Urteil des SozG Landshut vom 10.08.2009

SozG Landshut: aufschiebende wirkung, private krankenversicherung, krankheitsfall, mitgliedschaft, versicherungspflicht, freiwillige versicherung, solidaritätsfonds, vollziehung, härte

Sozialgericht Landshut
Beschluss vom 10.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 4 KR 124/09 ER
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom
07.05.07 sowie der nachfolgenden Bescheide vom 28.01.2008, 02.02.2009, 09.04.2009 und 14.04.2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.05.2009 wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über die Auferlegung von Beitragspflichten zur
Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund eines von der Antragsgegnerin angenommenen
Pflichtversicherungsverhältnisses.
I.
1.
Der Antragsteller wurde zum 01.02.2003 Mitglied der Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 25.01.2007 wurde durch die
Antragsgegnerin eine Beitragseinstufung für die Zeit ab 01.01.2007 vorgenommen. Daraufhin hat der Antragsteller mit
Schreiben vom 30.01.2007 seine freiwillige Mitgliedschaft fristgemäß zum 31.03.2007 gekündigt.
Die Antragsgegnerin führte mit Bescheiden vom 07.05.2007 die Mitgliedschaft fort und machte Beiträge für die Zeit ab
01.04.2007 geltend, wobei die Antragsgegnerin davon ausging, dass die Kündigung unwirksam sei, da der
Antragsteller keine andere Versicherung nachweisen konnte. In der Folgezeit erhob der Antragsteller Einwände gegen
die Fortführung der Mitgliedschaft.
Mit Bescheid vom 28.01.2008 stellte die Antragsgegnerin fest, dass seit 01.04.2007 Versicherungspflicht gemäß § 5
Abs. 1 Nr. 13 SGB V eingetreten sei. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 16.02.2008 Widerspruch
ein, wobei er sich auf das Grundgesetz und das Völkerrecht berief.
Im nachfolgend geführten Schriftwechsel konnte im Hinblick auf die Standpunkte zu der Mitgliedschaft und den
Beiträgen keine Annäherung erreicht werden. Unter anderem hat die Antragsgegnerin die Einkommensverhältnisse
ermittelt und der Antragsteller mit Fax vom 01.10.2008 geltend gemacht, dass er seit 01.07.2007 Mitglied der
regionalen Solidargemeinschaft ARTABANA Landau a.d. Isar e.V. sei.
Mit Schreiben vom 14.04.2009 stellte die Antragsgegnerin klar, dass sie nicht mehr an der Auffassung festhielt, dass
die Kündigung unwirksam sei. Vielmehr habe die freiwillige Mitgliedschaft am 31.03.2007 geendet und im Anschluss
daran sei die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eingetreten. Diesem Schreiben fügte die
Antragsgegnerin Beitragsbescheide vom 09.04.2009 bei für die Zeit ab 01.04.2007, 01.01.2008, 01.07.2008 und
01.01.2009, welche hinsichtlich der Beitragshöhe keine Änderungen enthielten. Hiergegen legte der Antragsteller mit
Schreiben vom 06.05.2009 Widersprüche ein. Der Antragsgegnerin liege eine Bescheinigung des ARTABANA
Deutschland Solidargemeinschaft e.V. (AD) vor, aus der hervorgehe, dass ein anderweitiger Anspruch auf
Absicherung im Krankheitsfall bestehe.
Mit Schreiben vom 11.05.2009 stellte die Antragsgegnerin klar, dass die Bescheide vom 09.04.2009 und 14.04.2009
nur die Begründung für die Beitragserhebung änderten und Gegenstand des Vorverfahrens geworden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2009 wurde der Widerspruch abgewiesen. Die Antragsgegnerin stellte fest, dass
der Antragsteller seit 01.04.2007 versicherungspflichtig in den Bereichen der Kranken- und Pflegeversicherung sei.
Der Antragsteller sei verpflichtet, monatliche Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.04.2007 bis
31.12.2007 in Höhe von 266,44 EUR (zuzüglich 35,83 EUR Pflegeversicherung), für die Zeit vom 01.01.2008 bis
31.12.2008 in Höhe von 270,24 EUR (zuzüglich 36,34 EUR bzw. ab 01.07.2008 41,00 EUR Pflegeversicherung) und
ab 01.01.2009 bis auf weiteres in Höhe von 281,61 EUR (zuzüglich 41,58 EUR Pflegeversicherung) zu entrichten. Die
Versicherungspflicht sei gegeben, denn die Mitgliedschaft bei AD begründe keinen anderweitigen Anspruch auf
Absicherung, mangels Rechtsanspruch auf Leistungen aus dem Solidaritätsfonds. Für den Bereich der sozialen
Pflegeversicherung haben die Ausführungen entsprechend zu gelten.
