Urteil des SozG Mannheim vom 06.05.2014

rückforderung, versorgung, sozialhilfe, fahrtkosten

SG Mannheim Urteil vom 6.5.2014, S 9 SO 519/14
Sozialhilferecht: Gewährung von sozialhilferechtlichem Pflegegeld bei
Aufenthalt in einer Kurzzeitpflege
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten im Rahmen der Sozialhilfe um die Rückforderung von
Pflegegeld nach dem 7. Kapitel des Sozialgesetzbuch XII (SGB XII).
2 Die am … 1941 geborene – somit heute 72jährige – Klägerin, die unter
gesetzlicher Betreuung steht, lebt in einer Einrichtung des „betreuten Wohnens“
und erhält schon seit längerem Hilfe zur (ambulanten) Pflege nach dem 7. Kapitel
des SGB XII (vor allem Pflegegeld nach § 64 SGB XII).
3 Ab dem 12.12.2013 befand sich die Klägerin in einer anderen Einrichtung zur
stationären Kurzzeitpflege (bis zum 25.1.2014).
4 Dies nahm der Beklagte zum Anlass, mit Bescheid vom 20.12.2013 die letzte
Bewilligung des Pflegegeldes (Bescheid vom 9.9.2013) ab dem 13.12.2013
aufzuheben und das bis einschließlich 31.12.2013 bereits ausgezahlte Pflegegeld
für diesen Zeitraum zurückzufordern (126,00 EUR). Denn für die Dauer der
Kurzzeitpflege könne die Klägerin die Zahlung des Pflegegeldes nicht
beanspruchen. Sie habe für den Monat Dezember 2013 jedoch bereits ein
Pflegegeld von 210,00 EUR erhalten. Dies seien (:30) 7,00 EUR täglich. Hieraus
ergebe sich für die Zeit bis zum 12.12.2013 (x12) ein Anspruch von 84,00 EUR, so
dass die Klägerin den Differenzbetrag von 126,00 EUR zu erstatten habe (210,00
EUR - 84,00 EUR). Denn durch die Aufnahme in die Kurzzeitpflege habe sich eine
wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X) ergeben.
Es dürfe sich nämlich auf die „wirtschaftliche Situation nicht begünstigend
auswirken“, wenn die Klägerin „zu viel Geld zu Lasten der öffentlichen Hand“
erhielte, „obwohl ... kein sozialhilferechtlicher Bedarf“ mehr gegeben sei. Auch aus
Gründen der Gleichbehandlung sei die Rückforderung „geboten“, da „in allen
vergleichbaren Fällen zu viel bezahlte Hilfe“ zurückgefordert werde. Gründe, die es
im vorliegenden Einzelfall rechtfertigen könnten, ausnahmsweise von einer
Rückforderung abzusehen, seien nicht „erkennbar“.
5 Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin am 26.12.2013 Widerspruch: Trotz
der Kurzzeitpflege sei es nicht zu einer „wirtschaftlichen Begünstigung“
gekommen, da sie „das erhaltende Pflegegeld an die ehrenamtlichen Helfer
weiterbezahlt“ habe. Nachweise hierzu könne sie noch vorlegen. Im Übrigen habe
sie, „um Kosten einzusparen“, ihre Wäsche nicht gekennzeichnet und nicht im
Seniorenheim waschen lassen. Vielmehr hätten ihre ehrenamtlichen Helfer die
Wäsche auch während der Kurzzeitpflege „privat gewaschen“ und hierfür einen
Unkostenbeitrag für Fahrtkosten und Waschmittel erhalten. Nicht zuletzt sei sie
regelmäßig von den ehrenamtlichen Helfern besucht worden (Spaziergänge,
Vorlesen, Unterhaltung). Auch hierfür seien Unkosten (Fahrtkosten) entstanden.
Schließlich sehe das Pflegereformgesetz ab dem 1.1.2013 vor, dass während der
Kurzzeitpflege die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes weitergezahlt werde.
Für den Aufnahme- und den Entlasstag werde das Pflegegeld sogar vollständig
weitergezahlt.
