Urteil des SozG Leipzig vom 30.11.2006

SozG Leipzig: stationäre behandlung, wochenende, krankenkasse, ärztliche behandlung, unterbringung, therapie, versorgung, krankenversicherung, bestandteil, form

Sozialgericht Leipzig
Urteil vom 30.11.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 8 KR 286/05
I. Die Klage wird abgewiesen. II ... Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin macht eine (Rest-)Zahlung von 622,73 EUR zuzüglich Zinsen für die Behand-lung von ... D ..., ...,
geltend, die sie im Wege der Notfall-Aufnahme wegen akuter psychotischer Störung aufgenommen hatte. Die
Patientin war bei ihr vom 14.05.2003 bis 24.06.2003 in stationärer Behandlung. Sie hörte seit 3 Monaten Stimmen,
zudem bestand Suizidgefahr. Diagnostiziert wurde ein klinisch-psychiatrisches Syndrom, eine akute polymorphe
psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie bei Ver-dacht auf eine posttraumatische
Belastungsstörung. Ferner fanden sich Entwicklungsrück-stände in Form eines psychosozialen ERST bei anomaler
Elternsituation, eine niedrige Intelligenz, sowie eine Hörstörung mit beidseitigem Hochtonverlust.
Am 03.06.2003 sicherte die Beklagte die Kostenübernahme für die Krankenhausbehand-lung zu.
Zwischenzeitlich befand sich die Patientin vom 07. bis 09.06.2003, 14. bis 15.06.2003 und 21. bis 22.06.2003 am
Wochenende in ihrem häuslichen Umfeld zur Belastungserprobung. Die Beklagte verweigert hierfür die
Kostenübernahme und hat die Kosten für die Belas-tungserprobung bei "Entlassung am Wochenende" in Abzug
gebracht.
Die Klägerin macht nunmehr im Klagewege die Differenz zwischen Endabrechnung und tatsächlicher Zahlung geltend.
Die Höhe der Verzugszinsen in Höhe von 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank
beruht auf einer Entgeltvereinba-rung der Beteiligten.
Sie macht im Wesentlichen geltend: Die Verweigerung der Kostenübernahme während der Belastungserprobungen
stelle einen Eingriff in die ärztliche Behandlung dar. Belastungser-probungen stellten ein Behandlungselement dar, das
mit einer Kombination aus Psycho- und Soziotherapie arbeite. Der Schritt von einer vollstationären Unterbringung in
eine ta-gesklinische Behandlung sei noch zu groß. Erachte der behandelnde Krankenhausarzt diese Maßnahme für
erforderlich, gelte der "Beweis des ersten Anscheins". Eine Kostenverwei-gerung durch die Krankenkasse sei nur
dann gerechtfertigt, wenn aus einer "ex-ante-Sicht" dessen Entscheidung unvertretbar sei. Im Übrigen könne dessen
Entscheidung nur durch eine unverzügliche Begutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
(MDK) widerlegt werden, an der es hier fehle. Belastungserprobungen bildeten den Teil einer einheitlichen stationären
Krankenhausbehandlung, zumal die Patienten nicht aus dem Krankenhausbetrieb ausgegliedert würden. Sie seien
wesentliches Therapieinstrument und kein "Urlaub". Währenddessen würden den Patienten auch Aufgaben im
Rahmen ihres Therapiekonzeptes gestellt. Zum Belastungsaufbau sei es bei psychiatrischen Patienten notwendig, sie
Belastungssituationen auszusetzen. Diese machten aber nur außerhalb des Klinikgebäudes und dessen
therapeutischer Atmosphäre Sinn.
Belastungserprobungen hätten damit keine Unterbrechung der stationären Aufnahme zur Folge, sondern seien ein
wichtiges Instrument der psychiatrischen Therapie, sie stellten ein wichtiges "Feedback" bei der Behandlung dar. Es
handele sich um ein überrealistisches Planspiel zur Umsetzung und Kontrolle von Behandlungserfolgen, weil ein
Einsatz in einer realen Umgebung unter realistischen Bedingungen erfolge. Durch Rückführung in das ver-traute
familiäre und soziale Umfeld, in Form einer langsamen Wiedereingliederung in das häusliche Milieu, werde dieses in
die Therapie mit einbezogen; den Patienten sei aufgege-ben, das Gelernte in die Praxis umzusetzen, in dem sie
schrittweise in ihr normales Le-bensumfeld integriert würden. Die Notwendigkeit gegenseitiger Kontaktaufnahme
bestehe insbesondere am Wochenende, da die Familie dann zusammen sei und die notwendige Zeit füreinander
erübrigen könne.
