Urteil des SozG Lüneburg vom 25.02.2010

SozG Lüneburg: erwerbsfähiger, brot, heimbewohner, eingliederung, erlass, verwaltungsakt, form, zukunft, einsichtsfähigkeit, abrede

Sozialgericht Lüneburg
Urteil vom 25.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 44 AS 211/07
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der dem Kläger im Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 zustehenden
Regelleistung.
Der 1962 geborene Kläger bezog bis zum 31. Dezember 2004 Sozialhilfe und steht seit 1. Januar 2005 im Bezug von
Arbeitslosengeld II. Seit Einstellung der Unterstützung durch seine Eltern zum 1. Februar 2006 bewilligte die Beklagte
dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 10. Februar 2006 und Bewilligungsbescheid vom 12. April 2006 für die Zeit
vom 1. Februar 2006 bis 31. Mai 2006 Leistungen in Höhe von 627,91 EUR und mit Änderungsbescheiden vom 24.
August und Aufhebungsbescheid vom 15. November 2006 für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Oktober 2006 in Höhe von
625,91 EUR. In dieser Höhe gewährte sie die Leistungen für die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. April 2007 mit
Bewilligungsbescheid vom 28. September 2006 weiter.
Unter dem 24. April 2006 hatte die Beklagte mit dem Kläger eine bis zum 24. Oktober 2006 befristete
Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Darin verpflichtete sich der Kläger u.a., an allen Maßnahmen der
Eingliederung mitzuwirken. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt die Belehrung, dass das Arbeitslosengeld in einer
ersten Stufe um 30 % der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II) abgesenkt werde, wenn er
nicht bereit sei, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit aufzunehmen oder fortzuführen, ohne hierfür einen wichtigen
Grund nachzuweisen. Dem Kläger wurde eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung als Helfer in der
Beschäftigungstherapie im E. Seniorenzentrum angeboten. Er nahm die Tätigkeit am 11. September 2006 auf. Sie
wurde auf Veranlassung des E. Seniorenzentrums mit Zustimmung der Beklagten bereits am 12. September 2006
abgebrochen. Die stellvertretende Pflegedienstleiterin Frau F. teilte in einem Vermerk vom 12. September 2006 mit,
dass der Kläger eine lautstarke Diskussion über die Ernährung begonnen, die Mitarbeiter in sehr aggressivem Ton
beschimpft habe, wodurch sich diese bedrängt gefühlt hätten. In Absprache mit der Einrichtungsleitung war der Kläger
nach dem Vorfall von der stellvertretenden Pflegedienstleiterin nach Hause geschickt worden, weil das Verhalten des
Klägers für die Einrichtung nicht angemessen und nicht tragbar war.
Nach Anhörung teilte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Oktober 2006 dem Kläger mit, dass das Arbeitslosengeld II
für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 um 30 v. H. der Regelleistung - hier 104,- EUR - abgesenkt
werde. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung werde gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
X) aufgehoben. Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe nur nach seinem Gewissen gehandelt,
oberste Priorität habe das Wohl der ihm anvertrauten Heimbewohner gehabt und sein energisches Auftreten sei
dringend erforderlich und der Situation angemessen gewesen. Zumindest habe er nach bestem Wissen und Gewissen
in dem sicheren Glauben gehandelt, durch sein Vorgehen seiner gesetzlichen Verpflichtung gerade auch im Hinblick
auf die Eingliederungsvereinbarung in besonderem Maße nachzukommen. Er sei nicht darüber belehrt worden, dass
ein ethisch korrektes Verhalten eine Pflichtverletzung darstelle. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 17. Januar 2007 zurückgewiesen: Die Beklagte führte aus, das Servieren von Weißbrot zum Frühstück stelle
keine, wie vom Kläger behauptet, gesundheitliche Gefährdung der Heimbewohner dar, die sein Einschreiten
erforderlich gemacht hätte. Er habe für sein Verhalten keinen wichtigen Grund und schon gar nicht für die aggressiv
geführte Diskussion aus nichtigem Anlass. Ihm habe bewusst sein müssen, dass ein derartiges Fehlverhalten zu
einem Ausschluss von der Maßnahme führen kann.