6 Der Widerspruch ist jedoch erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom
6.2.2014): Nach § 64 Abs. 5 Satz 2 SGB XII müsse das Pflegegeld anteilig gekürzt
werden, wenn der Anspruch nicht für den vollen Monat bestehe. So liege es hier,
denn die Klägerin habe sich ab dem 12.12.2013 in stationärer (Kurzzeit-) Pflege
befunden; eine zusätzliche ambulante Versorgung im „betreuten Wohnen“ sei
daher nicht mehr notwendig gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus
dem Vorbringen, die Wäsche der Klägerin sei auch während der Kurzzeitpflege
privat von den ehrenamtlichen Helfern gewaschen worden. Denn „die
hauswirtschaftlichen Leistungen, so auch das Waschen der Wäsche“, seien „in
den Pflegesätzen des Pflegeheimes enthalten“. Dies gelte auch für „die
Kennzeichnung der Wäsche“. Der hiermit verbundene Aufwand begründe somit
keinen eigenständigen sozialhilferechtlichen Bedarf. Bei den Besuchen während
der Dauer der Kurzzeitpflege zum Spazierengehen und Vorlesen handele es sich
um „Gefälligkeitsleistungen“, die ebenfalls „keinen zusätzlichen
sozialhilferechtlichen Bedarf“ zur Folge hätten. Bei seiner Entscheidung stütze sich
der Beklagte auch auf die Sozialhilferichtlinie für Baden-Württemberg (66.15) und
die seit 1999 gefestigte Rechtsprechung. Da sich die Klägerin wohl bis zum
25.1.2014 in Kurzzeitpflege befunden habe, bestehe auch für den 31.12.2013 kein
Anspruch auf Pflegegeld. Daher ergebe sich wie im angefochtenen Bescheid
dargestellt eine Rückforderung von 126,00 EUR. Unerheblich sei dabei, dass das
Pflegegeld nach dem Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung
(Sozialgesetzbuch XI - SGB XI) für die Dauer der Kurzzeitpflege zur Hälfte
weiterbezahlt werde. Für das sozialhilferechtliche Pflegegeld kämen jedoch die
hiervon abweichenden oben dargestellten Vorschriften zur Anwendung. Dieser
Unterschied erkläre sich daraus, dass das sozialhilferechtliche Pflegegeld „aus
allgemeinen Steuermitteln finanziert“ werde, während es bei der gesetzlichen
Pflegeversicherung um Beitragsmittel gehe.
7 Am 21.2.2014 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben: In analoger
Anwendung von § 37 SGB XI in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI komme
vorliegend eine Kürzung des Pflegegeldes für die ersten vier Wochen der
Kurzzeitpflege nicht in Betracht. Im Übrigen werde auch in der juristischen Literatur
die Auffassung vertreten, dass für die Dauer einer kurzen stationären
Krankenhausbehandlung bzw. einer kurzen stationären Rehabilitation eine
Kürzung des sozialhilferechtlichen Pflegegeldes aus-scheide. Denn auch der
Sozialhilfeträger habe zu beachten, dass typischerweise im Anschluss an eine
kurze stationäre Krankenhaus- oder Reha-Behandlung die ambulante Pflege
fortgesetzt werden müsse. Daher sei er gehalten, gemäß § 63 Satz 1 SGB XII die
Hilfsbereitschaft des verwandtschaftlichen und sozialen Umfelds zu unterstützen
bzw. aufrechtzuerhalten. Dem diene die Weiterzahlung des Pflegegeldes. Denn
auch bei einer Kurzzeitpflege stehe fest, dass die hilfebedürftige Person im
Anschluss weiterhin ambulanter Pflege und der Unterstützung durch ihr bisheriges
Umfeld bedürfe. Im Übrigen gewähre selbst die Pflegekasse trotz der
Kurzzeitpflege die Hälfte des bislang für die ambulante Pflege bezogenen
Pflegegeldes weiter.
8 Somit beantragt die Klägerin,
9
den Bescheid des Beklagten vom 20.12.2013 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 6.2.2014 aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
10 Der Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,
11 die Klage abzuweisen.
