Urteil des SozG Lüneburg vom 18.09.2007

SozG Lüneburg: aufschiebende wirkung, anfechtungsklage, niedersachsen, verwaltungsakt, hauptsache, interessenabwägung, auflage, vollziehung, verpflegung, verfügung

Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 18.09.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 24 AS 1202/07 ER
1. Die aufschreibende Wirkung der Klage vom 17. September 2007 gegen den Widerspruchsbescheid vom 03.09.2007
wird angeordnet. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ab
Antragstellung bei Gericht Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch ohne Berücksichtigung einer
Verpflegungspauschale aufgrund einer stationären Krankenhausbehandlung zu bezahlen. Diese Entscheidung ergeht
vorbehaltlich einer anderen Entscheidung im Hauptsacheverfahren. 2. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen
Kosten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Leistungen der Antragstellerin aufgrund einer stationären
Krankenhausbehandlung zu kürzen sind.
Die Antragstellerin steht im Leistungsbezug nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 12.07.2007 begab sie sich in eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Mit Bescheid vom 24.07.2007 hob die Antragsgegnerin den vorherigen Bewilligungsbescheid vom 02.06.2007 in Höhe
von monatlich 202,42 EUR auf. Sie führte zur Begründung aus, dass seit dem 12.07.2007 eine monatliche
Verpflegungspauschale aufgrund der stationären Behandlung zu berücksichtigen sei.
Hiergegen erhob die Antragsstellerin am 30.07.2007 Widerspruch mit der Begründung, eine Kürzung sei nicht
rechtens.
Am 21.08.2007 hat sie das Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht. Sie führt zur Begründung
aus, dass eine Kürzung der Regelleistung nicht vorgesehen sei. Ein Einkommen im Sinne des § 11 SGB II läge nicht
vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2007 gab die Antragsgegnerin dem Widerspruch teilweise statt. Die
Rückforderung in Höhe von 202,42 EUR für den Zeitraum 01.07. bis 31.08.2007 wurde aufgehoben. Im Übrigen wurde
der Widerspruch zurückgewiesen. Eine Kürzung der Leistungen ab dem 01.09.2007 in Höhe von 121,45 EUR sei
weiterhin vorzunehmen. Der Anteil an der Regelleistung für Nahrung und Getränke umfasse 35 %. Für die Zeit des
stationären Aufenthalts fielen diese Kosten nicht an.
Hiergegen erhob die Antragsgegnerin am 17. September 2007 Klage.
Sei beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. September 2007 gegen den Widerspruchsbescheid vom 3.9.07
anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und
die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die dem Gericht bei der Entscheidungsfindung vorgelegen
haben.
II.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den
Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung
ganz oder teilweise anordnen. Gemäß Satz 2 kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der
Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen worden ist.
Die aufschiebende Wirkung ist anzuordnen, wenn der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene
dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Ist die in der Hauptsache zulässige Klage hingegen aussichtslos,
wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten der Klage nicht abschließend zu
beurteilen, erfolgt eine allgemeine Interessenabwägung (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rz. 12c ff.).
Damit ist die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. September 2007 anzuordnen, denn die in der Hauptsache
zulässige Anfechtungsklage wird voraussichtlich Erfolg haben.
Zunächst entfaltet der Widerspruch des Antragstellers keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1
SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die
aufschiebende Wirkung in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 39 Nr. 1 SGB II haben
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Ein Widerspruch gegen die Entscheidung über die
Absenkung und den Wegfall von bereits bewilligten Arbeitslosengeld II (Alg II), entfaltet also keine aufschiebende
Wirkung (siehe hierzu auch Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Auflage, § 39 Rz. 12).
Ob bei einer stationären Krankenhausbehandlung ersparte Aufwendungen zu berücksichtigen sind, ist umstritten
(siehe nur Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2007 – L 7 AS 1431/07; Sozialgericht
Osnabrück, Urteil vom 20.06.2007 – S 24 AS 189/07; Sozialgericht Freiburg, Urteil vom 24.10.2006 – S 9 AS
1557/06; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.01.2007 – L 20 B 304/06 AS ER;
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.02.2000, L 7b 343/06 AS; Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29.01.2007; L 13 AS 14/06 ER).
Bereits unter Zugrundelegung dieser ungeklärten Rechtslage ist hier die aufschiebende Wirkung der Klage
anzuordnen, da bei einer Interessenabwägung das Aufschiebungsinteresse der Antragstellerin an dem Interesse einer
sofortigen Vollziehung überwiegt.
Darüber hinaus geht die erkennende Kammer jedoch derzeit auch von einem erfolgreichen Hauptsacheverfahren aus.
Denn eine Kürzung der Leistungen im Bezug nach dem SGB II aufgrund einer stationären Krankenhausbehandlung ist
rechtswidrig.
Zunächst ist eine Kürzung der Regelleistung selbst nicht möglich. Denn die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II ist
als Pauschbetrag ausgestellt. Dass eine Kürzung nicht möglich ist, hat der Gesetzgeber nunmehr auch in § 3 Abs. 3
Satz 2 SGB II klargestellt.
Damit käme eine Anrechnung der im Krankenhaus gewährten Verpflegung nur als Einkommen im Sinne des § 11 SGB
II in Betracht (ebenso Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.07.2007 – L 8 AS 186/07 ER).
Damit käme aber nur eine Anrechung über § 2 Abs. 4 ALG II/Sozialgeldverordnung in Verbindung mit der
Sachbezugsverordnung in Betracht.
Denn eine direkte Berücksichtigung als Einkommen nach § 11 SGB II ist nicht möglich. Denn die im Krankenhaus zur
Verfügung gestellte Ernähung hat keinen Marktwert (ebenso Sozialgericht Osnabrück, Beschluss vom 23.02.2007 – S
23 AS 58/07 ER; Landesozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.07.2007 – L 8 AS 186/07 ER).
Eine Anrechnung über § 2 Abs. 4 in Verbindung mit der Sachbezugsverordnung kommt aber ebenfalls nicht in
Betracht, da § 2 nur Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit erfasst. Darum aber handelt es sich bei einem
Aufenthalt im Krankenhaus nicht, sodass die Sachbezugsverordnung nicht anwendbar ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG).