Urteil des SozG Landshut vom 28.01.2010

SozG Landshut: beruf, umschulung, kündigung, klinikum, minderung, befund, sozialmedizin, chirurgie, rente, entstehung

Sozialgericht Landshut
Urteil vom 28.01.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 15 VG 1/09 FdV
I. Unter Abänderung des Bescheides vom 20.03.2002 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 23.09.2002 sowie
des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2003 und des Bescheides vom 23.02.2009 wird der Beklagte verurteilt, dem
Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2005 Beschädigtenversorgung gemäß § 30 Abs.1 BVG nach einem Grad
der Schädigungsfolgen (GdS) von 40 v.H. zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte hat ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung von Beschädigtenversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (jetzt: Grad der
Schädigungsfolgen-GdS) um mindestens 25 v.H. über den 31.01.2002 hinaus.
Der am ...1980 geborene Kläger wurde am 21.01.2001 auf dem Nachhauseweg von einer Veranstaltung von einem
etwa gleichaltrigen Jugendlichen angegriffen und mit der Faust in das Gesicht geschlagen. Hierbei erlitt er eine
Impressionsfraktur der Stirnhöhlenvorderwand sowie eine Fraktur der linken oberen Augenhöhle. Am 05.02.2001 wurde
im Klinikum P. die Reposition der Frakturen über bicoronaren Schnitt und eine Osteosynthese mittels Mikroplatten
durchgeführt. Aufgrund weiterhin bestehender Beschwerden und Entzündungen erfolgten insgesamt drei weitere
Operationen auf hals-nasen-ohren-ärztlichem Gebiet, eine im September 2001, zwei im Jahre 2005.
Aufgrund des Antrages vom 30.03.2001 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 20.03.2002 als Folge einer
Schädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) ab 21.01.2001 anerkannt: "Verengung der linken Lidspalte,
Narbe oberhalb der Stirn, chronische Stirnhöhlenentzündung mit Reizung des linken oberen Trigeminusastes",
außerdem für die Zeit vom 21.01.2001 bis 25.09.2001 "Bewegungsschmerz beim Seitenblick" jeweils im Sinne der
Entstehung. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Rentenleistungen seien nicht erfüllt, weil keine MdE um
wenigstens 25 v.H. vorliege. Eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs.2
Bundesversorgungsgesetz (BVG) liege nicht vor.
Im Widerspruchsverfahren erließ der Beklagte am 23.09.2002 einen Teilabhilfebescheid, in dem über die bisherigen
Feststellungen hinaus für die Zeit vom 21.01.2001 bis 25.09.2001 zusätzlich "Stirnkopfschmerz" als
Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung anerkannt und die Höhe der schädigungsbedingten MdE ab 01.01.2001
mit 70 v.H., ab 01.08.2001 mit 40 v.H. und ab 01.02.2002 mit unter 25 v.H. beziffert wurde. Eine Höherbewertung der
MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit sei derzeit schon aufgrund der laufenden Umschulungsmaßnahme
zum Industriekaufmann ausgeschlossen.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ließ der Beklagte ein augenärztliches Gutachten durch Prof. Dr. L., Klinikum
R., Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, erstellen. Im Gutachten vom 09.05.2003 wird festgehalten, dass,
abgesehen von einem dezenten Hebungsdefizit und einer Oberlidschwellung des linken Auges ansonsten ein
ophtalmologischer Normalbefund besteht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2003 wurde hierauf der Widerspruch zurückgewiesen.
