Urteil des SozG Lüneburg vom 04.10.2007

SozG Lüneburg: versorgung, unmittelbare gefahr, unterbringung, vorrang, wechsel, unzumutbarkeit, vergleich, wohnung, beurteilungsspielraum, niedersachsen

Sozialgericht Lüneburg
Urteil vom 04.10.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 22 SO 19/07
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20. September 2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2006 verpflichtet, die ungedeckten Kosten der ambulanten Pflege der
Klägerin für die Zeit vom 6. Oktober 2005 bis 1. Dezember 2006 im gesetzlichen Umfang zu übernehmen. 2. Der
Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt die Übernahme der Kosten für die ambulant erbrachten Pflegeleistungen eines Pflegedienstes
durch den Beklagten.
Die 1914 geborene Klägerin bewohnt alleine eine Wohnung im I. in J ... Sie leidet an Demenz, Altersgebrechlichkeit
sowie Harninkontinenz und ist immobil.
Die Klägerin, die seit dem Jahr 2000 Leistungen der Pflegeversicherung erhält, ist seit 01. Juni 2004 in der
Pflegestufe III eingestuft, und die K. erbringt Sachleistungen in Höhe von monatlich 1432,- Euro. Seit 01. Oktober
2005 zahlt die Pflegekasse zusätzlich eine Zulage wegen erhöhten Betreuungsaufwandes bei Demenz. Die Klägerin
bezieht eine Witwenrente von der BfA, die ab Oktober 2005 892,55 Euro monatlich beträgt (Bl. 85 bis 86 der
Verwaltungsakte), und eine Altersrente von der LVA Hannover in Höhe von monatlich 455,48 Euro (Bl. 10 bis 11 der
Verwaltungsakte). Zusätzlich bezieht sie ein monatliches Ruhegehalt der Firma L. von 51,- Euro pro Monat (Bl. 84 der
Verwaltungsakte).
Die Klägerin schloss am 10. Juli 2005 einen Pflege – und Betreuungsvertrag mit ihrer Tochter M. (Bl. 74 bis 75 der
Verwaltungsakte), welche in N. lebt und auch ihre gesetzliche Vertreterin ist. Darin verpflichtete sich die Tochter zur
Zahlung eines monatlichen Betrages von 600,- Euro, der sich zusammensetzte aus 200,- Euro für die Beschaffung
von Essen und Getränken, 50,- Euro für die Beschaffung von Kleidung, 300,- Euro für Pflegeleistungen und 50,- Euro
für Taschengeld. Im Gegenzug verpflichtete sich die Tochter, notwendige Pflegemaßnahmen vorzunehmen, soweit
sie nicht vom Pflegedienst getragen werden würden, und für die Instandhaltung bzw. Reinigung der Wohnung, der
Kleidungsstücke der Klägerin, die Versorgung und Zubereitung der Speisen bzw. Getränke zu sorgen.
Die Klägerin stellte am 06. Oktober 2005 beim Beklagten einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten
(Bl. 57 bis 59 der Verwaltungsakte).
Bis zum 28. Oktober 2005 übernahm der Pflegedienst der Orthoklinik O. die ambulante pflegerische Versorgung der
Klägerin (Bl. 130 der Verwaltungsakte). Für den Monat Oktober erhielt die Klägerin eine Rechnung vom 08. November
2005 in Höhe eines Betrages in Höhe von 1.303,37 Euro, welcher sich aus der Gesamtsumme der erbrachten
Pflegeleistungen von 2.735,37 Euro nach Abzug der Pflegesachleistungen der P. ergab. Diesen Betrag beglich sie
bislang nicht.
Seitdem die Klägerin in Pflegestufe 3 eingestuft ist, ist fünfmal täglich ein Einsatz des ambulanten Pflegedienstes
erforderlich.
