Urteil des SozG Lüneburg vom 29.03.2007

SozG Lüneburg: freiwillige leistung, beihilfe, realschule, erlass, hauptsache, auskunft, zuschuss, gefahr, programm, rückzahlung

Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 29.03.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 30 AS 398/07 ER
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückzahlung
dazu verpflichtet, der Antragstellerin Kosten für die Klassenfahrt ihres Sohnes nach D. in der Zeit vom 22. April 2007
bis 29. April 2007 in Höhe von insgesamt 360,00 EUR zu zahlen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt eine Beihilfe nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II für eine Klassenfahrt ihre Sohnes nach D., die
insgesamt 360,00 EUR kosten wird. Die Kosten teilen sich auf in 135,00 EUR für die Busfahrt, 117,00 EUR für das
Programm und 108,00 EUR (18,00 EUR pro Tag Vollpension) für die Unterkunft. Die Antragsgegnerin hat der
Antragstellerin Leistungen in Höhe von 205,00 EUR bewilligt und eine weitere Bewilligung abgelehnt mit der
Begründung, dass die Höchstgrenze für die Gewährung einer Beihilfe zur Klassenfahrt für eine Einzelperson 205,00
EUR pro Kalenderjahr betrage.
Der Antrag ist zulässig. Zwar kann ein Antrag auf einstweilige Anordnung nur gestellt werden, wenn zugleich auch ein
Hauptsacheverfahren (Widerspruchs- oder Klageverfahren) anhängig ist, da mit einer einstweiligen Anordnung
ausschließlich eine vorläufige Regelung getroffen werden kann. Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid vom 01.
März 2007 noch keinen Widerspruch eingelegt. Jedoch ist die Frist zur Einlegung eines Widerspruchs noch nicht
abgelaufen. In dieser Zeit kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt werden. Die Antragstellerin wird
darauf hingewiesen, dass sie, sofern die Antragsgegnerin die Gesamtkosten der Klassenfahrt aufgrund der
vorliegenden Anordnung nicht endgültig bewilligt, Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. März einlegen sollte, da
anderenfalls ein Rechtsverlust droht.
Der Antrag hat Erfolg.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag
eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.
Voraussetzung für den Erlass der hier von der Antragstellerin begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz
2 SGG, mit der er die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen
Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Regelung
(Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3
SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Im vorliegenden Fall wurde ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf
Gewährung einer Beihilfe für die Klassenfahrt ihres Sohnes.
Nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II werden Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen
Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst, sondern gesondert erbracht. Im vorliegenden Fall handelt es sich
um eine Klassenfahrt. Die Realschule E. war im Rahmen des Eilverfahrens telefonisch nicht zu erreichen, das Gericht
geht jedoch - insbesondere mangels eines anders lautenden Vortrags der Antragsgegnerin, die offenbar Kontakt mit
der Schule hatte - davon aus, dass es sich um eine Fahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handelt.
Eine finanzielle Obergrenze für Klassenfahrten ist im Gesetz nicht festgelegt. Eine entsprechende Pauschalierung
durch die Antragsgegnerin entbehrt daher einer rechtlichen Grundlage. Der Bescheid vom 1. März 2007 ist aus diesem
Grund rechtswidrig.
Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, dass nach Auskunft der Realschule E. grundsätzlich ein Antrag auf
Zuschuss zu den Kosten der Klassenfahrt an sozial schwache Familien gewährt werden kann und diese Möglichkeit
der Finanzierung bisher vom Antragsteller nicht ausgeschöpft wurde, steht dies einer vollständigen Erstattung der
Kosten der Klassenfahrt nicht im Wege. Die Gewährung eines Zuschusses ist offensichtlich eine freiwillige Leistung
der Schule, auf die die Antragstellerin keinen rechtlichen Anspruch hat. Es ist daher nicht möglich, die Antragstellerin
hierauf zu verweisen, da es keinesfalls sichergestellt ist, dass ihr die entsprechenden Leistungen von der Schule
gewährt würden. Im übrigen legt das SGB II in § 23 Abs. 3 Nr. 3 fest, dass Leistungsempfängern für eine Klassenfahrt
ein Anspruch auf Beihilfe zusteht. Da in dieser Vorschrift keine finanzielle Obergrenze festgelegt ist, ist davon
auszugehen, dass die Kosten in tatsächlicher Höhe zu gewähren sind und den Betroffenen ein entsprechender
Anspruch zusteht. Schon aus diesem Grund ist die Antragstellerin nicht auf anderweitige, unsichere Möglichkeiten der
Leistungsgewährung anderer Stellen zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.