Urteil des SozG Marburg vom 19.01.2006

SozG Marburg: verwaltungskosten, satzung, beitrag, hessen, folgekosten, erfüllung, versorgung, belastung, kostendeckungsprinzip, sicherstellung

Sozialgericht Marburg
Gerichtsbescheid vom 19.01.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 3/05
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die Gerichtskosten.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Verwaltungskosten in den Quartalen III und IV/03.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis, bestehend aus drei zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen
Fachärzten für Allgemeinmedizin, mit Praxissitz in A.
Mit Bescheid vom 12.03.2004 setzte die Beklagte das Bruttohonorar der Klägerin für das Quartal III/03 auf 61.947,41
Euro fest. Als Verwaltungskostenanteil für die Verwaltungskosten der Bezirksstelle setze sie 1.069,29 Euro (1,6287
% (1,7287 % abzüglich 0,1 % Verwaltungskostennachlass)) fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 05.05.2004 Widerspruch ein. Sie trug vor, die von 2002 auf 2003 im Vergleich zu
anderen Bezirksstellen überdurchschnittliche Steigerung des Verwaltungskostensatzes um 0,3 % sei nicht
nachvollziehbar. Es sei davon auszugehen, dass hier die Folgekosten eines vermutlichen Betrugsfalles und weiterer
Versäumnisse im Bereich der Notdienstbuchhaltung mit in die Verwaltungskosten der Bezirksstelle eingeflossen
seien. Diese Kosten habe jedoch die Körperschaft in Gestalt der KV Hessen als Ganzes zu vertreten
Mit Bescheid vom 05.09.2004 setzte die Beklagte das Bruttohonorar der Klägerin für das Quartal IV/03 auf 66.178,85
Euro fest. Als Verwaltungskostenanteil für die Verwaltungskosten der Bezirksstelle setze sie 1.276,70 Euro (1,8287
% (1,9287 % abzüglich 0,1 % Verwaltungskostennachlass)) fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 08.09.2004 Widerspruch mit gleich lautender Begründung ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2004, der Klägerin zugestellt am 10.12., wies die Beklagte die Widersprüche
zurück. Zur Begründung führte sie aus, sie sei zur Erhebung von Verwaltungskosten berechtigt, auch zu anteiligen
Verwaltungskosten für ihre Bezirksstellen. Entsprechend den jeweiligen Aufwendungen könnten unterschiedliche
Verwaltungskostenumlagen angesetzt werden. Die Abgeordnetenversammlung habe für das Haushaltsjahr 2003
(Quartale IV/02 bis III/03) die angesetzten Umlagen in der Sitzung am 30.11.2002 genehmigt, für das Quartal IV/03 in
der Sitzung am 29.11.2003. Die Ansätze seien veröffentlicht worden. Die Aufsichtsbehörde habe dies nicht
beanstandet. Im Übrigen habe ein Vertragsarzt keinen Anspruch darauf, eigenständig eine gerichtliche Überprüfung
der Verwaltungsausgaben durchzusetzen.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.01.2005 über das SG Frankfurt a. M. die Klage erhoben. Das SG Frankfurt a. M. hat
mit Beschluss vom 31.01.2005, Az.: S 2 AR 02/05 die Klage an das SG Marburg verwiesen.
