Urteil des SozG Lüneburg vom 11.07.2006

SozG Lüneburg: anspruch auf bewilligung, niedersachsen, wohngemeinschaft, haushalt, angemessenheit, nebenkosten, nachzahlung, abschlag, wohnfläche, unterkunftskosten

Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 11.07.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 25 AS 585/06 ER
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und unter dem
Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen im Hauptsacheverfahren ab dem 26. Mai 2006 bis zum Eintritt der
Bestandskraft des Bescheides vom 15. Mai 2006 - längstens jedoch bis zum 30. November 2006 - monatliche Kosten
der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 274,41 EUR unter Berücksichtigung der bereits gewährten
Leistungen zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antrag, den Antragsgegner im Wege des
vorläufigen Rechtsschutzes zur Übernahme der sich aus der Nebenkostenabrechnung der C. vom 01. Februar 2006
ergebenden Nachzahlungsbeträge zu verpflichten, wird abgelehnt. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre
notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die der Antragstellerin zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Dabei ist die Höhe der laufenden
Abschlagszahlungen sowie die Höhe der Nachzahlung aus der Jahresendabrechnung der C. vom 01. Februar 2006 für
den Abrechnungszeitraum vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2005 umstritten.
Die 1966 geborene Antragstellerin bewohnt zusammen mit ihrer Schwester D. ein 102,48 qm großes Einfamilienhaus
in Celle, das ihnen zusammen mit einer weiteren Schwester zu Eigentum gehört. Ausweislich der
Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und der Nebenkostenabrechnung der C. vom 01. Februar 2006 fallen
tatsächlich monatlich folgende Kosten an:
Kreditzinsen 337,87 EUR Grundsteuer 22,21 EUR Wartung der Heizungsanlage 8,29 EUR Wasser 17,00 EUR
Abwasser 19,00 EUR Müllgebühren 22,76 EUR Wohngebäudeversicherung 15,01 EUR Schornsteinfegergebühren 5,19
EUR Straßenreinigung 11,22 EUR Summe 458,55 EUR
Hiervon entfällt auf die Antragstellerin der hälftige Betrag in Höhe von 229,28 EUR
Für Heizkosten (Gas) sind monatliche Vorauszahlungen in Höhe von 141,00 EUR fällig, wobei auch hier der hälftige
Anteil in Höhe von 70,50 EUR auf die Antragstellerin entfällt.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin zuletzt mit Bescheid vom 15. Mai 2006 für den Zeitraum vom 01. Juni
2006 bis zum 30. November 2006 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 252,60 EUR, wobei
weitere 252,60 EUR der Schwester D. bewilligt worden sind. Der jeweiligen Berechnung legte der Antragsgegner
abweichend von den tatsächlich anfallenden Nebenkosten für Wasser und Abwasser einen Betrag in Höhe von 30,72
EUR, für Müllgebühren einen Betrag in Höhe von 9,85 EUR sowie für Heizkosten in Höhe von 64,86 EUR (ohne
Warmwasseranteile) zugrunde, wobei jeweils die Hälfte dieser Beträge auf die Antragstellerin entfiel. Hiergegen erhob
die Antragstellerin am 24. Mai 2006 Widerspruch, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden ist.
Bereits am 09. Februar 2006 beantragte die Antragstellerin ferner die Übernahme des sich aus der
Jahresendabrechnung der C. vom 01. Februar 2006 ergebenden Nachzahlungsbetrages in Höhe von 304,67 EUR.
Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27. April 2006 mit der Begründung ab, dass nur die
angemessenen Kosten übernommen werden könnten und diese bereits bezahlt worden seien, so dass eine
Nachzahlung nicht in Betracht komme. Die Antragstellerin schloss allerdings zuvor zusammen mit ihrer Schwester D.
ausweislich der Verwaltungsvorgänge am 06. Februar 2006 mit der C. eine Ratenvereinbarung hinsichtlich der
Jahresendabrechnung vom 01. Februar 2006 ab, wonach der Nachzahlungsbetrag in fünf Raten zu je etwa 60,93 EUR
getilgt werden sollte. Ob gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben worden ist, lässt sich den
Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen.