Sie halte – auch am Wochenende – ihr "Sicherheitsnetz" in Form von Klinikpersonal in ständiger Bereitschaft. Die
Jugendlichen könnten mit gleicher Intensität auch am Wochen-ende durch sie betreut werden. Die Pflegekraft führe
vor der "Entlassung am Wochenende" Gespräche über die Ziele der Maßnahme, erforderlichenfalls würde ein Arzt
hinzugezogen. Nach Rückkehr am Wochenende würden Gruppen- und Einzelgespräche geführt, wobei die Ziele
überprüft würden. Die "Beurlaubungen" seien keine Pause im Behandlungsver-lauf, da dem Patienten jederzeit die
Rückkehr möglich sei. Ärzte stünden den Patienten auch am Wochenende telefonisch zur Verfügung, sodass es um
keine reine Verfügungsbe-reitschaft gehe. Systemische und sozio-psychiatrisch orientierte Therapieinhalte verkürzten
insgesamt die Liegezeit.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 622,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 %-
Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 215,07 EUR seit 28.06.2003 und aus einem weiteren Betrag
von 407,66 EUR seit 23.08.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Vergütet werde nicht die Therapie, sondern die vollstationäre Behandlung. Während der Belastungserprobungen seien
die Patienten jedoch aus dem Stationsbetrieb ausgegliedert, mithin entlassen. Die Belastungserprobungen seien
abrechnungstechnisch deswegen eine Beurlaubung, für die eine Regelung in der Bundespflegesatzverordnung (BPflV)
fehle. Daran ändere auch die Rufbereitschaft der Klägerin nichts. Bei Entlassungen am Wochen-ende handele es sich
grundsätzlich um keine Berechnungstage, da sich die Patienten nicht im Krankenhaus aufhielten. Währenddessen
seien sie vielmehr dem unmittelbaren Wirk-kreis der Einrichtung bzw. des Behandlers entzogen. Die
Wochenendbeurlaubungen stell-ten keinen stationären Krankenhausaufenthalt mehr dar, weil krankenhausspezifische
Maß-nahmen nicht zum Einsatz kämen. Dringende medizinische Gründe, die Beurlaubungen auf einen Samstag oder
Sonntag zu beschränken, gäbe es nicht. Ärztliche/psychologische Maßnahmen in diesen Zeiträumen seien von
untergeordneter Bedeutung, zumal essentielle Leistungen nicht erfolgten. Die zeitnah mit der Klägerin geführten
Erörterungsgespräche zur abrechnungstechnischen Behandlung der streitigen Zeiträume während der Belastungs-
erprobungen seien erfolglos geblieben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte sowie
ein Verwaltungsvorgang der Beklagten und Krankenunterla-gen der Klägerin, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind, Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als echte Leistungsklage statthaft und zulässig (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsge-setz (SGG)), weil es sich
um eine Zahlungsklage im Gleichordnungsverhältnis handelt. Es bedarf mithin weder eines Vorverfahrens noch der
Einhaltung einer Klagefrist (wie hier: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die von der Klägerin während der
Belastungserprobung am Wochenende geltend gemachten Kosten für eine (fortdauernde) stationäre Unterbringung der
bei der Beklagten versicherten ... D ... in Höhe von weiteren 622,73 EUR zuzüglich Zinsen zu übernehmen. Denn
während der Belas-tungserprobung wurde keine als stationäre Behandlung abzurechnende Krankenhausleis-tung
erbracht, die nach der BPflV zu vergüten wäre.
Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu
heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbe-schwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst
u. a. die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)). Gemäß
§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung voll-stationär, teil-stationär, vor- und nach-stationär (§
115 a) sowie ambulant (§ 115 b) erbracht. Nach Satz 2 der Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf voll-stationäre
Behandlung in einem zugelassenen Kran-kenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme durch Prüfung durch das Krankenhaus
erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teil-stationäre, vor- und nach-stationäre oder am-bulante
Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Die Klägerin ist unstreitig ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 Nr. 3 SGB V, weil das Krankenhaus
einen Versorgungsvertrag mit einem Verband der Beklagten abge-schlossen hat. Mit einem Versorgungsvertrag nach
§ 109 Abs. 1 SGB V wird das Kran-kenhaus für die Dauer des Vertrages zur Krankenhausbehandlung der
Versicherten zuge-lassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrages zur
Krankenhausbehandlung (§ 39) der Versicherten verpflichtet.
Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs mit dem
Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfi-nanzierungsgesetzes, des
Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverord-nung zu führen (§ 109 Abs. 4 Satz 1 bis 3 SGB V).
Nach der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) werden die voll-stationären und teil-stationären Leistungen der
Krankenhäuser vergütet (§ 1 Abs. 1 BPflV). Krankenhausleistungen nach § 1 Abs. 1 sind insbesondere ärztliche
Behandlungen, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus
notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpfle-gung; sie umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und
Wahlleistungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BPflV). Allgemeine Krankenhausleistungen sind nach Maßgabe des § 2 Abs. 2
BPflV die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall
nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten
notwendig sind. Die Pflegesätze für allgemeine Krankenhausleistungen sind für alle Benutzer des Krankenhauses
einheit-lich zu berechnen und dürfen nur im Rahmen des Versorgungsauftrags (ausgenommen: die Behandlung von
Notfallpatienten) berechnet werden (§ 14 Abs. 1 BPflV). Die Abteilungs-pflegesätze und der Basispflegesatz sowie die
entsprechenden teil-stationären Pflegesätze werden für den Aufnahmetag und jeden weiteren Tag des
Krankenhausaufenthalts berech-net (Berechnungstag); der Entlassungs- oder Verlegungstag, der nicht zugleich
Aufnahme-tag ist, wird nur bei teil-stationärer Behandlung berechnet (§ 14 Abs. 2 BPflV).
Im Unterschied zur ambulanten Behandlung ist der Patient bei stationärer Versorgung phy-sisch und organisatorisch
in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ein-gegliedert (wie hier: Wagner, Soziale
Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 39 Rdnr. 4 EL 33). Hierbei resultiert die grundsätzliche
Zahlungsverpflichtung der Beklagten - un-abhängig von einer etwaigen Kostenzusage – bereits aus dem
Sachleistungsprinzip. Nach § 2 Abs. 2 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und
Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Nach Satz 3 der Be-stimmung
schließen die Krankenkassen über die Erbringung der Sach- und Dienstleistun-gen nach den Vorschriften des Vierten
Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.
Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht damit ein
Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzli-chen Ermächtigung in §§ 16 f
Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der BPflV in der Pflegesatzvereinbarung zwischen
Krankenhausträgern und Krankenkasse festgelegt wird (BSG, Urteil vom 23.07.2002, Az: B 3 KR 64/01 R). Mit der
Kranken-hausbehandlung durch einen zugelassenen Leistungserbringer wird somit der Sachleis-tungsanspruch des
Versicherten realisiert (vgl. § 2 Abs. 2 SGB V). Zugleich wird konklu-dent über dessen konkreten Leistungsanspruch
entschieden. Solange die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten schweigt, muss diese die Entscheidung gegen
sich gelten las-sen. Nachträgliche Einwendungen gegen ihre Leistungspflicht kann sie, ausgenommen im Falle des
Missbrauchs durch den Versicherten, nur im Verhältnis zum Leistungserbringer geltend machen (BSG, in: Breithaupt
1997, 16). Eine – in Form einer stationären Behand-lung zu vergütende – Sachleistung (Krankenhausleistung) im
Sinne des § 1 Abs. 1 BPflV hat die Klägerin im streitigen Zeitraum jedoch nicht erbracht.
Die bloße Verordnung von Belastungserprobungen am Wochenende (als Bestandteil der stationären Therapie) vermag
allein noch keinen Vergütungsanspruch zu begründen. Wenngleich die Verordnung durch einen Vertragsarzt,
ausgenommen Notfälle, Vorausset-zung für die von der Krankenkasse geschuldete Krankenhausbehandlung ist, ist
die Thera-piefreiheit des Krankenhausarztes – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – dadurch grundsätzlich nicht
eingeschränkt. Vielmehr bleibt es diesem überlassen, über Art und Er-forderlichkeit der Krankenhausbehandlung
selbst zu entscheiden (BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R).
