Urteil des SozG Landshut vom 09.07.2010

SozG Landshut: unternehmen, firma, versicherungspflicht, arbeitsentgelt, darlehen, behandlung, eingliederung, verfügung, gehalt, krankenkasse

Sozialgericht Landshut
Urteil vom 09.07.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 1 KR 72/08
I. Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2007 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 25.02.2008 wird
aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) seit 01.04.2007 nicht
der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
III. Die Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Kosten der
Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin seit 01.04.2007 im Einzelunternehmen ihres Ehemannes P. Sicherungstechnik, Inhaber J.
P., versicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die Klägerin ist seit 01.04.2007 Mitglied der beklagten Krankenkasse. Mit Schreiben ihres bevollmächtigten Vertreters
vom 09.07.2007 beantragte sie eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ihrer Tätigkeit. Zur Begründung wurde
u.a. angegeben, die Klägerin übe seit dem 01.02.1989 die kaufmännische Leitung der Firma P. Sicherungstechnik
(früher: H. P., Schlüsseldienst-Schuhservice) aus. Ihre Tätigkeit sei durch familienhafte Rücksichtnahme und ein
gleichberechtigtes Miteinander der Ehegatten geprägt. Da bereits die Aufnahme der Tätigkeit im familiären Vertrauen
begründet gewesen sei, sei konsequenterweise kein schriftlicher Anstellungsvertrag abgeschlossen worden; es sei
auch kein Urlaubsanspruch und keine Kündigungsfrist vereinbart. Frau P. sei voll umfassend berechtigt, das
Unternehmen zu vertreten, Einkäufe für den Familienbetrieb zu tätigen und Verträge abzuschließen und verfüge
ebenso wie ihr Gatte über eine Bankvollmacht für alle Geschäftskonten. Unter anderem sei Frau P. zuständig für
Lieferantenbetreuung und Einkauf, Vertragsabschlüsse mit Lieferanten, Organisation und Leitung des
Ladengeschäftes, Organisation und Leitung der Gravurabteilung, Bestellwesen, Lagerüberwachung, Terminplanung,
Korrespondenz, Rechnungswesen, Mahnwesen, Kassenabrechnung, Bankgeschäfte inklusive
Konditionsverhandlungen, Erarbeitung und Durchführung von Werbemaßnahmen. Von besonderer Bedeutung sei die
Tatsache, dass Frau P., wenn es die wirtschaftliche Lage des Unternehmens erfordere, in erheblichem Umfang auf ihr
ohnehin weit unterhalb des tariflichen/ortsüblichen liegenden Entgelts verzichtet habe und verzichte. Im Jahre 2006
habe sie aus eigenen Mitteln 8000 Euro in das Unternehmen gegeben, ferner aus ihrem Vermögen Verbindlichkeiten
des Unternehmens in Höhe von mehr als 12.000 Euro beglichen. Bereits vor ca. 15 Jahren habe Frau P. für das
Unternehmen eine erforderliche Maschine durch eine Privateinlage in Höhe von ca. 15.000 DM finanziert. Nicht zuletzt
aufgrund des immensen finanziellen Engagements und dem damit übernommenen unternehmerischen Risiko sei eine
abhängige Beschäftigung nicht gegeben.
Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen
Angehörigen vom 03.07.2007 gab die Klägerin ihr regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt mit 1255 Euro brutto
monatlich an. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrage 43 Stunden an sechs Arbeitstagen. Sie habe
dem Betrieb Darlehen in Höhe von "15.000 Euro + Weitere" gewährt.
