Urteil des SozG Konstanz vom 15.01.2008

SozG Konstanz: berufliche tätigkeit, gutachter, zumutbare tätigkeit, rente, berufsunfähigkeit, verwaltungsverfahren, auflage, erwerbsfähigkeit, beteiligter, psychiatrie

Sozialgericht Konstanz
Urteil vom 15.01.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Konstanz S 9 R 2467/06
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser
Erwerbsminderung hat.
Der am ... geborene Kläger hat den Beruf des Kaufmanns erlernt. Er war zuletzt bis August 2005 als Werkstattleiter in
der KfZ-Branche versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist er arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos.
Der Kläger beantragte am 14.09.2005 eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte ein Gutachten bei dem Internisten Dr. W. ein. In seinem Gutachten vom 24.10.2005 diagnostizierte
Dr. W. beim Kläger folgende Krankheiten: koronare 1-Gefäßerkrankung und Zustand nach PCI und Stent-Einlage,
HWS-LWS-Syndrom, unklarer Schwindel, Innenohrschwerhörigkeit und Neurodermitis. Es habe sich bei der
Untersuchung ein gutes kardiologisches Ergebnis gefunden. Wegen der geklagten Beschwerden werde zusätzlich ein
orthopädisches und neurologisches Gutachten empfohlen. Der Kläger könne sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit
als kaufmännischer Werkstattleiter, als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig ausüben.
Weiterhin holte die Beklagte ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. H. ein. In seinem Gutachten vom 24.11.2005
diagnostizierte Dr. H. beim Kläger hauptsächlich ein psychophysisches Erschöpfungssyndrom mit Angst und
Schlafstörungen. Der Kläger sei als sehr leistungsbezogener Mensch anzusehen, bei dem man eine Zwangsstruktur
annehmen dürfe, welche auch die Beschwerden des Klägers erklären könne. Es ergebe sich auf nervenärztlichem
Gebiet keine Ursache für die Annahme einer Erwerbsunfähigkeit. Es sei allerdings sehr ratsam, den beruflichen
Stress entweder durch einen Arbeitsplatzwechsel oder durch ein Heilverfahren zu mindern. Der Kläger könne seinen
bisherigen Beruf als Serviceleiter im Kfz-Handel weiterhin vollschichtig ausüben. Jedoch sei zu beachten, dass der
Kläger die anfallenden Arbeiten in größerer Ruhe und Gelassenheit verrichten könne. Leichte bis mittelschwere
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien ebenso vollschichtig möglich.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 28.12.2005 ab. Der Kläger könne nach den
ärztlichen Feststellungen noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Es liege weder Erwerbsminderung, noch Berufsunfähigkeit vor.
Dagegen legte der Kläger mit Telefax vom 23.01.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er im wesentlichen vor,
beim Kläger sei im März 2006 erneut eine 90-%-ige Herzkranzverengung festgestellt worden, welche durch die
Implantation eines weiteren Stents behandelt worden sei. Der Kläger habe bereits im Sommer 2005 einen Herzinfarkt
erlitten. Er leide seitdem an massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dabei seien die organischen
Beschwerden durch erhebliche psychische Beeinträchtigungen überlagert. Der Kläger sei bei der zuletzt ausgeübten
Tätigkeit als Werkstattleiter in der Kfz-Branche erheblichen Stressbelastungen ausgesetzt. Er sei außer Stande,
mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Soweit die medizinischen Gutachten der Dres. W. und H.
gegenteilige Aussagen träfen, seien die Gutachten nicht von den Feststellungen getragen und jeweils in sich
widersprüchlich. Der Kläger könne auch nicht in seine bisherige berufliche Tätigkeit zurückkehren, da dem die
massive Angstsymptomatik entgegen stünde. Dies werde bestätigt durch die ärztlichen Feststellungen des
behandelnden Arztes Dr. B.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 21.08.2006 zurück. Der Kläger könne bei
Beachtung der genannten Einschränkungen eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben,
so dass weder Erwerbsminderung, noch Berufsunfähigkeit vorliege. Die Stent-Implantation sei erfolgreich durchgeführt
worden und es seien keine eigenständigen, tiefergreifenden psychischen Leiden festgestellt worden.