12 Die Klägerin erhalte nach einem gerichtlichen Vergleich im Kalenderjahr 2012 im
Rahmen des betreuten Wohnens in F. monatlich im Voraus ein erhöhtes
Pflegegeld. Ab dem 12.12.2013 habe sich die Klägerin (bis zum 25.1.2014) zur
stationären Kurzzeitpflege im Seniorenheim „K. von H.“ in L. aufgehalten. Während
dieses Zeitraums sei eine Betreuung bzw. Versorgung der Klägerin in ihrer
„eigenen Häuslichkeit“ nicht erforderlich gewesen. Der Rechtsauffassung der
Klägerin stehe die Sozialhilferichtlinie für Baden-Württemberg entgegen (66.15).
Die Weiterzahlung des Pflegegeldes widerspräche dem Zweck der Kurzzeitpflege.
Denn die Kurzzeitpflege ziele ja gerade darauf ab, „die mit der Pflege im betreuten
Wohnen betrauten Personen zu entlasten“. Wenn diese auch „während der
Kurzzeitpflege in die Pflege mit eingebunden werden“ müssten, deute „dies darauf
hin, dass entweder für die Kurzzeitpflege kein Bedarf“ bestanden oder „dass die
Einrichtung, welche die Kurzzeitpflege“ erbracht habe, „ihre Leistungen nicht in
vollem Umfang“ erbracht habe. Unabhängig hiervon bestehe „der Bedarf, für den
das Pflegegeld eingesetzt“ werde, „während der Kurzzeitpflege auch nicht weiter“.
Denn die pflegerischen und hauswirtschaftlichen Leistungen, die bislang im
Rahmen des betreuten Wohnens ambulant bzw. ehrenamtlich erbracht worden
seien, würden jetzt „über den Pflegesatz und die Abrechnung des Pflegeheimes
abgedeckt“. Somit könnten „während der Kurzzeitpflege“ keinerlei „Aufwendungen
für eine häusliche Pflegeperson entstehen“. Damit fehle für die Weiterzahlung des
Pflegegeldes während der Dauer der Kurzzeitpflege jede Grundlage. Die
anderslautende Rechtslage aus dem Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung
könne auf die Sozialhilfe nicht übertragen werden. Denn die Leistungen der
gesetzlichen Pflegeversicherung seien beitragsfinanziert, während die Sozialhilfe
aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werde Nach der Sozialhilferichtlinie für
Baden-Württemberg werde bei der Kürzung des Pflegegeldes der Aufnahme- und
der Entlasstag nicht mitberechnet. Da die Kurzzeitpflege bis zum 25.1.2014
angehalten habe, bestehe somit auch für den 31.12.2013 kein Anspruch auf
Pflegegeld.
13 Das Gericht hat der Klägerin mit Beschluss vom 26.3.2014 unter anwaltlicher
Beiordnung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.
14 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem
Gericht vorliegende Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Prozessakte
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
15 Die Klage ist als reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig: Das notwendige Vorverfahren (§ 78 SGG) ist
durchgeführt worden, die Klage vom 21.2.2014 wahrt nach Erteilung des
Widerspruchsbescheides vom 6.2.2014 die einmonatige Klagefrist (§ 87 SGG). Die
verfügte Erstattungspflicht beschwert die Klägerin nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG.
II.
16 Die Klage ist jedoch unbegründet.
(1.)
17 Eine Anhörung der Klägerin vor Erteilung des angefochtenen Bescheides war
ausnahmsweise nicht geboten. Denn der angefochtene Bescheid beruht in
tatsächlicher Hinsicht auf den eigenen Angaben der Klägerin in Bezug auf die
Antragstellung zur Finanzierung der Kurzzeitpflege (§ 24 Abs. 2 Nr. 3
Sozialgesetzbuch X - SGB X). Daher erweist sich der angefochtene Bescheid als
formell rechtmäßig (ergänzend hierzu siehe Abschnitt (2. c.).
(2.)
(a.)