Die Antragstellerin hat mit zwei Schriftsätzen vom 24. Mai 2006 den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich
der Übernahme des Nachzahlungsbetrages aus dem Abrechnungszeitraum vom 01. Januar 2005 bis zum 31.
Dezember 2005 sowie hinsichtlich der laufenden tatsächlichen monatlichen Abschlagszahlungen beantragt und zur
Begründung ausgeführt, ihr stünden die Nebenkosten in der Höhe zu wie sie auch tatsächlich von ihr und ihrer
Schwester an die C. monatlich zu zahlen seien. Da sie nur über Einkommen aus der Regelleistung in Höhe von
345,00 EUR verfüge, könne es ihr auch nicht zugemutet werden, den Ausgang des Widerspruchs- oder
Klageverfahrens abzuwarten.
Die Antragstellerin begehrt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr vorläufig monatliche Kosten der Unterkunft
und Heizung in Höhe der tatsächlich zu leistenden Vorauszahlungen sowie die Nachzahlung aus der
Jahresendabrechnung zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er aus, die Aufwendungen der Antragstellerin seien unangemessen hoch, sie lägen jeweils weit
über dem Durchschnitt vergleichbarer Fälle. Besondere Gründe, die dies rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Ein
Anspruch auf die Übernahme höherer Wasser- und Abwasserkosten bestehe nicht. Der durchschnittliche
Wasserverbrauch betrage nach Angaben des Statistischen Bundesamts 40 bis 50 cbm, was einem monatlichen
Abschlag von maximal 15,36 EUR entspreche. Keinesfalls könnten erhöhte Wasserkosten für die Gartenbewässerung
übernommen werden. Hinsichtlich der Heizkosten sei der zusammen mit der Schwester zu zahlende monatliche
Abschlag in Höhe von 141,00 EUR ersichtlich unangemessen, was sich aus den eigenen Berechnungen und der
Berechnung des angemessenen Heizkostenbedarfs gemäß co2online.de ergebe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie die
die Antragstellerin betreffende Leistungsakte des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen, die Gegenstand der
Entscheidungsfindung waren.
II.
Der zulässige Antrag ist hinsichtlich der laufenden Abschlagszahlungen im tenorierten Umfang teilweise begründet
(1.), hinsichtlich der begehrten Übernahme des Nachzahlungsbetrages ist er jedoch unbegründet (2.).
Das Gericht kann auf Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines
Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1); es kann eine einstweilige
Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Satz 2). Neben dem
Anordnungsgrund, das ist: der Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, setzt die Gewährung
von einstweiligem Rechtsschutz nach herrschender Meinung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar,
8. Auflage, Rdnr. 26c zu § 86b) den Anordnungsanspruch, das ist: der materiell-rechtliche Anspruch auf die Leistung,
voraus, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches
System gegenseitiger Wechselbeziehung: Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder
unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich
abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen
offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund (wie vor, Rdnr. 29). Bei
offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im
Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die grundrechtlichen Belange
des Antragstellers berührt sind, weil sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen
stellen müssen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -).
Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind – unter Beachtung der Grundsätze der objektiven
Beweislast – glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -); die
richterliche Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und
des Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig, a. a. O.,
Rdnr. 16b). Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage allerdings nicht nur summarisch, sondern
abschließend zu prüfen (BVerfG, a. a. O.).
1. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin hinsichtlich der laufenden Abschlagszahlungen für den
Zeitraum vom 24. Mai 2005 (Antragseingang bei Gericht) sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
a) Einen Anspruch auf Leistungen für ihre Unterkunft kann die Antragstellerin in Höhe von 229,28 EUR mit Erfolg
geltend machen.