In der Zeit vom 01.09.2002 bis März 2006 absolvierte der Kläger erfolgreich eine Umschulung zum Industriekaufmann,
weil er nach ärztlicher Feststellung den erlernten und bis zum Zeitpunkt der Schädigung ausgeübten Beruf des
Bauspenglers nicht mehr ausüben kann.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut ließ der Kläger im Wesentlichen vortragen: Es könne nicht
akzeptiert werden, dass die Schädigungsfolgen "Bewegungsschmerz beim Seitenblick" sowie "Stirnkopfschmerz" nur
in der Zeit vom 21.01. bis 25.09.2001 als schädigungsbedingt bewertet wurden. Tatsächlich lägen diese
Gesundheitsstörungen weiterhin vor, was zusammen mit den übrigen, bereits anerkannten Schädigungsfolgen schon
eine schädigungsbedingte MdE von mindestens 25 v.H. bedinge. Außerdem habe der Beklagte weitere,
schädigungsbedingte Beeinträchtigungen nicht berücksichtigt, insbesondere: Temperaturempfindlichkeit und
Wetterfühligkeit, verschwommenes Sehen nach dem Aufstehen, Narbenschmerzen, Missempfindungen und ein
Taubheitsgefühl an den betroffenen Stellen. Darüber hinaus liege eine erhebliche Staubempfindlichkeit mit
Entzündungsrisiken vor. Aufgrund des Unfallherganges und wegen der erforderlich gewordenen operativen Revisionen
sei die normale Reinigungsfunktion der Nase herabgesetzt. Zusätzlich bestehe eine trockene Rhinitis. Aus diesem
Grund müsse bei Staubexposition wegen der verminderten Selbstreinigungsfunktion der Nase von einem erhöhten
Infektionsrisiko ausgegangen werden. Dementsprechend könne er schädigungsbedingt auch seinen erlernten und
bisher ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben, weswegen eine Umschulung erforderlich geworden sei. Außerdem gelte
es zu beachten, dass prinzipiell wegen der notwendig gewordenen Versorgung der Stirnhöhlenvorderwandfraktur
immer wieder mit Bildung von Mukozelen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass er "Doppelbilder" sehe.
Mit Beweisanordnung vom 17.11.2005 beauftragte das Gericht Prof. Dr. A. K., M., mit der Erstellung eines
augenärztlichen Gutachtens. Bei seiner Begutachtung konnte Prof. Dr.K. nur eine "geringe Beeinträchtigung im
ophtalmologischen Fachgebiet" feststellen; diese sei in erster Linie durch das äußere Erscheinungsbild begründet. Die
Bezeichnung der Schädigungsfolgen sei mit "Sensibilitätsstörung" zu ergänzen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit
auf augenärztlichem Gebiet sei mit 5 v.H. zu bewerten. Die vom Kläger angegebenen "Doppelbilder" konnten nicht
bestätigt werden.
Das Gericht holte von Amts wegen ein weiteres Gutachten auf hals-nasen-ohren-ärztlichem Gebiet durch Prof. Dr.Dr.
T., M., ein. In seinem Gutachten vom 29.08.2006 schloss sich Prof. Dr.Dr.T. den Feststellungen des Gutachters
Dr.O. an und schätzte die schädigungsbedingte Teil-MdE auf HNO-ärztlichem Gebiet auf "maximal 15 v.H." und unter
Einbeziehung der augenärztlichen Teil-MdE um 5 v.H. auf insgesamt 20 v.H ...
Auf Antrag des Klägers wurde gem. § 109 SGG vom HNO-Arzt Prof. Dr.B. am 13.04.2007 ein weiteres Gutachten
erstellt. Prof. Dr.B. schlug vor, rückwirkend die MdE wegen der in 2005 erfolgten Operationen vom 18.02.2005 bis
10.01.2006 in Höhe von 40 v.H. anzusetzen. Für die Zeit danach schlug er eine MdE von 30 v.H. auf Dauer vor.
Zum Gutachtachten des Prof. Dr.B. nahm der HNO-Arzt, Leitender Medizinaldirektor Dr.N. am 19.06.2007 und
29.08.2007 Stellung. Danach liegen zusätzliche Gesundheitsstörungen, die eine höhere MdE-Bewertung begründen
würden, nicht vor; auch eine wesentliche Befundverschlechterung sei nicht nachgewiesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.10.2007 erklärte sich der Beklagte bereit, zum Gesamt-GdS unter
Berücksichtigung des § 30 Abs.2 BVG erneut eine Entscheidung zu treffen.
