Urteil des SozG Lüneburg vom 20.04.2010

SozG Lüneburg: wichtiger grund, zumutbare arbeit, eingliederung, obliegenheit, unternehmen, abgabe, arbeitsvermittlung, beweislast, rechtsgrundlage, verwaltungsakt

Sozialgericht Lüneburg
Urteil vom 20.04.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 28 AS 1786/09
1. Der Bescheid der Beklagten vom 11. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober
2009 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 3. Die Berufung
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung der Regelleistung im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II um 30 Prozent für die Zeit vom 01. Oktober bis 31. Dezember 2009.
Der 1971 geborene Kläger bezieht auch im Jahre 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen
der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II.
Der Kläger schloss am 20. Februar 2009 eine Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten ab, welche vom Kläger
und der Sachbearbeiterin unterfertigt wurde. Diese enthielt unter der Überschrift "Bemühungen zur Eingliederung in
Arbeit" folgenden Passus:
"Sie unternehmen vom 20.02.09 bis 19.08.09 mindestens 3 Bewerbungsbemühungen um
sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und legen hierüber immer zum Termin in
der Arbeitsvermittlung Nachweise in Listenform vor. Bei der Stellensuche sind auch befristete Stellenangebote und
Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen".
Die Eingliederungsvereinbarung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung und sollte bis längstens zum 19. August 2009
gelten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Vertragsformular Bezug genommen.
Am 24. Juli 2009 legte der Kläger eine Liste mit Eigenbemühungen vor (Bl. 61 der Gerichtsakte).
Mit Sanktionsbescheid vom 24. Juli 2009, welcher im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich ist, senkte die
Beklagte die Grundsicherung um 20 Prozent für die Monate August bis Oktober 2009 ab.
Mit Bescheid vom 31. August 2009 (Bl. 318 bis 320 der Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte dem Kläger
Grundsicherung für die Zeit vom 01. September 2009 bis 28. Februar 2010, und zwar für die Monate September und
Oktober in Höhe von 287,- Euro monatlich und für den restlichen Zeitraum in Höhe von monatlich 359,- Euro.
Am 02. September 2009 fand ein Beratungsgespräch mit der Arbeitsvermittlerin Frau G. statt, in welchem der Kläger
keine Eigenbemühungen vorlegte (vgl. Vermerke vom 02. und 08. September 2009; Bl. 321, 340 der
Verwaltungsakte). Laut Beratungsvermerk gewährte die Arbeitsvermittlerin ihm eine Nachholfrist bis zum 04.
September, aber stellte in Aussicht, dass im Falle der Nichteinreichung eine Sanktion eintrete. Es war vereinbart,
dass der Kläger die Nachweise im Büro der Arbeitsvermittlerin abgeben solle.
Die Eingliederungsvereinbarung vom 02. September 2009, die vom 02. September 2009 bis zum 01. März 2010
wirksam war, welche vom Kläger und der Sachbearbeiterin unterfertigt wurde sowie eine Rechtsfolgenbelehrung
aufwies, enthielt unter Nr. 2 folgenden Wortlaut:
"Sie unternehmen vom 02. September 2009 bis 01. März 2010 pro Monat mindestens 3 Bewerbungsbemühungen um
sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und legen hierüber folgende Nachweise
vor: eine Auflistung, die zu den Terminen der persönlichen Ansprechpartnerin vorzulegen ist. Bei der Stellensuche
sind auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen. Werden beim Termin
keine Eigenbemühungen vorgelegt und ein wichtiger Grund nicht genannt bzw. keine Nachweise für einen wichtigen
Grund, treten Rechtsfolgen gemäß § 31 Absatz 1 Nr. 1b SGB II ein. Eine Nachfrist zum Einreichen der
Eigenbemühungen wird nicht gewährt.
Die Liste der Eigenbemühungen werden bis zum 04. September 2009 nachgereicht. Sollten die Eigenbemühungen
nicht vorgelegt werden, treten Rechtsfolgen gemäß § 31 SGB II ein."
Am 04. September erschien der Kläger nach eigenen Angaben mit Frau H. bei der Beklagten und legte eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Eingangsbereich vor, welche auch zur Verwaltungsakte gelangte (Bl. 347 der
Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 11. September 2009 (Bl. 331 bis 333 der Verwaltungsakte) senkte die Beklagte die Regelleistung
für die Zeit vom 01. Oktober bis 31. Dezember 2009 um 30 vom Hundert ab, und zwar in Höhe eines monatlichen
Betrages von 108,- Euro, und änderte die Bewilligung entsprechend ab. Sie begründete dies damit, dass der Kläger
seine Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung nicht erfüllt habe, da er keine Nachweise über mindest drei
Bewerbungsbemühungen monatlich nachgewiesen habe.
