Urteil des SozG Lüneburg vom 05.03.2009

SozG Lüneburg: wichtiger grund, grobe fahrlässigkeit, behörde, meldung, nebentätigkeit, vollzeitbeschäftigung, aufnehmen, minderung, verfügung, arbeitsmarkt

Sozialgericht Lüneburg
Urteil vom 05.03.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 7 AL 169/08
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Gewährung von Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer Sperrzeit für
die Zeit vom 01. bis 07. Juli 2008 und die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 7 Tage.
Der H. geborene, in I.wohnende Kläger bezog ab dem 04. Januar 2008 erneut Arbeitslo-sengeld mit einem Tagessatz
von 28,88 Euro und stellte sich dem Arbeitsmarkt uneinge-schränkt zur Verfügung. Er war bei der Firma J.
beschäftigt, ehe er seinen Führerschein verlor. Im Anschluss nahm er dort ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis
auf. Im Beratungsgespräch am 28. Januar 2008 erklärte er, dass ihn der Arbeitgeber nach Rückerhalt des
Führerscheins im Juli 2008 wieder einstellen wolle (Bl. 200 der Verwal-tungsakte). Die Nebenbeschäftigung beim
altern Arbeitgeber stehe einer befristeten Be-schäftigung nicht entgegen. Der Kläger könne sich vorstellen im
Trockenbau oder im La-ger zu arbeiten, wobei die Berufserfahrung hinsichtlich der ersten Sparte lange zurücklie-ge
und ihm im Übrigen der Staplerführerschein fehle. Der Kläger erklärte, sich ab sofort bewerben zu wollen.
Mit Schreiben vom 20. März 2008 (Bl. 202 der Verwaltungsakte) lud die Beklagte den Kläger zu einem
Bewerbungstraining beim K. am 31. März 2008 in L. ein. Dieses Schrei-ben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung.
Mit am Freitag, dem 28. März 2008 zugegangenen Schreiben teilte der Kläger mit, dass er der Einladung nicht
nachkomme, weil er an diesem Tag arbeiten müsse. Ferner werde er seine erlernte Tätigkeit im Juli wieder aufnehmen
(Bl. 203 der Verwaltungsakte).
Der Kläger erschien nicht zum Bewerbungstraining.
Mit Bescheiden vom 15. und 19. Mai 2008 (Bl. 208 bis 209, 210 bis 213 der Verwal-tungsakte, 4 bis 6 der
Gerichtsakte) hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis 07. April 2008 in Höhe
von 202,16 Euro auf, forderte die Er-stattung, verfügte die Minderung des Anspruchs um 7 Tage, hob die Bewilligung
von Bei-trägen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 68,10 Euro auf und rechnete den Erstattungsbetrag
mit der laufenden Auszahlung aus.
Dagegen legte der Kläger am 18. April 2008 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.
Mai 2008 zurück wies (Bl. 215 bis 219 der Verwaltungsakte) und im Wesentlichen folgendermaßen begründete:
Der Kläger sei zu einem Meldetermin nicht erschienen, ohne einen wichtigen Grund vorweisen zu können. Denn die
Nebentätigkeit dürfe seiner Verfügbarkeit nicht im Wege stehen, so dass ihm hätte klar sein müssen, dass der
angegebene Grund nicht ausrei-chen würde. Er sei trotz Übernahmezusage des Arbeitgebers verpflichtet zur
Beschäfti-gungssuche. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er von der Beklagten schriftlich auf die
Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses hingewiesen worden sei.
Dagegen legte der Kläger am 09. Juni 2008 Klage ein (S 7 AL 109/08).
Mit Schreiben vom 23. Juni 2008 lud die Beklagte den Kläger erneut zu einem Bewer-bungstraining beim K. am 30.
Juni 2008 in L. ein. Dieses Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2008 teilte der Kläger mit, dass er der Einladung nicht nach-komme, weil er an diesem
Tag arbeiten müsse. Ferner werde er seine erlernte Tätigkeit im Juli wieder aufnehmen. Er werde sich erst nach
Arbeitsende zu dem Bewerbungstraining begeben.
