Urteil des SozG Köln vom 05.02.2007

SozG Köln: vorbehalt des gesetzes, sozialhilfe, vorläufiger rechtsschutz, verfassungskonforme auslegung, verfassungsrecht, öffentlich, deckung, krankenkasse, gesundheit, erlass

Sozialgericht Köln, S 6 AS 4/07 ER
Datum:
05.02.2007
Gericht:
Sozialgericht Köln
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 6 AS 4/07 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines
Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Gründe:
1
I. Der zulässige Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86 b Abs.
2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), mit dem die Antragstellerin die Verpflichtung der
Antragsgegnerin oder der Beigeladenen begehrt, an sie einen monatlichen Betrag von
... Euro wegen Mehrbedarfs für Arzneimittel einschließlich Verbandsstoffen und
Hygieneartikeln, hilfsweise einen Betrag von monatlich ... Euro zu zahlen, äußerst
hilfsweise, diese Beträge darlehensweise zur Verfügung zu stellen, ist unbegründet.
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Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antragsteller den Anordnungsanspruch,
d.h. den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, und den
Anordnungsgrund, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen
die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4
SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
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1. Die Antragstellerin hat bereits ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht,
denn es fehlt an einer einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlage gegen die
Antragsgegnerin (dazu a) aa)) oder die Beigeladene (dazu a) bb)). Dies führt im
konkreten Fall auch nicht zum einem verfassungswidrigen Ergebnis (dazu b)).
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a) aa) (1) Das SGB II gewährt der Antragstellerin keinen Anspruch auf den geltend
gemachten Mehrbedarf gegen die Antragsgegnerin.
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(a) Ein Mehrbedarf für Hygiene oder Medikamente ist weder in § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II
vorgesehen, noch ergibt sich ein Anspruch als Sonderbedarf aus § 23 Abs. 3 SGB II.
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Gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasst vielmehr die Regelleistung zur Sicherung des
Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe
des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zu Umwelt und
eine Teilnahme am kulturellen Leben. Dazu gehört auch der von der Antragstellerin
geltend gemachte Bedarf. Eine abweichende Bestimmung des Bedarfs im Einzelfall ist
anders als in § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII im SGB II nicht vorgesehen. Die Anerkennung
eines erhöhten Bedarfs widerspricht zudem ersichtlich dem ausdrücklichen Willen des
Gesetzgebers, der in § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II eine abweichende Festlegung der
Bedarfe ausgeschlossen hat (vgl. zum Vorstehenden Landessozialgericht Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 12.12.2006, Az.: L 20 B 175/06 AS).
(b) Ein Anspruch auf darlehensweise Gewährung des geltend gemachten Mehrbedarf
gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II scheidet ebenfalls aus. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB
II kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster nach den Umständen
unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Gewährung eines
Darlehens gedeckt werden. Bei den hier geltend gemachten Kosten wegen der
Anschaffung von Arzneimitteln einschließlich Verbandsstoffen und Hygieneartikeln
handelt es sich jedoch um einen laufenden und wiederkehrenden Bedarf, der nur
schwer einer darlehensweisen Gewährung zugänglich ist, weil das Darlehen durch die
in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II angeordnete Aufrechnung zu einer belastenden Hypothek
für die Zukunft wird. Von der Rückzahlung des Darlehns kann auch nicht im Wege einer
etwaigen verfassungskonformen Auslegung abgesehen werden. Bei Dauerbedarfen,
wie dem vorliegend geltend gemachten, müsste der Erlass der Darlehensschuld mit der
Darlehensgewährung verbunden werden. Die Darlehensgewährung wurde damit ad
absurdum geführt. Eine solche Lösung wäre im Ergebnis eine Umgehung der vom
Gesetzgeber ausgeschlossenen Erhöhung der Regelsätze (so nunmehr
Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R m.w.N.; vgl. auch §
23 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
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(2) Ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus dem zwischen
der Beigeladenen und der Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht Köln am
17.12.2001 (Az.: 18 K 4806/00) geschlossenen Prozessvergleich. Dieser
Prozessvergleich, der als Vertrag mit prozessrechtlicher und materiell-rechtlicher
Doppelnatur auch einen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag im Sinne von § 54 SGB
X enthält, bindet die Antragsgegnerin nicht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin
ist die Antragsgegnerin nicht Rechtsnachfolgerin der Beigeladenen als Trägerin der
Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Durch das Außerkrafttreten
des BSHG zum 31.12.2004 und das Inkrafttreten des SGB II zum 01.01.2005 sind
keinesfalls die gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten des Trägers der Sozialhilfe auf
die Träger der Leistungen nach dem SGB II, d.h. gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2
SGB II die Bundesagentur für Arbeit und die kommunalen Träger, im Sinne einer
Rechtsnachfolge übergegangen. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Regelungen
im SGB II einerseits und im SGB XII andererseits ein vollständig neues System der
Gewährung von Leistungen zur Existenzsicherung geschaffen. Ansprüche, die vormals
zugunsten eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gegen den Träger der Sozialhilfe nach
dem BSHG bestanden, gelten im Verhältnis zu den Trägern der Grundsicherung für
Arbeitssuchende nach dem SGB II nicht automatisch weiter, sondern entstehen nur
dann neu, wenn das SGB II diese Ansprüche vorsieht. Dies gilt auch für Pflichten, die
der Träger der Sozialhilfe nach dem BSHG durch öffentlich-rechtliche
Vergleichsverträge übernommen hat, jedenfalls wenn die betreffenden Leistungen nach
Maßgabe von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, wie hier, in die Zuständigkeit der
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Bundesagentur für Arbeit fallen. Für die vom ehemaligen Träger der Sozialhilfe nach
dem BSHG übernommenen Verpflichtungen müsste die Bundesagentur für Arbeit nach
allgemeinen Grundsätzen nur dann einstehen, wenn dies gesetzlich angeordnet würde
oder sie sich vertraglich dazu verpflichtet hätte. An beidem fehlt es hier.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin der
Antragstellerin bis zum 30.11.2006 im Hinblick auf den Prozessvergleich vom
17.12.2001 - ohne dass hierfür eine gesetzliche Grundlage ersichtlich wäre - eine
zusätzliche Regelleistung in Höhe von monatlich ... Euro als Zuschuss gewährt hat.
Eine wirksame konkludente Übernahme der vertraglichen Verpflichtungen der
Beigeladenen als Trägerin der Sozialhilfe nach dem BSHG kann darin nicht gesehen
werden. Dass die Antragsgegnerin in den betreffenden Bewilligungsbescheiden auf die
"bestehenden Vereinbarungen" Bezug genommen hat, kann nicht dahingehend
ausgelegt werden, dass sie sich bereit erklären wollte, durch Abschluss eines neuen
Vertrages freiwillig in die vertraglichen Pflichten der Beigeladenen einzutreten. Vielmehr
kommt in den betreffenden Bescheidzusätzen deutlich zum Ausdruck, dass sich die
Antragsgegnerin aufgrund von bestehenden Vereinbarungen für bereits (vermeintlich)
verpflichtet gehalten hat, weitere Leistungen über die gesetzlichen Regelungen hinaus
zu erbringen. Aus diesem Rechtsirrtum kann kein Angebot zum Abschluss eines
Vertrages über die Übernahme der Verpflichtungungen der vormals zuständigen
Beigeladenen abgeleitet werden. Die Übernahme der vertraglichen Pflichten der
Beigeladenen wäre zudem gem. § 58 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 125 Satz 1 BGB nicht
wirksam erfolgt, weil die für eine vertragliche Schuldübernahme notwendige
Zustimmung der Antragstellerin (vgl. § 414 BGB analog) nicht in der gem. § 56 SGB X
gebotenen Schriftform vorliegt.
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Aus den Bescheiden über die Bewilligung der zusätzlichen Regelleistung selbst kann
die Antragstellerin keine Rechte für die Zukunft herleiten, weil die zusätzliche
Regelleistung jeweils befristet für den Bewilligungszeitraum, für den die Antragstellerin
die regulären Leistungen nach dem SGB II erhielt, gewährt wurde. Der letzte
Bewilligungszeitraum für die zusätzliche Regelleistung endete am 30.11.2006. Unter
dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ergibt sich nichts anderes, da die befristete
Gewährung von Leistungen gerade bezweckt, Vertrauen in die fortlaufende Gewährung
einer Leistung auszuschließen und außerhalb der Regelung des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB
X das Vertrauen in eine rechtswidrige Verwaltungspraxis, wie hier, nicht geschützt ist.
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bb) Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch gegen die Beigeladene, die deshalb
auch nicht entsprechend § 75 Abs. 5 SGG verpflichtet werden kann.
