Urteil des SozG Leipzig vom 21.02.2007

SozG Leipzig: unternehmen, arbeitslosigkeit, arbeitsmarkt, eingliederung, arbeitsförderung, wirtschaftlichkeit, erziehungszeit, nebenverdienst, ermessensunterschreitung, bezifferung

Sozialgericht Leipzig
Urteil vom 21.02.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 8 AL 191/05
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Eingliederungszuschuss.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind Makler-, Bauträger- und Baubetreuungs-tätigkeiten. Für das
Unternehmen war die gelernte Wirtschaftskauffrau.J. tätig, und zwar von 1993 bis 1996 als Sekretärin. Nach
Erziehungszeit war sie ab November 2000 arbeits-los und arbeitete seit Februar 2002 erneut im Unternehmen der
Klägerin als Bürokraft im Nebenverdienst. Sie war dort nach eigenen Angaben als Bürokauffrau 14 Stunden die Wo-
che beschäftigt. Durch Arbeitsvertrag vom 01.07.2004 war sie ab 01.07.2004 als "Teamas-sistentin" für 30 Stunden in
der Woche tätig bei einem Gehalt von 1.600,00 EUR monatlich.
Am 07.09.2004 beantragte die Klägerin für J. einen Eingliederungszuschuss. Ausdrücklich erklärte sie, dass die
Arbeitnehmerin früher nicht in dem Betrieb beschäftigt gewesen sei. Sie reichte einen "Einarbeitungsplan" ein, der
eine Heranführung an die arbeitsvertragliche Tätigkeit bis zur Übernahme der Leitung des Innendienstes ab der 46.
Woche vorsah.
Durch Bescheid vom 15.09.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Arbeitnehmerin gehöre nicht zum
förderbedürftigen Personenkreis, weil sie bereits eine mehrjährige Be-rufspraxis als Sekretärin und Bürokauffrau habe.
Sie sei bereits seit Februar 2002 im Ne-benverdienst für die Klägerin tätig. Die erforderlichen Kenntnisse für eine
Teamassistentin seien bereits vorhanden. Der eingereichte Einarbeitungsplan entspreche einer betriebsübli-chen
Einarbeitung. Zudem gäbe es genügend geeignete Bewerber, die ohne entsprechende Förderung vermittelbar seien.
Da das arbeitsmarktpolitische Interesse das Interesse des Arbeitgebers überwiege, sei keine Zahlung des begehrten
Zuschusses möglich.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.10.2004 Widerspruch ein. Die eingestellte Arbeitneh-merin sei bereits über
mehrere Jahre arbeitslos gewesen und alleinerziehend. Die bisher bei ihr im Unternehmen ausgeübte Tätigkeit sei eine
bloße Nebenbeschäftigung gewesen, weil sie bloße Hilfstätigkeiten, wie Botengänge und Kopienfertigen, verrichtet
habe. Demge-genüber stehe das durch den Arbeitsvertrag dokumentierte Ziel, sie innerbetrieblich zur Teamassistentin
mit dem Ziel Baukauffrau auszubilden. Dies bedinge eine große Eigen-verantwortung und Spezialkenntnisse im
Bauwesen.
Ausweislich eines internen Vermerks der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau S. habe ihr Herr L. von der Klägerin
mitgeteilt, dass die Arbeitnehmerin nicht für sie, sondern für die "Z. GmbH" mit Sitz in M. und hiesiger Niederlassung
in der ...tätig sei. Durch Schreiben der J. an die Beklagte vom 12.07.2004 beantragte sie als "Office-Managerin" der
"A ... GmbH" ihrerseits für dieses Unternehmen einen Einarbeitungszuschuss für die Einstellung weiterer Mitarbeiter.
Durch Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am
25.02.2005, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Arbeitnehme-rin führe seit Februar 2002 als Bürokauffrau
Bürotätigkeiten für die Klägerin aus. Grund-sätzlich habe die subventionsfreie Vermittlung Vorrang vor der Vermittlung
mit Leistun-gen der aktiven Arbeitsförderung. Bei dem von ihr auszuübenden Ermessen seien die Grundsätze der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Der Umfang der zu ver-mittelnden Kenntnisse übersteige hier jedoch
die Möglichkeiten des Förderungsinstrumen-tes Eingliederungszuschuss, zumal dadurch keine Minderleistungen
ausgeglichen würden. Der Arbeitsvertrag sei im Übrigen ohne Vermittlungsbemühungen der Beklagten zustande
gekommen. Eine freie Stelle sei nicht vermittelt worden, sodass das Interesse des Arbeit-gebers an der Einstellung
dieser Arbeitnehmerin gegenüber den arbeitsmarktpolitischen Interessen der Beklagten nicht überwiege. Hierbei sei zu
beachten, dass der Eingliede-rungszuschuss kein Mittel der allgemeinen Wirtschaftsförderung darstelle.