Der Kläger erschien nicht zum Bewerbungstraining.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis 07. Juli
2008 auf und begründete dies mit dem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer Sperrzeit.
Dagegen legte der Kläger am 04. August 2008 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.
August 2008 zurück wies und im Wesentlichen folgendermaßen begründete:
Der Kläger sei zu einem Meldetermin nicht erschienen, ohne einen wichtigen Grund vorweisen zu können. Denn die
Nebentätigkeit dürfe seiner Verfügbarkeit nicht im Wege stehen, so dass ihm hätte klar sein müssen, dass der
angegebene Grund nicht ausreichen würde. Er sei trotz Übernahmezusage des Arbeitgebers verpflichtet zur
Beschäfti-gungssuche. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er von der Beklagten schriftlich auf die
Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses hingewiesen worden sei und bereits aus der Vergangenheit bei identischem
Sachverhalt die Rechtsfolge einer Sperr-zeit gekannt habe.
Der Kläger hat am 02. September 2008 Klage erhoben.
Er trägt vor:
Die Sperrzeit sei nicht eingetreten, da ein wichtiger Grund vorgelegen habe. Die Beklagte habe auf sein Schreiben
vom 26. Juni 2008 nicht reagiert, so dass er davon ausgegangen sei, dass sein Fernbleiben genehmigt sei. Aus der
Rechtsfolgenbelehrung ergebe sich nicht, dass er noch einmal hätte nachfragen müssen. Ferner habe die Trainings-
maßnahme keinen Erfolg versprochen. Denn es habe eine Einstellungszusage des Arbeitgebers bestanden. Aus
diesem Grund sei ihm bereits die Förderung des Erwerbs eines Gabelstaplerführerscheins verweigert worden, so dass
die Beklagte sich wider-sprüchlich verhalte.
Der Kläger hat am 01. November 2008 wieder eine Vollzeitbeschäftigung bei der Firma J. aufgenommen. Mitte
Februar 2009 hat er den Führerschein nach M. zurückerhalten.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 10. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2008
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Eine Nebentätigkeit könne keinen wichtigen Grund darstellen, weil der Arbeitslose ver-fügbar sein muss.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt
der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Bescheide der Beklagten vom 10. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2008
erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in ei-genen Rechten.
Es wird auf die zutreffenden Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden Bezug genommen (§ 136 Absatz 3
SGG).
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sind §§ 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4, 330 Absatz 3 Satz 1 SGB III.
(1) Die Voraussetzungen einer Rücknahme nach § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X sind gegeben.
Demnach ist ein Verwaltungsakt ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzu-heben, wenn der Betroffene
wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt hat, dass der sich
aus dem Verwaltungsakt erge-bende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise
weggefallen ist.
(a) Die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis 07. Juli 2008 war rechtswidrig.
Nach § 144 Absatz 1 Satz 1 SGB III in der Fassung vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 378), zuletzt geändert durch
Artikel 4 Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28. Mai 2008 (BGBl. I S. 874) (a.F.),
ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne
dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach Satz 2 liegt versicherungswidriges Verhalten unter anderem vor, wenn
nach Nr. 6 der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder
psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt
(Sperrzeit bei Meldeversäumnis).
Gemäß Satz 3 der Norm hat der Arbeitnehmer die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden
Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen.
Nach § 144 Absatz 2 Satz 1 SGB III a.F. beginnt die Sperrzeit mit dem Tage nach dem Ereignis, das die Sperrzeit
begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit.
Nach Absatz 6 der Norm beträgt die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis eine Woche.
Gemäß § 309 Absatz 1 Satz 1 SGB III a.F. hat sich der Arbeitslose während der Zeit, für die er Anspruch auf
Arbeitslosengeld erhebt, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu
melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für
Arbeit ihn dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht).
Nach Absatz 2 dieser Norm kann die Aufforderung zur Meldung zum Zwecke der
1. Berufsberatung, 2. Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit, 3. Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen, 4.
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und 5. Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den
Leistungsanspruch erfolgen.
Nach § 309 Absatz 3 Satz 1 SGB III a.F. hat sich der Arbeitslose zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit
zu melden.