Dagegen legte der Kläger am 24. September 2009 Widerspruch ein (Bl. 334 bis 336 der Verwaltungsakte), welchen er
damit begründete, dass in der Einladung zum Beratungstermin am 02. September kein Hinweis enthalten gewesen
sei, die Eigenbemühungen mitzubringen. Als er am 04. September die Arbeitsvermittlerin habe aufsuchen wollen,
habe diese sich nicht im Büro befunden. Daher habe er die Nachweise ebenso wie die
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Eingangsbereich abgegeben und abstempeln lassen. Er habe sich die Abgabe
nicht quittieren lassen. Die Erteilung von Quittungen werde üblicherweise verweigert.
Mit Schreiben vom 02. Oktober 2009 wies die Beklagte darauf hin, dass Bewerbungsbemühungen im Eingangsbereich
nicht abgegeben worden und nicht zur Verwaltungsakte gelangt seien. Es bestehe die Möglichkeit, auf Nachfrage eine
Kopie des eingereichten Nachweises mit dem Eingangsstempel zu erhalten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2009 zurück (Bl. 344 bis 345 der
Verwaltungsakte) und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:
Der Kläger habe die in der Eingliederungsvereinbarung geforderten drei Bewerbungsbemühungen nicht beim Termin
am 02. September vorgelegt. Der behauptete Eingang der Nachweisliste mit Eigenbemühungen am 04. September
wäre im System dokumentiert worden. Der Kläger sei in der Nachweispflicht und hätte sich die Abgabe bestätigen
lassen können. Die am 14. Oktober 2009 eingereichte Nachweisliste mit Eigenbemühungen stelle keine Nachholung
der Pflicht dar. Zudem seien weder Anschriften noch Telefonnummern der Firmen angegeben worden. Ein wichtiger
Grund für das Verhalten des Klägers sei nicht erkennbar. Ein solcher Grund, die festgelegten Pflichten nicht zu
erfüllen, müsse ein besonderes Gewicht haben, um die Interessen der Allgemeinheit zurückstehen zu lassen.
Dagegen hat der Kläger am 17. November 2009 Klage erhoben.
Er trägt vor:
Der Kläger habe sich am 04. September 2009 gegen 11.00 Uhr zum Büro der Arbeitsvermittlerin begeben, wobei der
Büroraum verschlossen gewesen sei. Er habe dann im Eingangsbereich die Liste mit Eigenbemühungsnachweisen
und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, welche sich jeweils nicht in einem Umschlag befunden hätten, einer
Mitarbeiterin abgegeben. Er habe beobachtet, wie diese dann auf beide Schriftstücke einen Stempel aufgebracht und
ihr Handzeichen darauf gesetzt habe. Frau H. habe ihn begleitet. Es gebe im Übrigen eine Vielzahl von
Schriftstücken, welche bei der Beklagten abgegeben würden und nicht zur Akte gelangten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2009
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Bei der Passage in der Eingliederungsvereinbarung vom 02. September 2009 handele es sich um einen
offensichtlichen Schreibfehler, wenn für den gesamten Zeitraum drei Bewerbungsbemühungen verlangt worden seien.
Dies sei offensichtlich auch dem Kläger bewusst gewesen, da er bereits im Jahre 2005 zu zwei
Bewerbungsbemühungen monatlich verpflichtet worden sei. Die Vorlagepflicht zum jeweiligen Termin der
Arbeitsvermittlung wäre sonst unsinnig. Es hätten für die Zeit vom 20. Juli bis 19. August 2009 sechs
Eigenbemühungen gefehlt. Zudem sei der Vortrag des Klägers nicht glaubhaft, da sich nur die
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Verwaltungsakte befinde, und zwar mit Eingangsstempel vom 04. September
und ohne Handzeichen. Laut Dokumentationssystem "Verbis" sei nur deren Eingang vermerkt. Die Mitarbeiter in der
Eingangszone würden geschult, die Abgabe von Dokumenten in "Verbis" vorzunehmen. Eine solche Eintragung
erfolge unabhängig davon, ob eingereichte Unterlagen zur Akte gelangten. Die Beweislast für die Vorlage der Liste
trage der Kläger.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg.