Nachdem der Pflegedienst der Ortho – Klinik den Pflegevertrag wegen der unzureichenden Betreuungssituation
kündigte, wie sich aus einem Schreiben des Medizinische Dienst der Krankenversicherung Q. vom 16. November
2005 entnehmen lässt (Bl. 89 der Verwaltungsakte), bezog die Klägerin in der Zeit vom 01. November 2005 bis zum
31. Juli 2006 ambulante Pflegeleistungen von dem Pflegedienst R., der dafür einen Betrag von monatlich 2.669,63
Euro für die Klägerin in Rechnung stellte, der sich aus der Differenz der Gesamtkosten von 4.101,63 Euro abzüglich
der Pflegesachleistung der P. ergab (vgl. Bl. 162 der Verwaltungsakte).
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Q. stellte im selben Schreiben fest, dass pflegerische und
medizinische Defizite bestünden, so dass die häusliche Pflegesituation nicht sicher gestellt sei. Die Defizite hätten
sich aufgrund einer Begutachtung am 18. Oktober 2005 in der Wohnung der Klägerin ergeben. Insbesondere seien
auch nachts pflegerische Maßnahmen erforderlich. Die Klägerin sei in der Nacht vom 02. auf den 03. Oktober 2005
aus dem Bett gefallen, ohne dass der Notruf betätigt worden sei.
Am 02. Februar 2006 legte die Tochter der Klägerin eine ärztliche Bescheinigung vor, nach der sie aus
gesundheitlichen Gründen außerstande sei, die Pflege der Klägerin in Pflegestufe 2 zu gewährleisten (Bl. 120 der
Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 14. Februar 2006 (Bl. 123 bis 124 der Verwaltungsakte) lehnte der Beklagte die Gewährung von
Leistungen der Hilfe zur Pflege mit der Begründung ab, dass die Klägerin derzeit über ein Barvermögen verfüge,
welches den Freibetrag von 2.600,- übersteige. Erst nach Verbrauch dieses vorrangig einzusetzenden Vermögens
könnten Sozialhilfeleistungen erbracht werden.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin keinen Rechtsbehelf ein. Sie erklärte mit Fax - Schreiben vom 17. Februar
2006 (Bl. 125 der Verwaltungsakte), dass ein Betrag von 1.500,- Euro bereits zur Begleichung von Pflegekosten
verwendet worden sei, zu deren Zahlung sich die Klägerin mit Vergleich vom 25. Januar 2006 verpflichtet habe (Bl.
127 bis 128 der Verwaltungsakte).
Am 20. April 2006 versuchte Dr. S. von Gesundheitsamt O. einen Hausbesuch bei der Klägerin durchzuführen,
welcher daran scheiterte, dass niemand die Tür öffnete (Bl. 183 der Verwaltungsakte). Am 09. Mai 2006 konnte dann
der Hausbesuch durchgeführt werden. Dabei stellte Dr. T. fest, dass keine notwendige Versorgung rund um die Uhr
erfolgt, sondern die Klägerin in der Zeit vom 22.00 Uhr bis 09.00 Uhr regelmäßig allein gelassen werde (Bl. 184 bis
185 der Verwaltungsakte). Es fänden nicht die erforderlichen pflegerischen Maßnahmen statt. Eine kontinuierliche
Pflege bzw. Pflegebereitschaft auch zur Nachtzeit sei zwingend erforderlich. Eine vollstationäre Pflege sei die beste
Lösung, auch wenn die Klägerin dies vehement ablehne.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin vom 17. Oktober 2005 mit Bescheid vom 20. September 2006 ab (Bl. 201
bis 203 der Verwaltungsakte) und begründete dies wie folgt:
Die ambulante Pflege sei im Vergleich zu einer stationären Unterbringung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten
verbunden. Die ungedeckten ambulanten Pflegekosten würden monatlich 2.654,56 Euro betragen. Davon könne ein
hauswirtschaftlicher Bedarf von 510,49 Euro abgesetzt werden, so dass ein ungedeckter Betrag von 2.144,07 Euro
verbleibe. Bei einer stationären Unterbringung im U., welche auch umgehend möglich sei, seien lediglich 2,18 Euro
ungedeckt. Durch eine stationäre Pflege sei die Versorgung der Klägerin rund um die Uhr sichergestellt, was bei der
ambulanten Betreuung nicht der Fall sei. Die Verweisung auf ein Pflegeheim sei auch zumutbar, weil eine
Unterbringung in Lüneburg garantiere, dass soziale Bindungen nicht aufgehoben werden würden.