Hierbei hat das Krankenhaus eigenverantwortlich zu prüfen, ob eine Krankenhausbehand-lung notwendig ist. Dies geht
insbesondere aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V hervor. Es darf sich insoweit ggf. auch nicht auf die Beurteilung des
Vertragsarztes verlassen, weil die Therapiefreiheit des Krankenhausarztes, auch nicht durch Verordnung des
Vertragsarztes, eingeschränkt ist (wie hier: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B 3 KR 33/99 R). Das be-deutet, dass
sich die erforderliche Behandlung nach der Art der Erkrankung mit Aussicht auf Erfolg nur in einem Krankenhaus mit
dessen besonderen Mitteln durchführen lässt. Ähnlich wie bei der Prüfung der Erforderlichkeit von
Rehabilitationsleistungen gilt damit auch insoweit ein "gestuftes System" (vgl. dazu auch: SG Leipzig, Urteil vom
04.07.2006, Az: S 8 KR 6/05). Für die stationäre Behandlung ist damit entscheidend, dass sich eine Behandlung mit
den spezifischen Mitteln des Krankenhauses als erforderlich erweist. Ob die Krankenhausbehandlung tatsächlich
erforderlich ist, entscheidet zunächst deshalb der verantwortliche Krankenhausarzt. Die stationäre Aufnahme der
Versicherten war hier un-streitig im Wege der Notfall-Aufnahme medizinisch geboten gewesen.
Nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V iVm der Pflegesatzvereinbarung ist die Krankenkasse jedoch nur verpflichtet, die
vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn die Versorgung im Krankenhaus erforderlich ist (§ 39 SGB V). Als Teil der
Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V muss sie notwendig sein, um eine Krankheit zu
erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Für den Fall, dass
kostengünstigere Behandlungsformen ausgereicht hätten, hätte ein Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung
nicht bestanden. Nur dann, wenn sich die Entschei-dung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen
Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt, entfällt die Zahlungspflicht der Krankenkasse für die
stationäre Versorgung eines Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001, Az: B 3 KR 11/01 R; Schleswig-
Holsteinisches LSG, Urteil vom 22.03.2006, Az: L 5 KR 160/04).
Der Krankenkasse ist dafür ein eigenständiges Überprüfungsrecht eingeräumt. Zwar ergibt sich aus § 275 Abs. 1 Nr. 1
SGB V, dass die Krankenkassen lediglich in gesetzlich be-stimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer
oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, die Verpflichtung trifft, zur Einleitung
von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen und Zusam-menarbeit der
Rehabilitationsträger nach den §§ 10 bis 12 des Neunten Buches, im Be-nehmen mit dem behandelnden Arzt, eine
gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. Gleichwohl ist
die Krankenkasse trotz des engen Wortlautes der Bestimmung berechtigt, alle Leistungsarten des § 11 SGB V zu
überprüfen. Die Überprüfung der Leistungen erfasst hierbei alle im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung
relevanten medizinischen Fragen. Insbesondere ist neben den beispielhaft angesprochenen (medizinischen)
Leistungsvoraussetzungen auch zu prüfen, unter welchen Gesichtspunkten welche Leistung dem Grunde und der
Höhe nach angezeigt ist. Hierbei soll die gutachterliche Stellungnahme des MDK dazu beitragen, aus der breiten
Palette der Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung dem Versicherten die aus medizinischer Sicht
optimale und zugleich wirtschaftlichste Leistung bereitzustellen (eben-so: Baier, in: Krauskopf, a.a.O., § 275 Rdnr. 6
EL 47).
In erweiternder Auslegung des Gesetzeswortlautes des § 275 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist damit den
Krankenkassen das Recht zuzubilligen, eine Krankenhausabrechnung auch rechnerisch bzw. sachlich zu überprüfen,
selbst wenn ihrem Wortlaut nach die Vorschrift lediglich die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen
beinhaltet. Denn die Ab-rechnungsüberprüfung wird vom Regelungsgehalt der Vorschrift mit umfasst, weil sie der dort
geregelten Wirtschaftlichkeitsprüfung notwendigerweise vorgeschaltet ist (wie hier: BSG, Urteil vom 23.07.2002,
a.a.O.; vgl. auch: SG Leipzig, Urteil vom 26.01.2006, Az: S 8 KR 277/05, veröff. in "juris").