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierauf gemäß § 124 Absatz 2
SGG verzichtet haben.
Der Bescheid des Beklagten vom 11. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2009
erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.
Streitig ist die Absenkung der Regelleistungen im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der
Zeit vom 01. Oktober bis 31. Dezember 2009.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist §§ 48 Absatz 1 Satz 1 SGB X.
Demnach ist ein Verwaltungsakt, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines
Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine Änderung eingetreten ist, mit Wirkung für die Zukunft
aufzuheben.
Die ursprüngliche Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Bescheid vom 31. August
2009, welcher einen Dauerverwaltungsakt darstellt, für die Zeit von September 2009 bis Februar 2010 wurde
vorliegend nicht für die streitige Zeit rechtswidrig, da eine Änderung der Verhältnisse weder in rechtlicher noch
tatsächlicher Hinsicht eingetreten ist.
Denn eine Absenkung der Regelleistung um 30 Prozent, welche eine Änderung der Verhältnisse darstellen würde (vgl.
Urteil des Bundessozialgerichtes vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 60/07 R -), erfolgte zu Unrecht.
Rechtsgrundlage der Absenkung des Regelsatzes ist § 31 SGB II.
Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Norm wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten
Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung
abgesenkt, wenn
1. der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, a) eine ihm angebotene
Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, b) in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen,
insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen, c) eine zumutbare Arbeit, Ausbildung,
Arbeitsgelegenheit, eine mit einem Beschäftigungszuschuss nach §16a geförderte Arbeit, ein zumutbares Angebot
nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarten Maßnahme aufzunehmen oder
fortzuführen, oder d) zumutbare Arbeit nach § 16 Absatz 3 Satz 2 auszuführen,
2. der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur
Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat.
Nach Satz 2 gilt dies nicht, wenn er einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
(1) Die angegriffenen Bescheide sind zwar hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 SGB X. Es muss für den
Adressaten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, welches der Regelungsgehalt eines Bescheides ist und
um welche Höhe sich der bewilligte Leistungsbetrag herabmindert (vgl. Beschluss des Landessozialgerichtes
Niedersachsen-Bremen vom 30. Januar 2008 - L 7 AS 816/07 ER -; Beschluss des Landessozialgerichtes Nordrhein-
Westfalen vom 01. Juli 2009 - L 7 B 92/09 AS NZB -; Urteil des Landessozialgerichtes Sachsen-Anhalt vom 18. Juni
2009 - L 5 AS 79/08 -).
Die Rechtsfolgen aus dem Absenkungsbescheid vom 11. September 2009 sind für den Empfänger klar und
unmissverständlich zu erkennen. Der Umfang und die Dauer der Absenkung der Regelleistung um einen Betrag von
monatlich 108,- Euro sind den Bescheiden ohne Weiteres zu entnehmen. Gleiches gilt für die nunmehr monatlich zu
zahlenden, abgesenkten Leistungsbeträge.
(2) Jedoch liegt kein qualifizierter Pflichtenverstoß gegen eine in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflicht
nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II vor.
Denn der Kläger hat weder gegen eine Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung vom 20. Februar 2009,
mindestens drei Bewerbungsbemühungen in der Zeit vom 20. Februar bis 19. August 2009 nachzuweisen, noch gegen
eine Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung vom 02. September 2009, bis zum 04. September die "Liste
der Eigenbemühungen nachzureichen", verstoßen.
(a) Bei der Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 SGB II handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag
gemäß §§ 53 SGB X ff. (vgl. Urteil des Bayerischen Landesozialgerichtes vom 17. März 2006 - L 7 AS 118/05; Urteil
des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 19. Juli 2007 - L 7 AS 689/07 -; Eicher/Spellbrink, Kommentar
zum SGB II, § 15, Rd. 8; GK/SGB II/Hohm/Lahne § 15, Rd. 11). § 15 SGB II ermöglicht die verwaltungspraktische
Umsetzung der Grundsätze des Förderns und Forderns nach §§ 2, 14 SGB II.
Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Absenkung ist eine Inzidentprüfung der Wirksamkeit der
Eingliederungsvereinbarung vorzunehmen (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes vom 29. September
2006 - L 9 AS 179/06 ER -).
Gemäß § 15 Absatz 1 Satz 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit
jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren
(Eingliederungsvereinbarung). Nach Satz 2 soll die Eingliederungsvereinbarung insbesondere bestimmen
1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen der erwerbsfähige
Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form
er die Bemühungen nachzuweisen hat, 3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen,
der erwerbsfähige Hilfebedürftige zu beantragen hat.