Ferner sei der Antrag auch nach § 63 SGB XII abzulehnen, weil die häusliche Pflege nicht ausreichend sei. Denn die
Klägerin werde in der Zeit von 21.30 Uhr bis 09.00 Uhr nicht ausreichend versorgt, was aber wegen der
Inkontinenzversorgung, der Lagerung und der Anreichung von Medikamenten zwingend notwendig sei.
Dagegen legte die Klägerin am 23. Oktober 2006 Widerspruch ein (Bl. 208 der Verwaltungsakte), den sie wie folgt
begründete:
Dem Gutachten des MDK könne nicht entnommen werden, dass ein pflegerisches Defizit bestehe. Es sei lediglich
angemerkt worden, dass die nächtliche Versorgung anders zu gestalten sei, was mittlerweile auch geschehen sei. Die
Enkeltochter der Klägerin, Frau Krause, suche die Klägerin täglich in der Zeit von 23.30 Uhr bis 0.30 Uhr auf und führe
eventuell erforderliche Pflegemaßnahmen durch. Die Tochter der Klägerin suche sie später zwischen 3.30 Uhr und
4.30 Uhr auf. Die Klägerin lehne die Heimunterbringung vehement ab, was angesichts der Tatsache nachvollziehbar
sei, dass sie jede regelmäßige Änderung des Tagesablaufes registriere und mit Unruhe darauf reagiere. Die häusliche
Pflege habe Vorrang.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2006 zurück (Bl. 222 bis 225 der
Verwaltungsakte) und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:
Die ambulante Pflege decke nur einen Teilbereich des Pflegebedarfes der Klägerin und sei zudem unverhältnismäßig
teuer. Die vollstationäre Pflege sei mit monatlich 2.700,95 Euro im Vergleich zur ambulanten Betreuung mit 4.142,89
Euro deutlich günstiger und darüber hinaus voll bedarfsdeckend. Der Wechsel in eine stationäre Einrichtung sei der
Klägerin zumutbar, auch wenn sie diese innerlich ablehne. Der Klägerin stehe nach § 9 Absatz 2 SGB XII nur insoweit
ein Wunschrecht zu, als dadurch keine unverhältnismäßigen Mehrkosten verursacht werden würden. Der Vorrang der
ambulanten Leistung gelte gerade in diesem Fall nicht (§ 13 Absatz 1 Satz 4 SGB XII). Darüber hinaus müsse die
Kostenübernahme aber auch abgelehnt werden, weil die häusliche Versorgung nicht ausreichend sei. Eine Pflege rund
um die Uhr sei nicht gewährleistet. Insbesondere habe die Tochter der Klägerin selbst ein Attest vorgelegt, nach dem
sie gesundheitlich nicht in der Lage sei, pflegerische Maßnahmen der Pflegestufe 3 vorzunehmen.
Die Klägerin hat am 23. Januar 2007 Klage erhoben.
