Urteil des SozG Lüneburg vom 22.02.2010

SozG Lüneburg: wohnung, zusicherung, umzug, familie, vermieter, wohnfläche, haus, heizung, erlass, anwendungsbereich

Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 22.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 48 AS 93/10 ER
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, vorläufig die Zusicherung zur Übernahme der Aufwendungen für die Unterkunft
F., im Erdgeschoss links, in Höhe von 660,- EUR zu erteilen und eine Verpflichtungserklärung zur Übernahme der
Mietkaution in Höhe von 1.380,- EUR als Darlehn zu erklären. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die
Antragsgegnerin hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I. Die Antragsteller begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich einer Wohnung in G. die
Zusicherung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten der Unterkunft.
Die Antragsteller zu 1. und 2. sind verheiratet und bewohnen mit ihren 2006 und 2007 geborenen Kindern seit 1.
Oktober 2006 eine 3-Zimmer-Wohnung in der Straße F. mit einer Wohnfläche von 66,50 qm. Die Miete hierfür beträgt
360,- EUR und die Nebenkostenvorauszahlung 120,- EUR. Die von der Antragsgegnerin bewilligte Mietkaution von
1.100,- EUR wurde bisher nicht ausgezahlt.
Die Antragsteller stehen im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Am 19. Januar 2010 beantragten sie die
Zusicherung zum Umzug in eine Wohnung im gleichen Haus, die ebenfalls über 3 Zimmer, bei einer Wohnfläche von
71,71 qm verfügt. Hierfür betragen die Nettokaltmiete 460,- EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 110,00 EUR und
die Heizkosten 90,- EUR. Außerdem ist eine Kaution in Höhe von 1.380,- EUR zu zahlen. Als Begründung für den
Umzug gaben sie an, dass die zurzeit bewohnte Wohnung sehr klein sei und im Badezimmer Schimmel habe. Der
Vermieter saniere gerade das Haus komplett und habe ihnen eine bereits renovierte Wohnung zum 1. März 2010
angeboten.
Durch Bescheid vom 2. Februar 2010 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag mit der Begründung ab, ein
Umzugsgrund in die nur 5,21 qm größere Wohnung bestehe nicht, weil weder ein Zimmer mehr angemietet werde,
noch die Wohnfläche ausreichend für eine 4-köpfige Familie sei; das Schimmelproblem im Haus werde nach den
Angaben bereits beseitigt. Hiergegen legten die Antragsteller Widerspruch ein, über den – soweit ersichtlich – noch
nicht entschieden worden ist.
Am 17. Februar 2010 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie verweisen auf
ihr Widerspruchsschreiben. Der Vermieter halte ihnen die Wohnung nicht für die normale
Widerspruchsbearbeitungszeit frei.
Die Antragsteller beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen, der Antragsgegnerin aufzuerlegen, für die
Bedarfsgemeinschaft A. Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB X zu erteilen und Wohnungsbeschaffungskosten und die
Mietkaution zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, die Notwendigkeit zum Umzug aus der derzeitigen Wohnung sei zwar gegeben, die Wohnung sei
indes insbesondere unter dem Aspekt der heranwachsenden Kinder unangemessen klein, so dass jederzeit wieder ein
Umzugsgrund vorliegen würde und dann erneut Kosten anfallen. Wegen des Schimmelbefalls im Badezimmer sei
vorrangig der Vermieter heranzuziehen. Für die Küchenausstattung der jetzigen Wohnung seien 2007 Leistungen in
Höhe von insgesamt 460,- EUR bewilligt worden, so dass der Bedarf gedeckt werden konnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte
Bezug genommen. Die Akte war Gegenstand der Entscheidung.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Antrag ist überwiegend begründet.
Nach der genannten Vorschrift kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Die Anwendung der Vorschrift setzt neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung
(Anordnungsgrund) voraus, dass der Rechtsschutzsuchende mit Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte
Regelung hat (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b
Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Diese Voraussetzungen liegen
teilweise vor.
Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung folgt aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach
Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese
angemessen sind. Eine Grundmiete von 460,- EUR und Betriebskostenvorauszahlung von 110,- EUR, insgesamt also
570,- EUR, ist für eine vierköpfige Familie im Bereich der Stadt G. günstig, was die Antragsgegnerin nicht in Abrede
stellt. Die Antragsgegnerin hat daher die tatsächlichen Aufwendungen bereits gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu
übernehmen.
Sie kann die Antragsteller nicht darauf verweisen, dass sie Leistungen weiterhin nur in Höhe der bisher zu tragenden
Aufwendungen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu erbringen hat, weil sich die Aufwendungen durch einen nicht
erforderlichen Umzug erhöht haben. Regelungszweck des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist es, der Ausschöpfung
örtlicher Angemessenheitsgrenzen entgegen zu wirken. Zwar ist das Verhältnis dieser Regelung zu dem in § 22 Abs.
2 SGB II normierten Zustimmungserfordernis umstritten. Aus dem Gesetzeszweck folgt nach Auffassung der
Kammer indes, dass der Anwendungsbereich der Regelung einschränkend dahin auszulegen ist, dass – unabhängig
von der Erforderlichkeit eines Umzugs – eine Begrenzung auf die alten Unterkunftskosten nur in Betracht kommt,
wenn vor dem Umzug Wohnraum zu sozial- und markttypischen Bedingungen bewohnt worden ist (LSG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 07.08.2008 – L 5 B 940/08 AS ER -). Angesichts der geschilderten besonderen
Umstände kann hier kein Zweifel bestehen, dass die bisher bewohnte Wohnung für eine 4-köpfige Familie deutlich zu
klein, also untypisch, ist, wenn die Antragsgegnerin hiervon noch für die um 5,21 qm größere Wohnung ausgeht.
Jedenfalls ist ein Umzug im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II erforderlich und die Aufwendungen, die für eine 4-
köpfige Familie immer noch deutlich unterhalb der Angemessenheitsgrenze liegen, sind zu übernehmen.
Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung des für die
Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft vor
Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung
verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
Der Umzug der Antragsteller ist notwendig, weil die mit 66,5 qm kleine 3-Zimmer-Wohnung für eine vierköpfige Familie
zu klein ist. Sollte sich im Hauptsacheverfahren die Behauptung der Antragsteller bestätigen, dass die Kinder durch
den Schimmelbefall immer wieder krank wurden, ist dies ein weiterer Umzugsgrund.
Bei der Prüfung des Umzugsgrundes ist unbeschriebene Gesetzesvoraussetzung, dass die anfallenden Kosten
angemessen sind, da andernfalls die Wohnung nicht auf Dauer gehalten werden kann. Das ist, wie bereits ausgeführt,
der Fall. Daraus folgt, dass auch die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu erteilen ist.
Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können gemäß § 22 Abs. 3 SGB II bei vorheriger Zusicherung
übernommen werden. Dies bedeutet, dass die Übernahme im Ermessen des Leistungsträgers steht und dessen
vorherige Zusicherung voraussetzt (Berlit in: Lehr- und Praxiskommentar, SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22, Rn 104). Im
Rahmen der Ermessenserwägungen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Leistungsträger der Übernahme der
Auszugsrenovierung (nicht erforderlich, s. Schreiben des Verwalters vom 15. Januar 2010) oder Umzugskosten nicht
zustimmt, wenn für die neue Unterkunft ein Umzugsgrund auch weiterhin besteht. Allerdings wird im
Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob die Antragsgegnerin in die Erwägungen eingestellt hat, dass nach § 2 Nr. 1
aE des Mietvertrages die Antragsteller auf ihr ordentliches Kündigungsrecht für den Zeitraum von 5 Jahren verzichten.
Hinsichtlich der Ermessensentscheidung für die Übernahme der Mietkaution, die als Darlehn zu gewähren ist (§ 22
Abs. 3 Satz 3 SGB II), ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin bereits die Verpflichtung für
eine Mietkaution in Höhe von 1.100,- EUR gegenüber dem Vermieter abgegeben hat. Insoweit sind keine Gründe
ersichtlich, die einer Bewilligung weiterer 280.- EUR entgegen stehen könnten, so dass eine Ermessensreduzierung
vorliegt. Dementsprechend war die Antragsgegnerin zu verpflichten, auch die Mietkaution zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG entsprechend.