2.
Mit Fax vom 08.06.2009 hat der Antragsteller Klage erhoben. Im Rahmen der Begründung der Klage mit Schriftsatz
vom 10.07.2009 wurde der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Der Antragsteller sei seit 01.07.2007 nicht
Mitglied der Antragsgegnerin, denn seit diesem Zeitpunkt sei er Mitglied einer Gliederung der AD. Dies führe dazu,
dass die Versicherungspflicht auf den Antragsteller nicht zutreffe, da er einen anderweitigen Anspruch auf
Absicherung habe. Der von der AD gebotene Schutz stelle eine gleichwertige Absicherung dar. Der Antragsteller habe
einen vollwertigen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine etwaige Krankenbehandlung, insoweit sei ein
faktischer Leistungsanspruch ausreichend. Die Absicherung sei ebenfalls gegeben, denn das Gesetz verwendet
bewusst nicht den Begriff Versicherung, sodass keine Beschränkung auf die gesetzliche Sozialversicherung und die
private Krankenversicherung gewollt sei. Die finanzielle Situation der AD sei tragfähig.
Der Antragsteller beantragt, eine einstweilige Anordnung zu erlassen mit dem Inhalt, die vom Gesetz in § 86 b Abs. 1
SGG angeordnete vorläufige Beitragszahlung seit 01.07.2009 auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass ihre Bescheide nicht rechtswidrig seien und somit der Antrag auf
einstweiligen Rechtschutz unbegründet sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses
Verfahrens und die Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens mit dem Aktenzeichen S 4 KR 98/09 Bezug genommen.
II.
1.
Der Antrag ist zulässig aber unbegründet.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage. Gemäß § 123
Sozialgerichtsgesetz (SGG), der auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Anwendung findet, entscheidet
das Gericht über die vom Antragsteller erhobenen Ansprüche ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.
Hiernach ist das Rechtsschutzbegehren erforderlichenfalls durch Auslegung der wörtlichen Anträge zu ermitteln. Im
Zweifel ist dabei derjenige Antrag anzunehmen, der dem Rechtsschutzbegehren an ehesten zum Ziel verhilft. Gemäß
§ 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch
oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise
anordnen. Nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage
bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen,
Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die
Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.05.07 sowie der
nachfolgenden Bescheide vom 28.01.2008, 02.02.2009, 09.04.2009 und 14.04.2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.05.2009 hat keine aufschiebende Wirkung. Das Begehren des Antragstellers richtet
sich darauf, den Vollzug der oben genannten Bescheide zu verhindern, insbesondere auch deren Vollstreckung.
Diesem Rechtsschutzbegehren verhilft am ehesten ein Antrag gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf Anordnung
der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage.
Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht entscheidet das Gericht nach
pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das private Interesse des Bescheidadressaten
an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des
Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Dabei ist in Beitragsangelegenheiten der in § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG geregelte
Prüfungsmaßstab zugrunde zu legen. Danach soll die Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsaktes erfolgen,
wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- und
Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen hierbei dann, wenn der Erfolg
des Rechtsbehelfs nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung
wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Ist in diesem Sinne eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens zu
bejahen, ist weiterhin Voraussetzung, dass dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht
zugemutet werden kann. Eine unbillige Härte ist dann gegeben, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung
Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht
werden können.
An diesen Grundsätzen gemessen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, denn weder
bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte in Gestalt des Widerspruchsbescheides noch
liegt eine unbillige Härte vor, sodass im Rahmen der Ermessensentscheidung des Gerichts das Vollzugsinteresse das
Aussetzungsinteresse überwiegt.
Es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin in Gestalt des
Widerspruchsbescheides.
Der Antragsteller unterliegt seit 01.04.2007 der Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V. Vom
01.04.2007 bis 01.07.2007 macht auch der Antragsteller nicht geltend, einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung
zu haben, sodass insoweit wohl Einigkeit über die Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V
besteht. Mit Begründung der Mitgliedschaft in der regionalen Solidargemeinschaft ARTABANA Landau a.d. Isar e.V.
zum 01.07.2007 endete dieses Mitgliedschaftsverhältnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V nicht, da nach
Überzeugung des Gerichts diese Mitgliedschaft keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall
begründet gemäß § 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V.