Hiergegen hat der Kläger am 15. Februar 2007 Klage vor dem Sozialgericht Lüneburg erhoben, mit der er sein
Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17. Januar 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat im vorbereitenden Verfahren eine schriftliche Auskunft der Pflegeassistentin G., Winsen/Luhe, vom
23. Februar 2010 eingeholt. Außerdem wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2010 der Kläger
gehört und die Krankenschwester H., Dage, als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf die schriftliche Aussage und die Sitzungsniederschrift vom 25. Februar 2010 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und
die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der
Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig, sie ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2007 ist
nicht rechtswidrig, die Beklagte hat die Bewilligung zu Recht für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007
in Höhe von 104,- EUR monatlich aufgehoben.
Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche
Änderung ist (mit Wirkung für die Zukunft) eingetreten, weil die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB II für eine
Absenkung des Arbeitslosengeldes II vorgelegen haben.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in
einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden
Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine
zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat. Eine
Absenkung tritt nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht ein, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige für sein Verhalten
einen wichtigen Grund nachweist. Die Absenkung tritt mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das
Wirksamwerden des Verwaltungsakts, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt (§ 31 Abs. 6
Satz 1 Halbsatz 1 SGB II).
Der Kläger hatte seit 11. September 2006 eine Arbeitsgelegenheit im CURA Seniorenzentrum ausgeübt, die den
gesetzlichen Anforderungen an eine Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II genügt. Ob das Vorgehen der
Beklagten, die Arbeiten durch kommunalen Beschäftigungsgesellschaften anzubieten, zulässig war, kann dahin
stehen, nachdem der Kläger die Arbeit aufgenommen hatte.
Durch sein Verhalten am zweiten Tag der Tätigkeit hat er Anlass für den Abbruch gegeben. "Anlass für den Abbruch"
gibt, wer durch sein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger dem Leistungs- bzw.
Maßnahmeträger Grund gibt, die Eingliederungsmaßnahme zu beenden. Denn es kann wertungsmäßig keinen
Unterschied machen, ob ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger selbst die Maßnahme beendet oder den Maßnahme- bzw.
Leistungsträger durch sein vorwerfbares Verhalten zwingt, ihn von der Maßnahme auszuschließen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass das vom Kläger gezeigte
Sozialverhalten den Abbruch durch den Maßnahmeträger gerechtfertigt hat und dies dem Kläger bewusst war. Der
Kläger stellt nicht in Abrede, dass er eine lautstarke Diskussion darüber geführt hat, dass Weißbrot und Zucker
ungesund seien. Die Zeugin Frau G. fühlte sich dadurch bedroht, wie der Kläger selbst bemerkt hatte. Die Aussagen
der Zeuginnen G. und H. sind übereinstimmend, entsprechen den gegenüber der Beklagten unmittelbar nach dem
Vorfall gemachten Angaben und sind somit glaubhaft.
Insbesondere das Verhalten gegenüber der Zeugin H. belegt, dass es dem Kläger nicht um eine sachliche
Auseinandersetzung, sondern um eine verbale Bedrohung und damit eine Störung des Betriebsfriedens ging.
Ein Arbeitnehmer, der bereits am zweiten Tag der Tätigkeit für Unruhe sorgt, weiß, dass ein solches
Beschäftigungsverhältnis nicht fortgeführt wird. Es sind keine Gründe ersichtlich und vom Kläger auch nicht
vorgetragen worden, dass er nicht über diese Einsichtsfähigkeit verfügt.
Gründe:
entgegen stehen könnten, sind nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere mit Rücksicht auf die vom Kläger geltend
gemachten Gewissensgründe. Zum einen konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass er über bessere
Erkenntnisse als die ausgebildeten Kräfte verfügte. Jedenfalls rechtfertigt seine Auffassung nicht die festgestellten
aggressiven Verhaltensweisen.
Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er über die Rechtsfolgen eines Abbruchs der Maßnahme nicht belehrt worden
ist, zumal die Eingliederungsvereinbarung bereits eine Rechtsfolgenbelehrung enthielt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR nicht übersteigt, ist die Berufung ausgeschlossen (§ 144 Abs.
1 SGG). Es hat kein Anlass bestanden, die Berufung zuzulassen (§ 144 Abs. 2 SGG).