Urteil des SozG Mannheim vom 14.10.2015

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SG Mannheim Entscheidung vom 14.10.2015, S 9 U 556/15
Gesetzliche Unfallversicherung - Versicherungsschutz bei Schutzimpfungen im
Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge - Auslandsdienstreise - Rechtsmittel
gegen Zwischenurteile - Rechtskraftfähigkeit
Leitsätze
Eine vor Eintritt in die Beschäftigung wegen einer bevorstehenden Dienstreise nach
Indien im Rahmen der arbeitsmedizisischen Vorsorge auf Veranlassung des künftigen
Arbeitgebeers durchgeführte Schutzimpfung gegen Hepatitis und Typhus begründet
den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII. Ein Zwischenurteil zur
Feststellung des Versicherungsschutzes (§ 130 Abs. 2 SGG) unterliegt der Berufung.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger zu Lasten der Beklagten bei Durchführung der
Schutzimpfungen am 14.1.2010 unter dem Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung stand.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem
Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) um die Frage, ob eine Schädigung des linken
Auges Folge eines Arbeitsunfalls ist.
2 Der am … 1966 geborene, somit heute 49-jährige Kläger war ursprünglich bei der
Firma F. (W.), der F. L.-KG, beschäftigt.
3 Zum 1.2.2010 begründete der Kläger bei der Firma B. (O.), einem
Mitgliedsunternehmen der Beklagten, ein neues Arbeits- bzw.
Beschäftigungsverhältnis (Leiter des Rechnungswesens). Da zu Beginn des
neuen Arbeitsverhältnisses eine Dienstreise nach Indien geplant war, ließ sich der
Kläger auf Empfehlung seines neuen Arbeitgebers am 14.1.2010 gegen Hepatitis
und Typhus impfen. Daraufhin trat am 30.1.2010 eine Entzündung des linken
Sehnervs auf. Wegen dieser Erkrankung erstattete die F. L.-KG, bei der der Kläger
ab Juni 2010 erneut beschäftigt war, im Dezember 2010 über den für sie
maßgeblichen Unfallversicherungsträger eine Unfallanzeige. Diese wurde an die
Beklagte weitergeleitet.
4 Mit Schreiben vom 31.1.2011 teilte die Firma B. mit, der Kläger sei für ihr
Unternehmen vom 1.2.2010 bis zum 5.5.2010 tätig gewesen. Ursprünglich sei für
die Zeit vom 25.2.2010 bis zum 4.3.2010 eine Geschäftsreise zu den
Tochtergesellschaften nach Indien vorgesehen gewesen. Diese Reise sei jedoch
aufgrund der angesprochenen Augenerkrankung storniert worden. Wegen der
arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht würde den reisenden Mitarbeitern generell
nahegelegt, sich entweder über den Haus- oder den Betriebsarzt über die für das
Reiseziel zu empfehlenden Impfungen zu informieren und sich zum Schutz vor
gesundheitlichen Risiken impfen zu lassen. Die hierfür anfallenden Kosten würden
vom Arbeitgeber übernommen. Allerdings bestehe in dem Unternehmen keine
Impfpflicht. Auch wenn dem Kläger im vorliegenden Fall die Hepatitis-und
Typhusimpfung möglicherweise dringend empfohlen worden sei, bleibe es letztlich
doch den Mitarbeitern selbst überlassen, über die Durchführung der jeweiligen
Impfung zu entscheiden. Es komme durchaus vor, dass Mitarbeiter, die
beispielsweise nach China reisten, von den empfohlenen Schutzimpfungen
Abstand nähmen.
5 Nach Beiziehung umfangreicher medizinischer Befundunterlagen und
augenärztlicher Begutachtung des Klägers (Gutachten Prof. B.-Sch., Universitäts-
Augenklinik, Tübingen September 2013) teilte die Beklagte dem Kläger mit dem
Bescheid vom 8.1.2014 mit, dass aus ihrer Sicht ein Arbeitsunfall nicht vorliege.
Denn Krankheiten, die – wie hier – nur im zeitlichen Zusammenhang mit der
versicherten Tätigkeit zum Ausbruch kämen oder bemerkbar würden, ohne durch
die Arbeit verursacht zu sein, würden vom Unfallversicherungsträger nicht
entschädigt.