Gemäß Satz 6 der Norm sollen die Regelungen nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine
Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt.
Die in der Eingliederungsvereinbarungen vom 20. Februar und 02. September 2009 vereinbarten Pflichten halten sich
im Rahmen der gesetzlichen Bestimmung des § 15 Absatz 1 Satz 2 SGB II. Insbesondere die Verpflichtung,
Eigenbemühungen zu unternehmen und nachzuweisen, ist von dieser Ermächtigungsnorm gedeckt.
(b) Die Absenkung erfordert einen qualifizierten Pflichtenverstoß, das heißt die (konkludente oder ausdrückliche)
Weigerung der Erfüllung einer Obliegenheit, welche in der Eingliederungsvereinbarung vereinbart wurde (vgl. LPK/SGB
II/Berlit § 31, Rd. 30). Der Hilfebedürftige müsste die Pflicht zurechenbar und schuldhaft verletzt haben (vgl.
Beschluss des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2006 - L 1 B 27/06 AS ER -).
Darüber hinaus muss die den Hilfebedürftigen treffende Obliegenheit hinreichend klar und bestimmt vereinbart sein,
wobei Unklarheiten zulasten des Grundsicherungsträgers gehen (vgl. Beschluss des Landessozialgerichtes Berlin-
Brandenburg vom 23. Februar 2007 - L 28 B 166/07 AS ER -; Beschluss des Landessozialgerichtes Nordrhein-
Westfalen vom 18. Oktober 2006 - L 1 B 27/06 AS ER -; vgl. Eicher/Spellbrink/Rixen § 31, Rd. 13).
Gegenstand von Eigenbemühungen ist insbesondere die Suche nach einer versicherungspflichtigen Beschäftigung
oder selbständigen Tätigkeit. Solche können unter anderem vorgenommen werden durch schriftliche, telefonische
oder persönliche Bewerbungen, Sichten und Auswerten von Stellenanzeigen in Zeitungen, Fachzeitschriften und
anderen Medien, Initiativbewerbungen und -vorsprachen bei Arbeitgebern, Inanspruchnahme von privaten
Arbeitsvermittlern, Besuch von Arbeitsmarktbörsen, Arbeitsplatzsuche per Anzeige und Nutzung des Stellen-
Informationsservices der Bundesagentur für Arbeit (vgl. GK/ SGB II/Hohm/Loose § 31, Rd. 26).
Die Zumutbarkeit von Art, Umfang, Qualität und Intensität von Eigenbemühungen richtet sich unter anderem nach den
Umständen des Einzelfalls, den individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen des Hilfebedürftigen, seiner Qualifikation
und Mobilität, den gesundheitlichen und familiären Verhältnissen sowie den Gepflogenheiten der jeweiligen Branche
(vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 18/05 R -; Gagel/Winkler, Kommentar zum
SGB II, § 31, Rd. 25).
Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Eigenbemühungen wurde in der Vergangenheit vertreten, dass zwischen 35
bis 40 Stunden pro Woche angemessen seien (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes vom 29.
September 2006 - L 9 AS 179/06 ER -). Wenn man auf die Regelung des SGB II abstellt, wären mindestens 15
Wochenstunden als angemessen anzusehen (vgl. GK/SGB II/Hohm/Loose § 31, Rd. 28). Das Bundessozialgericht
hat mit Urteil vom 20. Oktober 2007 - B 7a AL 18/05 R - zum Arbeitslosengeldrecht zwei Eigenbemühungen pro
Woche nicht als unverhältnismäßig angesehen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung werden bis zum zehn
Bewerbungen monatlich als angemessen betrachtet (vgl. Beschluss des Landessozialgerichte Berlin-Brandenburg
vom 28. Februar 2009 - L 25 SS 522/06 - und Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes vom 29. September
2006 - L 9 AS 179/06 ER -).
Zutreffend ist die Rechtsansicht der Beklagten, dass den Hilfebedürftigen die materielle Beweislast für den Nachweis
der Eigenbemühungen trifft (vgl. GK/SGB II/Hohm/Loose § 31, Rd. 33). Jedoch kommt es auf die zwischen den
Beteiligten streitige Frage, ob der Kläger am 04. September die entsprechenden Eigenbemühungen eingereicht und
nachgewiesen hat, nicht an mit der Folge, dass eine Beweisaufnahme unter Einvernahme der Zeugin Zumdohme nicht
zur Entscheidung des Rechtsstreites notwendig ist, weil der Kläger gegen keine der in den
Eingliederungsvereinbarungen niedergelegten Pflichten objektiv verstoßen hat.
Nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut der Eingliederungsvereinbarung vom 20. Februar 2009 war der
Kläger lediglich verpflichtet, in der Zeit vom 20. Februar bis 19. August 2009 mindestens 3 Bewerbungsbemühungen
nachzuweisen.
Diese Obliegenheit hat er aber mit Vorlage der Eigenbemühungen am 24. Juli 2009 erfüllt.
Eine Verpflichtung, dies monatlich oder wöchentlich vorzunehmen, ist der Eingliederungsvereinbarung selbst nicht zu
entnehmen. Somit war zwischen den Beteiligten durch Eingliederungsvereinbarung auch nur diese Obliegenheit
vereinbart. Ob darüber hinaus mündlich etwas anderes vereinbart wurde oder die Beteiligten von einer anderen
Nachweispflicht ausgegangen sind, ist unerheblich, weil der Sanktionstatbestand des § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 b
SGB II einzig und allein auf einen Verstoß gegen die Eingliederungsvereinbarung abstellt, aber andere
Verhaltensweisen nicht sanktioniert.
Die Kammer räumt ein, dass die Beklagte wohl eine monatliche Verpflichtung gemeint haben könnte und der Kläger
dies unter Umständen auch dergestalt verstanden haben könnte. Wie oben dargestellt, wären drei Eigenbemühungen
pro Monat nicht unverhältnismäßig gewesen. Dann müsste man aber zu der Annahme gelangen, dass die gesamte
Eingliederungsvereinbarung widersprüchlich und nicht in sich schlüssig ist, wenn die Nachweise zu den jeweiligen
Terminen der Arbeitsvermittlung, welche etwa in monatlichen Intervallen stattfinden, vorgelegt werden sollten, aber
schriftlich insgesamt nur drei Eigenbemühungen für den gesamten Zeitraum verlangt wurden. Nach der
obergerichtlichen Rechtsprechung gehen Ungereimtheiten und Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des
Grundsicherungsträgers.
Die Verletzungshandlung ist gerade nicht ohne weiteres aus der Eingliederungsvereinbarung selbst erkennbar (vgl.
LPK/SGB II/Berlit § 31, Rd. 31).
Ein Verstoß gegen eine Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung vom 02. September 2009, bis zum 04.
September "eine Liste der Eigenbemühungen nachzuweisen" scheitert aus mehreren Gründen:
Zum einen setzt ein Verstoß gegen eine solche Verpflichtung für Zeiträume vor dem 02. September voraus, dass zum
damaligen Zeitpunk wirksam Obliegenheiten auferlegt worden sein müssten. Dies ist indes nicht der Fall, weil die
vorhergehende Eingliederungsvereinbarung nur zu drei Bewerbungsbemühungen insgesamt verpflichtete, wobei der
Kläger diesen entsprechend bereits am 24. Juli nachgekommen war.
Zum anderen war diese Verpflichtung bis zum 04. September widersprüchlich und nicht aus der
Eingliederungsvereinbarung vom 02. September selbst heraus verständlich. Eingangs des Passus unter Nr. 2 forderte
die Beklagte monatlich drei Eigenbemühungen ab dem 02. September bis zum 01. März 2010. Es ist unklar, ob sich
die Nachreichungsverpflichtung auf diesen, einen vorangegangenen Zeitraum oder die Zeit vom 02. bis 04. September
2009 bezog. Sollte letzteres der Fall sein, wäre die Verpflichtung unverhältnismäßig gewesen. Ferner ergab sich aus
dem Wortlaut nicht, in welcher Anzahl Nachweise nachgereicht werden sollten. Ob darüber hinaus mündliche
Absprachen getroffen wurden, der Kläger die Verpflichtung möglicherweise im Sinne der Beklagten verstanden haben
könnte, kommt es nicht an, weil allein auf den Wortlaut der Eingliederungsvereinbarung abzustellen ist, da nur ein
Verstoß gegen diese sanktioniert werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.
Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer der
Beklagten mit 324,- Euro unterhalb des Schwellenwertes von 750,- Euro liegt. Die Berufung wird nicht zugelassen,
weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des
Landessozialgerichtes, des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe abweicht.