Sie trägt vor:
Wegen der Verweigerungshaltung der Klägerin sei oftmals ein Einsatz von 2 Pflegepersonen notwendig. Eine allein
ehrenamtliche Versorgung sei nicht möglich. Nunmehr werde nach der Insolvenz des Pflegedienstes V. die Pflege
durch den Pflegedienst W. erbracht. Es entstünden nunmehr insgesamt Kosten von 2.480,11 Euro, von denen nach
Abzug der Pflegesachleistung ein ungedeckter Betrag von 1.047,89 Euro verbliebe. Darüber hinaus müsse dem
Wunschrecht der Klägerin Vorrang eingeräumt und berücksichtigt werden, dass die häusliche Pflege gemäß § 3 SGB
XI Vorrang habe. Die Klägerin reagiere auf geringste Änderungen im Tagesablauf mit zusätzlicher Unruhe. Zudem
bestünde kein Mangel der häuslichen Pflegesituation. Die Tochter der Klägerin sei zumindest in der Lage, einzelne
Hilfen im Rahmen der Pflege zu leisten.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 20. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 20. Dezember 2006 den Beklagten zu verpflichten, die ungedeckten Kosten der ambulanten Pflege der Klägerin
für die Zeit vom 06. Oktober 2005 bis 01. Dezember 2006 im gesetzlichen Umfang zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Das Wunschrecht der Klägerin und das Vorrangigkeitsprinzip ambulanter Leistungen fänden eine Begrenzung in der
Unverhältnismäßigkeit der Kosten. Der Klägerin sei zumutbar, in einem Pflegeheim untergebracht zu werden.
Persönliche Umstände, wie als junger Mensch nicht in einem Altenheim untergebracht zu werden, stünden dem nicht
entgegen. Auch sei nicht der Verlust sozialer und familiärer Bindungen zu befürchten. Auf die Abwehrhaltung der
Klägerin könne es ebenso wenig entscheidend ankommen wie auf die Frage der Sensibilität hinsichtlich von
Veränderungen im persönlichen Lebensumfeld. Dies werde durch die Tatsache belegt, dass in der Vergangenheit
mehrfach ein Wechsel des ambulanten Pflegedienstes stattgefunden habe und die Klägerin diese personelle
Veränderung überwunden habe. Die Tochter könne die Klägerin im Heim besuchen. Dies entspreche im Übrigen auch
der jetzigen Situation. Darüber hinaus entstünden auch nach dem erneuten Wechsel des Pflegedienstleisters zum 01.
Dezember 2006 ungedeckte Pflegekosten von etwa 1050,- Euro, welche unverhältnismäßige Mehrkosten zu
vergleichsweise anfallenden Heimkosten darstellten. Im Übrigen bestehe mit dem Pflegedienst W. kein Vertrag nach §
75 Absatz 5 SGB XII, § 72 SGB XI, so dass eine Kostenerstattung allein aus diesem Grund nicht in Betracht komme.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines pflegesachverständigen Gutachtens durch Dr. X. vom 21.
April 2007 ( Bl. 42 bis 48 der Verwaltungsakte), Darin gelangt diese zu dem Ergebnis, dass die ambulante Pflege
ausreichend ist und sich ihr Zustand bei einer stationären Unterbringung deutlich verschlechtern würde, weil sie ihre
gewohnte Umgebung verlassen müsste. Eine Heimaufnahme würde, wie bereits die Hausärztin festgestellt hat, zu
einem vorzeitigen Versterben führen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt
der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 20. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember
2006 erweist sich im tenorierten Umfang als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide sind im Rahmen der Hilfe zur Pflege bzw. Eingliederungshilfe §§ 61, 13
Absatz 1 Satz 4 SGB XII. Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 61 SGB XII liegt im vorliegenden zweifelsfrei vor. Auch
der Umfang ist unstreitig.
Gemäß § 13 Absatz 1 SGB XII können Leistungen entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung
des Bedarfes außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen
erbracht werden. Bei letzteren handelt es sich um Einrichtungen, in den der Hilfebedürftige lebt und die erforderlichen
Hilfeleistungen erhält. Nach § 13 Absatz 1 Satz 4 SGB XII gilt der Vorrang der ambulanten Leistungen nicht, wenn
eine Leistung in einer geeigneten stationären Einrichtung zumutbar ist und eine ambulante Leistungen mit
unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Auf den Mehrkostenvergleich kommt es nach § 13 Absatz 1 Satz 5,
7 SGB XII nicht an, wenn die stationäre Unterbringung unzumutbar ist (vgl. Beschluss des Landessozialgerichtes
Niedersachsen – Bremen vom 07. Juni 2007, - L 8 SO 118/07 ER -).
