Urteil des SozG Leipzig vom 06.06.2007

SozG Leipzig: wichtiger grund, besondere härte, annahme des antrages, eheähnliche gemeinschaft, arbeitslosigkeit, beendigung, krankenpfleger, gerichtsakte, wohnung, auflösung

Sozialgericht Leipzig
Urteil vom 06.06.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 14 AL 601/04
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Zeit vom 21.07.2003 bis einschließlich 12.10.2003 (12 Wochen) eine
Sperrzeit eingetreten ist.
Der am ... geborene Kläger war vom 01.0.1978 bis 20.07.2003 als Krankenpfleger in B (Nordrhein-Westfalen)
beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis beendete der Kläger in gegenseitigem Einvernehmen mit seinem Arbeitgeber durch
Auflösungsvertrag vom 04.07.2003 (§ 58 BAT) mit Ablauf des 20.07.2003, um zu seiner damals in Z , Ortsteil P ...,
lebenden Partnerin zu ziehen. Nach seinen eigenen Angaben gelang es dem Kläger dort erst wieder im Oktober 2004
eine neue Beschäftigung, diesmal befristet, als Altenpfleger zu finden. Seit 01.11.2006 ist er wieder arbeitslos. Im Juli
2005 schloss er mit seiner Partnerin die Ehe.
Bereits am 18.07.2003 meldete sich der Kläger bei der Dienststelle der Beklagten in G. arbeitslos und beantragte die
Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 21.07.2003.
Mit Bescheid vom 11.08.2003 stellte die Beklagte fest, dass im Zeitraum vom 21.07.2003 bis 12.10.2003 eine 12-
wöchige Sperrezeit eingetreten sei, weil der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis mit dem R.- Heim mit Ablauf des
20.07.2003 selbst gelöst habe. Ein wichtiger Grund für die Lösung der Arbeitsverhältnisses sei nicht erkennbar. Eine
be-sondere Härte sei ebenfalls nicht erkennbar.
Hiergegen erhob der Kläger am 26.08.2003. Widerspruch. Er sei wegen der Begründung einer eheähnlichen
Lebensgemeinschaft umgezogen. Außerdem habe er sein Arbeitsverhältnis erst gelöst, nachdem ihm mündlich für
Juli 2003 die Einstellung in ein Beschäfti-gungsverhältnis bei der Arbeiterwohlfahrt am Wohnort seiner Partnerin
zugesichert wor-den sei. Tatsächlich ist es jedoch dort zu keiner Beschäftigungsaufnahme gekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Zuzug zur Begründung
einer eheähnlichen Gemeinschaft sei kein wichtiger Grund. Der Kläger hätte sein Beschäftigungsverhältnis erst dann
lösen dürfen, wenn ein sicheres Anschlussarbeitsverhältnis zur Verfügung gestanden hätte. Tatsächlich habe bei dem
Klä-ger jedoch kein sicheres Anschlussarbeitsverhältnis vorgelegen. Eine besondere Härte sei nicht erkennbar.
Hiergegen erhob der Kläger am 15.06.2004 Klage zum Sozialgericht Leipzig.
Er vertritt die Auffassung, dass der Umzug zu seiner Partnerin nach Z ... ein wichtiger Grund für die Auflösung seines
Beschäftigungsverhältnisses war. Außerdem sei ihm erst am 01.07.2003 seine Bewerbung für eine
Anschlussbeschäftigung bei der Arbeiterwohlfahrt beschieden worden. Zu diesem Zeitpunkt habe seinem ehemaligen
Arbeitgeber bereits der Antrag auf Lösung des Beschäftigungsverhältnisses (Antrag vom 03.06.2003) vorgelegen.
Außerdem sei zu diesem Zeitpunkt bereits der Mietvertrag für seine alte Wohnung in B gekündigt gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2003 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, ihm ab 21.07.2003 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass die Sperrzeit zu Recht festgestellt worden ist. Sie hält daher ihre Entscheidung nach wie
vor für rechtsfehlerfrei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird verwiesen auf die
Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf den Inhalt der Erklärung des Klägers und
der Beklagten, die diese im Erörte-rungstermin am 12.04.2007 (vgl. Sitzungsniederschrift Bl. 50 R der Gerichtsakte)
abgege-ben haben.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung ergeht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten hierzu übereinstimmend ihr
Einverständnis erteilt haben, gem. § 124 Abs. 2 Sozialge-richtsgesetz (SGG).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid vom 11.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2004 ist rechtlich nicht zu
beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beklagte hat zu Recht eine Sperrzeit vom 21.07.2003 bis einschließlich 12.10.2003, also für 12 Wochen,
festgestellt.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Sozialgesetzbuch Dritts Buch – SGB III – in der Fassung des Gesetzes vom
23.12.2003 (BGBl. I S. 4607) tritt eine Sperrzeit von 12 Wo-chen ein, wenn der Arbeitslose das
Beschäftigungsverhältnis gelöst hat und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt
hat, ohne für sein Ver-halten einen wichtigen Grund zu haben. Der Arbeitslose hat die für die Beurteilung eines
wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in
seinem Verantwortungsbereich liegen.