Mit Schreiben vom 22.08.2008 teilte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass der Kläger zum 15.08.2008
wegen der gesundheitlichen Einschränkungen gekündigt worden sei. Im Kündigungsschreiben der Firma R.
Befestigungszentrum wird als Grund für die Kündigung angegeben "Unkonzentriertheit und hohe Fehlerquote sowie
gesundheitliche Einschränkungen". Laut der vom Beklagten bei der AOK P. eingeholten Bescheinigung über die
Zeiten der Arbeitsunfähigkeit war der Kläger ab 05.08.2008 bis 12.09.2008 und erneut ab 29.09.2008 wegen
orthopädischer Leiden arbeitsunfähig krank. In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.01.2009
bestätigte der Arzt für Chirurgie/Sozialmedizin Dr.M., dass sich aus den vorliegenden Unterlagen kein ursächlicher
Zusammenhang der Kündigung mit der anerkannten Schädigungsfolgen an den Nasen-Nebenhöhlen begründen lasse.
Mit Bescheid vom 23.02.2009 stellte die Beklagte fest, dass der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) unverändert 20
nach § 30 Abs.1 BVG betrage. Eine Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit gem. § 30
Abs.2 BVG wird abgelehnt. Dieser Bescheid wurde gem. § 96 Abs.1 SGG Gegenstand des anhängigen
Klageverfahrens.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Kammer den früheren Arbeitgeber des Klägers Richard R. als Zeuge
einvernommen. Wegen der vom Zeugen gemachten Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Der Kläger erklärte in der mündlichen Verhandlung, er sei im Februar 2009 an der Bandscheibe operiert worden.
Seither sei er wegen der Bandscheibenerkrankung durchgehend arbeitsunfähig.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte die Prozessbevollmächtigte des Klägers den Antrag, den Bescheid
vom 20.03.2002 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 23.09.2002 sowie des Widerspruchsbescheides vom
22.08.2003 sowie den Bescheid vom 23.02.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger anlässlich
der Schädigung vom 21.01.2001 über den 31.01.2002 hinaus Beschädigtenversorgung nach einem GdS um
mindestens 25 v.H. zu gewähren.
Der Beklagtenvertreter stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der
beigezogenen Beklagtenakte, auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die von
der Kammer eingeholten ärztlichen Befund- und Behandlungsberichte, die im Klageverfahren erstellten Gutachten
sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
Der Beklagte hat zwar die Zahlung von Beschädigtenversorgung zum 31.01.2002 zu Recht beendet. Während des
laufenden Rechtsstreits kam es jedoch zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der schädigungsbedingten
Gesundheitsstörungen mit der Folge, dass dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2005
Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 40 v.H. zu gewähren ist. Darüber hinaus
besteht jedoch – auch unter Berücksichtigung des § 30 Abs.2 BVG – kein GdS in rentenberechtigendem Ausmaß.
Insoweit war die Klage daher abzuweisen.
1. Zur Höhe des Grades der Schädigungsfolgen nach § 30 Abs.1 BVG
Diese Vorschrift lautet: Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der
Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen und seelischen
Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach
Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu 5 Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom
höheren 10er Grad mitumfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als
vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der
Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt.
Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
In Ausfüllung der Ermächtigungsgrundlage in § 30 Abs.1 Satz 5 BVG wurde die Versorgungsmedizinverordnung vom
10. Dezember 2008 erlassen. Bestandteil der Versorgungsmedizinverordnung sind die als Anlage zu § 2
veröffentlichten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze".