Nach den §§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. §§ 7, 19 S. 1 SGB II werden laufende Leistungen für die Unterkunft in
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt, sofern sie angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die
Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein
stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden
Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen
Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch
längstens für sechs Monate. Zinsbelastungen aus Darlehensverträgen, die mit den dinglichen Belastungen des den
aus § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II folgendem Verwertungsschutz genießenden selbstgenutzten Wohneigentums im
Zusammenhang stehen, sind in der Regel notwendige Aufwendungen und insoweit als Kosten der Unterkunft im Sinne
des § 22 SGB II zu behandeln (vgl. Lang in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22, Rdn. 26). Hierneben sind auch die sog.
Betriebskosten mit in Ansatz zu bringen. Dies sind in Anlehnung an § 556 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
i.V.m. der Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346) die laufenden öffentlichen Lasten des
Grundstücks (insbesondere die Grundsteuer, die Gebühren für Wasserzähler und Wassermengenregler, die Kosten
der Entwässerung des Grundstückes (Kanalbenutzungsgebühren, Niederschlagswasser, Beseitigungsbeträge,
Beiträge zum Entwässerungsverband, Deichgebühren), Kosten eines Aufzuges, Kosten der Straßenreinigung und
Müllabfuhr, Kosten der Beleuchtung gemeinsam genutzter Anlagen, Kosten der Reinigung des Schornsteines und der
Messung des Heizungsanlage durch den Schornsteinfeger, Kosten der Beseitigung der Abwässer und Fäkalien,
Kosten einer Gemeinschaftsanlage, Wartungskosten, Heizungsanlagen ohne Abwasserhebeanlagen, sowie die
Kosten der Gartenpflege und eines Hauswarts (soweit seine Tätigkeit nicht die Entstandhaltung, Entstandsetzung,
Erneuerung, Schönheitsreparaturen oder die Hausverwaltung betrifft (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen,
Beschluss vom 31. März 2006, - L 7 AS 343/05 ER -) ...
Bei der Beurteilung der Angemessenheit dieser entsprechenden Aufwendungen ist - im Hinblick auf die Aufgabe der
Hilfe zum Lebensunterhalt, nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen - davon auszugehen, dass eine
Besserstellung von Wohneigentümern gegenüber Mietern in gleicher Situation im Rahmen von Leistungen für
Unterkunft nach § 22 SGB II nicht möglich ist (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.
Januar 2006, - L 8 AS 409/05 ER -). Daher ist darauf abzustellen, welche angemessenen Kosten für eine
Mietwohnung übernommen werden müssten.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen der Antragstellerin in Höhe von 229,28 EUR für ihren
Wohnflächenanteil auch angemessen mit der Folge, dass auch die tatsächlich anfallenden Nebenkosten zu
übernehmen sind. Nach der ständigen Rechtssprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen sind für die
Angemessenheit der Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II regelmäßig, sofern nicht aussagefähige
örtliche Mietspiegel existieren, die Werte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) zu Grunde zu legen (Beschluss
vom 17. Oktober 2005 - L 8 AS 258/05 ER - und vom 28. November 2005 - L 8 AS 181/05 ER - sowie vom 11. Januar
2006 - L 8 AS 409/05 ER -). Unter Berücksichtigung der ausweislich der Liste der Mietenstufen der Gemeinden ab
dem 1. Januar 2002 (§ 8 WoGG) für die Stadt Celle geltenden Mietstufe 4 und eines Haushaltes für Alleinstehende
ergibt sich ein Tabellenwert für den Höchstbetrag für Miete nach § 8 WoGG in Höhe von 325,00 EUR. Nach der
Rechtssprechung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen kann bei der Beurteilung einer
Wohngemeinschaft von zwei Personen, die – wie hier - keine Bedarfsgemeinschaft bilden, einerseits nicht davon
ausgegangen werden, dass es sich um einen klassischen Zwei-Personen-Haushalt (vgl. Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. März 2006 - L 6 AS 96/06 -) handelt. Andererseits kann auch nicht davon
ausgegangen werden, dass die Werte für zwei Ein-Personen-Haushalte zu Grunde gelegt werden können. Ebenso
wenig kann ein abstrakter Mittelwert aus den angemessenen Kosten für zwei einzelne Ein-Personen-Haushalte und für
einen Zwei-Personen-Haushalt gebildet werden (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.