18 Auch in materieller Hinsicht ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. §
64 Abs. 5 Satz 1 SGB XII stellt klar, dass der sozialhilferechtliche Anspruch auf
Pflegegeld voraussetzt, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld seine
erforderliche Pflege in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Dem korrespondierend
bestimmt § 63 Satz 3 SGB XII unmissverständlich, dass Pflegebedürftige, die sich
in einer stationären oder teilstationären Einrichtung befinden, keine Leistungen zur
häuslichen Pflege, also auch kein Pflegegeld nach § 64 SGB XII, beanspruchen
können. Dies ist konsequent, denn die erforderliche Pflege wird dann bereits durch
die Mittel der Einrichtung gewährleistet. Eine Ausnahme hiervon gilt nach § 63 Satz
4 SGB XII nur für Pflegebedürftige, die ihre ambulante Pflege im Rahmen des
Arbeitgebermodells selbst organisieren. Wenn sie sich vorübergehend in einer
stationären Einrichtung aufhalten, haben sie weiterhin einen Anspruch Pflegegeld.
Denn sie benötigen, dies um ihrer Pflicht zur Lohnzahlung nachkommen und ihre
Pflegekräfte „halten“ zu können. Daher besteht in einer solchen Situation der dem
Anspruch auf Pflegegeld zugrundeliegende Bedarf fort, auch wenn die
unmittelbare Pflege vorübergehend durch die Einrichtung erbracht wird. Dieser
gesetzlichen Konzeption kann entnommen werden, dass die Weiterzahlung des
sozialhilferechtlichen Pflegegeldes aber ausgeschlossen ist, wenn die ambulante
Pflege lediglich „ehrenamtlich“ (also außerhalb des „Arbeitgebermodells“) erfolgt.
Denn im in einer solchen Situation kann ohne weiteres angenommen werden,
dass nach Abschluss der stationären Behandlung bzw. Pflege die bisherigen
Helfer unverändert zur ambulanten Pflege zur Verfügung stehen werden (zum
Sach- und Streitstand und zu dieser Argumentation ausführlich: juris-PK, § 64 SGB
XII Rdnr. 54). Aus diesen Gründen erweist sich die Klage als unbegründet.
(b.)
19 Hieran ändert das Klagevorbringen nichts: Es trifft zwar zu, dass das Recht der
gesetzlichen Pflegeversicherung einen Anspruch auf Pflegegeld auch für die
ersten vier Wochen einer vollstationären Krankenhausbehandlung, einer
häuslichen Krankenpflege mit Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche
Versorgung oder bei einer Aufnahme in eine Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtung vorsieht bzw. aufrechterhält (§ 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI).
Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass entsprechendes auch für das
sozialhilferechtliche Pflegegeld gelten müsse. Denn aufgrund der oben
dargestellten abweichen-den Gesetzeslage besteht hierfür keine Grundlage.
Vielmehr beruhen die unterschiedlichen Regelungskonzepte auch nach
Auffassung des Gerichts darauf, dass das pflegeversicherungsrechtliche
Pflegegeld beitragsfinanziert ist, während das sozialhilferechtliche Pflegegeld als
allgemeine Fürsorgeleistung aus Steuermitteln finanziert wird. Hieraus rechtfertigt
es sich, dass das Pflegegeld nach dem SGB XI für die pflegebedürftigen Personen
eine großzügigere Regelung enthält. Dem hingegen ist das Pflegegeld nach dem
SGB XII im hiesigen Kontext restriktiver ausgestaltet und verwirklicht den
allgemeinen sozialhilferechtlichen Bedarfsdeckungs- bzw. Nachranggrundsatz,
wonach Sozialhilfemittel nur beansprucht werden können, wenn und soweit die
Notlage auf andere Weise nicht gemildert bzw. beseitigt werden kann (§ 2 Abs. 1
SGB XII). Daher fehlt es für eine Analogie zu § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI bereits an
dem Erfordernis einer planwidrigen bzw. unbewußten gesetzlichen Lücke (anderer
Ansicht bspw. aber LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 64 Rdnr. 12). In diesem
Zusammenhang muss auch der zutreffende Einwand des Beklagten, dass die
Kurzzeitpflege ja gerade auch darauf abzielt, die ehrenamtlichen Pflegepersonen
zu entlasten und ihnen eine Art „Urlaub“ zu ermöglichen, gesehen werden.
