Urteil des SozG Marburg vom 13.12.2006

SozG Marburg: zahnärztliche behandlung, missverhältnis, versorgung, zahnheilkunde, rka, abrechnung, kostenvergleich, zusammensetzung, anteil, krankenversicherung

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 13.12.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 842/06
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerin hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die
Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des
Gesamtfallwertes in den sechs Quartalen II/01 bis IV/02 mit Ausnahme des Quartals I/02 in Höhe von insgesamt
16.816,32 Euro.
Die Klägerin ist seit Oktober 1998 als Zahnärztin zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt
zugelassen.
In den streitbefangenen Quartalen ergaben sich folgende Abrechnungswerte der Klägerin (in nachfolgender Tabelle
abgekürzt als VZA) im Vergleich mit den Abrechnungswerten der hessischen Vertragszahnärzte (VG):
Quartal Fallzahl Pkte. pro Fall Mehrkosten pro Fall in Pkte. In % II/2001 VZA- 300 124 49 65 VG- 465 75 III/2001
VZA- 252 110 33 43 VG- 452 77 IV/2001 VZA- 262 124 53 74,6 VG- 538 71 II/2002 VZA- 301 123 46 59,7 VG- 475 77
III/2002 VZA- 287 115 38 49,4 VG- 457 77 IV/2002 VZA- 284 100 30 42,9 VG- 544 70
Nach einem jeweiligen Auswahlverfahren für die streitbefangenen Quartale führte der Prüfungsausschuss IV der
Zahnärzte und Krankenkassen - Hessen - eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der streitbefangenen Quartale durch. Der
Prüfungsausschuss lud die Klägerin zu einer Prüfsitzung am 19.03.2002 und 10.07.2003, an der sie jeweils teilnahm.
Mit Bescheid vom 19.03.2002 setzte der Prüfungsausschuss für die streitbefangenen Quartale II und III/01 eine
Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 5.273,56 EUR (10.314,18 DM) fest. Er kürzte den Gesamtfallwert auf das
1,4-fache des Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe. Im Einzelnen nahm er folgende Honorarreduzierungen vor:
II/01 PK-Bereich um 5.460,67 DM EK-Bereich um 4.013,15 DM
III/01 PK-Bereich um 448,51 DM EK-Bereich um 391,85 DM
Hiergegen legte die Klägerin am 03.05.2002 und die Beigeladenen zu 2) bis 8) am 28.05.2005 Widerspruch ein.
Letztere trugen vor, vor dem Hintergrund in der Sitzung des Prüfungsausschusses getroffener diverser Feststellungen
sei das Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit in einem höheren Umfang zu vermuten. Die Klägerin führte zur Begründung
ihres Widerspruchs aus, die Ursache der Wirtschaftlichkeitsprüfung liege in ihrer hohen Spezialisierung. Sie behandele
vor allem Angstpatienten, die auf ausdrückliche Empfehlung verschiedener Krankenkassen die Praxis aufsuchten. Die
Praxis sei extrem hochfrequentiert und es seien alle Behandlungstermine über viele Monate hinweg vergeben.
Mit Bescheid vom 10.07.2003 setzte der Prüfungsausschuss für die übrigen streitbefangenen Quartale (Quartale
IV/01 und II bis IV/02, wobei er irrtümlich im Prüfbescheid einleitend statt des Quartals IV/01 das Quartal II/01 als
Prüfquartal angab) eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 623,29 EUR fest. Er nahm in zehn Behandlungsfällen
Umwandlungen bzw. Absetzungen vor.