Mit Schreiben vom 05.09.2006, eingegangen am 06.09.2006, hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er
im wesentlichen vor, er sei aufgrund äußerst schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr in der
Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Zunächst sei die Annahme der Beklagten, der Kläger sei als Serviceberater
tätig gewesen, falsch. Dem Kläger obliege seit 1972 als Werkstattleiter die Verantwortung für ca. 35 Mitarbeiter.
Zudem sei er für den gesamten Bereich Service und Werkstatt zuständig. Dabei sei er einem erheblichen Maß an
Stress ausgesetzt. Der Kläger habe bereits zwei Herzinfarkte erlitten und es bestünde weiterhin ein hohes
Infarktrisiko. Weiterhin seien seine organischen Leiden überlagert durch sein depressives Erschöpfungssyndrom.
Ferner habe sich die gesundheitliche Situation des Klägers in jüngster Zeit weiter verschlimmert. Die bereits
vorhandene Neurodermitis sowie die Symptome des Schwindels und der Übelkeit hätten sich drastisch verschlechtert.
Das Gericht hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt.
Der Allgemeinmediziner Dr. L. hat am 11.01.2007 mitgeteilt, die von ihm erhobenen Befunde stimmten im
wesentlichen mit denjenigen überein, die in den Gutachten von Dr. W. und Dr. H. niedergelegt seien. Weiter schließe
sich Dr. L. der Beurteilung hinsichtlich des Leistungsvermögens in den Gutachten des Dr. W. und des Dr. H. an. Das
maßgebliche Leiden des Klägers liege auf psychiatrischem Fachgebiet. Ferner sei eine rehabilitative Maßnahme
dringend angezeigt.
Der Internist und Kardiologe Dr. S. hat am 14.02.2007 berichtet, die von ihm erhobenen Befunde stimmten im
wesentlichen mit denen überein, die in den Gutachten von Dr. H. und Dr. W. erhoben worden seien. Weiter schließe
sich Dr. S. hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsvermögens der gutachterlichen Stellungnahme von Herrn Dr. W.
an. Das maßgebliche Leiden des Klägers liege auf dem Fachgebiet der Kardiologie.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. hat am 28.02.2007 ausgesagt, er stimme den im Gutachten von Dr. W.
beschriebenen Befunden zu, soweit er dies nervenärztlicherseits beurteilen könne. Dr. B. halte den Kläger im Hinblick
auf die bisherige Tätigkeit nicht für belastbar, wobei generell auch im Hinblick auf persönlichkeitsbedingte
Beeinträchtigungen des Umstellungs- und Anpassungsvermögens nicht mehr davon ausgegangen werden könne,
dass der Kläger in versicherungsrelevantem Umfang belastbar sei. Insofern schätze Dr. B. die berufliche
Belastbarkeit als unter dreistündig täglich ein. Das maßgebliche Leiden des Klägers liege auf nervenärztlichem
Gebiet.
Das Gericht hat daraufhin den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. mit der Erstattung eines neurologisch-
psychiatrischen Gutachtens beauftragt.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 23.08.2007 mitgeteilt, dass er eine Untersuchung durch Herrn Dr. H. ablehne, da
Begutachtungen durch Dr. H. von diversen Mandanten der Klägervertreterin als unzumutbar beschrieben worden seien
und der Klägervertreterin kein Gutachten des Dr. H. bekannt sei, welches für den zu Begutachtenden auch nur
ansatzweise positiv ausgefallen sei.