März 2006, - L 8 AS 245/05 ER -; ähnlich Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. September 2005, - L
10 B 429/05 AS ER -). Denn die Ermittlung des Unterkunfts- und Heizkostenbedarfs an Hand eines fiktiven Ein-
Personen-Haushaltes würde zu einer Überversorgung der Wohngemeinschaft führen, demgegenüber würde eine
Behandlung als Zwei-Personen-Haushalt der besonderen Situation einer Wohngemeinschaft auch nicht gerecht, denn
es kann jedenfalls nicht ohne weiteres von annähernd gleichen Lebens- und Wohnverhältnissen einer
Wohngemeinschaft einerseits und einer Bedarfsgemeinschaft andererseits ausgegangen werden. Während bei einer
reinen Wohngemeinschaft die einzelnen Mitglieder für sich, räumlich getrennt voneinander leben, wenn sie auch in
unterschiedlichen Umfang Räume gemeinschaftlich nutzen mögen, kennzeichnet eine Bedarfsgemeinschaft
persönliche und damit auch räumliche Nähe (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.
März 2006 - L 6 AS 96/06 ER -).
Nach Auffassung der Kammer ist es daher sachgerecht, in Wohngemeinschaften von einer Höchstwohnfläche von 40
qm je Bewohner auszugehen, was sich daraus ergibt, dass von der für einen Ein-Personen-Haushalt nach der
Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Runderlass vom 27. Juni 2003 in NdsMBl. 2003, S.
580, 582) geltenden Höchstwohnfläche von 50 qm ein angemessener Abschlag von 10 qm vorzunehmen ist, der den
Vorteilen einer Wohngemeinschaft Rechnung trägt. Denn im Falle einer Wohngemeinschaft ergeben sich
Einsparungen gegenüber zweier getrennter Ein-Personen-Haushalte und nicht ein Mehrbedarf gegenüber einem Zwei-
Personen-Haushalt. Es ist daher darauf abzustellen, inwieweit der Raumbedarf einer Person durch das Eingehen einer
Wohngemeinschaft und die damit einhergehende gemeinschaftliche Nutzung verschiedener Räumlichkeiten effektiv
verringert ist. Wenn man davon ausgeht, dass in einer Wohngemeinschaft üblicherweise Küche und Bad sowie Flur
gemeinschaftlich genutzt werden, und diese bei einem Ein-Personen-Haushalt nicht den Hauptteil der Wohnung
ausmachen, erscheint ein Abschlag von 10 qm als ausreichend (so auch Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 19.
April 2006, - S 24 AS 394/06 ER - und Beschluss vom 02. Juni 2006, - S 25 AS 483/06 ER -).
Unter Zugrundelegung des Quadratmeterpreises nach der Wohngeldtabelle ergibt sich eine angemessene Miete für
eine Wohnfläche von 40 qm in Höhe von 260,00 EUR monatlich. Dem liegt ein Quadratmetermietzins in Höhe von
6,50 EUR zu Grunde, den das Gericht dadurch ermittelt hat, dass der Wert der Wohngeldtabelle der Mietenstufe 4 für
einen Alleinstehenden in Höhe von 325,00 EUR durch die angemessene Wohnfläche von 50 qm geteilt wird. Wenn
nun die der Antragstellerin maximal zuzugestehende Wohnfläche von 40 qm mit dem so ermittelten
Quadratmetermietzins von 6,50 EUR vervielfältigt wird, ergibt dies den oben errechneten Miethöchstbetrag in Höhe
von 260,00 EUR.