6 Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 21.1.2014 erfolglos Widerspruch
(Widerspruchsbescheid vom 22.1.2015).
7 Am 24.2.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben. Auf den
gerichtlichen Hinweis vom 5.5.2015, dass unabhängig von allen medizinischen
Fragen zur Kausalität bereits das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses sehr
zweifelhaft erscheine, trägt der Kläger folgendes vor: Falls im Hinblick auf die
Schutzimpfung kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII
(Beschäftigung) bestehen sollte, bleibe die Klage gleichwohl aufrechterhalten.
Denn nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII seien auch Personen versichert, die sich einer
ärztlichen Untersuchung oder ähnlichen Maßnahmen, die zur Aufnahme einer
versicherten Tätigkeit erforderlich seien, unterzögen. So liege es hier, denn die
angeführte Impfung sei für die Arbeitsaufnahme bei dem neuen Arbeitgeber
notwendig gewesen und von diesem veranlasst worden. Denn sein
Aufgabengebiet bei der Firma B. habe im Wesentlichen die Pflege der
Geschäftsbeziehungen nach China und Indien umfasst und deshalb ausgedehnte
Reisetätigkeiten in diese Länder beinhaltet. Deshalb sei ihm von seinem neuen
Arbeitgeber mitgeteilt worden, dass neben den Regelimpfungen, die auch im
Inland notwendig seien, insbesondere auch die streitgegenständlichen Impfungen
vorgeschrieben seien. Darüber hinaus sei auch eine Tollwutimpfung üblich. Er sei
deshalb aufgefordert worden, bereits im Monat Januar 2010 mit den
angesprochenen Impfungen zu beginnen, da eine Wiederholung im Abstand von
einigen Wochen erforderlich sei. Darüber hinaus sei er darauf hingewiesen
worden, dass eine Beratung über den Impfablauf durch den Betriebsarzt Dr. St.
erfolgen könne. Im Übrigen müsse beachtet werden, dass der Arbeitgeber
aufgrund der „International Assignment Policy“ und der Arbeitsmedizinischen
Vorsorgeverordnung (ArbMedVV) gehalten sei, bei Tätigkeiten bzw. Reisen in den
/ die Tropen, Subtropen und bei sonstigen Auslandsaufenthalten mit besonderen
klimatischen Belastungen und Gesundheitsgefährdungen die notwendigen
Impfungen anzuordnen. Denn insoweit sei das Infektionsrisiko tätigkeitsbedingt im
Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erheblich erhöht. Deshalb gehöre es zur
Politik auch des neuen Arbeitgebers, Arbeitnehmer, die die notwendigen
Impfungen verweigerten, zur Reduktion tätigkeitsbedingter Infektionen nicht in
risikoerhöhenden Tätigkeiten wie beispielsweise entsprechenden Auslandsreisen
einzusetzen. Dies hätte wenn er die entsprechenden Impfungen verweigert hätte,
zur Konsequenz gehabt, dass er für die Reisetätigkeiten nicht in Frage gekommen
wäre und sein Arbeitgeber von einer Beschäftigung abgesehen hätte. Da ihm
bekannt gewesen sei, dass die entsprechenden Impfempfehlungen bei seinem
alten Arbeitgeber (F.) und bei seinem neuen Arbeitgeber (B.) identisch gewesen
seien, habe er sich zur Durchführung der Impfungen an den leitenden Werksarzt
der F.-Gruppe gewandt.
8 Somit beantragt der Kläger sinngemäß gefasst,
9
seine Erkrankung am linken Auge (partielle Optikusatrophie) unter Aufhebung des
Bescheides vom 8.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
22.1.2015 als Folge eines Arbeitsunfalls anzuerkennen.
10 Die Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,
11 die Klage abzuweisen.
