Urteil des SozG Mannheim vom 21.11.2006

SozG Mannheim: Grundsicherung für Arbeitsuchende, Eingliederungsleistung, Förderleistungen nach AltTZG 1996, Beschäftigung eines Beziehers von Arbeitslosengeld II, treu und glauben, ermessen

SG Mannheim Urteil vom 21.11.2006, S 9 AL 1896/06
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Eingliederungsleistung - Förderleistungen nach AltTZG 1996 - Beschäftigung eines Beziehers von
Arbeitslosengeld II - rechtsmissbräuchliche Verweigerung der Zusage iS von § 3 Abs 1 S 2 AltTZG 1996 - rückwirkende Antragstellung nach
AltTZG 1996
Leitsätze
Aus dem auch im öffentlichen Recht gültigen Grundsatz von Treu und Glauben folgt, daß der SGB-II-Leistungsträger bei der Entscheidung, ob er
eine Zustimmung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 ATG bzw. § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 SGB II erteilt, nicht nur seine Partikularinteressen, sondern auch die
wohlverstandenen Interessen bzw. Belange des antragstellenden Arbeitgebers, des ehemaligen Leistungsbeziehers und der Bundesagentur für
Arbeit berücksichtigen muß. Die Versagung der Zustimmung unterliegt im Rechtsstreit des Arbeitgebers gegen die Bundesagentur für Arbeit voller
gerichtlicher Kontrolle. Wenn die Entscheidung des SGB-II-Leistungsträgers den obigen Anforderungen nicht entspricht, kann die fehlende
Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden. Im übrigen rechtfertigt der Umstand, daß der Antrag nach dem ATG erst nach der Arbeitsaufnahme
durch den Ersatzarbeitnehmer bzw. früheren SGB-II-Leistungsbezieher gestellt worden ist, in den zeitlichen Grenzen aus § 12 Abs. 1 Satz 2 ATG die
Versagung der Zustimmung nicht. § 37 Abs. 2 SGB II kommt nicht zur Anwendung.
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 04.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2006 wird die Beklagte verurteilt, der
Klägerin Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
2. Die Beigeladene hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die Klägerin - eine Schule für ... - Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz (ATG) beanspruchen kann.
2
Die Klägerin beschäftigt den Arbeitnehmer H. Am 11.02.2005 haben die Arbeitsvertragsparteien einen Altersteilzeitvertrag geschlossen, wonach
im Blockmodell die Arbeitsphase bis zum 28.02.2006 befristet wurde und im Anschluss eine Freistellungsphase bis zum 28.02.2007 erfolgt.
3
Ab dem 01.03.2006 hat die Klägerin als Ersatzarbeitnehmer L eingestellt (monatlicher Bruttolohn: 2.489,55 EUR). L bezog zusammen mit seiner
Ehefrau und seinem minderjährigen Kind zuvor zu Lasten der Beigeladenen ab Januar 2006 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende
(Sozialgesetzbuch II - SGB II) in Höhe von monatlich 1.432,87 EUR.
4
Am 23.03.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung von Aufstockungsleistungen nach §§ 3, 4 ATG.
5
Hierzu teilte die Beigeladene der Beklagten am 18.04.2006 mit, dass die Erteilung einer Kostenzusage abgelehnt wurde, weil L die Arbeit schon
am 01.03.2006, also vor Antragstellung, aufgenommen hatte.
6
Daraufhin lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 04.05.2006 die Leistungsgewährung nach dem ATG wegen der fehlenden Kostenzusage
der Beigeladenen ab.
7
Hiergegen erhob die Klägerin am 17.05.2006 Widerspruch und trug vor L., habe vor Arbeitsbeginn im Februar 2006 ein einmonatiges Praktikum
gemacht. Wegen der hohen Motivation und der guten Eignung habe sich die Klägerin sodann entschlossen, L ab dem 01.03.2006 als Nachfolger
von H fest einzustellen. Hierdurch sei L mit seiner Familie nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen, weshalb aus Sicht der Klägerin
unverständlich war, weshalb die Beigeladene ihre Zustimmung verweigert und die Beklagte die Leistungen abgelehnt haben.
8
In dem abweisenden Widerspruchsbescheid vom 22.05.2006 führte die Beklagte aus, dass die Bewilligung von Leistungen nach dem ATG
vorliegend zwingend voraussetzt, dass der zuständige SGB II-Leistungsträger zustimmt.
9
Am 13.06.2006 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben und wiederholt im wesentlichen seine bisherigen
Ausführungen.
10 Somit beantragt er,
11 den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, der Klägerin Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
12 Die Beklagte beantragt,
13 die Klage abzuweisen.
14 Sie sieht sich an die verweigerte Zustimmung der Beigeladenen gebunden, so dass sie dem Klageantrag entgegentreten muss.
