandele, für diese Patienten verkürzt würden. Insoweit obliegt es
den Patienten selbst, ob Sie die Ärzte in B-Stadt oder in A-Stadt aufsuchen. Hieraus kann sich keine
Versorgungsverbesserung und ein Anspruch auf Genehmigung auf eine Zweigpraxis ableiten. Insoweit verweist die
Kammer auf ihr Urteil vom 21.05.2008 – S 12 KA 466/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, wonach eine
Versorgungsverbesserung nicht darin liegt, dass Patienten, die am Praxissitz ambulant operiert werden, die Wege zur
Voruntersuchung und Nachsorge erleichtert werden durch eine Zweigpraxis. Auch liege eine Versorgungsverbesserung
jedenfalls solange nicht vor, wie eine Ermächtigung auch für die Leistung bestehe, die in einer Zweigpraxis erbracht
werden sollen.
Bezüglich der Ermächtigung hat die Beklagte auf den eingeschränkten Umfang der Ermächtigung hingewiesen, der
sich offensichtlich nicht mit den Leistungen überschneidet, die die Klägerin am Ort der Zweigpraxis erbringen will.
Zudem ist die Ermächtigung des betreffenden Arztes ausgelaufen und gilt die weitere, bis 30.09.2010 befristete
Ermächtigung nicht mehr für Sterilitätsbehandlungen. Von daher bestehen keinerlei Überschneidungen des
Leistungsumfangs der Ermächtigung mit den Leistungen, die in der Zweigpraxis erbracht werden sollen. Insofern hält
die Kammer an ihrer weiteren Rechtsprechung fest, wonach ein Versicherter grundsätzlich keinen Anspruch auf
mehrere Behandler hat. Die Freiheit der Arztwahl ist auf die zugelassenen Behandler beschränkt (§ 76 Abs. 1 Satz 1
SGB V). Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat
der Versicherte die Mehrkosten zu tragen (§ 76 Abs. 2 SGB V). Allein in der erhöhten Wahlfreiheit der Versicherten,
ortsnah zwischen mehreren Behandlern auswählen zu wollen, besteht noch keine Verbesserung der Versorgung (vgl.
Urteil v. 26.11.2008 - S 12 KA 13/08 -).
Die Beklagte hat ferner zutreffend auf die notwendige Kooperation mit Endokrinologen im Rahmen der Richtlinien zur
künstlichen Befruchtung hingewiesen. Insbesondere handelte es sich insoweit um ein ärztliches Gebot der
Kooperation beziehungsweise der eventuellen notwendigen Überweisung an einen entsprechenden Facharzt, was
aufgrund ärztlichen Standards gilt und nicht durch Gründung einer Zweigpraxis erst ermöglicht werden kann. Der
insoweit fachkundig mit zwei Ärzten besetzten Kammer konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht
nachvollziehbar dargelegt werden, warum es gerade auf eine auch räumlich eng zusammenhängende Zusammenarbeit
ankommen sollte. Klägerseits wurde in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass der entsprechende
Endokrinologe in A-Stadt etwa 400 m vom Hauptsitz der Praxis sitze, also ein unmittelbarer räumlicher
Zusammenhang ebf. nicht gegeben sei.
Von daher war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.
Die Sprungrevision war nach §§ 160 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Nach der Änderung der
Genehmigungsvoraussetzungen durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz werden die Voraussetzungen für die
Genehmigung einer in der Instanzgerichtsbarkeit und Literatur z. T. recht unterschiedlich ausgelegt.