Unter Berücksichtigung der in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) enthaltenen Beurteilungskriterien ist
der Grad der Schädigungsfolgen beim Kläger, abgesehen vom Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2005, mit 20 v.H. zu
bewerten. Dies ergibt sich aus den gutachterlichen Feststellungen der im Verwaltungs- bzw. Klageverfahren vom
HNO-Arzt Dr.O., vom Klinikum R. (Prof. Dr.L.), Prof. Dr. Dr.T., und Prof. Dr.K. eingeholten Gutachten. Demnach ist
davon auszugehen, dass die schädigungsbedingten Beeinträchtigungen des Klägers auf HNO-ärztlichem Gebiet
zutreffend mit 15 v.H. und unter Einbeziehung der augenärztlichen Teil-MdE um 5 v.H. seit 01.02.2002 insgesamt mit
20 v.H. zu bewerten sind. Auf ophtalmologischem Fachgebiet bestehen als Schädigungsfolgen ein leichter Tiefstand
des Auges und Lidschwellung bei Z.n. Orbitadachfraktur ohne Einschränkung der Beweglichkeit des Auges oder
Doppelbilder. Nach den GdB/MdE-Tabellen von DOG und BVA sind diese Beeinträchtigungen mit 0 bis 10 % zu
bewerten. In Anbetracht des Umstandes, dass ansonsten ein ophtalmologischer Normalbefund besteht, ist die
Annahme eines Teil-GdS um 5 v.H. nicht zu beanstanden.
Auf HNO-ärztlichem Gebiet sind folgende Gesundheitsstörungen auf das Ereignis vom 21.01.2001 zurückzuführen: -
Verengung der linken Lidspalte - Narbe oberhalb der Stirn - Z.n. chronischer Stirnhöhlenentzündung mit Reizung des
linken oberen Trigemi- nusastes Hierfür ist der Teil-GdS mit 15 v.H. (Gutachten Dr.O.) bzw. maximal 15 v.H.
(Gutachten Prof. Dr. T.) einzuschätzen. Maßgebend hierfür ist die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen
enthaltene GdS-Tabelle. Danach ist für chronische Nebenhöhlenentzündung leichteren Grades (ohne wesentliche
Neben- und Folgeerscheinungen) ein Wert von 0 bis 10 und für chronische Nebenhöhlenentzündungen schwereren
Grades (ständige erhebliche Eiterabsonderung, Trigeminusreizerscheinungen, Polypenbildung) ein Wert von 20 bis 40
vorgesehen. Ausweislich der erhobenen Befunde können die beim Kläger vorhandenen krankhaften Veränderungen im
Hals-, Nasen-, Ohrenbereich noch nicht als chronische Nebenhöhlenentzündung schweren Grades definiert werden.
Die Annahme eines GdS um 15 ist grundsätzlich insoweit daher nicht zu beanstanden. Allerdings ist durch das auf
Antrag des Klägers gem. § 109 SGG eingeholte Gutachten des Prof. Dr. B. nach Überzeugung der Kammer
nachgewiesen, dass es im Jahre 2005 zu einer vorübergehenden Verschlechterung des HNO-ärztlichen
Krankheitsbildes kam mit der Folge, dass für diesen Zeitraum der GdS mit 40 v.H. einzuschätzen ist. Diese
Ausführungen des Gutachters sind insoweit nach Auffassung der Kammer plausibel und nachvollziehbar, weil der
Kläger im Jahre 2005 zweimal nachoperiert werden musste. Zum einen wird über eine Operation am 17.02.2005
wegen einer Mukozele berichtet, zum anderen ist eine erneute Nasen-Nebenhöhlen-revisionsoperation am 10.10.2005
dokumentiert. Für eine vorübergehende Verschlechterung im genannten Jahr sprechen auch die häufigen Besuche
beim behandelnden HNO-Arzt Dr.S. in diesem Zeitraum.
Soweit Prof. Dr.B. darüber hinaus einen GdS von 30 auf Dauer vorschlug, konnte die Kammer dem nicht folgen. Die
Kammer folgt insoweit vielmehr der Einschätzung des Leitenden Medizinaldirektors Dr.N. in seinen
versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 19.06.2007 und 29.08.2007. Demnach stellte der von Prof. Dr.B.
erhobene Befund (die Nasenschleimhaut war mit zähem, eingetrocknetem Sekret bedeckt) eine vorübergehende
Befundverschlechterung dar und keinen Dauerzustand. Die Nasenscheidewandverbiegung mit behinderter
Nasenatmung ist unstreitig nicht auf das schädigende Ereignis zurück zu führen.