Das Gericht hat mit Schreiben vom 28.08.2007 darauf hingewiesen, dass sich die Amtsermittlungspflicht des Gerichts
bei mangelnder Mitwirkung seitens der Beteiligten reduziert und dem Kläger eine Frist bis zum 30.09.2007 gesetzt,
sich durch Dr. H. begutachten zu lassen. Weiter hat das Gericht darauf aufmerksam gemacht, dass bei weiterer
Weigerung des Klägers gegebenenfalls mit einer Klageabweisung gerechnet werden müsse.
Daraufhin hat die Klägervertreterin mit Schriftsatz vom 08.11.2007 einen Antrag auf Einholung eines nervenärztlichen
Gutachtens nach § 109 SGG bei Dr. P. gestellt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.08.2006
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab Antragstellung eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen
teilweiser Erwerbsminderung auch bei Berufsunfähigkeit zu bewilligen, weiter hilfsweise ein Gutachten nach § 109
SGG bei Dr. P. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, beim Kläger liege weder Erwerbsminderung, noch Berufsunfähigkeit vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte
der Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28.12.2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 21.08.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in
der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung.
Nach § 43 Abs. 1 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65.
Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte
Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit
außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden
täglich erwerbstätig zu sein.
Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65.
Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den
letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder
Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert
sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den
üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung nicht, wer unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die
jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen konnte beim Kläger nicht festgestellt werden.
Die für die Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers maßgeblichen Erkrankungen liegen auf den
Fachgebieten der Kardiologie und vor allem der Neurologie und Psychiatrie. Der Kläger leidet unter koronarer 1-
Gefäßerkrankung und Zustand nach PCI und Stent-Einlagen, HWS-LWS-Syndrom, unklarem Schwindel,
Innenohrschwerhörigkeit und Neurodermitis sowie hauptsächlich unter einem psychophysischen
Erschöpfungssyndrom mit Angst und Schlafstörungen.
Vorliegend spricht vieles dafür, dass der Kläger zumindest leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs
Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann. Gegen eine Erwerbsminderung des Klägers
sprechen zunächst die im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von Dr. W. und Dr. H. Dabei konnten diese
Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, da Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren aufgrund
der Bindung der Verwaltung an den Grundsatz der Amtsermittlung nicht als reine Parteigutachten einzustufen sind.
Weiter sprechen die im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Auskünfte der sachverständigen Zeugen Dr. L. und
Dr. S. gegen eine Erwerbsminderung.
Jedoch hat der behandelnde Neurologe und Psychiater des Klägers Dr. B. in seiner Aussage als sachverständiger
Zeuge mitgeteilt, er halte den Kläger für voll erwerbsgemindert. Diese Aussage steht im Widerspruch zu der
Leistungseinschätzung durch den neurologischen Gutachter Dr. H. im Verwaltungsverfahren. Ferner steht die
Leistungseinschätzung des Dr. B. auch im Widerspruch zu der Einschätzung durch den internistischen Gutachter im
Verwaltungsverfahren Dr. W. und der Leistungseinschätzung durch die sachverständigen Zeugen Dr. L. und Dr. S.
Das maßgebliche Leiden des Klägers liegt nach Aussage von Dr. B. und auch von Dr. L. auf neurologischem bzw.
psychiatrischem Fachgebiet. Daher war es nach Auffassung der Kammer zur endgültigen Klärung der Frage der
Erwerbsfähigkeit des Klägers erforderlich, einen unabhängigen Gutachter auf neurologischem und psychiatrischem
Fachgebiet durch das Gericht zu beauftragen. Die vorliegend entscheidungserhebliche Frage, ob die neurologischen
und psychiatrischen Beschwerden des Klägers eine teilweise oder vollständige Erwerbsminderung zur Folge haben,
lässt sich nämlich nur nach gründlicher medizinischer Sachverhaltsaufklärung zuverlässig beantworten.