12 Sie verweist zunächst auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid bzw.
Widerspruchsbescheid und macht sich nach nochmaliger Überprüfung der Sach-
und Rechtslage den gerichtlichen Hinweis, dass für die Durchführung der
angeschuldigten Impfungen kein Versicherungsschutz bestehe, zu Eigen. Auf die
Klagebegründung erwidert sie, dass B. im Vorfeld selbst mitgeteilt habe, dass von
seiner Seite aus keine Impfungen vorgeschrieben und veranlasst worden seien
und dass es durchaus vorkomme, dass reisende Mitarbeiter die empfohlenen
Schutzimpfungen ablehnten. Unabhängig hiervon sei sie nach wie vor davon
überzeugt, dass auch die für die Feststellung eines Arbeitsunfalls notwendige
Kausalität fehle.
13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem
Gericht vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten (ein Band) und auf die
Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14 Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1
Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG) zulässig. Das notwendige
Vorverfahren (§ 78 SGG) ist durchgeführt worden; die am 24.2.2015 erhobene
Klage wahrt nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 22.1.2015 unter
Berücksichtigung eines dreitägigen Postlaufs (vgl. hierzu § 37 Abs. 2
Sozialgesetzbuch X – SGB X) die einmonatige Klagefrist. Das besondere
Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich aus der Gefahr möglicher
Folgeschäden und etwa noch anfallender Behandlungskosten.
15 Nach § 130 Abs. 2 SGG macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, über
den zwischen den Beteiligten im Anschluss an den rechtlichen Hinweis vom
5.5.2015 streitigen Versicherungsschutz des Klägers vorab durch Zwischenurteil
zu entscheiden. Denn die Eigenschaft des Klägers als Versicherter stellt eine für
die Annahme eines Arbeitsunfalls (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII)
entscheidungserhebliche Vorfrage rechtlicher Art dar (vgl. hierzu Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 130 Rdnr. 9). Da der
Kausalzusammenhang zwischen den Schutzimpfungen vom 14.1.2010 und der
partiellen Opticusatrophie (links) nur im Rahmen einer umfassenden
sozialmedizinischen Sachaufklärung (Zusammenhangsgutachten) festgestellt
werden kann und hiermit aller Voraussicht nach erhebliche Kosten verbunden sein
werden, hält es das Gericht für geboten, zunächst nur über die Rechtsfrage des
Versicherungsschutzes zu entscheiden. Denn bei (rechtskräftiger) Verneinung
desselben würde sich die Frage der Kausalität nicht mehr stellen; die Klage wäre
dann abzuweisen.
16 Im Rahmen des Zwischenstreits kommt das Gericht jedoch zu der Einschätzung,
dass der Versicherungsschutz des Klägers zu bejahen ist.
17 Im Einzelnen:
18 Der Versicherungsschutz des Klägers ergibt sich nicht – wie von der Beklagten bei
der Erteilung des angefochtenen Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides wohl
stillschweigend zugrunde gelegt – aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Denn der
Versicherungsschutz für „Beschäftigte“ setzt erst mit dem Zeitpunkt der
tatsächlichen Arbeitsaufnahme ein; der dem zeitlich vorangestellte Abschluss des
Arbeitsvertrags begründet den Versicherungsschutz noch nicht
(Eichenhofer/Wenner, SGB VII, II 1010, § 2 Rdnr. 10 sowie LSG Nordrhein-
Westfalen, Urteile vom 14.3.2001 – L 17 U 234/99 und vom 1.10.2008 - L 17 U
43/08). Dies deckt sich mit der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13.11.2012 –
B 2 U 27/11 R), wonach Vorbereitungs- (oder Nachbereitungs-) Handlungen zur
versicherten Tätigkeit ihrerseits nur dann versichert sind, wenn hierfür eine
ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht oder wenn der jeweilige Ver-
sicherungstatbestand nach dem Schutzzweck der Norm auch Vor- und/oder Nach-
bereitungshandlungen mit einschließt. Dies mag beispielsweise für Tätigkeiten
bzw. Verrichtungen, die in Zusammenhang mit einer Organspende (vgl. § 2 Abs. 1
Nr. 13 Bstb. b) SGB VII) stehen, in Betracht kommen. Voraussetzung ist aber stets,
dass die betreffende Verrichtung im konkreten Einzelfall für die den
Versicherungsschutz begründende Handlung unerlässlich ist und mit dieser in
einem sehr engen sachlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang steht. Eine
genauere Erörterung dieses Gesichtspunkts ist vorliegend jedoch unerheblich, da
für die hier zur Diskussion stehenden Schutzimpfungen eine abschließende
Sonderregelung vorhanden ist, so dass ein Rückgriff auf die allgemeinen
Erwägungen des BSG nicht geboten ist.