Ein Anspruch im Sinn der §§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a, 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V liegt nur dann vor, wenn §
194 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Nach dieser Legaldefinition ist ein Anspruch das Recht, von einem anderen ein Tun oder
Unterlassen zu verlangen. Die Subsidiarität im Sinn der Regelungen der §§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a, 190 Abs. 13
Satz 1 Nr. 1 SGB V greift somit erst ein, wenn ein anderweitiges Recht auf Krankenbehandlung eine Absicherung im
Krankheitsfall gewährleistet.
Dass der Terminus Anspruch im Sinn der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB zu verstehen ist ergibt sich aus Sinn
und Zweck der Regelung. Der gesetzgeberische Zweck der Regelung der §§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a, 190 Abs. 13
Satz 1 Nr. 1 SGB V ist, dass in Deutschland niemand ohne Schutz im Krankheitsfall sein soll. Hierzu wurde mit dem
Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) für alle Einwohner ohne
Absicherung im Krankheitsfall Versicherungsschutz in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung
gewährleistet. Dabei werden der gesetzlichen Krankenversicherung insbesondere Personen ohne anderweitige
Absicherung im Krankheitsfall zugewiesen, die zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen sind, sowie solche
Personen, die zuletzt weder gesetzlich noch privat krankenversichert waren, aber zu dem Personenkreis gehören, der
seinem Status nach der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen ist (vgl. BT-Drs. 16/3100 S. 94). Zur
anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall steht in der Begründung zum Entwurf des GKV-WSG: "Ohne Anspruch
auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall sind insbesondere die nicht gesetzlich oder privat krankenversicherten
Personen, die keinen Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nach § 40 SGB VIII, § 48 SGB XII, § 264 SGB V, auf
Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz oder auf sonstige Gesundheitsfürsorge haben, die nicht
beihilfeberechtigt sind, keinem Sondersystem wie der freien Heilfürsorge angehören und auch keinen Anspruch auf
Krankenbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem Bundesentschädigungsgesetz oder vergleichbaren
gesetzlichen Regelungen haben. Für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz besteht ein
anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Beihilfeberechtigte Personen, die über keine ergänzende Krankheitskostenvollversicherung über den von der Beihilfe
nicht übernommenen Kostenteil verfügen, werden als Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall angesehen. Sie
fallen unter die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13, sofern sie zuletzt gesetzlich krankenversichert waren.
Personen, für die aufgrund über- und zwischenstaatlichen Rechts ein Anspruch auf Sachleistungen besteht, verfügen
ebenfalls über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall" (vgl. BT-Drs. 16/3100 S. 94)". Den
Gesetzesmaterialien ist die Wertentscheidung zu entnehmen, dass mit der Versicherungspflicht nach §§ 5 Abs. 1 Nr.
13 Buchst. a, 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V Schutz im Krankheitsfall für die gesamte Bevölkerung in Deutschland
gewährleistet werden soll, wobei andere Ansprüche auf Absicherung im Krankheitsfall vorgehen. Insgesamt ist somit
eine subsidiäre Auffangversicherungspflicht geregelt. Wenn aber die gesetzgeberische Wertentscheidung wirksam
umgesetzt werden soll, dann ist es erforderlich den Auffangversicherungsschutz vom Grundsatz her zu gewähren und
nur für den Fall, dass ein qualitativ und quantitativ vergleichbarer Schutz im Krankheitsfall vorliegt, eine Ausnahme zu
akzeptieren. Qualitativ vergleichbar mit dem Schutz durch die gesetzliche Krankenversicherung sind von der
Rechtsnatur her nur echte Ansprüche im Sinn des § 194 Abs. 1 BGB. Nur wenn durch ein Recht auf Schutz im
Krankheitsfall eine Absicherung gegeben ist, kann unter Einbeziehung des gesetzgeberischen Grundgedankens des
Schutzes der gesamten Bevölkerung im Krankheitsfall daran gedacht werden, dass der Gesetzgeber eine andere
Absicherung als ausreichend in Betracht gezogen hat und auf ein Eingreifen der Auffangversicherungspflicht
verzichten wollte. Der Schutz der gesamten Bevölkerung im Krankheitsfall kann nicht dergestalt umgesetzt werden,
dass einerseits im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung echte Rechte auf Schutz im Krankenfall gewährt
werden, aber andererseits rechtlich nicht qualifizierbare Leistungen zur Subsidiarität führen. Würde man ohne
Vorliegen der Rechtsnatur eines echten Anspruchs im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB ein Eingreifen der Subsidiarität
annehmen, so wäre die Umsetzung der gesetzgeberischen Grundentscheidung nicht mehr gegeben, denn der Schutz
der Bevölkerung im Krankheitsfall würde ohne Vorhersehbarkeit, ohne Berechenbarkeit und somit von tatsächlichen
Zufälligkeiten abhängen.