Die Klägerin hat deswegen am 24.03.2005 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die Arbeitnehmerin sei nunmehr
seit fast 6 Jahren arbeitslos gewesen, sodass sich ihre Einstel-lung als förderfähig erweise, zumal sie wegen der
Dauer ihrer Arbeitslosigkeit als schwer vermittelbar gelte. Zudem sei sie als Frau ohnehin auf dem Arbeitsmarkt
benachteiligt. Ihre Einstellung sei nur im Hinblick auf den Eingliederungszuschuss erfolgt. Die bei ihr noch
vorhandenen Defizite könnten durch innerbetriebliche Weiterbildung nicht ausgeglichen werden. In ihrer Person lägen
Vermittlungshemmnisse, sodass sie wie eine Berufsrückkeh-rerin zu behandeln und zu fördern sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 15.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, den Antrag der Klägerin auf einen Eingliederungszuschuss in gesetzlicher Höhe für die ab 01.07.2004
eingestellte Arbeitnehmerin J. neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu verbescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte sowie
einen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als Bescheidungsklage statthafte Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 15.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 begegnet
keinen rechtlichen Bedenken. Die Ablehnung der Zahlung eines Ein-gliederungszuschusses für J. erfolgte zu Recht.
§ 217 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung ab 01.01.2004 bestimmt, dass Arbeitgeber zur
Eingliederung von Arbeitnehmern mit Vermittlungshemmnissen Zu-schüsse zu den Arbeitsentgelten erhalten können,
wenn deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegende Umstände erschwert ist. Die Förderhöhe und die Förderdauer
richten sich nach dem Umfang einer Minderleistung des Arbeitnehmers und nach den jeweiligen Ein-
gliederungserfordernissen. Nach Maßgabe des § 218 Abs. 1 SGB III darf der Eingliede-rungszuschuss 50 % des
berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgeltes nicht übersteigen und längstens für eine Förderdauer von 12 Monaten
erbracht werden.
Wie aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften hervorgeht, steht die Gewährung des Eingliederungszuschusses im
Ermessen der Bundesagentur für Arbeit. Fernmündlich hatte die Beklagte unstreitig bereits bei formloser
fernmündlicher Antragstellung der Klägerin am 19.05.2004 mitgeteilt, dass der Eingliederungsaufwand auf Grund des
Arbeitsmarkt-programms 2004 regelmäßig nur eine Förderdauer von 6 Monaten und 30 % des berück-
sichtigungsfähigen Arbeitsentgelts beinhaltet. Gleichwohl hat die Klägerin einen Einarbei-tungsplan über 45 Wochen,
d. h. mehr als 10 Monate, vorgelegt, unter Bezifferung der Höhe der zu erwartenden Minderleistungen auf 50 % statt
der berücksichtigungsfähigen 30 %. Zudem hatte ihr die Beklagte den Antragsvordruck ohne Förderzusage übersandt.
Die Klage bleibt indes in der Sache ohne Erfolg, denn das Gericht hat einen Ermessens-fehlgebrauch bzw. eine
Ermessensunterschreitung nicht zu erkennen vermocht. Die gesetz-lichen Voraussetzungen der Vorschrift hat die
Beklagte zutreffend erkannt und umgesetzt. Ein Einarbeitungsbedarf wegen individueller Leistungsdefizite der
Arbeitnehmerin war nicht zu eruieren. Hierbei war insbesondere die Tatsache zu berücksichtigen, dass sie be-reits
seit Februar 2002 in Teilzeit für das Unternehmen der Klägerin tätig war. Dass hier in Gestalt der Arbeitnehmerin
besondere Vermittlungshemmnisse bestehen sollen, vermoch-te das Gericht nicht nachzuvollziehen. Im Übrigen
erscheint es dann widersinnig, dass sie trotzdem zugleich als "Office-Managerin" für ein Tochterunternehmen der
Klägerin, der A. GmbH, tätig geworden ist. Dieser Widerspruch war auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung
klägerseitig nicht aufklärbar. Den Aktenvermerk der Beklagten durch Frau S. vom 26.07.2004 hat sie nicht
substanziiert bestritten, weshalb der Schluss nahe liegt, dass die Arbeitnehmerin im streitgegenständlichen Zeitraum
nicht nur für die Klägerin tätig geworden sein kann.