15 Die Beigeladene schließt sich dem Klageabweisungsantrag an und vertritt weiterhin die Auffassung, dass aufgrund §§ 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6, 37
SGB II bereits die verspätete Antragstellung durch die Klägerin dem Anspruch entgegensteht. Darüber hinaus hätte sie ihre Zustimmung auch bei
fristgerechter Antragstellung verweigert, da sich vorliegend bei der maximal sechsjährigen Förderungsdauer zugunsten von L ein Fördervolumen
von rund 30.000,00 EUR ergäbe. Da sie in ihrem Zuständigkeitsbereich für die Betreuung von rund 3.300 Bedarfsgemeinschaften zuständig sei
und hierfür nur äußerst begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, wäre somit eine Zustimmung unwirtschaftlich. In der Regel würden
schwer vermittelbare Arbeitslose für die Dauer eines halben Jahres mit einem monatlichen Eingliederungszuschuss von bis zu 500,00 EUR
gefördert (Stellungnahme der Beigeladenen vom 31.07.2006).
16 Hierzu weist der Vertreter der Klägerin am 24.08.2006 darauf hin, dass der Förderungszeitraum vorliegend nur zwölf Monate umfasst, da H
01.03.2007 in die Altersrente eintreten werde.
17 Das Gericht hat die Beigeladene mit Beschluss vom 28.06.2006 zu diesem Verfahren beigeladen.
18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem Gericht vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten, die Akten
der Beigeladenen und die Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
19 Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin kann zu Lasten der Beklagten Förderungsleistungen nach dem ATG beanspruchen. Dem steht
die fehlende Zustimmung der Beigeladenen nicht entgegen. Die Verweigerung der Zustimmung erweist sich als rechtsmissbräuchlich, so dass
diese durch das Gericht zu ersetzen ist.
20 Nach §§ 3, 4 ATG haben Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit Ansprüche auf
Aufstockungsleistungen. Die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen dieser Normen stehen zwischen den Beteiligten im Grunde
genommen außer Streit. Streitig ist einzig, ob der Leistungsbewilligung durch die Beklagte eine fehlende Zustimmung der Beigeladenen
entgegensteht.
21 In diesem Zusammenhang ist auf § 3 Abs. 1 Satz 2 ATG hinzuweisen. Hiernach erfüllt die Beschäftigung eines Ersatzarbeitnehmers, der zuvor
Arbeitslosengeld II bezogen hat, die tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen nur dann, wenn der Leistungsträger nach dem SGB II eine
Zusage nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 SGB II abgegeben hat.
22 § 16 Abs. 2 SGB II listet die freiwilligen Eingliederungsleistungen des Leistungsträgers nach dem SGB II auf. Hierzu gehören (u. a.) Leistungen
nach dem Altersteilzeitgesetz (§ 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 SGB II).
23 Hierzu ist aus den maßgeblichen Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 15/1516, Seite 83) wie folgt zu zitieren:
24 Mit den Änderungen wird erreicht, dass Arbeitgeber auch Erstattungen nach dem Altersteilzeitgesetz erhalten können, wenn sie den durch
Altersteilzeit frei werdenden Arbeitsplatz mit einem arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wieder besetzen. Voraussetzung ist eine
Kostenzusage nach dem SGB II. Die Förderkosten trägt in diesem Fall der Bund, der gleichzeitig von Leistungen an den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen entlastet wird und der Bundesagentur für Arbeit die erbrachten Förderleistungen nach dem Altersteilzeitgesetz erstattet.
25 Entgegen der Kommentierung bei Eicher/Spellbrink (SGB II, 2005, § 16 Rdnr. 195ff.) ist das Gericht der Auffassung, dass trotz § 16 Abs. 2 Satz 2
Nr. 6 SGB II die Förderungs- und Entscheidungszuständigkeit auch dann bei der Bundesagentur für Arbeit (bzw. der Beklagten) verbleibt, wenn
der eingestellte Ersatzarbeitnehmer zuvor Leistungen nach dem SGB II bezogen hat. Wenn aus dem Transformationsbefehl des § 16 Abs. 2 Satz
2 Nr. 6 SGB II abgeleitet wird, dass hierdurch ein Zuständigkeitswechsel auf die für die Ausführung des SGB II zuständigen Behörden erfolgt,
zugleich aber die Bundesagentur für Arbeit im Wege des gesetzlichen Auftrages tätig wird, ist nicht recht nachvollziehbar, weshalb dann
überhaupt eine Kostenzusage der SGB-II-Leistungsträger erforderlich sein sollte. Hierauf weisen Eicher/Spellbrink selbst hin. Somit bewendet es
auch vorliegend bei der auf §§ 1 Abs. 2, 12 ATG beruhenden Zuständigkeit der Beklagten. Diese Einschätzung wird offensichtlich auch von den
Beteiligten selbst geteilt.
