Urteil des SozG Lüneburg vom 03.03.2008

SozG Lüneburg: wohnung, umzug, hauptsache, mietvertrag, erlass, vermieter, zusicherung, gefahr, rechtsschutz, feststellungsklage

Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 03.03.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 30 AS 238/08 ER
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Zustimmung nach § 22 Abs. 2
SGB II.
Der Antragsteller lebt derzeit bei seiner Mutter und beabsichtigt, in eine andere Wohnung umzuziehen. Die in Aussicht
genommene Wohnung hat eine Wohnfläche von 39,94 m²; die Miete (Kaltmiete nebst Nebenkosten ohne Heizkosten)
beträgt 240,00 EUR monatlich. Im Dezember 2007 reichte der Antragsteller beim Antragsgegner den zu
unterzeichnenden Mietvertrag der Wohnung E., in F., ein. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 teilte der
Antragsgegner dem Antragssteller mit, dass er Kaltmiete in Höhe von 128,85 EUR, Betriebskosten in Höhe von 56,24
EUR sowie Heizkosten in Höhe von 22,24 EUR anerkennen werde, jedoch keine darüber hinausgehenden Beträge.
Am 03. Januar 2008 reichte der Antragsteller den Mietvertrag für die Wohnung für die Zeit ab 01. März 2008 ein. Mit
Schreiben vom 08. Februar 2008 rügte der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner, dass er bisher keinen
Bewilligungsbescheid über die Kosten der Unterkunft erhalten habe. Mit Schreiben vom 12. Februar 2008 teilte der
Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass ein rechtsmittelfähiger Bescheid hinsichtlich der Kosten der Unterkunft
derzeit nicht erstellt werden könne, da offenbar der Umzug aus ggf. finanziellen Gründen fraglich sei. Der Antragsteller
wurde zugleich aufgefordert, die Einstufung der SVO hinsichtlich seiner Heizkosten mitzuteilen sowie mitzuteilen, ob
ein Umzug erfolgen werde. Im Anschluss würde ein gewünschter Bescheid erstellt werden.
Am 14. Februar 2008 beantragte der Antragsteller bei Gericht die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der
einstweiligen Anordnung, ihm eine Zustimmung zur Anmietung der Wohnung gemäß § 22 Abs. 2 SGB II zu erteilen.
Er trägt vor, er habe sich intensiv um eine Wohnung bemüht. Die avisierte Wohnung sei hinsichtlich der Größe und
der Kosten angemessen. Der Antragsgegner habe mündlich mitgeteilt, dass er keine Bestätigung der Kosten der
Unterkunft geben würde. Bei der avisierten Wohnung handele es sich um die einzige verfügbare und zugängliche
Wohnung. Der Vermieter mache die Unterzeichnung des Mietvertrages davon abhängig, dass der Antragsgegner die
Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 2 SGB II zusichere.
Der Antragsgegner trägt vor, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Erteilung der Zusicherung für die
Aufwendungen für die in Aussicht genommene Wohnung in Celle. Die Kosten der Unterkunft seien zu hoch, um sie
vollständig anzuerkennen. Im Übrigen sei es zweifelhaft, ob es sich um einen erforderlichen Umzug im Sinne des
Gesetzes handele.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag
eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.
Voraussetzung für den Erlass der hier vom Antragsteller begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2
SGG, mit der er die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit
der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch).
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 Abs.
2 ZPO).
Dabei darf die einstweilige Anordnung des Gerichts wegen des summarischen Charakters dieses Verfahrens
grundsätzlich nicht die endgültige Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, weil sonst die Erfordernisse, die
bei einem Hauptsacheverfahren zu beachten sind, umgangen würden. Auch besteht die Gefahr, dass eventuell in
einem Eilverfahren vorläufig, aber zu Unrecht gewährte Leistungen später nach einem Hauptsacheverfahren, dass zu
Lasten des Antragstellers ausginge, nur unter sehr großen Schwierigkeiten erfolgreich wieder zurückgefordert werden
könnten. Daher ist der vorläufige Rechtsschutz nur dann zu gewähren, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare,
anders nicht abzuwendende Nachteile entstünden, zur deren Beseitigung eine spätere Entscheidung in der
Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69, 74 m.w.N.)
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im vorliegenden Fall unzulässig.
1. Soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Zustimmung im Sinne von § 22
Abs. 2 SGB II begehrt, ist diese kein Verwaltungsakt. Da eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der Zustimmung
somit nicht zulässig wäre, kann es auch ein (Verpflichtungs-) Antrag im Eilverfahren nicht sein.
2. Ein Antrag auf Verpflichtung des Antragstellers auf Bewilligung der Kosten der Unterkunft für die in Aussicht
genommene Wohnung – der in dieser Form gerade nicht gestellt wurde – würde daran scheitern, dass der
Antragsteller die Wohnung noch nicht angemietet hat und die Kosten der Unterkunft daher bislang nicht entstehen.
Darüber hinaus ist es offenbar zweifelhaft, ob es überhaupt zu dem Umzug kommen wird. Über fiktive bzw. zukünftig
entstehende Kosten kann der Antragsgegner jedoch keinen Bescheid erteilen.
3. Auch die Umdeutung des Antrags im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes auf Verpflichtung des
Antragsgegners zur Erteilung der Zustimmung in einen Antrag auf vorbeugende Feststellung, dass die in Aussicht
genommene Wohnung angemessen im Sinne von § 22 SGB II ist, führt nicht zum Erfolg.
Zwar kann in Ausnahmefällen ein Begehren mit der vorbeugenden Feststellungsklage verfolgt werden, wenn ein
überschaubarer, das heißt sich voraussichtlich realisierender Sachverhalt geschildert wird und ein berechtigtes
Interesse gerade an einer baldigen vorbeugenden Feststellung, also ein spezielles, auf die in Anspruchnahme
vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse besteht (Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, Randnr. 8a zu § 55).
Aus dem Vortrag des Antragstellers, der Vermieter werde den Mietvertrag nur unterzeichnen, wenn eine Zustimmung
des Antragsgegners nach § 22 Absatz 2 SGB II vorliege, ergibt sich zwar ein Interesse an einer vorbeugenden
Feststellung. Jedoch kann dieses durch eine Anordnung im einstweiligen Rechtsschutz nach dem Vortrag des
Antragstellers nicht befriedigt werden. Denn im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes können nur vorläufige
Leistungen festgestellt werden. Gleiches gilt dementsprechend für vorbeugende Feststellungen. Auch die begehrte
Feststellung, die in Aussicht genommene Wohnung sei angemessen im Sinne von § 22 SGB II, könnte nur vorläufig
ausgesprochen werden mit der Maßgabe, dass diese Feststellung im Hauptsacheverfahren hinfällig werden könnte.
Dies genügt jedoch nicht dem Begehren des Antragstellers – und den Anforderungen des Vermieters –, da dieser
letztlich eine Absicherung seiner Miete für die Dauer des Mietverhältnisses begehrt.
Ein Begehren bezogen auf eine vorläufige Absicherung verbunden mit der Unsicherheit, möglicherweise doch die
Kosten einer unangemessenen Wohnung tragen zu müssen, kann im vorliegenden Fall gerade nicht gesehen werden.
Der Vermieter verlangt vor Abschluss des Mietvertrages eine Zusicherung nach § 22 Absatz 2 SGB II, statt dem
Antragsteller die Wohnung zu vermieten und diesen das Risiko, dass nicht die gesamten Kosten der Unterkunft
übernommen werden, tragen zu lassen. Hieraus wird deutlich, dass vor Abschluss des Mietvertrages eine dauerhafte
Absicherung der Mietzahlungen begehrt wird, auch vom Antragsteller, der auf den Vertragsabschluss des Vermieters
angewiesen ist. Anderenfalls bestünde auch die Möglichkeit, einen Mietvertrag abzuschließen und gegebenenfalls auf
nicht übernommene Kosten durch den Antragsgegner zu reagieren, zum Beispiel mit der Einleitung gerichtlicher
Verfahren. Ein Ausspruch einer vorläufigen Feststellung würde diesem Begehren gerade nicht Rechnung tragen.
Hierfür bedürfte es darüber hinaus auch eines Hauptsacheverfahrens. Zwar bestünde die Möglichkeit, eine
vorbeugende Feststellungsklage zu erheben, was bisher jedoch nicht geschehen ist. Im Eilverfahren wäre ein
entsprechender Ausspruch aus den o. g. Gründen aber auch dann nicht möglich, so dass es hierauf letztlich nicht
ankommt.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die die Durchführung des Eilverfahrens war gem. § 73 a SGG i.V.m. § 114
ZPO abzulehnen, weil das Verfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).