Auch aus der Systematik der gesetzlichen Regelung folgt, dass der Anspruch nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a, 190
Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V im Sinn der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB zu verstehen ist. Während des
Gesetzgebungsverfahrens ist die anderweitige, die Auffangversicherungspflicht ausschließende Absicherung durch §
5 Abs. 8 a SGB V teilweise präzisiert worden (vgl. BT-Drs. 16/4200 S. 9 und 16/4247 S. 29). Bei Durchsicht dieser
gesetzlichen Regelung ist eindeutig, dass von § 5 Abs. 8 a SGB V nur Ansprüche im Sinn des § 194 Abs. 1 BGB
erfasst werden. Wenn aber von der Präzisierung der anderweitigen Absicherung nur Ansprüche im Sinn des § 194
Abs. 1 BGB erfasst werden, so muss dies auch für die der Präzisierung zugrunde liegende Ausgangsnorm des § 5
Abs. 1 Nr. 13 SGB V und die daran anknüpfende Regelung des § 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V gelten.
Ebenfalls aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung ergibt sich, dass der Anspruch nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 13
Buchst. a, 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V im Sinn der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB zu verstehen ist.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren Begriffe entsprechend einer
bereits vorhandenen Bedeutung verwendet. Zwar hat der Gesetzgeber den Begriff des anderweitigen Anspruchs auf
Absicherung im Krankheitsfall nicht näher definiert, aber es sind im Wortlaut der §§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a, 5 Abs.
8 a, 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der Gesetzgeber entgegen der sonst
üblichen Verfahrensweise dem Begriff des Anspruchs eine andere Bedeutung als in der Legaldefinition geregelt
beimessen wollte.
Dass der Anspruch nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a, 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V im Sinn der Legaldefinition
des § 194 Abs. 1 BGB zu verstehen ist, ergibt sich auch aus der Historie der Regelung. Bisher war der Schutz im
Krankheitsfall nicht lückenlos, weil es keine allgemeine Einwohnerversicherung gab. Nicht alle Einwohner erfüllten die
Voraussetzungen entweder für eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, oder eine freiwillige
Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung oder für eine Familienversicherung in der gesetzlichen
Versicherung oder für eine private Krankenversicherung im Krankheitsfall oder für andere Hilfen bei Krankheit. Mit
dem GKV-WSG wurde für alle bisher Schutzlosen eine Versicherungspflicht begründet. Insofern vollzog sich ein
Paradigmenwechsel zur Bürgerversicherung. Der Paradigmenwechsel zur Bürgerversicherung kann nur dann effektiv
vollzogen werden, wenn nur bei echten Ansprüchen im Sinn des § 194 Abs. 1 BGB auf Schutz im Krankheitsfall eine
Ausnahme zur Auffangversicherungspflicht akzeptiert wird.
Im Hinblick auf die Auslegung des Anspruchs folgt das Gericht nicht der Auffassung, dass faktische
Leistungsansprüche, wenn sie dauernd erfüllbar sind, ausreichen für das Eingreifen der Subsidiarität. Die Auffassung
des Bundesministeriums für Gesundheit im Antwortschreiben vom 15.04.2008 an das Werk gegenseitiger Hilfe lautet:
"Ob bei Solidargemeinschaften, , "vergleichbare Ansprüche" vorliegen, hängt davon ab, ob – wenn nicht rechtlich,
dann zumindest faktisch – ein Leistungsanspruch besteht, der dauernd erfüllbar ist. Dies hängt von der konkreten
Ausgestaltung im Einzelfall ab." Dieser Auffassung hat sich der Arbeitskreis "Versicherung und Beiträge der
Spitzenverbände der Krankenkassen" am 12.06.2008 in seiner Besprechung weitgehend angeschlossen. Im Rahmen
dieser Auffassung wird die Gleichstellung von faktischen Leistungsansprüchen mit Ansprüchen im Sinn des § 194
Abs. 1 BGB lediglich festgestellt, aber eine Begründung hierzu ist nicht erkennbar. Außerdem ist dem Gericht nicht
nachvollziehbar, was ein faktischer Leistungsanspruch ist. Darüber hinaus erschließt sich für das Gericht nicht,
welche konkrete Ausgestaltung des faktischen Leistungsanspruchs im Einzelfall ausreichend ist. Denn zum einen
werden bezüglich des Werks gegenseitiger Hilfe für das Bundesministerium der Justiz sowie des Bundesministeriums
für Gesundheit lediglich keine Bedenken zu erkennen gegeben, ohne jegliche Bezugnahme auf die konkrete
Ausgestaltung des Einzelfalles. Und zum anderen fehlt im Hinblick auf die Beurteilung von AD durch den Arbeitskreis
"Versicherung und Beiträge der Spitzenverbände der Krankenkassen" eine konsequente Umsetzung der oben
genannten Auffassung, denn zunächst setzt sich der Arbeitskreis mit der dauernden Erfüllbarkeit der dem Grunde
nach bestehenden faktischen Leistungsansprüche auseinander, um dann aber im Ergebnis darauf abzustellen, dass
die Satzung keinen Rechtsanspruch auf Kostenerstattung vorsieht, sondern in jedem Einzelfall über die Auszahlung
entschieden wird. Insgesamt mangelt es dieser Auffassung nach Ansicht des Gerichts an dogmatischer Substanz
hinsichtlich Herleitung, Definition und Anwendung.