Hiergegen spricht auch nicht die zuvor genannte "Einschätzungsprärogative" des Kran-kenhausarztes. Denn die
Krankenkasse ist berechtigt, nach der Krankenhausaufnahme die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zu
überprüfen und davon eine Kostenübernah-meerklärung abhängig zu machen (vgl.: BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az: B
3 KR 33/99 R). Andernfalls hätte es der gesetzlichen Einschränkung, wonach eine vollstationäre Kran-
kenhausbehandlung nur bei medizinischer Erforderlichkeit gerechtfertigt ist (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und der
Krankenkasse in Zweifelsfällen über den MDK das Recht der Ü-berprüfung zusteht (§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), nicht
bedurft. Bei Zweifeln an der Erfor-derlichkeit der Krankenhausbehandlung ist der MDK einzuschalten (vgl. auch: § 276
Abs. 4 SGB V, sowie SG Leipzig, Urteil vom 26.01.2006, Az: S 8 KR 539/04, veröff. in "ju-ris").
Vorliegend stand indes nicht die medizinische Einschätzung des Krankenhausarztes bei stationärer Aufnahme der
Patienten in Streit, sondern die Vergütung für die zwischenzeitli-che Entlassung zur Belastungserprobung am
Wochenende. Die Therapiemaßnahmen selbst, bzw. der diesen zu Grunde liegende Behandlungsplan des
Krankenhausarztes, sind nicht als stationäre Behandlungs-/Unterbringungskosten von der Beklagten zu überneh-men.
Nach den Kriterien der gesetzlichen Krankenversicherung ist für die Notwendigkeit statio-närer Unterbringung und
Behandlung darauf abzustellen, ob – wie aufgezeigt – die spezifi-schen Mittel des Krankenhauses erforderlich sind,
um das Behandlungsziel zu erreichen. Dies mag zwar auch für die Belastungserprobungen am Wochenende gegolten
haben, wor-auf der in der mündlichen Verhandlung anwesende Chefarzt der Klägerin, Dr ..., über-zeugend hingewiesen
hatte. Gleichwohl steht der Klägerin während dieses Zeitraums nicht in gleichem Maße wie bei der stationären
Behandlung im Krankenhaus ein Vergütungsan-spruch zu; denn die betroffenen Patienten sind dann nicht (mehr) in
das spezifische Ver-sorgungssystem des Krankenhauses integriert. Für die Belastungserprobungen am Wo-chenende
bedurfte es insoweit nicht des Einsatzes der spezifischen Mittel des Krankenhau-ses. Vielmehr hat die Klägerin
selbst eingeräumt, dass die Belastungserprobungen am Wo-chenende die Patienten in die Lage versetzten sollten, in
ihrem normalen familiären Le-bensumfeld das während der Therapie im Krankenhaus Erlernte in die Praxis
umzusetzen. Selbst wenn die Belastungserprobung am Wochenende als Bestandteil der Therapie medi-zinisch
notwendig gewesen ist, scheitert eine Kostenübernahme für eine stationäre Be-handlung bereits daran, dass während
dieses Zeitraumes eine stationäre Unterbringung nicht erfolgt war. Eine Versorgung "im Krankenhaus" selbst fand
insofern nicht statt (vgl. § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 BPflV).
Nach der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt (vgl.
BSG, Urteil vom 04.03.2004, Az: B 3 KR 4/03 R), kann bei beste-henden Abgrenzungsschwierigkeiten von voll-
stationärer, teil-stationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung nur vom Merkmal der Aufenthaltsdauer
ausgegangen werden. Demzufolge liegt eine stationäre Behandlung vor, wenn eine physische und organisatori-sche
Eingliederung des Patienten das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses gegeben ist, die sich zeitlich
über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Hierbei ist von der geplanten Krankenhausaufenthaltsdauer
auszugehen. Die Planung der Klägerin sah indes nach deren Therapiekonzept bei psychischer Stabilisierung der
Patienten eine Unterbrechung der stationären Unterbringung vor, die demzufolge auch nicht vergütet werden kann.
Hier hat sich zwar insgesamt die Krankenhausaufenthaltsdauer auf den kostenmäßig gel-tend gemachten
Gesamtzeitraum erstreckt; dieser war jedoch insoweit durch die Belas-tungserprobungen am Wochenende
unterbrochen. Die Patienten waren während dieser Zeit nicht mehr planmäßig in das Versorgungssystem des
Krankenhauses integriert. Vielmehr waren sie in diesem Zeitraum aus stationärer Behandlung "entlassen", selbst
wenn deren Wiederaufnahme nach der Belastungserprobung Bestandteil des Therapieplanes war. Auch nach eigenem
Vorbringen der Klägerin kam eine "Entlassung am Wochenende" nur bei insoweit psychisch gefestigten Patienten in
Betracht, das heißt nur bei denjenigen, bei de-nen nach psychischer Stabilisierung probeweise eine Rückführung in
das häusliche Milieu möglich war. Für diesen probeweisen Zeitraum war eine stationäre Unterbringung mithin nicht
mehr im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V "erforderlich". Die Notwendig-keit/Erforderlichkeit der
Krankenhausbehandlung ist indes ein objektives Tatbestands-merkmal (BSG, Beschluss vom 03.08.2006, Az: B 3
KR 1/06 S).