Selbst wenn man eine Einstellung der Arbeitnehmerin im Unternehmen der Klägerin ent-sprechend dem
geschlossenen Arbeitsvertrag unterstellen wollte, fehlt es für die Inan-spruchnahme der begehrten Leistung am
erforderlichen Kausalzusammenhang. Nach § 217 Satz 1 SGB III muss die Beschäftigung des Arbeitnehmers "zur
Eingliederung" erfolgen. Dies setzt nach Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts zumindest eine "psychische
Kausalität" voraus, d. h. der Erhalt der Leistung (Eingliederungszuschuss) muss Motiv für die Einstellung des
Arbeitnehmers sein, d. h. subjektives Ziel (wie hier: Brandts, in: Niesel, SGB III-Kommentar, 3. Auflage, § 217 Rdnr.
29). Daran fehlt es indes, wenn – wie hier – betriebliche oder persönliche Gründe für die Beschäftigung gerade dieses
Arbeitnehmers dominieren. Vorliegend war die Arbeitnehmerin bereits in dem Unternehmen der Klägerin zuvor
beschäftigt gewesen, hat sich dort bewährt und für weitere (höherrangige) Aufgaben empfohlen, sodass eine
Leistungsminderung, die durch den Eingliederungszuschuss aus-zugleichen wäre, nicht festzustellen war.
In diesem Zusammenhang ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte darauf ab-stellt, ob sie selbst durch
Vermittlung leistungsgeminderter Arbeitnehmer in eine offene Stelle des Arbeitsplatzanbieters involviert worden ist.
Dies war hier nicht der Fall. Im Ge-genteil wäre eine Besetzung dieser Stelle nach den unwidersprochenen und
nachvollzieh-baren Angaben der Beklagten jederzeit mit entsprechend gleich qualifizierten Personen wie J. möglich
gewesen, ohne dass es hierbei eines besonderen Förderinstrumentariums bedurft hätte. Somit erweist sich eine
Mittelausreichung nicht mehr als wirtschaftlich. Nach § 7 SGB III hat die Agentur für Arbeit aber bei der Auswahl von
Ermessensleistungen der ak-tiven Arbeitsförderung den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu
beachten und die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen. Dabei
ist grundsätzlich auf die Fähigkeit der zu fördernden Personen, die Auf-nahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und den
anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitischen
Handlungsbedarf abzustellen.
Wenn die Klägerin sich demgegenüber darauf beruft, dass die Arbeitnehmerin als Frau insoweit arbeitsmarktpolitisch
benachteiligt sein solle, ist gerichtskundig, dass gerade im Bürobereich, insbesondere bei Bürokaufleuten, die weitaus
überwiegende Anzahl der Be-werber weiblichen Geschlechts ist. Es handelte sich im Übrigen auch um keine Berufs-
rückkehrerin, da sie selbst in dem Unternehmen seit 1992, zunächst als Sekretärin, gearbei-tet hatte und nach
Erziehungszeit und Arbeitslosigkeit im Nebenverdienst seit Februar 2002 für das Unternehmen weiter tätig war. Wenig
glaubhaft erscheint es dem Gericht, dass sie dort reine Hilfstätigkeiten (Botengänge und Kopierarbeiten) verrichtet
haben soll. Zudem hatte sie selbst gegenüber der Beklagten angegeben, dort als Bürokauffrau im Ne-benverdienst
beschäftigt zu sein. Insoweit wäre die Arbeitnehmerin für diese Tätigkeiten weitaus überqualifiziert.
Da nach den zuvor getroffenen Feststellungen das Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin nicht gegenüber den
arbeitsmarktpolitischen Interessen überwiegt, erwies sich die Einstel-lung von J. in dem Unternehmen, sofern diese
tatsächlich stattgefunden haben soll, nicht als vorrangig gegenüber dem arbeitsmarktpolitischen Interesse. Die
Versagung eines Ein-gliederungszuschusses war damit nicht ermessensfehlerhaft erfolgt, sodass die Klage dem-
zufolge mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen war.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der gefolgt wird, findet § 197 a Sozi-algerichtsgesetz (SGG) bei
der Gewährung von Eingliederungszuschüssen keine Anwen-dung, weil es sich insoweit um eine Leistung aus dem
Versicherungsverhältnis handelt (so: BSG, Urteil vom 22.09.2004, Az: B 11 AL 33/03 R).