Hiergegen legten die Beigeladenen zu 2) bis 8) am 27.11.2003 Widerspruch ein. Sie trugen vor, sie vermuteten eine
weitaus höhere Unwirtschaftlichkeit
Der Beklagte führte eine weitere Prüfsitzung am 18.01.2006 durch, an der die Klägerin wiederum teilnahm.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2006 bzgl. der Quartale II und III/01, ausgefertigt am 14.06. und der Klägerin
am 16.06.2006 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch der Beigeladenen zu 2) bis 8) zurück, da eine unter
dem Kürzungsmodus des Prüfungsausschusses liegende Toleranzgrenze nicht angenommen werde, und gab dem
Widerspruch der Klägerin insofern statt, als er den Berichtigungsbetrag aufgrund des HVM-Einbehalts für das Jahr
2001 auf 5.216,37 EUR reduzierte. Zur Begründung führte er aus, er habe einen statistischen Kostenvergleich
vorgenommen. Die Grenze zur unwirtschaftlichen Behandlungsweise sehe man im Bereich des Gesamtfallwertes bei
einer Überschreitung von 40 %. Die Abrechnungswerte der Klägerin legten daher eine unwirtschaftliche
Behandlungsweise nahe. Eine Belegfallüberprüfung habe ergeben, dass die Klägerin ihrer Dokumentationspflicht nicht
in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Insbesondere bei der Röntgentätigkeit, im Füllungssektor, den
Leistungen nach Nrn. 25 (Cp) und 26 (P) sowie bei dem Wurzelbehandlungskomplex hätten sich
Unwirtschaftlichkeiten ebenso wie bei der Belegfallprüfung gezeigt. Man habe ferner die Abrechnung mit Blickrichtung
auf die gegenüber der Vergleichsgruppe geringere Fallzahl und des daraus sich möglicherweise ergebenden erhöhten
Zeitpotenzials für die Versorgung der Patienten beleuchtet. Zu berücksichtigen sei, dass jede zahnärztliche Praxis
darauf ausgerichtet sei, eine zügige Therapie durchzuführen. Generell könne das hiermit verbundene Argument einer
schnellen Durchsanierung auch nur dann Bedeutung erlangen, sofern ein erhöhter Sanierungsbedarf zu verzeichnen
sei. Ein dahingehend großes Ausmaß habe nicht festgestellt werden können. Aufgrund der flächendeckenden
Zahnarztversorgung stelle A-Stadt kein zahnärztlich unterversorgtes Gebiet dar. Insbesondere habe das angeführte
Klientel (70 % Angstpatienten) keine besondere Berücksichtigung finden können, da sich die Abrechnung bei
Phobiepatienten nicht in den entsprechenden Abrechnungsziffern niedergeschlagen habe. Im Ergebnis hätten
kompensatorische Einsparungen nicht festgestellt werden können. Leistungen im Zahnersatzbereich erfolgten
indikationsbezogen; die Zahnerhaltung gehöre seit Jahren zum zahnmedizinischen Standard. Der Beklagte hat dies im
Einzelnen ausgeführt. Insoweit wird auf Bl. 5 bis 9 des Widerspruchbescheides Bezug genommen. Es verbleibe
daher, so der Beklagte weiter, abgesehen von der Reduzierung, bei der Honorarkürzung des Prüfungsausschusses.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 18.01.2006 bzgl. der Quartale IV/01 und II bis IV/02, ausgefertigt am 14.06.