19 In den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung sind nämlich auch Personen,
die sich Untersuchungen, ... oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die
aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit ...
erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen von einem Unternehmen oder einer
Behörde veranlasst worden sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII - vgl. hierzu juris-PK zu
§ 2 SGB VII Rdnrn. 92 ff. und Hauck/Noftz, SGB VII, online-Ausgabe, § 2 Rdnrn. 35
ff.).
20 Diese Voraussetzungen sind nach Überzeugung des Gerichts hier erfüllt. Im
Einzelnen:
21 Der Kläger hat am 18.9.2009 den Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen B. – einem
Mitgliedsunternehmen der Beklagten – unterzeichnet. Aufgrund der Auskunft
dieses Unternehmens vom 31.1.2011 steht fest, dass der Kläger etwa drei
Wochen nach Aufnahme der Tätigkeit, nämlich am 25.2.2010, eine Dienstreise
nach Indien antreten sollte. Darüber hinaus ist das Gericht aufgrund der
glaubhaften Angaben des Klägers davon überzeugt, dass ursprünglich im Rahmen
dieses Beschäftigungsverhältnisses zahlreiche weitere Dienst- bzw.
Geschäftsreisen nach Indien und China geplant waren. In diesem Zusammenhang
weist der Kläger zu Recht auf die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
(ArbMedVV) hin. Diese regelt in § 2 die Pflichtvorsorge (Abs. 2), die
Angebotsvorsorge (Abs. 3) und die Wunschvorsorge (Abs. 4) und stellt klar, dass
die arbeitsmedizinische Vorsorge in jedem Fall ein ärztliches Beratungsgespräch
mit Anamnese sowie (soweit erforderlich) eine körperliche oder klinische
Untersuchung des Arbeitnehmers beinhaltet (Abs. 1 Nr. 3). Aus dem Anhang der
ArbMedVV ergibt sich, dass eine arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge (§ 2 Abs. 2
ArbMedVV) zu erfolgen hat, wenn der Arbeitnehmer zu Tätigkeiten in den Tropen
oder Subtropen bzw. zu sonstigen Auslandsaufenthalten mit besonderen
klimatischen Belastungen und Infektionsgefährdungen herangezogen werden soll
(Teil 4 Abs. 1 Nr. 2).
22 Diese Voraussetzungen werden durch die geplanten Aufenthalte des Klägers in
Indien (und China) zweifelsohne erfüllt. Dem korrespondiert, dass sich der Kläger
in dem bereits angeführten Arbeitsvertrag vom 18.9.2009 (Ziffer 6 Bstb. h)
ausdrücklich verpflichtet hat, sich einer ärztlichen Einstellungsuntersuchung zu
unterziehen. Vor diesem Hintergrund war der Kläger (kraft Gesetzes, aber auch
arbeitsvertraglich) verpflichtet, sich vor Beginn der Beschäftigung im Hinblick auf
die beabsichtigten Aufenthalte in den Tropen bzw. die reisebedingt erhöhten
Infektionsgefährdungen einer arbeitsmedizinischen Pflichtvorsorge zu unterziehen.
Dies reicht nach Auffassung des Gerichts zur Begründung des
Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII aus (wie hier wohl bspw.
Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Loseblatt, § 2 Rn. 176 und Bereiter-
Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Loseblatt, § 2 Anmerkung 8.6).
Diese Einschätzung wird vorliegend auch dadurch untermauert, dass der
Arbeitgeber des Klägers, das Unternehmen B., die in Rede stehenden Impfungen,
insbesondere die Impfung gegen Hepatitis A und B, als „unerlässlich“ bezeichnet
(E-Mail vom 13.1.2010) und die hiermit verbundenen Kosten getragen hat.
Deshalb ist das Gericht überzeugt, dass der Kläger die entsprechenden Impfungen
in rechtlich wesentlicher Weise im Rahmen der arbeitsmedizinischen
Pflichtvorsorge nur wegen der beabsichtigten Arbeitsaufnahme bei B. durchgeführt
hat, so dass die für die Begründung des Unfallversicherungsschutzes generell
notwendige fremdnützige Handlungsmotivation zu bejahen ist.