Insoweit würde es tatsächlich zu einer sozialhilferechtlich nicht gebotenen
„Übererfüllung“ des Bedarfs beitragen, wenn die Pflegepersonen (mittelbar über die
Klägerin) auch für Zeiten einer stationären Kurzzeitpflege ein sozialhilferechtliches
Pflegegeld erhielten, obwohl ihre Pflegetätigkeit während dieser Zeit gar nicht
benötigt wird. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag,
dass die Wäsche der Klägerin während der Dauer der stationären Kurzzeitpflege
weiterhin von ihren Pflegekräften „privat“ gewaschen worden ist und dass die
Klägerin aus Kostengründen nicht an dem Wäscheservice des Heims
teilgenommen hat. Insoweit weist der Beklagte nämlich zutreffend darauf hin, dass
die Besorgung der Wäsche zu den hauswirtschaftlichen Verrichtungen gehört, die
der Heimträger im Rahmen der stationären Pflege zu erbringen hat. Dieser
Aufwand wird durch die dem Heimträger zustehende Vergütung im Rahmen des
SGB XI bzw. durch die ergänzenden Leistungen im Rahmen des SGB XII
abgegolten. Letztlich ist es in diesem Zusammenhang auch Sache des
Heimträgers für eine zuverlässige Sortierung bzw. Kennzeichnung der Wäsche
Sorge zu tragen. Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus der
Argumentation, die Pflege müsse über die rein körperliche Pflege („satt und
sauber“) hinausgehen, sie habe auch eine „soziale“ Komponente und umfasse
deshalb auch Dinge wie „Besuche“ oder „Vorlesen“ und dergleichen mehr. Dies
mag durchaus zutreffen. Jedoch folgt hieraus nicht zwingend, dass deshalb das
sozialhilferechtliche Pflegegeld auch bei einem vorübergehenden Aufenthalt in
einer stationären Einrichtung weitergezahlt werden muss. Denn letztlich ist es bei
stationärer Pflege, auch wenn diese nur eine kurze Zeit umfasst, Sache des
Einrichtungsträgers, geeignete Angebote zum sozialen Leben innerhalb des
Heims vorzuhalten. Im Übrigen muss beachtet werden, dass schon die Leistungen
der gesetzlichen Pflegeversicherung lediglich darauf abzielen, die ehrenamtliche
bzw. nachbarschaftliche Pflege und Betreuung zu ergänzen bzw. eine Entlastung
von den bei stationärer Pflege anfallenden Aufwendungen zu gewährleisten. Also
handelt es sich bei der Pflegeversicherung letztlich nicht um eine
„Vollversicherung“. Hieraus kann abgeleitet werden, dass dies auch bei einer über
das Sozialamt finanzierten stationären (Kurz-) Zeitpflege in ähnlicher Weise gelten
muss. Nach Auffassung des Gerichts liegt somit eine sozialhilferechtlich
ausreichende Bedarfsdeckung bei stationärer Pflege vor, wenn die grundlegenden
Vitalfunktionen und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe sichergestellt werden.
Für darüber hinausgehende Belange im obigen Sinne besteht eine
Einstandspflicht des Sozialamts in aller Regel nicht. Vielmehr kann unterstellt
werden, dass insoweit die angesprochenen Angebote des Heimträgers bzw.
ergänzende Veranstaltungen karitativer oder freier Träger in den Räumlichkeiten
des Heims (beispielsweise Gottesdienste, Lesungen, Konzerte) ausreichend sind.
Vorliegend muss auch berücksichtigt werden, dass die Entfernung zwischen dem
Wohnort der Klägerin (F.) und dem Ort der stationären Kurzzeitpflege (L.) nur
wenige Kilometer beträgt, so dass den ehrenamtlichen Pflegern bzw. Verwandten
Besuche im Heim auch ohne Beteiligung an den Fahrtkosten zumutbar
erscheinen.
(c.)