Gerade diese Ermittlungen von Amts wegen hat der Kläger aber vereitelt, indem er sich trotz Belehrung über die
Folgen mangelnder Mitwirkung und Fristsetzung durch das Gericht geweigert hat, sich einer Begutachtung durch den
vom Gericht bestellten Gutachter zu unterziehen. Dabei vermag die Kammer unabhängig davon, dass die
Klägervertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.01.2008 ausdrücklich erklärt hat, keinen
Befangenheitsantrag bezüglich des vom Gericht bestellten Gutachters stellen zu wollen, keinerlei Hinweise darauf zu
erkennen, dass dies dem Kläger aus wichtigem Grund nicht zumutbar gewesen wäre. Allein das Vorbringen der
Klägervertreterin, Begutachtungen durch Dr. H. seien von einigen ihrer Mandanten als unzumutbar beschrieben
worden und ihr sei kein Gutachten des Dr. H. bekannt, welches positiv für den zu Begutachtenden ausgefallen sei, ist
nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, einen wichtigen Grund darzustellen, welcher eine Begutachtung durch
Dr. H. unzumutbar werden lassen könnte.
Das Gericht sah sich auch nicht veranlasst, über die Beauftragung des Dr. H. hinaus Ermittlungen anzustellen und
etwa von Amts wegen einen anderen Gutachter zu bestellen oder ein Gutachten nach Aktenlage einzuholen. Gemäß §
103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Dies
bedeutet, dass die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung verpflichtet sind, sie also eine sogenannte
Mitwirkungslast oder -pflicht trifft (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG-Kommentar, 8. Auflage 2005, § 103
Rn. 13 m.w.N.). Der Kläger ist mithin verpflichtet, sich ärztlich untersuchen zu lassen, soweit ihm dies zumutbar ist.
Die Untersuchung durch Dr. H. ist nach Auffassung der Kammer wie ausgeführt zumutbar. Kommen die Beteiligten
ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach, so verringern sich die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht des Gerichts.
Weigert sich ein Beteiligter grundlos, dem Gericht nähere Angaben zu machen, obwohl er es könnte und ihm das nicht
unzumutbar ist, wird der Amtsermittlungsgrundsatz nicht verletzt, wenn das Gericht keine weiteren Ermittlungen
anstellt (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG-Kommentar, 8. Auflage 2005, § 103 Rn. 16 u. 17 m.w.N.).
Dies gilt nach Auffassung der Kammer ebenso, wenn sich ein Beteiligter wie hier grundlos weigert, sich einer
zumutbaren Untersuchung durch den vom Gericht bestellten Gutachter zu unterziehen.
Da folglich das Vorliegen einer Erwerbsminderung wegen der Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Kläger nicht
festgestellt werden konnte, geht die Nichterweislichkeit (non liquet) dieser anspruchsbegründenden
Tatbestandsvoraussetzung nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast (materielle Beweislast bzw.
Feststellungslast) zu Lasten des Klägers.
Ferner war der Antrag des Klägers, ein Gutachten nach § 109 SGG bei Dr. P. einzuholen, abzulehnen. Die Einholung
eines Gutachtens nach § 109 SGG kommt vorliegend nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht, denn die
Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen nach § 103 SGG und § 106 SGG ist vorrangig vor der Einholung eines
Gutachtens nach § 109 auf Antrag des Klägers (Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG-Kommentar, 8.
Auflage 2005, § 109 Rn. 2 u. 7 und Udsching, NZS 1992, 50, 54). Hier hat der Kläger eine vor Einholung eines
Gutachtens nach § 109 SGG vorrangige vollständige Amtsermittlung verhindert, indem er sich wie dargestellt grundlos
geweigert hat, sich einer zumutbaren Untersuchung durch den vom Gericht beauftragten Gutachter zu unterziehen.