Der Kläger erschien nicht zu dem Meldetermin am 31. März 2008 in Lüneburg, so dass objektiv ein Meldeversäumnis
vorlag.
Die Festlegung eines Meldetermins muss der sachgerechten Erfüllung der mit dem Leistungsbezug
zusammenhängenden Aufgaben, insbesondere Beratung und Vermittlung, dienen (vgl. Urteil des Sächsischen
Landessozialgerichtes vom 11. November 2005 - L 2 AL 12/04 -; Niesel-Winkler, Kommentar zum SGB III, § 309, Rd.
12; Gagel-Winkler, Kommentar zum SGB III, § 309, Rd. 2).
Die Ansetzung eines Bewerbungstrainings am 30. Juni 2008 war statthaft, weil es sich dabei um die Vorbereitung
aktiver Arbeitsförderungsleistungen und eine Vorbereitung der Vermittlung in Arbeit handelte (§ 309 Absatz 1 Nr. 2 und
3 SGB III). Das Bewerbungstraining kann unter den Begriff der Arbeitsvermittlung und diese unterstützenden
Leistungen (§ 3 Absatz 1 Nr. 1 SGB III a.F.) subsumiert werden. Diese Förderung entsprach im Übrigen auch dem am
28. Januar 2008 konsensual festgelegten Vermittlungsziel, den Kläger in eine Teilzeitbeschäftigung zu vermitteln, um
die Zeit bis zur Wiederaufnahme der Vollzeitbeschäftigung zu überbrücken. Dabei wäre auch eine Beibehaltung der
Nebenbe-schäftigung bei der bisherigen Arbeitgeberin möglich gewesen. Diesbezüglich hatte sich der Kläger auch
uneingeschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt.
Die Vorladung zum Meldetermin bzw. Meldeaufforderung ist dem Kläger auch unstreitig zugegangen und enthielt eine
den gesetzlichen Anforderungen entsprechende, schriftlich Rechtsfolgenbelehrung. Letztere war konkret, verständlich,
richtig und vollständig (vgl. Niesel § 144, Rd. 111). Der Kläger ist gelernter Maurer und war nach dem Bild, welches
sich die Kammer im mündlichen Verhandlungstermin von ihm fertigen konnte, ohne weiteres in der Lage, die
Rechtsfolgenbelehrung zu verstehen. Im Zweifel hätten sich direkte Nachfragen aufdrängen müssen.
Teilweise wird in der Literatur ein subjektiv vorwerfbares Verhalten bei der Obliegenheitsverletzung gefordert (vgl.
Eicher/Schlegel/Henke, Kommentar zum SGB III, § 144, Rd. 446), weil dies beispielsweise für die Sperrzeit wegen
verspäteter Arbeitssuchendmeldung nach § 144 Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 ebenfalls vorausgesetzt werde. Nach der kla-
ren Rechtsfolgenbelehrung und den persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten ist hier jedoch ein offensichtlicher
Sorgfaltsverstoß anzunehmen. Ferner durfte der Kläger nicht davon ausgehen, dass die Beklagte das Fernbleiben
stillschweigend dulden würde. Insoweit kommt Schweigen keiner Zustimmung gleich. Des Weiteren zeigen die
Zeitabläufe, dass die Beklagte das Absageschreiben erst per Fax des Prozessbevollmächtigten am Freitag, dem 27.
Juni 2008 erhielt, der Meldetermin aber bereits am Montag, dem 30. Juni war. Die Beklagte hatte zwar nunmehr die
Möglichkeit, auf das Schreiben zeitnah zu reagieren und den Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten noch vor
dem Bewerbungstraining zu erreichen. Jedoch hätte dem Kläger nach den Vorgängen um die Sperrzeit von Anfang
April 2008, die auf demselben Lebenssachverhalt gründete, klar sein müssen, dass das Schweigen keine
Zustimmung bedeutet und dass die Beklagte ein Fernbleiben aus den benannten Gründen nicht als gerechtfertigt
ansehen würde. Der Widerspruchsbescheid in dem Parallelverfahren stammte vom 19. Mai 2008, zum Zeit-punkt der
zweiten Sperrzeit hatte der Kläger bereits Klage erhoben (S 7 AL 109/08).