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(1) Das SGB XII enthält keine Anspruchsgrundlage zugunsten der Antragstellerin.
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(a) § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, der eine Festlegung der Bedarfe abweichend von den
Regelsätzen ermöglicht, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig
gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen
Bedarf abweicht, scheidet als Anspruchsgrundlage aus, denn § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II
und § 21 Satz 1 SGB XII schließen Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
3. Kapitel des SGB XII für die Antragstellerin, die als erwerbsfähige Hilfebedürftige
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat,
aus. Aus diesem Grund kommt auch die Gewährung eines ergänzenden Darlehens
nach § 37 SGB XII nicht in Betracht.
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(b) Die Antragstellerin hat gegen die Beigeladene auch keinen Anspruch nach dem 5.
Kapitel des SGB XII (Hilfen zur Gesundheit). Einzig denkbare Anspruchsgrundlage wäre
insoweit § 48 SGB XII. Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden danach Leistungen zur
Krankenbehandlung entsprechend dem 3. Kapitel 5. Abschnitt 1. Titel des 5. Buches
des SGB erbracht. Der Antragstellerin, die als Empfängerin von Leistungen nach dem
SGB II gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung
pflichtversichert ist, können aus dieser Vorschrift keine weitergehenden Ansprüche auf
Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen erwachsen, als ihr gegen ihre
Krankenkasse zustünden, denn aufgrund der Verweisung auf die Vorschriften des SGB
V (§§ 27 ff. SGB V) gelten die Beschränkungen für den Ersatz von Arznei- und
Verbandsmitteln, insbesondere der grundsätzliche Ausschluss der Erstattung nicht
verschreibungspflichtiger Arzneimittel gemäß § 34 Abs. 1 SGB V, auch für die von der
Beigeladenen zu tragende Hilfe bei Krankheit. Sollte die Rechtsauffassung der
Antragstellerin zutreffen und ihre Krankenkasse nicht nach §§ 31 ff. SGB V zur
Erstattung der geltend gemachten Kosten für die von ihr aufgelisteten Medikamente und
Hygieneartikel verpflichtet sein, gilt dies auch für die Beigeladene. Sollten die §§ 31 ff.
SGB V entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin Leistungsansprüche
vorsehen, ergäbe sich ebenfalls kein Anspruch gegen die Beigeladene, denn aufgrund
der Nachrangigkeit der Sozialhilfe gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII wäre die Antragstellerin
gehalten, ihre Ansprüche aus dem SGB V vorrangig gegen ihre Krankenkasse
durchzusetzen.
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(c) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Mehrbedarf für Arznei- und
Verbandsmittel sowie für Hygieneartikel ist weiterhin nicht von den Leistungen des 7.
Kapitel (Hilfe zur Pflege) umfasst.
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(d) Schließlich scheidet § 73 SGB XII als Anspruchsgrundlage gegen die Beigeladene
aus.
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Nach § 73 können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn
sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Geldleistungen können als Beihilfe oder
als Darlehen erbracht werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn es fehlt
bereits an einer sonstigen Lebenslage im Sinne dieser Vorschrift.
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§ 73 ermöglicht als Auffanggeneralklausel in unbenannten, sonstigen Lebenslagen den
Einsatz von Sozialhilfemitteln. Sie soll eine flexible Reaktion auf anderweitig nicht
erfasste Bedarfslagen ermöglichen. Eine "sonstige Lebenslage" liegt daher nur vor,
wenn die bedarfsauslösende Lebenslage weder innerhalb des SGB XII in den Kapiteln
3 bis 9 (§§ 27 bis 29) bzw. in sonstigen Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70 bis 72,
74) noch in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt und bewältigt wird (vgl. Berlit,
in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB XII, § 73 Rn. 1, 4). Der von der
Antragstellerin geltend gemachte Mehrbedarf wird jedoch, wie bereits ausgeführt, von
der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II dem Grund nach umfasst. Im Hinblick auf die
Medikamente und Verbandsmittel sind zudem die §§ 31 ff. SGB V dem Grunde nach
einschlägig. Es würde eine Umgehung der spezielgesetzlich geregelten
Voraussetzungen darstellen und dem in §§ 3 Abs. 3 Satz 2, 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II zum
Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers widersprechen, wenn § 73 SGB XII in
eine allgemeine Auffangnorm umgedeutet würde, die in all den Fällen einen Anspruch
gegen den Sozialhilfeträger begründen würde, in denen die eigentlich einschlägigen
Normen den betreffenden Anspruch gerade ausschließen (die Anwendung von § 23
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SGB XII ebenfalls ablehnend SG Lüneburg, Beschluss vom 11.08.2005, Az.: S 30 AS
328/05 ER).