und der Klägerin am 16.06.2006 zugestellt, gab der Beklagte dem Widerspruch der Beigeladenen zu 2) bis 8) statt und
setzte die Honorarberichtigung auf 11.660,57 EUR und unter Berichtigungsbetrag aufgrund des HVM-Einbehalts für
das Jahr 2001 auf 11.599,95 EUR fest. Im Ergebnis kürzte er den Gesamtfallwert auf das 1,4-fache des
Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe mit inhaltlich weitgehend gleicher Begründung wie zu den Vorquartalen. Im
Einzelnen wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Gegen beide Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 13.07.2006 die Klage unter den Aktenzeichen S 12 KA
842/06 und S 12 KA 841/06 erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 13.12.2006 beide Verfahren zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Zur Begründung ihrer Klagen trägt die Klägerin mit Schriftsätzen ihres Prozessbevollmächtigten unter Datum vom
04.12.2006 vor, die angefochtenen Bescheide seien nicht ausreichend begründet. Der Prüfungsausschuss komme zu
anderen Ergebnissen, ohne dass sich der Beklagte damit auseinandersetze. Es fehle an einer Ermessensausübung,
da es sich bei dem 1,4-fachen Wert um eine starre Grenze handele. Zum Beweis ihrer wirtschaftlichen
Behandlungsweise lege sie ein Gutachten des Deutschen Instituts für psychosomatische Zahnmedizin, Psychologie
in der Zahnheilkunde und zahnärztliche Psychotherapie vor. Das Gutachten komme zum Ergebnis, dass die
Behandlung von zahnärztlichen Angstpatienten in ihrer Praxis als Praxisbesonderheit zu werten sei. Das Gutachten
stelle das Krankheitsbild der Oralphobie vor. Angstpatienten, die bei ihr etwa 70 % der Patienten ausmachten, wiesen
etwa die doppelte Kariesinzidenz mit den 2 bis 3-fachen Kosten gegenüber den Normalpatienten auf. Sie könne daher
nicht mit der Gruppe aller hessischen Zahnärzte verglichen werden. Die erhöhten Kosten der Angstpatienten erklärten
die Fallwertüberschreitungen. Ihre Praxisbesonderheit zeige sich auch in der konkreten Abrechnung bei den
Füllungspositionen (Nr. 13a bis 13c) und den Nr. 25, 26 und 28 sowie den Wurzelbehandlungen und Anästhesien. Es
treffe nicht zu, dass jede zahnärztliche Praxis auf eine zügige Therapie ausgerichtet sei. Die Angstpatienten müssten
möglichst in einer Sitzung behandelt werden. Der Prüfungsausschuss habe noch Sanierungsfälle mit einem hohen
Kostenaufwand festgestellt. Er habe auch noch den hohen Anteil an Phobiepatienten und die von ihr geschilderte
Hypnosebehandlung als Praxisbesonderheit, die den ausgewiesenen Mehraufwand rechtfertige, anerkannt.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der beiden Widerspruchsbescheide vom 18.01.2006 den Beklagten zu
verpflichten, ihren Widerspruch vom 03.05.2002 gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 19.03.2002 und
die Widersprüche der Beigeladenen zu 2) bis 8) vom 27.11.2003 gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom
10.07.2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 2) bis 8) beantragen übereinstimmend, die Klagen abzuweisen.
Der Beklagte hat sich schriftsätzlich nicht mehr geäußert und ist in der mündlichen Verhandlung der Klage entgegen
getreten.
Die Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
Mit Beschluss vom 17.07.2006 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragszahnärzte und
einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine
Angelegenheit des Vertragszahnarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie konnte dies
trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 1) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und hierauf
hingewiesen worden ist.
Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Die angefochtenen Widerspruchsbescheide vom 18.01.2006 sind rechtmäßig
und waren daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Widerspruchs gegen
den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 19.03.2002 sowie der Widersprüche der Beigeladenen zu 2) bis 8) vom
27.11.2003 gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 10.07.2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts. Die Klagen waren daher insgesamt abzuweisen.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt
- Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen
Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des
Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich
sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12
Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.
Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
SGB V in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) bzw. für die Quartale ab
II/02 in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2001 (BGBl I 3773).
Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter
Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen
ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen
seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben
Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte
berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die
Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei
Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht,
d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur
oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der
Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004,
13, zitiert nach juris, Rdnr. 17 m. w. N.).
Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein
verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1995 - Az: 6 RKa 37/93, BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106.
Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt
zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum
sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen
Missverhältnis hat das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter
bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen
Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem
Hintergrund hat das BSG es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise
dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom
06.09.2000 - Az: B 6 KA 24/99 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit
engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe
um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500
§ 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen
größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu
vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des
Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, aaO., juris
Rdnr. 23).
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei den Zahnärzten um eine inhomogene Arztgruppe handeln
könnte und deshalb Veranlassung bestünde, der Verwaltung eine Sachaufklärung in dieser Richtung aufzugeben.
