Urteil des SozG Lüneburg vom 23.04.2008

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Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 23.04.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 30 AS 538/08 ER
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückzahlung
verpflichtet, den Antragstellern anlässlich ihres Umzugs in die E. Leistungen in Höhe von 1.544,32 EUR zu bewilligen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des
Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragsteller erhielten von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18. Dezember 2007 eine Aufforderung, die
Kosten ihrer seinerzeitigen Unterkunft in der F. in G. bis zum 30. Juni 2008 zu senken. In der Folge holten die
Antragsteller mehrere Angebote ein und gaben auch selbst Anzeigen in der örtlichen Presse auf. Schließlich kam für
eine Wohnung in der E. in G. ein Mietvertrag zustande. Die Miete für die neue Wohnung entspricht den Vorgaben der
Antragsgegnerin hinsichtlich der Höhe der zu zahlenden Kosten der Unterkunft und ist daher kostenangemessen. Die
Antragsteller stellten in der Folge verschiedene Anträge auf Übernahme von Kosten anlässlich des Umzuges in die
neue Wohnung, die von der Antragsgegnerin abgelehnt wurden. Bis auf einen Ablehnungsbescheid vom 27. März
2008 wurde von den Antragstellern gegen alle ablehnenden Bescheide Widerspruch eingelegt.
II.
Der Antrag ist im tenorierten Umfang begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag
eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.
Voraussetzung für den Erlass der hier von den Antragstellern begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz
2 SGG, mit der er die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen
Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch der Antragsteller auf die begehrte Regelung
(Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3
SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Das Gericht geht davon aus, dass die Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft, also auch für Frau Heike H.,
beantragt wurden. Es wäre zwar im gerichtlichen Verfahren eine Antragstellung aller Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft notwendig, das Gericht legt den Antrag jedoch zu Gunsten der unvertretenen Antragsteller so
aus, dass die Leistungen von beiden Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft begehrt werden.
Im vorliegenden Fall wurde ein Anordnungsanspruch in Höhe von insgesamt 1.544,32 EUR glaubhaft gemacht. Der
Betrag setzt sich im Einzelnen zusammen wie folgt:
1. Umzugskosten 521,63 EUR 2. Maklergebühren 178,50 EUR 3. Auszugsrenovierung 394,19 EUR 4. zweite Miete
450,00 EUR.
1. Die Antragsteller haben einen Anspruch nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II auf Übernahme der Kosten für die
Durchführung des Umzugs mit einem Umzugsunternehmen in Höhe von 521,63 EUR.
Die Antragsteller haben vorgetragen und mittels ärztlicher Atteste glaubhaft gemacht, dass sie selbst nicht in der
Lage sind, einen Umzug durchzuführen, der regelmäßig mit dem Tragen von schweren Lasten verbunden ist. Soweit
die Antragsteller vortragen, sie hätten keine Freunde, die ihnen beim Umzug behilflich sein könnten, kann die
Antragsgegnerin nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass dies doch der Fall sei. Es ist keineswegs
selbstverständlich, dass jedem Leistungsempfänger Freunde oder Verwandte zur Seite stehen, die ihm beim Umzug
behilflich sein können oder wollen. Soweit die Antragsteller vortragen, ein solches Umfeld und eine derartige
Hilfemöglichkeit bestehe nicht, ist dies glaubhaft und die Antragsgegnerin kann nicht ohne substanzielle andere
Erkenntnisse davon ausgehen, dass dies doch der Fall sei. Unter diesen Umständen haben die Antragsteller
Anspruch auf die Gewährung der Kosten für die Beauftragung eines Umzugsunternehmens. Die Antragsteller haben
mehrere Kostenvoranschläge eingeholt; der günstigste beläuft sich auf 521,63 EUR. In dieser Höhe war der Anspruch
der Antragsteller glaubhaft gemacht.