(2) Die Beigeladene ist schließlich ebenfalls nicht aus dem vor dem Verwaltungsgericht
Köln am 17.12.2001 geschlossenen Prozessvergleich (Az.: 18 K 4806/00) zur Leistung
des begehrten Mehrbedarfs verpflichtet. Mit Außerkrafttreten des BSHG zum 31.12.2004
sind sämtliche Pflichten, die die Beigeladene als Trägerin der Sozialhilfe zu erfüllen
hatte, mit Wirkung ab dem 01.01.2005 aufgrund der nunmehr bestehenden
Zuständigkeit der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 6 SGB II
entfallen. Hiervon ist offensichtlich auch die Antragstellerin ausgegangen, die seit dem
01.01.2005 den von ihr beanspruchten Mehrbedarf gegen die Antragsgegnerin geltend
gemacht hat. In jedem Fall stünde einem Anspruch gegen die Beigeladene der Einwand
unzulässiger Rechtsausübung (Rechtsgedanke des § 242 BGB) entgegen, da die
Neuregelung des Rechtes der Sozialhilfe bzw. der Grundsicherung für Arbeitssuchende
ab dem 01.01.2005 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt, die die
Beigeladene berechtigen würde, den dem Prozessvergleich zugrunde liegenden
öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu kündigen.
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b) Ein Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin oder die Beigeladene
folgt auch nicht unmittelbar aus Verfassungsrecht. Abgesehen davon, dass es nach den
vorstehenden Ausführungen an einer einfach gesetzlichen Anspruchsgrundlage für das
Begehren der Antragstellerin fehlt und deshalb der in § 31 SGB I geregelte Vorbehalt
des Gesetzes einer Verpflichtung der Beklagten oder der Beigeladenen unmittelbar aus
Verfassungsrecht entgegen steht, vermag das Gericht bei der ihm im einstweiligen
Rechtsschutz allein möglichen summarischen Prüfung nicht zu erkennen, dass das
Ergebnis der Anwendung der einfach gesetzlichen Vorschriften im konkreten Fall gegen
Verfassungsrecht verstößt. Von daher kommt auch eine verfassungskonforme
Auslegung der vorstehenden genannten Vorschriften nicht in Betracht.
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Es kann dahin stehen, ob die Beschränkungen der Leistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung nach § 34 SGB V (ggfs. in Verbindung mit § 48 SGB XII) ohne
Ermöglichung höherer Regelleistungen für Hilfebedürftige, die krankheitsbedingt höhere
Mittel für ihre Gesundheit aufbringen müssen, im Allgemeinen mit der aus Art. 1 Abs. 1
Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutz- bzw.
Leistungspflicht im engeren Sinne vereinbar sind und ob die pauschale Festsetzung der
Regelleistung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil diejenigen Personen, die wegen
Krankheit einen größeren Anteil der Regelsätze für die Erhaltung der Gesundheit
aufbringen müssen als die anderen Hilfebedürftigen und die deshalb andere Bedarfe
nicht in gleicher Weise zu decken vermögen wie die anderen, ohne sachlichen Grund
ungleich behandelt werden (vgl. Birk/Bieritz-Harder in: Münder: Lehr- und
Praxiskommentar zum SGB XII, § 48 Rn. 34). In Falle der Antragstellerin wirken sich die
entsprechenden Vorschriften jedenfalls nicht in verfassungswidriger Weise aus, da die
Antragstellerin über zusätzliche Mittel neben den Leistungen nach dem SGB II verfügt,
die sie zumutbar zur Deckung des von ihr geltend gemachten Mehrbedarfs einsetzen
kann.