26 Darüber hinaus ist zu betonen, dass die Aufstockungsleistungen nach §§ 3, 4 ATG Pflichtleistungen sind. Dies bedeutet, dass bei Erfüllung der
gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen ein unmittelbar durchsetzbarer Rechtsanspruch auf die Förderungsleistungen besteht (hierzu
Gussone/Voelzke, Altersteilzeitgesetz, 2000, § 4 Rdnr. 3). Dem hingegen stehen die besonderen Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 2
SGB II als freiwillige Leistungen im Ermessen des zuständigen Leistungsträgers. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass hierdurch die
Leistungen nach dem ATG bei Ersatzbeschäftigung eines ehemaligen SGB-II-Leistungsempfängers einem generellen Ermessensvorbehalt
unterstellt werden sollten (Münder, SGB II, 2005, § 16 Rdrn. 16). Daher führt diese gesetzliche Konstruktion zu einem - aus Sicht der
antragstellenden Arbeitgeber - kaum auflösbaren Spannungsverhältnis: Auch dann, wenn die tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen nach
dem ATG an sich zweifelsohne erfüllt sind, hängt die Förderung gleichwohl von der (im Ermessen stehenden) Mitwirkungshandlung einer
anderen Behörde ab, ohne dass der Arbeitgeber hierauf Einfluss nehmen könnte. Hierdurch werden die Rechtschutzmöglichkeiten des
Arbeitgebers in gravierender Weise beschnitten. Da die Zustimmungserklärung des SGB-II-Leistungsträgers keinen unmittelbar nach außen
reichenden Regelungsgehalt, sondern nur verwaltungsinterne Wirkungen entfaltet und somit keinen Verwaltungsakte darstellt (hierzu § 31
Sozialgesetzbuch X - SGB X), wäre es dem Arbeitgeber unter Beachtung herkömmlicher prozessrechtlicher Grundsätze kaum möglich, gegen
eine ablehnende Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit erfolgversprechend vorzugehen.
27 Dieses Spannungsverhältnis kann daher nur so aufgelöst werden, dass durch das Gericht im Rahmen eines entsprechenden Rechtsstreites, der
gegen die Bundesagentur für Arbeit geführt wird, zu prüfen ist, ob der SGB-II-Leistungsträger die erforderliche Zustimmung in
rechtsmissbräuchlicher Weise verweigert hat. Ist dies der Fall, muss die fehlende Zustimmung durch die gerichtliche Entscheidung ersetzt
werden können, um dem gesetzlichen Anspruch des Arbeitgebers und seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4
Grundgesetz - GG) zum Durchbruch zu verhelfen.
28 Dabei muss zudem Berücksichtigung finden, dass sich Sinn und Zweck von § 3 Abs. 1 Satz 2 ATG bzw. § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 SGB II nicht ohne
weiteres erschließen. Münder (a.a.O.) geht sogar davon aus, dass die Bedeutung dieser Normen im Dunkeln liegt. Nach dem Inhalt der oben
zitierten Gesetzesmaterialien soll wohl Berücksichtigung finden, dass Kostenträger der Leistungen nach dem ATG die Bundesagentur für Arbeit
ist (§§ 1 Abs. 2, 12 ATG) während die Aufwendungen, die durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) entstehen, vom Bund getragen
werden (§ 46 SGB II). Allerdings besteht für den in den Gesetzesmaterialien wohl vorausgesetzten Erstattungsanspruch der Arbeitsagentur
gegen den SGB-II-Leistungsträger bei Ersatzbeschäftigung eines ehemaligen Hilfeempfängers keine gesetzliche Grundlage. Weder das ATG
selbst noch das SGB II enthalten eine entsprechende Anspruchsnorm. Eine solche findet sich auch nicht in den §§ 102 ff. SGB X. Es erscheint
somit sehr zweifelhaft, ob ein entsprechender Erstattungsanspruch tatsächlich besteht. Im Hinblick auf § 31 Sozialgesetzbuch I (SGB I), der den
Vorbehalt des Gesetzes statuiert, dürfte alleine ein Hinweis in den Gesetzesmaterialien zur Begründung eines Erstattungsanspruches kaum
ausreichen.
29 Im übrigen bestimmt sich der Anspruch der Klägerin auf Aufstockungsleistungen im Rahmen der Altersteilzeit alleine nach dem ATG. § 16 Abs. 2
Satz 2 Nr. 6 SGB II führt nicht dazu, dass die gesetzlichen Bestimmungen des ATG durch gegenläufige oder anders lautende Vorschriften des
SGB II überlagert oder verdrängt werden. Dies gilt besonders für rein verfahrensrechtliche Vorschriften. Es ist nämlich ein allgemeiner Grundsatz
des Verwaltungsverfahrensrechtes, dass die jeweiligen Behörden nur den jeweils für sie gültigen Verfahrensvorschriften unterliegen.