Da die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Antragstellerin in Höhe von 229,28 EUR (ohne Heizkosten) diesen
Wert nicht übersteigen, ist die Wohnung angemessen. Da in dem so ermittelten Betrag indes die Nebenkosten
enthalten sind, verbietet es sich von vornherein, diese auf das angeblich angemessene Maß zu reduzieren. Vielmehr
kommt es allein darauf an, dass der sich aus der Wohngeldtabelle ergebende Wert insgesamt nicht überschritten wird.
Aus alledem folgt, dass die Antragstellerin einen Anordungsanspruch insoweit glaubhaft gemacht hat, als dass ihr
monatlich ein Betrag für die oben ermittelten angemessenen Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 229,28
EUR inklusive der (kalten) Betriebskosten zusteht.
Auch hinsichtlich der Heizkosten kann die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Die Höhe der
laufenden Kosten für die Heizung ergibt sich entweder aus dem Mietvertrag oder aus den
Vorauszahlungsfestsetzungen der Energieversorgungsunternehmen, für die eine Vermutung der Angemessenheit
spricht, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Heizverhalten
vorliegen. Hat der Hilfeempfänger indes nur einen Anspruch auf Bewilligung der angemessenen Unterkunftskosten,
besteht ein Anspruch auf Heizungskosten nur anteilig im Verhältnis der angemessenen zu der tatsächlichen
Wohnfläche (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. März 2006 – L 9 AS 124/05 ER -). Ausweislich
der Verwaltungsvorgänge ist für die 102,48 qm große Wohnung ist ein monatlicher Heizkostenvorauszahlungsbetrag in
Höhe von 141,00 EUR vereinbart. Ausgehend von der angemessenen Wohnungsgröße von 40 qm (siehe die
Ausführungen oben) errechnet sich aus dem Verhältnis 40 qm zu 102,48 qm ein gequotelter Abschlagsbetrag in Höhe
von 55,04 EUR. Aus diesem sind die Kosten der Warmwasserbereitung herauszurechnen, weil diese keine Kosten der
Heizung darstellen, sondern mit der Regelleistung abgegolten sind (vgl. Berlit in: LPK-SGB II § 22 Rdn. 17, 49;
Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdn. 34, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 31. März 2006,
- L 7 AS 343/05 ER -). Die Höhe des Warmwasserabzugs ist mit 18 % anzusetzen; der Ansatz entspricht § 9 Abs. 3
S. 4 Heizkostenverordnung vom 13. Februar 1981 (BGBl. I 261) in der Fassung der Verordnung vom 19. Januar 1989
(BGBl. I S. 109). Dieser Wert wurde auf der Grundlage von Abrechnungsverfahren von Messdiensten ermittelt, die von
Fachleuten aus dem Heizungs- und Installationsbereich bestätigt wurden (vgl. Hessisches Landessozialgericht,
Beschluss vom 21. März 2006 – L 9 AS 124/05 ER -). Für die Warmwasserbereitung, die die Antragstellerin aus ihrer
Regelleistung aufzubringen hat, errechnet sich somit ein Betrag in Höhe von 9,91 EUR.
Danach belaufen sich die angemessenen Heizungskosten auf 45,13 EUR.