Der Kläger kann nicht verlangen, dass vor der Ermittlung von Amts wegen nach § 103 SGG der von ihm benannte
Arzt gutachtlich gehört wird (Roller, in: HK-SGG, 1. Auflage 2003, § 109 Rn. 17). Da § 103 SGG dem Gericht die
Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen auferlegt, darf einem Antrag nach § 109 SGG erst
dann gefolgt werden, wenn aus der Sicht des Gerichts die Sachverhaltsaufklärung im Sinne des § 103 SGG
abgeschlossen ist. Dies deshalb, weil das Gutachten nach § 109 SGG gerade kein Instrument zur Erfüllung der
gerichtlichen Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen im Sinne des § 103 SGG darstellt. Wäre es anders, so würde der
Umfang der sich aus § 103 SGG ergebenden gerichtlichen Aufgaben u.a. davon abhängen, ob und gegebenenfalls
wann ein Beteiligter von seinem Recht aus § 109 SGG Gebrauch macht. Ferner würde bei Einholung eines
Gutachtens nach § 109 SGG in einer Konstellation wie der vorliegenden das Wahlrecht des Gerichts bezüglich des
Gutachters beschnitten. Dies kann aber nicht richtig sein; ein Antrag nach § 109 SGG darf schon seiner Zielsetzung
nach keinen Einfluss auf die Aufgaben des Gerichts nach § 103 SGG haben. Denn die Nachteile für den Versicherten
im Falle einer nach diesen Regeln verfrühten Begutachtung nach § 109 SGG liegen auf der Hand: es wird ihm die
Möglichkeit genommen, im Wege eines Antrages nach § 109 SGG das zu tun, was der Zweck dieser Bestimmung ist,
nämlich mit dem Gutachten eines Sachverständigen seiner Wahl und gegebenenfalls auf seine Kosten auf ein für ihn
unbefriedigendes Ergebnis der von Amts wegen zu pflegenden Ermittlungen (§ 103 SGG) zu reagieren (vgl.
Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06.12.2002, Az.: L 3 B 211/02 U; juris). Dieser sogenannte
Grundsatz der Waffengleichheit (Krasney, SGb 1999, 105 ff.), den § 109 SGG herstellen soll, würde vielmehr zu
Lasten der Beklagten umgekehrt, wenn in einer Konstellation wie der vorliegenden bei Verhinderung der
Amtsermittlung durch den Kläger ein Gutachten auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholt werden würde.
Denn es ist zu bedenken, dass der Kläger nach der Zielsetzung des § 109 SGG die Möglichkeit haben soll, eine
(weitere) Bewertung durch einen Arzt seines Vertrauens in das Verfahren einzubringen. Die Einholung eines
Gutachtens nach § 109 SGG ohne vorherige Einholung eines Gutachtens von Amts wegen könnte dann unter
Umständen dazu führen, dass der Kläger einen Arzt seines Vertrauens benennen kann, die Einholung eines
Gutachtens von Amts wegen durch einen vom Gericht auszuwählenden Gutachter aber wegen der Weigerungshaltung
des Klägers nicht mehr möglich wäre. Dies würde jedoch den Grundsatz der Waffengleichheit zu Lasten der
Gegenseite verletzen. Ferner ist zu bedenken, dass durch die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG in einer
Konstellation wie der vorliegenden die Mitwirkungspflichten des Klägers einerseits und die Vorschriften über das
Verfahren bei Besorgnis der Befangenheit eines vom Gericht ausgewählten Gutachters andererseits umgangen
werden könnten. Auch dies kann nicht Zweck des § 109 SGG sein. Folglich war der Antrag auf Einholung eines
Gutachtens nach § 109 SGG abzulehnen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Einen
solchen Anspruch haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch
Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI in der Fassung ab
01.01.2001). Berufsunfähig sind Versicherte gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit
oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit
ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist.
Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle
Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen
Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine
zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht
zu berücksichtigen.
Auch diese Voraussetzungen konnten aus oben dargestellten Gründen nicht festgestellt werden. Die
Nichterweislichkeit geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.