2. Keine Anhebung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs.2 BVG Diese Vorschrift lautet:
Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor
der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders
betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der
Fall, wenn
1. aufgrund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte, noch ein sozial
gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, 2. zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter
ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die
Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert
sind, oder 3. die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Kläger musste zwar unstreitig
den erlernten Beruf des Bauspenglers schädigungsbedingt aufgeben. Er hat deswegen eine Umschulung zum
Industriekaufmann absolviert und erfolgreich abgeschlossen. Wer erfolgreich umgeschult werden kann, ist beruflich
nicht besonders betroffen und hat deshalb keinen Anspruch auf Erhöhung seiner "medizinischen" MdE (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichts vom 18.10.1995 Az: 9 RV 18/94 – Leitsatz, zitiert nach juris). Eine Höherbewertung nach § 30
Abs.2 BVG lässt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, der Kläger hätte schädigungsbedingt auch den
Umschulungsberuf aufgeben müssen. Dem Kläger wurde zwar durch seinen Arbeitgeber zum 15.08.2008 gekündigt.
Im Kündigungsschreiben wird dabei als Grund "Unkonzentriertheit und hohe Fehlerquote sowie gesundheitliche
Einschränkungen" genannt. Auslöser der Kündigung war jedoch offenbar eine langwierige Erkrankung des Klägers auf
orthopädischem Gebiet, die nach seinen Angaben bis zum heutigen Tage andauert. Dementsprechend bestätigte der
Arzt für Chirurgie/Sozialmedizin Dr. M. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.01.2009, dass sich ein
ursächlicher Zusammenhang der Kündigung mit den anerkannten Schädigungsfolgen nicht begründen lasse. Im
Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 30 Abs.2 BVG eine Härteregelung darstellt, nach der nur ausnahmsweise
individuelle berufliche Belastungen zur MdE-Erhöhung führen. Das Bundessozialgericht hat hierzu ausgeführt: Wenn
die nach dem allgemeinen Arbeitsleben bewertete MdE weniger als 30 v.H. beträgt, ist es grundsätzlich keine Härte,
dass dem Beschädigten keine Rente gezahlt wird. Soll im Einzelfall von der Grundentscheidung, erst ab einer MdE
von 30 v.H. Rente zu gewähren, abgewichen werden, müssen besondere Gründe festgestellt werden (vgl. Urteil des
BSG vom 18.10.1995 a.a.O.). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Kläger nach Auskunft des
Dr.S. im Jahre 2008 noch 10 mal, im Jahre 2009 jedoch nur noch 3 mal in HNO-ärztlicher Behandlung war. Dies zeigt
deutlich, dass die gesundheitlichen Beschwerden des Klägers nunmehr vorwiegend auf orthopädischem Gebiet liegen.
Selbst wenn man davon ausgehen würde (wovon die Kammer, wie ausgeführt, nicht überzeugt ist), dass der Kläger
seinen letzten Arbeitsplatz wegen der schädigungsbedingten Leistungseinschränkungen verloren hat, würde dies am
Ergebnis nichts ändern. Bei der Prüfung des § 30 Abs.2 BVG kommt es nicht auf das letzte Tätigkeitsfeld an,
sondern darauf, ob trotz der Schädigung noch ein "sozial gleichwertiger Beruf" ausgeübt werden kann. Dies ist
vorliegend der Fall. Auch wenn der Kläger möglicherweise den Anforderungen der letzten Tätigkeit nicht gewachsen
war, ändert dies nichts daran, dass er die Umschulung zum Industriekaufmann erfolgreich absolviert hat und
grundsätzlich auch auf diesem neuen Berufsfeld einsetzbar ist. Ob nach der Umschulung tatsächlich ein adäquater
Arbeitsplatz gefunden wird, ist hierbei nicht entscheidend. Die Arbeitslosigkeit im Anschluss an eine erfolgreiche
Umschulung ist kein schädigungsbedingter beruflicher Nachteil (vgl. BSG a.a.O.).
Die Klage war daher insoweit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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