2. Die Antragsteller haben weiter einen Anspruch auf Übernahme der Maklergebühr in Höhe von 178,50 EUR nach §
22 Abs. 3 SGB II.
Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, es seien auch auf dem freien Wohnungsmarkt Wohnungen ohne Maklercourtage
zu finden und als Beleg hierfür die von den Antragstellern vorgelegten Wohnungsangebote anführt, bei denen gerade
keine Maklercourtage gefordert wurde, greift dieses Argument nicht durch. Die Antragsteller haben in der Tat
verschiedene Wohnungsangebote vorgelegt, bei denen keine Maklercourtage gefordert wurde. Jedoch sind all diese
Mietverhältnisse nicht zustande gekommen. Darüber hinaus haben sie selbst Anzeigen in der örtlichen Presse
geschaltet, ohne dass hierauf ein Mietverhältnis folgte. Dies spricht nach Auffassung der Kammer dafür, dass die
Anmietung einer preisgünstigen Wohnung in G. Schwierigkeiten begegnet. Darüber hinaus standen die Antragsteller
unter Zeitdruck, da sie bis zum 30. Juni 2007 ihre Kosten der Unterkunft gesenkt haben mussten. Unter diesen
Umständen und insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass (ohne Einschaltung eines Maklers) mehrere
Mietverhältnisse nicht zustande kamen, rechtfertigt dies jedenfalls im Eilverfahren die Annahme, dass die
Einschaltung eines Maklers zur Erlangung einer preisgünstigen Wohnung notwendig war. Soweit die Antragstellerin
auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 13. März 2008 verweist, sei darauf hingewiesen, dass
Wohnungsbeschaffungskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II keineswegs in voller Gänze lediglich als Darlehen erbracht
werden. Dies gilt ausschließlich für die Mietkaution. Eine Mietkaution und eine Maklercourtage sind jedoch zwei
unterschiedliche Kostenfaktoren. Die Maklercourtage ist daher als nicht rückzahlbare Beihilfe zu gewähren.
3. Die Antragsteller haben ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung der notwendigen Aufwendungen für die
Auszugsrenovierung in Höhe von 394,19 EUR nach § 22 Abs. 1 SGB II.
Der Antrag der Antragsteller auf Gewährung von Leistungen für eine Ein- und Auszugsrenovierung wurde mit Bescheid
vom 27. März 2008 abgelehnt. Da in diesem Bescheid jedoch keine Entscheidung über die Auszugsrenovierung
wurde, sondern lediglich über die Einzugsrenovierung entschieden wurde, geht die Kammer davon aus, dass über den
Antrag auf Gewährung einer Auszugsrenovierung noch nicht entscheiden wurde und der Eilantrag zulässig ist.
Die Kosten für eine Auszugsrenovierung sind nicht, wie in § 22 Abs. 3 SGB II gefordert,
Wohnungsbeschaffungskosten, da sie nicht der Erlangung der neuen Wohnung dienen. Diese Kosten sind vielmehr
nach § 22 Abs. 1 SGB II als Leistungen für die Unterkunft zu erbringen. Die Auszugsrenovierung gehört direkt zum
Unterkunftsbedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 11.09.06, Az.: L
9 AS 409/06 ER). Die angemessenen Unterkunftskosten im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II umfassen nach der
Rechtsprechung des Landessozialgerichts nicht nur die laufenden Kosten, sondern auch einmalige Aufwendungen, die
mit Bezug, Unterhaltung und Wechsel der Unterkunft zusammenhängen (LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O.,
m.w.N.). Die sach- und fristgerechte Durchführung von Schönheitsreparaturen, wozu auch die Auszugsrenovierung
rechnet, wird mietvertraglich geschuldet. Soweit die Antragsgegnerin auf das Urteil des BGH vom 5. April 2006
verweist, ist darauf hinzuweisen, dass lediglich ein formularmäßiger Fristenplan für die Schönheitsreparaturen
unwirksam ist. Dass die Auszugsrenovierung im Fall der Antragsteller nicht notwendig ist, wurde nicht vorgetragen. Im
Hinblick darauf, dass die Antragsteller bereits geraume Zeit in der zuvor bewohnten Wohnung gelebt haben, geht das
Gericht, jedenfalls im Rahmen des Eilverfahrens, davon aus, dass die Wohnung in der F. aufgrund des vorhandenen
Zustandes einer Auszugsrenovierung bedarf. Hierfür entstehende Aufwendungen rechnen zu den Kosten der
Unterkunft. Der Gewährung einer einmaligen Beihilfe steht auch nicht entgegen, dass der nach § 20 SGB II gewährte
Regelsatz in geringem Umfang Kosten für Reparaturen enthält. Die insoweit enthaltenen Posten im Regelsatz sind
nämlich bei weitem nicht ausreichend, um die erforderlichen Schönheitsreparaturen – selbst bei Eigenvornahme – zu
finanzieren (vergl. LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Die Höhe der notwendigen Kosten haben die Antragsteller
durch eine Auflistung der notwendigen Materialien glaubhaft gemacht.