Berücksichtigt man, dass es auch in der Zahnheilkunde und den angrenzenden ärztlichen Bereichen besondere
Fach(zahn)ärzte für Spezialgebiete gibt, die besondere Fachgruppen bilden (Fachzahnärzte für Kieferorthopädie,
Gebietsärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie), und ein großer Teil der zahnärztlichen Leistungen aus der
(nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen ist, so bleiben im Wesentlichen lediglich die in Teil 1
des Bema aufgeführten "konservierenden und chirurgischen Leistungen und Röntgenleistungen" als
Prüfungsgegenstand übrig. Da ferner in der Zahnheilkunde generell die Erhaltung der Zähne vorrangiges
Behandlungsziel ist, kann angenommen werden, dass die allgemeinen Zahnarztpraxen in etwa einen gleichen
Behandlungsbedarf zu befriedigen haben (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, SozR 2200 § 368n Nr.
48 = BSGE 62, 24 = SGb 1988, 549 = USK 87212, juris Rdnr. 20).
Ein statistischer Kostenvergleich kann dann nicht durchgeführt werden, wenn die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so
gering ist, als sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr
aussagekräftig ist. Die Prüfung nach Durchschnittswerten geht von der Grundannahme aus, dass es die Ärzte der
Vergleichsgruppe unter Einbeziehung des geprüften Arztes im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun
haben und deshalb im Durchschnitt aller Fälle in etwa die gleichen Behandlungskosten benötigen. Diese Annahme ist
aber nur gerechtfertigt, wenn für den Vergleich einerseits eine hinreichend große Anzahl vergleichbarer Ärzte und
andererseits bei dem zu prüfenden Arzt eine hinreichende Zahl von Behandlungsfällen zur Verfügung stehen Zwar ist
es statistisch genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, dass der zu prüfende Arzt mit geringer Fallzahl dieselbe
Patientenstruktur aufweist wie die Ärzte seiner Vergleichsgruppe, so dass die Relation von behandlungsintensiven
und weniger aufwändigen Behandlungsfällen in kleinen Praxen nicht notwendig anders sein muss als bei großen. Eine
in Relation zur Vergleichsgruppe besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes kann aber zur Folge haben,
dass einzelne schwere, besonders aufwändige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional
in die Höhe treiben Deshalb ist zu verlangen, dass der mit einer sehr geringen Fallzahl einhergehenden Vergröberung
des Aussagewerts der statistischen Vergleichsprüfung durch die Einführung einer Mindestquote der in die Prüfung
einzubeziehenden Fälle zu begegnen ist. Dabei ist an ein objektives Kriterium, nämlich die durchschnittliche Fallzahl
der Vergleichsgruppe anzuknüpfen. Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Behandlungsfälle einer
einzelnen Krankenkasse ist daher nur mit der Einschränkung zugelassen worden, dass diese mindestens 20 v. H. der
Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ausmachen. Die Mindestquote von 20 % der Durchschnittsfallzahl der
Vergleichsgruppe ist nicht nur bei der auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Kasse beschränkten Prüfung zu
beachten, sondern muss auch dann erreicht sein, wenn die Zahl der insgesamt vom zu prüfenden Arzt behandelten
Patienten besonders niedrig ist. Soweit seit 1995 die Wirtschaftlichkeit der (nunmehr einheitlichen) vertragsärztlichen
Versorgung für den (früheren) RVO-Kassen- und den Ersatzkassenbereich einheitlich geprüft wird, hat dies zur Folge,
dass die in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehenden Behandlungsfälle nunmehr das gesamte Spektrum der
vertragsärztlichen Tätigkeit des zu prüfenden Arztes abdecken und nicht mehr - wie zuvor - jeweils nur einen
Teilbereich. Dies spricht dafür, die absoluten Fallzahlenuntergrenzen bei einer die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit
erfassenden Prüfung höher anzusetzen, als das bisher in besonderen Konstellationen für den einen oder anderen
Kassenbereich für zulässig gehalten worden ist. Gegen eine starre Grenzziehung etwa bei 100 Fällen spricht, dass
dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei kleineren Arztpraxen aus solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahlen
unter 500 liegen, häufig nicht als statische Vergleichsprüfung durchgeführt werden könnte. Angesichts der ständig
verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des
Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen
oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre
Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 09.09.1998 - Az: B 6 KA 50/97 R, SozR 3-
2500 § 106 Nr. 45 = NZS 1999, 310 = Breith 1999, 664 = USK 98174, juris Rdnr. 15 bis 19).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Der Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Durch die Ladung zur mündlichen Verhandlung des Beklagten, an der die Klägerin teilgenommen hat, hat eine
ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X).
Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Im Hinblick auf das Vorliegen eines sog. offensichtlichen
Missverhältnisses und eines statistischen Kostenvergleichs war er nicht gehalten, zu Ausführungen zu Einzelfällen
Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Im Widerspruchsbescheid
bezüglich der Quartale II und III/01 hat der Beklagte sich auf über drei engzeilig beschriebenen Seiten mit der
Behandlungsweise unter den Überschriften Dokumentation, Röntgentätigkeit, Füllungssektor, Leistungen nach Nrn. 25
(Cp) und 26 (P), Wurzelbehandlungskomplex und Leistungen nach Nr. 105 (Mu) und 107 (ZSt) auseinandergesetzt. Im
Hinblick auf die Erklärung der Klägerin, ein anderes Abrechnungsbild werde sich auch für die anderen Prüfquartale
nicht ergeben, konnte der Beklagte auch im Widerspruchsbescheid für die übrigen Quartale von einer entsprechend
detaillierten Begründung absehen. Insgesamt hat sich der Beklagte mit der Abrechnungs- und Behandlungsweise der
Klägerin umfangreich auseinandergesetzt. Eines expliziten Aufgreifens der Ausführungen im Bescheid des
Prüfungsausschusses vom 10.07.2003 zu schweren Sanierungsfällen bedurfte es darüber hinaus aus rechtlicher Sicht
nicht, auch wenn dies sinnvoll gewesen wäre. Soweit der Prüfungsausschuss den Mehraufwand für gerechtfertigt hält,
gibt er hierfür keine nachvollziehbare Begründung. Von daher sind die Widerspruchsbescheide ausreichend begründet.
Der Beklagte hat auch die Absetzungsfrist für den Bescheid von fünf Monaten eingehalten.
Der angefochtene Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat den Kläger mit den Abrechnungswerten aller hessischen Vertragszahnärzte verglichen. Dies war
nicht zu beanstanden, da die Klägerin ebenfalls als Vertragszahnärztin zugelassen und als solche tätig ist. Für die
Kammer war nicht nachgewiesen, dass die Klägerin eine solche Praxisstruktur aufweisen würde, die einen Vergleich
nicht mehr zuließe. Die mit einer Zahnärztin besetzte Kammer geht davon aus, dass sog. Angstpatienten nicht von
vornherein kostenaufwändiger zu behandeln sind und in jeder zahnärztlichen Praxis und damit auch in der
Vergleichsgruppe zu finden sind. Im Übrigen fehlt es an einem Nachweis, dass diese Patientengruppe tatsächlich in
signifikant größerem Umfang von der Klägerin behandelt wird. Das Gutachten des Deutschen Instituts für
psychosomatische Zahnmedizin, Psychologie in der Zahnheilkunde und zahnärztliche Psychotherapie ist insoweit
kein geeigneter Nachweis. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Klägerin mit einer Spezialisierung für sog.