Mit Bescheid vom 09.11.2007 stellte die beklagte Krankenkasse fest, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin
beschäftigt sei und der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung
unterliege. Der Umstand, dass die Versicherte Darlehen übernommen habe, sei lediglich ein Indiz für eine
Mitunternehmerschaft. Es führe jedoch – zumindest für sich allein betrachtet – nicht zu einer Einordnung der Tätigkeit
als Selbständige. Das Gewerbe sei allein auf Herrn P. angemeldet, eine Beteiligung von Frau P. am Betrieb liege nicht
vor. Die Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger hätten ebenfalls keine Zweifel bezüglich des
Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Ehegatten erbracht.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch und trug zur Begründung u.a. vor: Da das Entgelt von
der Ertragslage des Unternehmens unmittelbar abhänge, trage die Klägerin auch selbst ein erhebliches
unternehmerisches Risiko. Auch nach Auffassung der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung
(Schreiben vom 30.05.2000) sei die Gewährung von Krediten oder die Übernahme von Bürgschaften zu Gunsten des
Ehegatten ein gewichtiges Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsver-hältnis, weil es in einem solchen Fall an
dem für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
mangele. Das Kriterium der steuerlichen Behandlung des Arbeitsentgelts habe keine Indizwirkung für eine
Sozialversicherungspflicht, da Steuer- und Sozialversicherungsrecht nicht deckungsgleich seien. Das
Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 24.11.2005 (B 12 RA 1/04 R) klargestellt, dass die steuerliche Behandlung in
diesem Zusammenhang außer Acht zu bleiben habe. Die in der Vergangenheit durchgeführten Betriebsprüfungen
dürften auch nicht als Indikator dafür herangezogen werden, ob die Klägerin sozialversicherungspflichtig ist oder nicht.
Schon aus der Tatsache, dass kein gesonderter Prüfbericht verfasst und keine Feststellungen getroffen wurden,
ergebe sich, dass eine personen- und sachbezogene Prüfung im Hinblick auf die Sozialversicherungspflicht der
Klägerin nicht stattgefunden habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Allein schon die lange Dauer
des Beschäftigungsverhältnisses spreche dafür, dass die seinerzeit ordnungsgemäß angemeldete Beschäftigung als
sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis gewollt war. Die nunmehr aufgeführten Indizien für eine angebliche
Freiheit von der Sozialversicherungspflicht hätten in zwei Jahrzehnten nicht dazu geführt, ein
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis in Zweifel zu ziehen. Der Umstand, dass die
Widerspruchsführerin auf Lohnteile verzichtet habe, sei kein Indiz gegen ein sozialversicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis. In krisengeschüttelten Unternehmen werde häufig von abhängig Beschäftigten ein
Gehaltsverzicht bzw. unbezahlte Mehrarbeit erwartet und auch durchgesetzt, ohne dass eine
Sozialversicherungspflicht in Zweifel gezogen werde. Auch das Fehlen eines Interessenkonflikts
Arbeitgeber/Arbeitnehmer sei nicht stichhaltig, da dieser auch bei leitenden Angestellten fehle. Im Übrigen seien von
der Fa. P. Sicherungstechnik Beiträge an die Umlagefinanzierung für Frau P. abgeführt worden; dies sei ein
eindeutiges Indiz für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Zu deren Begründung wurde von der Bevollmächtigten der Klägerin u.a.
ergänzend ausgeführt: Die Klägerin habe ursprünglich den Beruf der Krankenschwester erlernt und ausgeübt. Bereits
kurz nach der Firmengründung habe sie sich den kaufmännischen Aufgaben im Betrieb ihres Mannes gewidmet. Als
ihre Tätigkeit immer umfangreicher und zeitintensiver wurde, erfolgte dann eine "Anstellung" in der Firma. Die Klägerin
koordiniere Urlaub, Freizeit und ihre Arbeit so, wie es nach ihrer persönlichen Überzeugung für den Familienbetrieb am
vorteilhaftesten sei. In diesem Sinne arbeite sie sechs bis sieben Tage in der Woche bis zu 12 Stunden täglich. Sie
gestaltet durch ihren Arbeitsbereich und die dort ständig zu treffenden Entscheidungen eigenverantwortlich den
Betrieb und gebe ihm sein Gepräge. Sie sei nicht in die Organisation eines fremden Betriebes eingebunden. Ganz
besondere Indizwirkung entfalte die Tatsache, dass die Klägerin ein auffallend niedriges Gehalt beziehe. Ein fremder
Dritter, der die zahlreichen und verantwortungsvollen Tätigkeiten der Klägerin zu bewältigen hätte, würde niemals ein
solch niedriges Gehalt akzeptieren. In Zeiten, in denen es wirtschaftlich weniger Spielraum für den Familienbetrieb
gebe, verzichte die Klägerin gleich einem Unternehmer auf ihre Bezüge und zahle diese erst dann wieder an sich,
wenn ausreichende Gewinne im Unternehmen vorhanden sind.