Wenngleich die Belastungserprobung am Wochenende Bestandteil des Therapieplanes der Klägerin gewesen ist, fehlt
es ferner am Merkmal der stationären Behandlung mit den spe-zifischen Mitteln des Krankenhauses. Hierbei war
allerdings zu berücksichtigen, dass bei psychiatrischen Erkrankungen grundsätzlich der Einsatz
krankenhausspezifischer Geräte in den Hintergrund tritt und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen
Hilfs-kräften und des Pflegepersonals sowie die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu
begründen vermag (BSGE 94, 161 (164 f)).
Dass die Patienten gleichwohl noch in diesem Zeitraum Leistungen des Krankenhauses bei "Notfällen" in Anspruch
nehmen konnten, weil die Klägerin auch am Wochenende den Patienten durch jederzeit geschultes Pflegepersonal
und Ärzte zur Verfügung gestellt und ihnen erforderlichenfalls auch eine stationäre Unterbringung angeboten habe,
begründet noch nicht die Notwendigkeit stationärer Behandlung. Für die Notwendigkeit einer Kran-kenhausbehandlung
wird weder eine apparative Mindestausstattung, noch geschultes Pfle-gepersonal oder ein jederzeit präsenter bzw.
rufbereiter Arzt verlangt; für die Notwendig-keit einer Krankenhausbehandlung wird weder der Einsatz aller dieser
Mittel gefordert noch stets als ausreichend angesehen. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BSG,
Beschluss vom 03.08.2006, Az: B 3 KR 1/06 S).
Die Klägerin hat aber während der Belastungserprobungen am Wochenende für die Patien-ten keine tatsächlichen
Leistungen "erbracht", die nach der BPflV abrechnungsfähig wä-ren. Nach dem vorgenannten Sachleistungsprinzip
war die Krankenkasse nur verpflichtet, die in den Zeiträumen der Krankenhausbehandlung von der Klägerin erbrachten
Leistun-gen – wie geschehen – abzurechnen, nicht jedoch die bereitgestellten personellen und rechtlichen Mittel im
Wege einer Notfall-Bereitschaft am Wochenende; denn Grundvor-aussetzung für den Vergütungsanspruch eines
zugelassenen Krankenhauses für eine statio-näre Behandlung nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe der
Vorschriften des KHG und der BPflV ist, dass eine voll- oder teilstationäre Behandlung tatsächlich stattge-funden hat.
Daran fehlt es hier.
Demgegenüber lässt sich auch nicht auf eine "finale Betrachtungsweise" abstellen, und zwar dergestalt, dass die
Belastungserprobung insgesamt als Bestandteil der (stationären) Therapie die Gesundung der Patienten bezweckt
habe. Im Übrigen hat das Bundessozialge-richt eine finale Betrachtung im anderen Zusammenhang und auf einem
anderen Rechtsge-biet angestellt (vgl.: Urteil vom 14.12.1994, Az: 4 RK 1/93), d. h. hinsichtlich der Versi-
cherungspflicht von Beschäftigten in Behindertenwerkstätten, sodass diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall
nicht übertragbar ist.
Dass sich die Beklagte mit Kostenübernahmeerklärung vom 03.06.2003 zur Übernahme der stationären Behandlungs-
und Unterbringungskosten bereit erklärt hatte, berechtigt allein noch nicht zur Abrechnung der Kosten auch während
der Belastungserprobung; denn der Vergütungsanspruch des Krankenhauses entsteht in Fällen der medizinisch
erforderli-chen Krankenhausbehandlung unabhängig von einer Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse. Diese
hat keine konstitutive Bedeutung, sondern lediglich eine beweisrecht-liche Funktion (wie hier: BSG, Urteil vom
28.09.2006, Az: B 3 KR 23/05 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Da die nicht zum privilegierten
Personenkreis nach § 183 SGG gehörende Klägerin im Rechtsstreit unterle-gen war, behält sie die Kosten auf sich
selbst.