Soweit der Antragsgegner auf die eigenen Berechnungen verweist, sind diese ohne sachverständige Hilfe im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht nachprüfbar, so dass allein aus diesen Angaben nicht auf ein
unwirtschaftliches Verhalten der Antragstellerin geschlossen werden kann. Darüber hinaus weist der Antragsgegner
zwar zutreffend auf die Berechnungsmöglichkeit nach co2online.de hin, jedoch ist diese nach Überzeugung der
Kammer nach der Umstellung des dort zugrunde liegenden Systems nicht (mehr) geeignet, die Angemessenheit der
Heizkosten nachvollziehbar darzustellen, da nunmehr allein darauf abgestellt wird, ob die
Wärmedämmungsmaßnahmen und Energiesparmaßnahmen des Gebäudes ausreichend sind. Insoweit rückt die
Beantwortung der Frage, ob der Heizkostenverbrauch der Bewohner als solche noch angemessen sind, in den
Hintergrund. Zudem sind nach der Umstellung dieses Systems derartig viele Details einzugeben, die - jedenfalls im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren - nicht hinreichend ermittelbar sind, so dass es bei der Vermutung der
Angemessenheit der tatsächlichen Vorauszahlungsfestsetzungen verbleiben muss.
Insgesamt ergibt sich damit ein Anspruch der Antragstellerin in Höhe von 274,41 EUR (229,28 EUR
Unterkunftskosten + 45,13 EUR Heizkosten).
b) Soweit die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, liegt auch ein Anordnungsgrund vor.
Wegen des Streits um die Zahlung der Kosten für angemessenen Wohnraum in angemessener und für die
Antragstellerin zahlbarer Höhe und mithin wegen des existenzsichernden Charakters der im Streit stehenden
Leistungen ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes evident.
c) Soweit die Antragstellerin Leistungen für einen Zeitraum begehrt, der vor dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags
bei Gericht liegt, war der Antrag abzulehnen. Denn die Hilfeleistung ist nur für die Zeit vom 24. Mai 2006
(Antragseingang bei Gericht) bis zum Ende des laufenden Bewilligungszeitraumes, mithin bis zum 30. November
2006, zu gewähren. Die Kammer folgt hinsichtlich des Beginnes der Rechtssprechung des Landessozialgerichts
Niedersachsen-Bremen (vgl. nur Beschluss vom 24. August 2005, - L 8 SO 78/05 ER -, Beschluss vom 20.
September 2005, - L 8 AS 31/05 -). Die Gewährung von Leistungen vor diesem Zeitpunkt kommt regelmäßig nicht in
Betracht, da sich die abzuwendende Notlage erst durch den Antrag bei Gericht manifestiert.
2. Soweit die Antragstellerin ferner die Übernahme des Nachzahlungsbetrages aus der Jahresendabrechnung der C.
vom 01. Februar 2006 begehrt, hat sie keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eine Regelungsanordnung
erfordert neben dem Anordnungsanspruch einen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Dringlichkeit der
Entscheidung. Denn eine einstweilige Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Grundsätzlich ist der Rechtssuchende auf das vom Gesetzgeber vorgesehene
Hauptsacheverfahren zu verweisen. Eine Regelungsanordnung dient lediglich der Sicherung der
Entscheidungsfähigkeit des Hauptsacheverfahrens vor zeitüberholenden Entwicklungen, das Hauptsachebegehren
soll nicht infolge Zeitablaufs oder anderer Hemmnisse durch die lange Verfahrensdauer eines Hauptsacheverfahrens
entwertet oder vereitelt werden. Es sind aber keine solchen wesentlichen Nachteile ersichtlich, die der Antragstellerin
durch ein Zuwarten auf eine Hauptsachenentscheidung entstehen, nachdem sie mit dem
Energieversorgungsunternehmen eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen hat. Eine aktuelle Gewährung des
Nachzahlungsbetrages könnte nur noch nachträglich den Ausfall der begehrten Leistung rückgängig machen. Hierzu
ist aber auch die Hauptsachenentscheidung geeignet. Eine ausschließlich rückwirkende Gewährung von Leistungen
durch eine Regelungsanordnung ist nicht möglich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG, wobei das Gericht
das ihm zustehende billige Ermessen dahin ausgeübt hat, dem Antragsgegner die notwendigen außergerichtlichen
Kosten der Antragstellerin zur Hälfte aufzuerlegen, da diese mit dem Begehren der Übernahme der Nachzahlung
teilweise unterlag.