Die Kammer hat den Inhaber der Firma P. Sicherungsservice, H. P., die Deutsche Rentenversicherung Bund, die
Bundesagentur für Arbeit sowie die BKK Pfalz, Pflegekasse, zum Verfahren beigeladen.
In ihrer Klageerwiderung vom 21.01.2009 widersprach die Beklagte dem Klagebegehren. Sie verwies dabei
insbesondere auf den Internetauftritt der Firma P. Sicherungstechnik. Darin werde die Klägerin als Mitglied des Teams
vorgestellt und nicht besonders hervorgehoben. Die Eingliederung der Klägerin in den Betrieb ergebe sich aus den
Öffnungszeiten eines Dienstleistungsbetriebes. Das Nichtvorliegen eines schriftlichen Arbeitsvertrages sei allenfalls
als Indiz zu werten, da für Arbeitsverträge kein gesetzlicher Zwang zur Schriftform bestehe.
Mit Schriftsatz vom 26.10.2009 wurde vorgetragen, die Klägerin habe mehrfach dem Betrieb Barmittel zur Verfügung
gestellt und zwar 1987 in Höhe von 19.000 DM, 1998 20.000 DM und im Jahre 2006 in Höhe von 8000 Euro. Die
Einlagen seien jeweils aus dem eigenen Vermögen der Klägerin erfolgt. Eine Rückzahlung sei bisher nicht erfolgt und
werde auch nicht gefordert oder erwartet. Die Klägerin verzichte auch häufig auf Lohnzahlungen, im Einzelnen seien
ab dem Jahr 2005 bis jetzt Lohnzahlungen in Höhe von 36.965,94 Euro ausständig.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.02.2010 gab die Klägerin ergänzend an, die dem Betrieb zur
Verfügung gestellten Kapitaleinlagen würden aus dem elterlichen Erbe stammen. Über diese Kapitaleinlagen seien
keine schriftlichen oder mündlichen Vereinbarungen getroffen worden, die Gelder seien aufgrund "blinden Vertrauens"
in die Firma investiert worden. Der Betrieb habe seit seiner Gründung einen laufenden Umstruktu-rierungsprozess
durchgemacht, wobei immer wieder Kapital gebraucht worden sei. Die in der Vergangenheit teilweise nicht
ausbezahlten Gehaltsteile habe sie der Firma als zinsloses Darlehen belassen. Zum Nachweis dieser Angaben legte
die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.03.2010 unter anderem eine Bestätigung des
Steuerberaters, Kopien von Kontoauszügen sowie Bareinzahlungsquittungen vor.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellte den Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2007 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2008 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen
ihrer Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1) seit dem 01.04.2007 nicht der Sozial-versicherungspflicht unterliegt.
Die Beklagte stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen stellten keine Anträge.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der
beigezogenen Beklagtenakte, auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie
auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 04.06.2009, 25.02.2010 und 09.07.2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Die Tätigkeit der Klägerin im Einzelunternehmen ihres Ehemannes erfüllt seit 01.04.2007 nicht die Merkmale einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung. Die anders lautende Entscheidung der beklagten Krankenkasse als
zuständige Einzugsstelle für den Sozialversicherungsbeitrag vom 19.11.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.02.2008 ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
Die Entscheidung der Kammer ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen:
1. Maßgeblich für die Beurteilung der hier streitigen Fragen sind § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V hinsichtlich der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, § 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI hinsichtlich der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, § 24 Abs.1, 25 Abs.1 SGB III hinsichtlich der
Beitragspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie § 20 Abs.1 SGB XI hinsichtlich der Versicherungs-pflicht
in der sozialen Pflegeversicherung. Diese Vorschriften setzen jeweils ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7
Abs.1 des Viertes Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) voraus. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbständige
Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach
Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers.