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Die Beigeladene zahlt der Antragstellerin ein besitzstandswahrendes Pflegegeld in
Höhe von ... Euro monatlich. Dieses genügt, um in Verbindung mit der Regelleistung
nach § 20 SGB II den geltend gemachten Mehrbedarf zu decken. Insoweit kann dahin
stehen, ob die Antragstellerin tatsächlich einen Mehrbedarf an Medikamenten und
Hilfsmittel hat, der nicht durch die Erhöhung der Regelleistung ( ... Euro für die
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Antragstellerin) gegenüber dem Regelsatz nach dem BSHG ( ... Euro) ausgeglichen
wurde. Ebenso wenig braucht jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutz entschieden zu
werden, ob sämtliche von der Antragstellerin geltend gemachten Medikamente und
Hilfsmittel medizinisch notwendig und therapeutisch wirksam sind, was aufgrund des
äußerst pauschalen und nicht detailliert begründeten Attestes des behandelnden
Dermatologen Dr. Döring vom 12.01.2007 keinesfalls feststeht und ggfs. einer
umfassenden Aufklärung durch medizinische Sachverständigengutachten bedürfte. Das
Gericht geht jedenfalls davon aus, dass der monatliche Mehrbedarf der Antragstellerin
allenfalls ... Euro, und nicht, wie von der Antragstellerin angegeben, ... Euro, beträgt.
Sowohl die Beigeladene (bis zum 31.12.2004) als auch die Antragsgegnerin haben
bislang nur in Höhe von ... Euro monatlich einen Mehrbedarf anerkannt. Dies hat der
Antragstellerin stets genügt. Jedenfalls hat sie während der Gewährung der
zusätzlichen Leistung einen höheren Mehrbedarf weder gegenüber der Beigeladenen
noch gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht. Im Übrigen geht aus dem von
der Antragstellerin bei Gericht eingereichten Schreiben der Beigeladenen vom
11.05.2005 hervor, dass die von der Antragstellerin nachgewiesenen Aufwendungen für
Verband- und Hygieneartikel im Jahre 2004 gerade einmal insgesamt ... Euro betrugen,
was einem monatlichen Aufwand von ... Euro entspricht.
Bei summarischer Prüfung ist es der Antragstellerin auch zumutbar, das
besitzstandswahrende Pflegegeld zumindest teilweise zur Deckung des von ihr geltend
gemachten Mehrbedarfs für Medikamente und Hygienemittel einzusetzen. Die
Antragstellerin hat keine konkreten Angaben dazu gemacht, wofür sie das Pflegegeld im
Einzelnen verwendet. Eine Pflegeperson bezahlt sie damit jedenfalls nicht. Sie hat sich
vielmehr lediglich dahingehend eingelassen, dass von dem Pflegegeld die Aufwendung
für die vielfältig notwendigen Fahrten zu Ärzten, die mit der Benutzung des Fahrzeugs
anfallenden evtuellen Reparatur- und Servicekosten sowie eventuelle Zuwendungen an
Nachbarn, die bei Reparatur- und Renovierungsarbeiten der Wohnung zur Mithilfe
gebeten werden müssten, bestritten werden. Zur Höhe der insoweit monatlich
anfallenden notwendigen Ausgaben hat sie nichts vorgetragen. Es ist deshalb nicht
ersichtlich, warum die Antragstellerin das besitzstandswahrende Pflegegeld nicht
ebenso zweckentsprechend für die Anschaffung zusätzlicher Medikamente und
Pflegemittel einsetzen können soll. Im Ergebnis steht die Antragstellerin aufgrund der
Gewährung des besitzstandswahrenden Pflegegeldes jedenfalls nicht anders als solche
chronisch kranken Personen, die wegen der Erzielung eines geringen, aber dennoch
bedarfsdeckenden Einkommens nicht hilfebedürftig nach § 9 SGB II sind und einen
etwaigen Mehrbedarf wegen der Beschaffung nicht verschreibungspflichtiger
Medikamente und Hygienemittel aus ihrem geringen Einkommen bestreiten müssen.
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2. Darüber hinaus fehlt es an einem Anordnungsgrund. Ein Anordnungsgrund ist nur
dann gegeben, wenn es nach dem Vorbringen des Antragstellers überwiegend
wahrscheinlich ist, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen
Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist.
Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die
eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 04.12.2006, Az.: L 1 B 39/06 AS ER). Eine solche
gegenwärtige und dringende Notlage ist nicht ersichtlich, da die Antragstellerin über
zusätzliche Einkünfte in Gestalt des besitzstandswahrenden Pflegegeldes verfügt, das
sie zumutbar jedenfalls einstweilen zur Deckung des geltend gemachten Mehrbedarfs
einsetzen kann. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §§ 183,
193 SGG.
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II. Da nach den Ausführungen zu I. der Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes keinen Erfolg haben kann, war der Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts mangels hinreichender
Erfolgsaussichten abzulehnen (§§ 73 a SGG, 114 ZPO).
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