20 In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat sich damit durch die Aufnahme der Klägerin in
die stationäre Kurzzeitpflege in den Verhältnissen, die der letzten
Pflegegeldbewilligung zugrundelagen, eine wesentliche Änderung ergeben, so
dass die Beklagte im Rahmen eines „Soll-Ermessens“ gehalten war, den
entsprechenden Bewilligungsbescheid aufzuheben und die überzahlte Leistung
zur Erstattung festzusetzen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 50 SGB
X). Denn dadurch, dass der Klägerin seitens der Pflegekasse und des beklagten
Sozialhilfeträgers Leistungen zur Finanzierung der stationären Kurzzeitpflege
bewilligt worden sind, hat sie Einkommen erzielt, das - wie ausgeführt - einen
gleichzeitig weiterbestehenden Bedarf für Leistungen zur ambulanten Pflege
ausschließt. Der Begriff des „Einkommens“ ist in diesem Zusammenhang nämlich
weit zu fassen, er erfasst jedweden „geldwerten Vorteil“ (juris-PK, § 48 SGB X,
Rdnr. 122). Deshalb ist es aus Sicht des Gerichts somit nicht zu beanstanden,
dass die Sozialhilferichtlinie für Baden-Württemberg in einer solchen Situation für
den Regelfall die Aufhebung und Rückforderung des Pflegegeldes vorsieht.
Gesichtspunkte, die einen atypischen Sachverhalt begründen, sind nicht
ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch für den Umstand, dass die Klägerin das
vorschüssig ausgezahlte Pflegegeld für den Monat Dezember 2013 bereits vor
Erteilung des angefochtenen Bescheides an ihre ehrenamtlichen Pflegehelfer
weitergegeben hat. Hiermit macht sie im Grunde den Einwand der „Entreicherung“
geltend. Grundsätzlich kann dieser Gesichtspunkt zwar im Rahmen von § 48 Abs.
1 Satz 2 SGB X eine atypische Sachverhaltskonstellation darstellen, die eine
abweichende (Einzelfall-) Entscheidung erfordern kann. Dies ist jedoch nicht der
Fall, wenn der Adressat des Aufhebungsbescheides bzw. der Erstattungspflichtige
aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls mit der Rückforderung rechnen
musste (vgl. BSG, Urteil vom 26.8.1994 - B 13 RJ 29/93). So liegt es hier. Denn
aufgrund der dargestellten Gesetzeslage musste die Klägerin auch unter
Berücksichtigung allgemeiner lebenspraktischer Grundsätze erkennen, dass das
jeweils als Vorschuss ausgezahlte Pflegegeld nur dazu dienen sollte, ihre
ambulante Pflege zu gewährleisten. Somit hat die Klägerin (im Sinne einfacher
Fahrlässigkeit) letztlich „auf eigenes Risiko“ gehandelt, als sie das Pflegegeld
schon zu Anfang des Monats in voller Höhe an ihre Pflegepersonen
weitergegeben hat. Sie hat sich hiermit nämlich der naheliegenden Möglichkeit
begeben, Rücklagen zu bilden bzw. Vorkehrungen für im Monatsverlauf
eintretende Änderungen ihrer Pflegesituation zu treffen. In diesem Zusammenhang
dürften die Personen, an die die Klägerin das Pflegegeld für den Monat Dezember
2013 weitergeleitet hat, somit zumindest sittlich verpflichtet sein, diese Zuwendung
für den auf die Kurzzeitpflege entfallenden Zeitraum an die Klägerin
zurückzugewähren. Da die allgemeinen wirtschaftlichen Folgen, die sich aus der
Rückforderung bzw. der Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Sozialleistungen
ergeben, im Rahmen von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X keinen atypischen
Sachverhalt begründen, liegt somit ein Ermessensfehler des Beklagten nicht vor.
III.
21 Daher kann die Klage keinen Erfolg haben, was die auf § 193 SGG beruhende
Kostenentscheidung berücksichtigt.
IV.
22 Im Hinblick darauf, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes weniger als
750,00 EUR beträgt, zu der streitigen Rechtsfrage aber soweit ersichtlich bislang
keine obergerichtlichen Entscheidungen vorliegen und sich die
entscheidungserhebliche Rechtsfrage sicherlich immer wieder stellt, macht das
Gericht nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG von der Möglichkeit Gebrauch, die Berufung
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zuzulassen.