Mit der Mitgliedschaft in der regionalen Solidargemeinschaft ARTABANA Landau a.d. Isar e.V. zum 01.07.2007 durch
den Antragsteller wird kein Anspruch nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a, 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V begründet.
Nach § 2 Abs. 1 der Satzung bezweckt der AD auf der Grundlage von Eigenverantwortung und Solidarität die
Schaffung von rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die eine individuelle und persönliche
Gesundheitspflege sowie die freie Wahl und Durchführung eines individuellen Gesundheitsweges ermöglichen. Durch
ausreichende Solidareinlagen und Rücklagen in den Solidaritätsfonds der lokalen Gemeinschaften und von AD sowie
die Möglichkeit zu Nachschüssen und notfalls zu angemessenen Selbstbeteiligungen aller Mitglieder lokaler
ARTABANA Solidargemeinschaften wird sichergestellt, dass die Leistungen dauerhaft auch bei schweren Krankheiten
so erfüllbar sind, dass ein Rückgriff auf Fürsorge oder gesetzliche bzw. private Krankenversicherung nicht nötig wird
und somit sowohl der nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erforderliche anderweitige Anspruch auf Absicherung im
Krankheitsfall als auch der nach § 193 Abs. 3 Nr. 2 VVG in der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Fassung
erforderliche vergleichbare Anspruch gegeben ist. Gemäß der Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums
reichen dazu faktische Ansprüche auch dann aus, wenn – wie bei einer Unterstützungskasse – zwar keine
Rechtsansprüche eingeräumt werden, aber die Leistungen tatsächlich dauerhaft erbracht werden können. Gemäß § 2
Abs. 4 Satz 2 der Satzung besteht kein Rechtsanspruch auf Zahlung aus dem Solidaritätsfonds. § 4 Abs. 3 des
Statuts des Solidaritätsfonds konkretisiert insoweit, dass ein Rechtsanspruch auf Leistungen aus dem
Solidaritätsfonds nicht besteht und auch nicht durch Leistung von Solidareinlagen an den Solidaritätsfonds oder
wiederholte regelmäßige Leistungen aus dem Solidaritätsfonds begründet werden. Insgesamt ergibt sich somit sowohl
aus Zweck und Grundprinzipien der AD, als auch aus den ausdrücklichen Satzungs- bzw. Statutregelungen eindeutig,
dass sich aus der Mitgliedschaft in der regionalen Solidargemeinschaft ARTABANA Landau a.d. Isar e.V des
Antragstellers für diesen kein Anspruch im Sinn des § 194 Abs. 1 BGB ergibt und somit nach Überzeugung des
Gerichts diese Mitgliedschaft keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall begründet gemäß §
190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V.
Im Bereich der sozialen Pflegeversicherung gelten die obigen Ausführungen entsprechend für die Regelungen des §
20 Abs. 1 Nr. 12, 49 Abs. 1 Satz 3 SGB XI.
Im Vollzug der Verwaltungsakte liegt keine unbillige Härte, denn zwar sind im Rahmen der Interessensabwägung die
wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzustellen, aber die
Ausführungen im Rahmen des Schriftsatzes vom 12.07.2009 insbesondere zum Anordnungsgrund fehlen insoweit
jegliche einzelfallbezogenen Ausführungen und es ist nicht erkennbar, dass dem Betroffenen durch die Vollziehung
Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht
werden können.
Insgesamt ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, denn weder bestehen ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte in Gestalt des Widerspruchsbescheides noch liegt eine unbillige
Härte vor, sodass im Rahmen der Ermessensentscheidung des Gerichts das Vollzugsinteresse das
Aussetzungsinteresse überwiegt.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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