Der Kläger hat sein Beschäftigungsverhältnis mit dem Landschaftsverband R ... als Krankenpfleger im "R- Heim"
durch den Auflösungsvertrag vom 04.07.2003, dem sein Antrag vom 03.06.2003 zugrunde lag, gelöst und damit seine
Arbeitslosigkeit ab 21.07.2003 grob fahrlässig herbeigeführt, da zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhe-
bungsvertrages – 04.07.2003 ( Annahme des Antrages auf Beendigung des Arbeitsverhält-nisses durch den
Arbeitgeber ) – bereits die Absage für eine Anschlussbeschäftigung bei der Arbeiterwohlfahrt am Wohnort seiner
Partnerin vorlag. Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht, wenn man auf den Zeitpunkt abstellt, an dem der
Kläger gegenüber sei-nem ehemaligen Arbeitgeber den Antrag auf Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
gestellt hat, also den 03.06.2003. Denn selbst nach der eigenen Darstellung des Klägers lag zu diesem Zeitpunkt
noch keine rechtlich verbindliche Zusage auf Einstellung in ein Be-schäftigungsverhältnis bei der Arbeiterwohlfahrt
vor. Nach der Absage der Arbeiterwohl-fahrt hätte der Kläger alles daran setzen müssen, bei seiner ehemaligen
Arbeitgeberin wei-ter beschäftigt zu werden. Allein aufgrund der vorausgegangenen langen Beschäftigungs-zeit dort –
27 Jahre (! ) – erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung bzw.
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergeben hätte.
Im Hinblick auf sein damaliges Alter (43 Jahre), aber auch wegen der hohen Arbeitslosig-keit, nicht nur im Raum G.,
C., Z ... sondern im gesamten Raum Halle/Leipzig, musste sich der Kläger im Klaren sein, dass die Auflösung seines
Arbeitsverhältnisses zu einer Arbeitslosigkeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ab 21.07.2003 führen werde. Damit
steht fest, dass der Aufhebungsvertrag Ursache der Arbeitslosigkeit des Klägers ab 21.07.2003 war.
Dem Kläger stand auch für sein, die Arbeitslosigkeit herbeiführendes Verhalten, kein "wichtiger Grund" im Sinne des
Gesetzes zur Seite. Ihm war unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner
Interessen mit den der Versicher-tengemeinschaft ein anderes Verhalten zumutbar.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass ein wichtiger Grund im Zusammen-hang mit dem Zuzug eines
Partners nur vorliegen kann, wenn die Beschäftigungsaufgabe zur Fortsetzung (!) einer eheähnlichen
Lebenspartnerschaft erfolgt, die den rechtlichen Anforderungen an eine eheähnliche Gemeinschaft genügt (BSG vom
29.04.1998 – B 7 AL 56/97 R, BSG vom 17.10.2002 – B 7 AL 96/00 R).
Wie der Kläger selbst in der Begründung zu seinem Widerspruch angegeben hat, ist erst durch seinen Zuzug in die
Wohnung seiner Lebenspartnerin eine eheähnliche Gemein-schaft begründet worden. Dies ist auch nachvollziehbar,
weil sowohl die frühere Ehe des Klägers als auch die seiner Partnerin erst kurz zuvor geschieden wurden ...
Auch der Umstand, dass der Kläger und seine Partnerin im Juli 2005 die Ehe geschlossen haben, führt zu keiner
anderen Beurteilung. Die Eheschließung ist erst nach zwei Jahren erfolgt und stand damit nicht mehr in zeitlicher
Nähe zur Beendigung des Beschäftigungs-verhältnisses am 20.07.2003. Es fehlt insoweit an der Absehbarkeit der
Eheschließung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages ( BSG E 52, 276 f.; 64, 202 f.; zuletzt wohl
auch BSG Urteil v 17.11.2005 SozR 4-4300 § 144 Nr.10 ). Auch hier wäre allenfalls dann ein wichtiger Grund in
Betracht gekommen, wenn die Eheschließung zeit-nah – innerhalb von sechs Monaten – nach der Beendigung des
Beschäftigungsverhältnis-ses erfolgt wäre (auch BSG Urteil vom 17.l1.2005 a.a.O.)
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 und 2 SGB III (in der oben genannten Fas-sung) lag damit nicht vor.
Ebenso liegt keine besondere Härte im Sinne des § 144 Abs. 3 SGB III vor.
Ob eine Sperrzeit von 12 Wochen eine besondere Härte bedeuten würde, ist dem Wortlaut des § 144 Abs. 3 SGB III
zu Folge nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen zu beurteilen, nicht dagegen nach den
Umständen. Umstände persönlicher oder wirtschaftlicher Art bleiben hiernach außer Betracht, es sei denn, dass sie
zu den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen gehören, bzw. sich auf diese Tatsachen zwangsläufig
auswirken. Letzteres hat zur Folge, dass unter dem Gesichtspunkt der Härte ggf. auch Umstände persönlicher oder
wirtschaftlicher Art Berücksichtigung finden, die von ihrem Gewicht her zwar nicht den Eintritt einer Sperrzeit hindern,
aufgrund der Be-sonderheiten des Einzelfalles eine Sperrzeit von einer Regelungsdauer aber als besonders hart
erscheinen lassen (BSG, SozR 3-4100, § 144 Nr. 12).
Umstände persönlicher oder wirtschaftliche Art in diesem Sinne, die eine besondere Härte für den Kläger darstellen
könnten, sind nicht ersichtlich Der Kläger kannte seine jetzige Ehefrau bereits seit dem Jahr 2001. Das Bestreben ein
neues menschliches Zusammenle-ben nach den erst kurz zuvor erfolgten Ehescheidungen von den früheren Partnern
aufzu-nehmen und fortzuführen reicht hierfür nicht aus. Dem Kläger war es daher zuzumuten, noch solange sein
bestehendes Arbeitsverhältnis fortzusetzen, bis er ein Anschlussarbeits-platz in Z. oder Umgebung hatte.
Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.