2. Die Beitragspflicht ist damit die Folge einer abhängigen Beschäftigung und richtet sich nach den Grundsätzen, die
Lehre und Rechtsprechung zum Begriff des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung
entwickelt haben. Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche
Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in
Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Zwar kann das Weisungsrecht insbesondere bei Diensten
höherer Art erheblich eingeschränkt sein, es darf jedoch nicht vollständig entfallen. Ist ein Weisungsrecht nicht
vorhanden oder wird davon tatsächlich keinerlei Gebrauch gemacht, kann der Betreffende seine Tätigkeit mithin im
Wesentlichen frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen
oder fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine
selbständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet zu sein pflegt. In Zweifelsfällen
kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis
mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften
Zusammengehörigkeit ist nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen (vgl. BSGE
74, 275, 278 f m.w.N.).
3. Nach Überzeugung der Kammer war die Klägerin jedenfalls im hier streitigen Zeitraum nicht versicherungspflichtig
beschäftigt, vielmehr ist von einer faktischen Mitunternehmerschaft der Klägerin am Betrieb ihres Ehemannes
auszugehen. Die Klägerin ist nicht nur eine Angestellte mit weitreichenden Befugnissen, sondern das "Rückgrat" des
Familienbetriebes mit umfassenden Kompetenzen im organisatorischen und kaufmännischen Bereich. Aus den
Schilderungen der Parteien und den vorgelegten Unterlagen hat die Kammer den Eindruck gewonnen, dass die
Weiterentwicklung des ursprünglichen, vom Schwiegervater übernommenen Kleinbetriebes mit Schlüsseldienst/
Schuhservice hin zu einem modernen Dienstleistungsbetrieb im Bereich der Sicherungstechnik ohne den hohen
zeitlichen Einsatz und das zusätzliche finanzielle Engagement der Klägerin nicht möglich gewesen wäre. Dies zeigte
sich zum einen darin, dass die Klägerin nicht nur mit einem weit untertariflichen Gehalt zufrieden war, dessen
Auszahlung offenbar teilweise von der wirtschaftlichen Situation des Betriebes abhängig gemacht wurde, sondern die
Klägerin stellte auch aus ererbtem Vermögen dem Betrieb Barmittel in nicht unerheblicher Höhe ohne Sicherheiten zur
Verfügung. Im Ergebnis kann diese über Jahre geübte Praxis (die in keinem zeitlichen Zusammenhang zum Antrag
auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung steht) nur so gedeutet werden, dass innerfamiliär sich beide Ehegatten
nach Kräften in das Unternehmen einbrachten und die rechtlichen Gegebenheiten (Firmierung als Einzelunter-nehmen
J. P.) in der Praxis in den Hintergrund traten. Ob das "Ehegattenarbeitsverhältnis", wie es im Jahre 1989 zur
Sozialversicherung gemeldet wurde, ursprünglich "gelebt" wurde, oder ob sich die Mitunternehmereigenschaft der
Klägerin erst im Laufe der Jahre entwickelte, kann dahingestellt bleiben, nachdem Gegenstand des Rechtsstreits
lediglich der Zeitraum ab 01.04.2007 war.
4. Zum gleichen Ergebnis, nämlich keine Versicherungspflicht der Klägerin, gelangt man auch unter Zugrundelegung
der im Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherung vom 30.05.2000 aufgestellten Grundsätze. Unter
Ziffer 2.3 heißt es: "Ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt setzt einen freien wirtschaftlichen Austausch
von Arbeit und Arbeitsentgelt voraus. Für die Beurteilung, ob ein Angehöriger in einem entgeltlichen
Beschäftigungsverhältnis steht, ist die Höhe der Vergütung (Geld und Sachbezüge) im Verhältnis zu Umfang und Art
der im Betrieb verrichteten Tätigkeit von grundlegender Bedeutung. Leistung und Gegenleistung müssen in einem
angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Die Zahlung von laufenden Bezügen, insbesondere in Höhe des
tariflichen oder des ortsüblichen Arbeitsentgelts, ist ein wesentliches Merkmal für das Bestehen eines entgeltlichen
Beschäftigungsverhältnisses. Das gezahlte Entgelt muss nicht genau dem tariflichen oder ortsüblichen Arbeitsentgelt
entsprechen ( ). Ein Entgelt, dass den halben Tariflohn bzw. das halbe ortsübliche Arbeitsentgelt unterschreitet, stellt
indes keinen angemessenen Gegenwert für die ausgeübte Tätigkeit dar. Eine zwischen Fremden übliche Durchführung
des Arbeitsverhältnisses setzt die tatsächliche laufende Auszahlung des Arbeitsentgelts voraus ". Unter Ziffer 3.3
wird ausgeführt: "Eine kostenlose oder verbilligte Nutzungsüberlassung oder die Gewährung von Krediten oder die
Übernahme von Bürgschaften zu Gunsten des Ehegatten sind allerdings ein mehr oder weniger gewichtiges Indiz
gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, weil es in einem solchen Fall an dem für das
Beschäftigungsverhältnis typischen Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mangeln kann".