Angstpatienten wirbt, folgt hieraus weder eine Praxisbesonderheit noch die Unzulässigkeit eines Vergleichs mit der
Vergleichsgruppe. Maßgebend ist nicht die Qualifikation des Behandlers, sondern die Zusammensetzung der
Patientenschaft. Die Kammer vermochte zunächst keine eindeutigen Kriterien zur Abgrenzung dieser Patientengruppe
zu erkennen. Der von der Klägerin herangezogene Gutachter beschränkt sich weitgehend auf allgemeine
Ausführungen. Soweit er eine Korrelation mit der Angsterkrankung und der Anzahl kariöser Zähne feststellt, werden
die methodischen Grundlagen hierfür nur unzureichend dargelegt bzw. ist ein Vergleich mit seiner eigenen Praxis
unzureichend, abgesehen davon, dass die Ausführungen einer Nachprüfbarkeit entzogen sind. Nicht nachvollziehbar
war für die Kammer eine Verbindung von Arbeitslosenquote/Bildung bzw. Anfahrtswege und Zahngesundheit. Die
Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, inwiefern die Zusammensetzung ihrer Patientenschaft maßgeblich von der
der Vergleichsgruppe abweicht.
Soweit der Beklage Honorarberichtigungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise vorgenommen hat, war nicht
zu beanstanden, dass er vom Vorliegen eines sog. offensichtlichen Missverhältnisses bei einer Überschreitung des
Gesamtfallwertes von 40 % ausging. Dies steht im Einklang mit der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG.
Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Praxis der Klägerin trotz geringerer Fallzahl mit der
Vergleichsgruppe statistisch verglichen werden kann, da ihre Praxis in allen streitbefangenen Quartalen für die
Durchführung einer statistischen Vergleichsprüfung hinreichend groß war.
Geringere Fallzahlen ermöglichen auch nicht ein "Durchsanieren" im Sinne einer Praxisbesonderheit. Eine
Praxisbesonderheit liegt nur vor, wenn ein Patientengut zu behandeln ist, das einen im Vergleich zu den übrigen
hessischen Zahnärzten wesentlich erhöhten Behandlungsbedarf hätte, wobei weiter zu unterstellen ist, dass es einer
Praxis mit geringer Fallzahl möglich ist, diese Patienten sogleich, meist in einem Quartal zu behandeln. Nach
Auffassung der fachkundig besetzten Kammer führt ein sog. "Durchsanieren" grundsätzlich nicht zu erhöhten
Abrechnungswerten, da maßgeblich für den Umfang der notwendigen Behandlung ausschließlich der Befund bei den
Patienten ist. Ein erhöhter Fallwert kann daher nur notwendig werden, wenn insgesamt die Patientenstruktur einer
Praxis Patienten aufweist, die einer wesentlich umfangreicheren Behandlung als die Patienten der Vergleichsgruppe
bedürfen, was, wie bereits ausgeführt, für die Praxis der Klägerin nicht nachgewiesen ist. Der Kammer war nicht
nachvollziehbar, weshalb gerade in der Praxis der Klägerin ein erhöhter Anteil sog. "sanierungsbedürftiger" Patienten
hätte vorhanden gewesen sein sollen. Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass jede zahnärztliche Praxis auf
eine zügige Therapie ausgerichtet ist. Die fachkundig mit einer Zahnärztin besetzte Kammer teilt auch nicht die
Auffassung der Klägerin, dass Angstpatienten möglichst in einer Sitzung behandelt werden müssten. Es ist
insbesondere im Sinne einer Nachhaltigkeit der Behandlung sinnvoll, die Patienten an eine zahnärztliche Behandlung
heranzuführen, abgesehen von einer vorrangigen Schmerzbehandlung.
Der Beklagte hat auch hinreichend sein Ermessen ausgeübt. Soweit ein offensichtliches Missverhältnis vorliegt,
Praxisbesonderheiten sowie kompensatorische Ersparnisse zu verneinen sind und andere Besonderheiten nicht
vorliegen, besteht für weitergehende Ermessensüberlegungen kein Anlass.
Nach allem waren die angefochtenen Widerspruchsbescheide nicht zu beanstanden und die Klage insgesamt
abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende
Teil trägt die Kosten des Verfahrens.