Der Kläger vermag keinen wichtigen Grund für sein Fernbleiben vorzuweisen. Ein solcher liegt objektiv nicht vor.
Es sind sämtliche Gründe wichtig, welche dem Arbeitslosen die Meldung unmöglich gemacht haben, aber auch
diejenigen, die ihm die Meldung erschwert haben, wenn eine Abwägung der privaten Bedürfnisse mit den Interessen
der Agentur für Arbeit ergibt, dass den privaten Interessen Vorrang einzuräumen ist (vgl. Gagel/Winkler, § 144, Rd.
198). Hierzu zählen in der Regel solche Gründe, dem Arbeitsplatz fernzubleiben, wie Erkrankung, genehmigte
Ortsabwesenheit oder Erkrankung eines Kindes. Darunter können unter Umständen im Einzelfall aber auch
Hinderungsmotive, wie die Vorstellung bei einem anderen Arbeitgeber, Erledigung dringender persönlicher
Angelegenheiten oder sonstige Gründe, wie der unvorhergesehen Ausfall der Verkehrsmittel subsumiert werden (vgl.
Eicher/Schlegel/Henke § 144, Rd. 448).
Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist ex post zu beurteilen, so dass es nicht darauf ankommt, ob die einem wichtigen
Grund möglicherweise zugrunde liegenden Tatsachen zuvor der Behörde mitgeteilt worden sind (vgl.
Eicher/Schlegel/Henke § 144, Rd. 448; Gagel/Winkler § 144, Rd. 200; Niesel § 144, Rd. 113).
Im vorliegenden Einzelfall war es bei einer Gesamtabwägung dem Kläger möglich und zumutbar, den Meldetermin
vom 30. Juni 2008 wahrzunehmen. Die Ausübung einer Nebenbeschäftigung rechtfertigt nicht das Fernbleiben vom
Bewerbungstraining. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Vermittlungsziel die (über-
gangsweise) Eingliederung in eine Teilzeitbeschäftigung war und der Kläger sich gleich-zeitig dem Arbeitsmarkt
unbeschränkt zur Verfügung stellte.
Keine andere Bewertung kann unter dem Blickwinkel vorgenommen werden, nach dem eine Wiederaufnahme der
Beschäftigung bei der früheren Arbeitgeberin in Aussicht ge-stellt worden war. Zu diesem Aspekt ist auszuführen,
dass die Wiedereinstellungszusage weder sicher noch unwiderruflich ausgesprochen wurde, sondern an die unsichere
und nicht feststehende Tatsache geknüpft war, nämlich ob und wann der Kläger seinen Führerschein würde
zurückerhalten können. Dies ergibt sich zum einen aus dem eigenen Klagevortrag, nach dem der Kläger auf das
Wohlwollen des Arbeitgebers angewiesen sein soll und sich jederzeit von der behaupteten Einstellungszusage hätte
lösen können. Zum anderen ging der Kläger bis zum die Sperrzeit begründenden Ereignis davon aus, dass er bereits
im Juli 2008 seinen Führerschein zurückerhalten würde. Diese Annahme erwies sich jedoch als unrichtig. Der Kläger
erhielt die Fahrerlaubnis erst erhebliche Zeit später, nämlich im Februar 2009 zurück.
Einen wichtigen Grund begründet letztlich auch nicht der Umstand, dass dem Kläger die Kostenübernahme für einen
Gabelstaplerführerschein (mündlich) verweigert worden ist, und zwar mit der behaupteten Erklärung, dass er ohnehin
im Juli 2008 wieder seine bis-herige Vollzeitbeschäftigung aufnehmen werde. Zum einen hätte die Möglichkeit
bestanden, gegen die Ablehnung rechtlich vorzugehen. Zum anderen bestand nach Einlassung des Klägers
grundsätzlich die Möglichkeit, eine Beschäftigung im Bereich Trockenbau oder Lager aufzunehmen, welche nicht
einen Gabelstaplerführerschein voraussetzt. Zum dritten ergibt sich aus der Ablehnung in keinem Fall, dass die
Beklagte jegliche Vermittlungsbemühungen nunmehr habe aufgeben wollen mit der Konsequenz, dass auch
unterstützende Maßnahmen, die einen Meldetermin rechtfertigen, unzulässig gewesen wären. Das behauptete
Verhalten der Behörde stellt somit keinen Dispens von den Verpflichtungen nach § 119 Absatz 5 SGB III dar und war
subjektiv nicht verständig dergestalt zu werten. Somit überwog das Interesse der Versichertengemeinschaft klar das
Inte-resse des Klägers.