4. Die Antragsteller haben weiter Anspruch auf Gewährung einer doppelten Miete für den Monat Mai für die
neubezogene Wohnung in der E. gemäß § 22 Abs. 3 SGB II.
Doppelte Mietaufwendungen fallen, wenn sie unvermeidbar waren, unter die Wohnungsbeschaffungskosten im Sinne
dieser Vorschrift (Eicher/Spellbrink, 2. Aufl., Randnr. 83 zu § 22). Die Antragsteller tragen vor, dass das Anfallen von
zwei Monatsmieten unvermeidbar war. Dies ist nach Auffassung der Kammer auch eher der Regelfall als die
Ausnahme. Bei einem Umzug von einer Wohnung in eine andere ist es üblich, im Umzugsmonat beide Wohnungen
anzumieten, da sich anders ein Umzug üblicherweise nicht bewältigen lässt. Die Möbel müssen von einer Wohnung in
die andere transportiert werden und es muss zumindest in einer Wohnung renoviert werden. Dies lässt sich nicht von
einem Tag auf den nächsten bewerkstelligen. Es ist insbesondere zwingend, dass nicht am 30. eines Monats aus
einer Wohnung ausgezogen und erst am 1. des Folgemonats in die andere Wohnung eingezogen werden kann. Andere
Regelungen sind üblicherweise nur dann möglich, wenn mit dem Vormieter oder dem Vermieter eine Kulanzregelung
getroffen werden kann. Dies ist jedoch keineswegs immer der Fall. Die Kammer geht daher davon aus, dass – wie
üblich – zumindest in einem Monat sich die Miete beider Wohnungen überschneidet. Dass für die Antragsteller die
Möglichkeit bestand, dies anders zu regeln, ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grund waren den Antragstellern doppelte
Mietzahlungen für den Monat Mai 2008 zu gewähren.
Soweit die Antragsgegnerin einwendet, die Antragsteller hätten nicht zum 1. Mai umziehen dürfen, sondern hiermit bis
zum 1. Juni 2008 warten müssen, ist dies nicht verständlich. Die Antragsgegnerin hat die Antragsteller selbst
aufgefordert, in eine kostengünstigere Wohnung umzuziehen. Dass diese dies nicht erst mit Ablauf der Frist tun,
sondern bereits einen Monat früher, ist im Sinne der Antragsgegnerin und kann von dieser nicht beanstandet werden.
Immerhin fällt für diesen Monat die höhere - unangemessene - Miete der früheren Wohnung weg und ist nicht von ihr
zu zahlen.
Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, der Antragsteller hätte eine Zusicherung für die beantragten
Umzugskosten bereits vor Kündigung seiner früheren Wohnung einholen müssen, ist dies unzutreffend. Vielmehr ist
es ausreichend, wenn die Leistungsempfänger die Zustimmung zur Kostenübernahme für den Umzug vor der
Durchführung des Umzuges einholen. Dies war hier der Fall. Darüber hinaus hatten die Antragsteller bereits am 14.
Januar 2008 (mit Schreiben vom 11. Januar 2008, Bl. 213 d. Verwaltungsakten) die Gewährung von Umzugskosten
beantragt. Dass hierzu grundsätzlich auch doppelte Miete gehören kann, dürfte der Antragsgegnerin bekannt sein. Im
übrigen hatte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 04. März 2008 bereits den Umzug in die Wohnung in der E.
genehmigt.
5. Der Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Einzugsrenovierung war abzulehnen. Die Antragsteller haben im
Mietvertrag für die neue Wohnung auf die Durchführung einer Einzugsrenovierung durch den Vermieter verzichtet.
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass kein Bedarf für eine Einzugsrenovierung besteht. Sollte
dennoch ein Bedarf bestehen, hätten die Antragsteller mit der Unterzeichnung dieser Klausel gegen ihre Pflichten aus
§ 9 Abs. 1 SGB II verstoßen, wonach sie gehalten sind, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer
Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen (Brühl/Schoch in LPK – SGB II, Randnr. 17 zu § 9).
6. Die Kosten für die Einrichtung einer Halteverbotszone am Umzugstag gehören nach Auffassung der Kammer
grundsätzlich zu den Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II. Jedoch wurde die Notwendigkeit der Einrichtung einer
Halteverbotszone am Umzugstag in der E. nicht durch Nachweise belegt. Unter diesen Umständen ist der Anspruch
auf Übernahme dieser Kosten nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.