Die Klägerin trägt ergänzend vor, ein unzureichend beaufsichtigter Buchhalter der Bezirksstelle habe ca. 440.000 DM
unterschlagen. Der langjährige Geschäftsführer sei in den "Vorruhestand" verabschiede worden, was den Haushalt
weiter belaste. Die Kosten im Zusammenhang mit den Schäden seien dem Verwaltungshaushalt der Bezirksstelle
zugewiesen worden, was zu dem sprunghaften Anstieg der Verwaltungskosten geführt habe. Hierfür habe die
Gesamtkörperschaft einzustehen. Von dem Gesamtfehlbetrag der Bezirksstele in Höhe von 4.850.000 Euro sei die
Schadenssumme in Höhe von 637.054,69 Euro abzuziehen. Der bereinigte Fehlbetrag in Höhe von 4.212.945 Euro
bedeute bei ihrem Gesamthonorarumsatz von 297.000 Euro einen Verwaltungskostensatz von 1,4185 % für das
Quartal III/03 und von 1,6185 % für das Quartal IV/03. Dies führe zu den Verwaltungskostenanteilen von 816,92 Euro
bzw. 1.004,97 Euro.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 12.03.2004 und den Bescheid vom 05.09.2004 beide in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 07.12.2004 bezüglich der Festsetzung der Verwaltungskostenanteile für die
Bezirksstelle D. aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts hinsichtlich der Verwaltungskostenanteile neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Verwaltungskosten seien
jeweils entsprechend den Haushaltsvorschlägen erhoben worden. Einen Überprüfungsanspruch hätte die Klägerin
nicht.
Die Kammer hat mit den Beteiligten am 18.01.2006 einen Erörterungstermin abgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand des Erörterungstermins gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine
besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten
vorher gehört wurden (§ 105 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 12.03.2004 und der Bescheid vom 05.09.2004, beide in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2004 sind bezüglich des angefochtenen Teils rechtmäßig und waren daher
nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, hinsichtlich der Festsetzung des
Verwaltungskostenanteils für die Bezirksstelle D. in den Quartalen III/04 und IV/04 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu beschieden zu werden.
Als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Verwaltungskostenbeiträgen bedarf es einer entsprechenden
Satzungsbestimmung, wie sich aus § 81 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 SGB V ergibt. Hiernach müssen die Satzungen der
Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthalten, die zur Erfüllung
ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der
abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, reicht es aus, wenn die Satzung die grundlegenden
Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthält. Eine Satzungsvorschrift auch für den Betrag der
Kostenumlage ist nicht erforderlich. Dies kann die Vertreterversammlung vielmehr in anderer Weise normativ regeln.
Diesen Anforderungen wird im vorliegenden Fall durch § 24 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten entsprochen.
Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 der Satzung erhebt die Beklagte zur Durchführung ihrer Aufgaben Beiträge, die in einem
Hundertsatz der abgerechneten Vergütungen bestehen. Dabei hat das BSG die Ansicht des LSG Hessen, die
Vertreterversammlung habe mit dem Beschluss über den Haushaltsplan zugleich die - ihr gemäß § 7 Abs. 1 Buchst g
der Satzung vorbehaltene - Entscheidung über die Höhe der Verwaltungskosten treffen können und getroffen, als eine
Auslegung im Bereich des Landesrechts angesehen, die einen Verstoß gegen Bundesrecht nicht erkennen lasse (vgl.
BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004, Az: B 6 KA 44/03 R - SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50 = GesR 2005, 307
= MedR 2005, 538 = Breith 2005, 817, zitiert nach juris Rdnr. 102 f.).
Auch der konkrete Betrag bzw. Prozentsatz, auf den die Beklagte die Verwaltungsumlage festlegte, ist rechtlich nicht
zu beanstanden.
Die Obergrenze zulässiger Belastung ergibt sich entsprechend allgemeinen Grundsätzen des Beitragsrechts aus dem
Kostendeckungsprinzip. D. h., dass eine KÄV von ihren Mitgliedern Finanzmittel nur insoweit fordern darf, als sie
diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt Die KÄV hat die hiernach umlegbaren Kosten - ihre eigenen
Aufwendungen, vor allem die Kosten der Verwaltung und die Aufwendungen für Maßnahmen zur Sicherstellung der
vertragsärztlichen Versorgung - grundsätzlich nach einem einheitlichen Maßstab auf alle Vertragsärzte umzulegen.
Dabei bedarf es keiner genauen Bemessung des beitragsrechtlichen Vorteils. Ausreichend sind insoweit Schätzungen
und Vermutungen sowie vergröberte Pauschalierungen. Die Höhe der Beiträge darf gemäß dem Äquivalenzprinzip
lediglich nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil bzw. der Vorteilsmöglichkeit stehen, den bzw. die sie abgelten sollen.