30 Aus diesen rechtlichen Erwägungen ergibt sich für den vorliegenden Sachverhalt folgendes:
31 Aus § 12 Abs. 1 Satz 2 ATG ergibt sich, dass der Antrag auf Aufstockungsleistungen durch den Arbeitgeber binnen einer dreimonatigen Frist
auch mit rückwirkender Kraft gestellt werden kann. Diese Frist ist vorliegend zweifelsohne eingehalten. Vor diesem Hintergrund geht der
Einwand der Beigeladenen, L habe die Arbeit schon vor Antragstellung aufgenommen, so dass Förderungsleistungen grundsätzlich
ausgeschlossen seien, fehl. § 37 SGB II, der für den Bereich der Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende statuiert, dass Leistungen erst
ab Antragstellung erbracht werden, findet auf die Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten im Rahmen des ATG keine Anwendung. § 37
SGB II zielt erkennbar einzig auf die Individualansprüche der Hilfebedürftigen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ab.
32 Vor diesem Hintergrund ist die ursprüngliche Entscheidung der Beigeladenen, ihre Zustimmung wegen Fristversäumung nicht zu erteilen, von
vornherein ermessensfehlerhaft. Obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung (hierzu § 39 SGB I)
vorlagen, hat die Beigeladene nämlich von ihrem Ermessen zunächst gar keinen Gebrauch gemacht.
33 Auch die Ermessenserwägungen, die die Beigeladene in ihrer Stellungnahme vom 31.07.2006 nachgeschoben hat, erweisen sich als
unzutreffend. Hierbei geht die Beigeladene nämlich, worauf der Bevollmächtigte der Klägerin in seinem Schreiben vom 24.08.2006 zutreffend
hinweist, offensichtlich von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Der Arbeitnehmer H ist nämlich am 14.02.1944 geboren und seit dem
23.09.2002 schwerbehindert (Behinderungsgrad 50). Dies ergibt sich aus Blatt 10 der Verwaltungsakte der Beklagten. Vor diesem Hintergrund
ist es gut nachvollziehbar, dass H offensichtlich beabsichtigt, ab März 2007, d. h. im Anschluss an die passive Phase des
Altersteilzeitverhältnisses, eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236 a Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) in Anspruch zu nehmen.
Die entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen sind zweifelsohne gegeben. Daher erweisen sich die wirtschaftlichen Erwägungen, die
die Beigeladene unter Anknüpfung an die maximale Förderungsdauer von sechs Jahren anstellt, als offensichtlich fehlerhaft. Vielmehr werden
die Förderungsleistungen nach dem ATG vorliegend aller Voraussicht nach nur einen Zeitraum von zwölf Monaten umfassen. Somit können die
Überlegungen der Beigeladenen zur Wirtschaftlichkeit der Förderungsleistungen die Versagung der Zustimmung nicht rechtfertigen.
34 Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die Beigeladene ihre Zustimmung in rechtsmissbräuchlicher Weise alleine im Hinblick auf ihre
Partikularinteressen verweigert hat und dabei weder die wohlverstandenen Interessen der Klägerin noch die gesetzliche Verpflichtung der
Beklagten, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Leistungen nach dem ATG zu bewilligen, berücksichtigt hat. In diesem
Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, dass der allgemeine rechtliche Grundsatz von Treu und Glauben auch im Sozialrecht
Anwendung findet (hierzu Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, 4. Auflage 1999, Seiten 139ff.). Dies bedeutet, dass die Sozialrechtsbehörden im
Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit gehalten sind, die wohlverstandenen und berechtigten Interessen der Antragsteller und der sonstigen
Sozialbehörden in ihre Entscheidung mit einzubeziehen. Somit erweist sich eine Entscheidung, die aus einem reinen Partikularinteresse hinaus
getroffen wird und dabei die Interessen bzw. Belange der Leistungsempfänger bzw. sonstiger Behörden vollkommen außer Acht lässt, als
unzulässig.
35 Daher ist die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Durch dieses Urteil wird die fehlende Zustimmung der Beigeladenen ersetzt.
36 Trotz § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist dieses Verfahren kostenfrei. Denn auch Arbeitgeber, die um eine besondere
arbeitsförderungsrechtliche Vergünstigung prozessieren, handeln als Leistungsempfänger im Sinne von § 183 SGG (hierzu Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 183 Rdrn. 6).
37 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei hat das Gericht berücksichtigt, dass die Beigeladene durch ihr rechtsmissbräuchliches
Verhalten den vorliegenden Rechtsstreit veranlasst hat.
Verhalten den vorliegenden Rechtsstreit veranlasst hat.