Ferner heißt es: "Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen Ehegatten ist immer dann anzunehmen, wenn sich
feststellen lässt, dass die Ehegatten abredegemäß durch beiderseitige Leistungen einen über den typischen Rahmen
der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgen, indem sie durch Einsatz von Vermögenswerten
und Arbeitsleistung gemeinsam ein Vermögen aufbauen oder eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit gemeinsam
ausüben. In einem solchen Fall kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Ehegatten gleichrangig und
selbständig in der Gesellschaft mitarbeiten und zueinander nicht in einem zwischen arbeitgeber- und
arbeitnehmertypischen Über- und Unterordnungsverhältnis stehen. Ein die Versicherungspflicht gegebenenfalls
ausschließendes Gesellschaftsverhältnis muss nach außen nicht in Erscheinung treten. Es kann sich um eine reine
Innengesellschaft handeln. Eine solche Innengesellschaft liegt vor, wenn die Ehegatten gemeinsam unter
beiderseitigem Arbeitseinsatz den Betrieb führen und aus den erwirt-schafteten Erträgen den Familienunterhalt
bestreiten, auch wenn nach außen hin nur ein Ehegatte als Unternehmer auftritt".
5. So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat offensichtlich kein Entgelt bezogen, das ihrem zeitlichen Einsatz und ihrer
verantwortlichen Position in der Firma entsprach, sie hat darüber hinaus Gehaltsteile als zinsloses Darlehen im
Unternehmen belassen, wenn die wirtschaftliche Situation es erforderte. Sie hat ferner aus eigenem Vermögen "in
blindem Vertrauen" nicht unerhebliche Summen in den Betrieb investiert. Unter diesen Umständen die rechtliche
Stellung der Klägerin mit der einer fremden Mitarbeiterin gleichzusetzen, wird der tatsächlichen Situation in keiner
Weise gerecht. Auch wenn ihr Ehemann als alleiniger Betriebsunternehmer nach außen auftritt, ist sie doch im In-
nenverhältnis am wirtschaftlichen Risiko des Unternehmens beteiligt. Die Abhängigkeit der Klägerin vom
wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens geht weit über das hinaus, was man üblicherweise mit "familiärer
Verbundenheit" umschreibt.
6. Die von der Beklagten als "eindeutiges Indiz für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung" ins Feld geführte
Zahlung von Beiträgen an die Umlagefinanzierung für die Klägerin vermag die Kammer schon deswegen nicht zu
überzeugen, weil der (vermeintliche) Arbeitgeber hierzu gesetzlich verpflichtet war. Von geringer Aussagekraft ist in
diesem Zusammenhang deswegen auch die steuerliche Seite (Zahlung von Lohnsteuer, Verbuchung als
Betriebsausgabe). Nachdem die Beteiligten ursprünglich von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
ausgingen, war dieses Verhalten nur konsequent. Die steuerliche Behandlung folgt in diesen Fällen generell der
sozialversicherungsrechtlichen Einordnung, nicht umgekehrt.
Der Klage war daher stattzugeben. Die Kostenentscheidung gem. § 193 SGG entspricht der Entscheidung in der
Haupt-sache. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
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