Bei der Zumutbarkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff dessen Auslegung sich insbesondere an
§ 13 Absatz 1 Satz 6 SGB XII orientiert (vgl. Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm, Kommentar zum SGB XII, § 13, Rdn. 6;
Grube/ Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 13, Rdn. 5). Nach dieser Norm sind die persönlichen, familiären und
örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Im Rahmen des Begriffes der Angemessenheit steht dem
Sozialhilfeträger ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm aaO.). Dabei ist eine
Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen (vgl. Beschluss des Sozialgerichtes Hamburg vom 15. Dezember
2005, - S 50 SO 583/05 ER -), welche immer auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt sein muss (vgl. Beschluss des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 11. Februar 2000, - 13 B 3030/99 -).
Unzumutbarkeit liegt in der Regel dann vor, wenn bei einer stationären Unterbringung unmittelbare Gefahr für Leib oder
Leben droht, etwa wenn ernsthaft mit einem Suizid des Hilfebedürftigen zu rechnen ist (vgl. Beschluss des
Landessozialgerichtes Niedersachsen – Bremen vom 07. Juni 2007 aaO.). Gleiches gilt, wenn er in der Einrichtung
nichtmenschenwürdig wohnt oder wegen erheblicher Qualitätsmängel nicht fachgerecht betreut wird (vgl. LPK – SGB
XII – Krahmer, § 13, Rdn. 9; Beschluss des Sozialgerichtes Hamburg vom 15. Dezember 2005, - S 50 SO 583/05 ER
-).
Unzumutbarkeit aus persönlichen Gründen liegt auch vor, wenn ein junger Pflegebedürftiger auf das Altersheim
verwiesen wird (vgl. Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 28. August 1996, - 4 L 1845/96 -;
Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm, aaO.)
Ein persönlicher Umstand besteht in dem Verlust der sozialen Gemeinschaft, welche bei Eintritt in ein Heim verloren
gehen würde (vgl. Grube/ Wahrendorf, § 13, Rdn. 5).
Familiäre Umstände liegen vor, wenn beispielsweise eine Pflege durch einen Angehörigen bei Wechsel in eine Heim
nicht fortgesetzt werden könnte (vgl. LPK – SGB XII – Krahmer aaO.)
Im vorliegenden Fall ergibt eine Gesamtabwägung aller entscheidungserheblichen Umstände, insbesondere unter
Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. Y., dass eine Heimunterbringung der Klägerin nicht unzumutbar ist:
Dr. X. begründet schlüssig zum einen, dass die pflegerische Versorgung im Gegensatz zu der Ansicht des Beklagten
im ambulanten Umfang ausreichend ist und keine Pflegemängel erkennbar seien. Zum andere würde eine
Unterbringung 93 – jährigen Klägerin im Heim zu ihrem vorzeitigen Versterben führen. Dies deckt sich mit der
Einschätzung der Hausärztin. Ferner ist einer Pflege durch die Töchter im Heim nicht mehr möglich, was einen
familiären und persönlichen Grund der Unzumutbarkeit nach der oben dargelegten Kasuistik darstellen kann. Diesen
Aspekt hat der Beklagte im Rahmen des eingeräumten Beurteilungsspielraumes überhaupt nicht berücksichtigt.
Darüber hinaus hält es die Kammer für unverhältnismäßig, die 93-jährige Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt noch
stationär unterzubringen. Auch insoweit wurde der Beurteilungsspielraum fehlerhaft ausgefüllt und ausgeübt.
Die Kammer greift bei Entscheidung des Rechtsstreites auch nicht in den Beurteilungsspielraum ein, weil
denknotwendig bei Verneinung der Zumutbarkeit einer stationären Unterbringung in der vorliegenden Konstellation nur
noch die begehrte ambulante Betreuung in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.