Die Beiträge dürfen die Beitragspflichtigen nur insoweit unterschiedlich belasten, als dies dem verschiedenen Maß an
Vorteilen bzw. Vorteilsmöglichkeiten entspricht. Dementsprechend setzt die Erhebung besonderer Abgaben nur von
einem Teil der Mitglieder voraus, dass den dazu herangezogenen Mitgliedern aus der Inanspruchnahme von
Leistungen oder Einrichtungen der KÄV besondere Vorteile erwachsen. Zudem kann entsprechend dem
Solidargedanken eine Abstufung der Belastung nach Leistungsfähigkeit. Die Erhebung unterschiedlich hoher Beiträge
in den einzelnen Bezirken der KÄV ist zulässig. Zwar hat die KÄV die allgemeinen Verwaltungs- und
Sicherstellungskosten grundsätzlich nach einem einheitlichen Maßstab auf alle Vertragsärzte umzulegen. Das hindert
sie aber nicht, besondere Kosten einzelner Bezirksstellen nur innerhalb deren Zuständigkeitsbereichs umzulegen,
jedenfalls dann, wenn dem besondere Vorteile für die dort tätigen Vertragsärzte entsprechen oder durch die dortigen
Vertragsärzte mehr Aufwand verursacht wird. Dies kann sich z. B. daraus ergeben, dass den Vertragsärzten mehr
Beratungsmöglichkeiten angeboten werden, wofür mehr oder höher qualifiziertes Personal tätig ist, oder dass wegen
signifikant häufigerer Rechtsbehelfe mehr Personal erforderlich ist. Bei Fehlverwendungen kann grundsätzlich nur
deren Unterlassung beansprucht, nicht aber der Beitrag oder ein Beitragsteil zurückbehalten werden. Die
Zurückbehaltung des Beitrags oder eines Teils davon kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn die seiner Bemessung
zu Grunde liegenden Bestimmungen rechtswidrig ist. Die Zuerkennung eines Beitragszurückbehaltungsrechts kann
allenfalls erwogen werden, wenn ein Beitrag insgesamt oder zu einem bestimmten Teil eng an die Finanzierung eines
konkreten - als rechtswidrig angesehenen - Zwecks gebunden ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004, Az: B 6
KA 44/03 R – aaO., Rdnr. 105 bis 109).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Beklagte zutreffend die strittigen Verwaltungskostenanteile festgesetzt. Die
Beklagte war im Rahmen ihrer Satzungsbefugnisse berechtigt, in den Bezirksstellen unterschiedliche
Verwaltungskostenanteile festzusetzen. Sie war nicht verpflichtet, Defizite der Bezirksstelle, auch soweit sie nach
dem Vortrag aufgrund des Fehlverhaltens einzelner Bediensteter entstanden sein sollten, auf die Gesamtheit aller
Mitglieder umzulegen. Es handelt sich um Aufwendungen für die Verwaltungstätigkeit der Bezirksstelle bzw. um
Folgekosten, die aus dieser Verwaltungstätigkeit entstanden sind. Soweit der Kläger insbesondere fehlende
Aufsichtsmöglichkeiten innerhalb der Bezirksstelle und Versäumnisse verschiedener Personen und/oder Gremien auf
Landesebene sieht, rügt er unzureichende Kontrollmechanismen. Hieraus folgt aber nicht, dass diese Aufwendungen
nicht aus der Verwaltungstätigkeit der Bezirksstelle entstanden wären. Insofern handelt es sich um Ausgaben der
Bezirksstelle, die nach dem zulässigen Beitragssystem der Beklagten von der Bezirksstelle zu tragen sind. Auch die
Höhe des Verwaltungskostenanteils der Bezirksstelle liegt nach der Erhöhung nicht wesentlich über den
Verwaltungskostenanteilen der übrigen Bezirksstellen, so dass Anzeichen für eine willkürliche Festsetzung nicht
ersichtlich sind.
Nach allem waren die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 144 SGG).