(b) Der Kläger handelte auch zumindest grob fahrlässig.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn die verkehrserforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht
angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im gegebenem Fall jedem hätte einleuchten müssen
(Palandt/ Heinrichs, Kommentar zum BGB, § 276, Rd. 5; v. Wulffen/Wiesner, Kommentar zum SGB X, § 45, Rd. 24;
Urteil des Bundessozialgerichtes vom 26. August 1987 - 11 a RA 30/86 -). Dabei sind die persönliche Urteils- und
Kritikfähigkeit, das Einsichtvermögen und das Verhalten des Betroffenen unter den besonderen Umständen des
Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 13. Dezember 1972 - 7 RKg 9/69 -).
Der Kläger hat eine klare und unmissverständliche Rechtsfolgenbelehrung zeitnah mit der Einladung zum Meldetermin
erhalten. Es war offensichtlich, dass das Fernbleiben ohne wichtigen Grund eine Sperrzeit mit einer Leistungskürzung
würde nach sich ziehen können. Dies zu erkennen, war der Kläger aufgrund seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten, von
denen sich die Kammer durch Befragung in der mündlichen Verhandlung ein Bild fertigen konnte, ohne weiteres in der
Lage. Ferner durfte der Kläger nicht davon ausgehen, dass die Beklagte das Fernbleiben stillschweigend dulden
würde. Insoweit kommt Schweigen keiner Zustimmung gleich. Des Weiteren zeigen die Zeitabläufe, dass die Beklagte
das Absageschreiben erst am Freitag, dem 27. Juni 2008 erhielt, der Meldetermin aber bereits am Montag, dem 30.
Juni war.
Die Beklagte hatte zwar nunmehr die Möglichkeit, auf das Schreiben zeitnah zu reagieren und den Kläger über seinen
Prozessbevollmächtigten noch vor dem Bewerbungstraining zu erreichen. Jedoch hätte dem Kläger nach den
Vorgängen um die Sperrzeit von Anfang April 2008, die auf demselben Lebenssachverhalt gründete, klar sein
müssen, dass das Schweigen keine Zustimmung bedeutet und dass die Beklagte ein Fernbleiben aus den benannten
Gründen nicht als gerechtfertigt ansehen würde. Der Widerspruchsbescheid in dem Parallelverfahren stammte vom
19. Mai 2008, zum Zeitpunkt der zweiten Sperr-zeit hatte der Kläger bereits Klage erhoben.
Nach der Vorgeschichte hätte dem Kläger unmittelbar einleuchten müssen, dass aus dem Schweigen der Behörde
keine Vertrauensschutzgesichtspunkte hergeleitet werden können. Dennoch darauf zu vertrauen, dass keine Sperrzeit
verwirkt werden würde, stellt einen groben Sorgfaltsverstoß dar.
(c) Rechtsfolge des Vorliegens der Rücknahmetatbestände ist die gebundene Entscheidung der Beklagten zur
Rücknahme (§ 330 Absatz 3 SGB III). Eine Rückforderung war nicht notwendig, weil das Arbeitslosengeld für die
streitige Zeit noch nicht ausgezahlt worden war.
(2) Die Voraussetzungen einer Minderung um 7 Tage nach § 128 Absatz 1 Nr. 3 SGB III a.F. liegen vor, weil eine
Sperrzeit eingetreten ist, welche denselben zeitlichen Umfang hat. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen
Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.
Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer des
Klägers mit 540,52 Euro unter 750,- Euro liegt. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des
Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe abweicht.