23 Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass der Kläger streng genommen
lediglich verpflichtet gewesen ist, an dem arbeitsmedizinischen Vorsorgegespräch
bzw. der hiermit verbundenen Untersuchung teilzunehmen und dass ihm letztlich
die Entscheidung, ob er die vorgeschlagenen Schutzimpfungen durchführen
wollte, freistand. Denn eine gesetzliche Impfpflicht besteht im Bundesgebiet nicht;
zudem hat B. in ihrer Auskunft vom 31.1.2011 ausdrücklich bestätigt, dass die
Entscheidung über die Durchführung der Impfungen letztlich den Mitarbeitern
selbst überlassen bleibt und dass durchaus Kollegen bzw. Kolleginnen vorhanden
sind, die von einer Schutzimpfung absehen.
24 Auch wenn der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII dies nahelegen könnte,
würde nämlich ein Verständnis, das zur Begründung des Versicherungsschutzes
eine (gesetzliche) Impfpflicht fordern würde, zu kurz greifen. Nach Auffassung des
Gerichts muss es zur Begründung des Versicherungsschutzes ausreichen, wenn
der Arbeitnehmer im Rahmen der arbeitsmedizinischen Pflichtvorsorge eine
ernsthaft empfohlene und für die Arbeitsaufnahme sinnvolle Untersuchung bzw.
Behandlung durchführt. Dies ist bei einer Schutzimpfung gegen Hepatitis und
Typhus bei einer Arbeitsaufnahme, die häufige Reisen in Risikogebiete beinhaltet,
offenkundig der Fall. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch
von demjenigen, der dem SG Dortmund zur Entscheidung vorlag (Urteil vom
5.8.2014 – S 36 U 818/12). Denn die dieser Entscheidung zugrunde liegende
Grippeschutzimpfung bewegt sich nach den Feststellungen des SG noch im
Rahmen der im Bundesgebiet allgemein üblichen bzw. gewöhnlichen (und damit
der privaten bzw. eigenwirtschaftlichen Sphäre des Arbeitnehmers)
zuzurechnenden Gesundheitsfürsorge. Dies ist vorliegend in Bezug auf die
Hepatitis- und Typhusimpfungen jedoch nicht der Fall, denn der Kläger war im
Rahmen der geplanten Arbeitsaufnahme bei B. aufgrund der Reisetätigkeit nach
China und Indien insoweit deutlich erhöhten Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Dies
spiegelt sich in den Empfehlungen des Auswärtigen Amtes wieder, die nach einer
Internet-Recherche sowohl für Auslandsaufenthalte in China als auch für solche in
Indien eine Impfung gegen Hepatitis A und B empfehlen und zudem (für Indien)
auch einen Schutz gegen Typhus nahelegen. Vor diesem Hintergrund ist die den
Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII rechtfertigende besondere
Schutzbedürftigkeit des Klägers zu bejahen (vgl. zu diesem Kriterium LSG
Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.11.2008 – L 8 U 69/07).
25 Deshalb stellt das Gericht zur Beendigung des Zwischenstreits um das Bestehen
des Versicherungsschutzes abschließend fest, dass der Kläger bei Durchführung
der Schutzimpfungen am 14.1.2010 zu Lasten der Beklagten unter dem Schutz
der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
26 Die Kostenentscheidung (§ 193) bleibt dem Endurteil vorbehalten.
27 Umstritten ist, ob ein Zwischenurteil nach § 130 Abs. 2 SGG der Berufung
unterliegt und rechtskraftfähig ist (vgl. zum Streitstand Breitkreuz/Fichte, SGG, 2.
Aufl. 2014, § 130 Rdnr. 15 und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl.
2014, § 130 Rdnr. 11). Beides ist nach Auffassung des Gerichts zu bejahen, denn
das in § 130 Abs. 2 SGG ausdrücklich geregelte Zwischenurteil kann seine
besondere Funktion, aus prozessökonomischen Gründen über eine
entscheidungserhebliche Vorfrage vorab Klarheit zu schaffen, nur erfüllen, wenn
der Instanzenzug eröffnet ist und Rechtskraft eintreten kann.