Urteil des SozG Landshut vom 16.04.2008

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Sozialgericht Landshut
Urteil vom 16.04.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 1 KR 166/07 FdV
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für eine außervertragliche Leistung (Galvanotherapie).
Die Klägerin ist die Ehefrau und Rechtsnachfolgerin des 2006 verstorbenen R. F. (Versicherter).
Bei dem Versicherten war im Jahre 2001 ein Rektumkarzinom festgestellt worden. Im März 2005 kam es zu einem
Rezidiv. Die schulmedizinisch empfohlene Chemotherapie und Strahlenbehandlung wurde vom Versicherten
abgelehnt. Im Oktober 2005 beantragte er unter Vorlage diverser Rechnungen eine Kostenübernahme für eine Galvano
Plus Therapie bei Dr. M. in R. Dr. M. ist nicht als Vertragsarzt zugelassen.
Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme ab, da es sich bei der Galvano Therapie um eine neue
Behandlungsmethode im Sinne des § 135 SGB V handle, die bisher nicht Bestandteil des vertragsärztlichen
Leistungsspektrums sei. Eine Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkasse liege nicht vor
(Bescheid vom 12.10.2005, Widerspruchsbescheid vom 01.12.2005).
Mit Schreiben vom 20.12.2005 erhob der Versicherte Klage zum Sozialgericht Landshut und teilte mit, er habe nach
reiflicher Überlegung in Bezug auf sein Alter und aufgrund seiner inneren Überzeugung (Befürworter der
Naturheilmedizin) die schulmedizinisch empfohlene Chemotherapie und Bestrahlung abgelehnt. Durch Informationen
im Internet sei er zu Dr. M. nach Regensburg gekommen, der ihn mit der Galvano Plus Therapie erfolgreich behandle.
Am 10.05.2006 verstarb der Versicherte. Der Rechtsstreit wurde von seiner Ehefrau als Rechtsnachfolgerin
weitergeführt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung gab die Klägerin an, ihr Mann habe für die Galvano Therapie insgesamt
27.948,12 Euro bezahlt. Durch die Behandlung seien auch ihre Rücklagen für die Altersversorgung aufgebracht
worden.
Die Klägerin stellte den Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 01.12.2005 zu verurteilen, die für die Galvano Therapie verauslagten Kosten in Höhe
von 27.948,12 Euro ganz oder teilweise zu erstatten.
Der Beklagtenvertreter stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der
beigezogenen Beklagtenakte, auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie
auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig; die Klägerin war als Sonderrechtsnachfolgerin ihres Ehemannes berechtigt, den Rechtsstreit
fortzuführen (§ 56 SGB I). Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf vollständige
oder teilweise Übernahme der Kosten, die durch die Behandlung mit der sogenannten Galvanotherapie durch Dr. M.
entstanden sind. Es handelt sich insoweit um keine Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. Der
angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2005
ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Da die Klägerin Kostenerstattung begehrt, kommt als Rechtsgrundlage nur § 13 Abs.3 SGB V in Betracht. Danach
sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare
Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Fall 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Fall 2) und sich der
Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft.
Eine unaufschiebbare Leistung im Sinne von Fall 1 setzt voraus, dass eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse
– insbesondere aus Zeitgründen – nicht möglich war. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor. Auch hat die
beklagte Krankenkasse die beantragte Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt, denn bei der streitigen Galvanotherapie
handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung gehört.
Wie bereits im Widerspruchsbescheid vom 01.12.2005 zutreffend dargestellt, dürfen neue Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden nach § 135 Abs.1 SGB V zu Lasten der Krankenkasse nur abgerechnet werden, wenn der
Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs.1 Satz 2 Nr.5 SGB V Empfehlungen über die
Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Die Richtlinien
haben normativen Charakter; sie regeln im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung den Umfang und die Modalitäten
der Krankenbehandlung mit bindender Wirkung sowohl für die behandelnden Ärzte als auch für die Versicherten (vgl.
Urteile des Bundes-sozialgerichts vom 16.12.1993, Az.: 4 RK 5/92, vom 20.03.1996, Az.: RKa 62/94, und vom
16.09.1997, Az.: 1 RK 28/95; ständige Rechtsprechung). In seiner Entscheidung vom 16.09.1997 – Az.: 1 RK 28/95 –
stellte das Bundessozialgericht hierzu fest: "Das Gesetz schließt eine Abrechnung zu Lasten der Krankenkasse nicht
nur bei ablehnenden Entscheidungen des Bundesausschusses, sondern ausdrücklich auch für den Fall des Fehlens
einer solchen Entscheidung aus, denn es soll sichergestellt werden, dass neue Behandlungsweisen erst nach
ausreichender Prüfung in einem dafür vorgesehenen Verfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt
werden".
Mangels Empfehlung des Bundesausschusse der Ärzte und Krankenkassen in den einschlägigen Richtlinien dürfte
die vom Versicherten selbstbeschaffte Behandlung von der Krankenkasse als Sachleistung nicht gewährt werden;
daran scheiterte auch ein Kostenerstattungsanspruch.
Das Fehlen einer Empfehlung des Bundesausschusses zum Zeitpunkt der Behandlung des Versicherten mit der
Galvano Plus Therapie begründet auch keinen Systemmangel. Ein solcher könnte vorliegen, wenn die Einleitung oder
die Durchführung des Verfahrens beim Gemeinsamen Bundesausschuss willkürlich oder aus sachfremden
Erwägungen blockiert oder verzögert wird und deshalb eine für die Behandlung benötigte Therapie nicht eingesetzt
werden kann. Einem Systemmangel im vorbezeichneten Sinn steht entgegen, dass der für eine Einleitung des
Verfahrens erforderliche Antrag nicht vorlag und nicht vorliegt und damit die Voraussetzungen für eine Tätigkeit des
Bundesausschusses nicht gegeben sind (vgl. auch Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 04.06.2003, Az.: S 4 KR
19/02).
Im Übrigen wurde die Rechtslage im Widerspruchsbescheid vom 01.12.2005 zutreffend dargestellt. Die Kammer folgt
den Gründen dieser Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs.3
SGG).
Die Kostenentscheidung folgte aus den §§ 183, 193 SGG.
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