Urteil des SozG Köln vom 12.12.2002

SozG Köln: zusicherung, ehepartner, verwaltungsakt, diskriminierung, beendigung, staat, versicherungsträger, feststellungsklage, anwartschaft, abklärung

Sozialgericht Köln, S 2 RA 49/02
Datum:
12.12.2002
Gericht:
Sozialgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 2 RA 49/02
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 8 RA 2/03
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten.
Tatbestand:
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Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Zusicherung zu geben oder
festzustellen, dass im Falle seines Ablebens sein Lebenspartner Anspruch auf
Hinterbliebenenversorgung in dem für Ehepartner vorgesehenen Umfang erhalten wird.
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Zwischen dem 1940 geborenen Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten besteht
eine Lebenspartnerschaft im Sinne des unter dem 01. August 2001 inkraftgetretenen
Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher
Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz-LPartDisBG).
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Mit Bescheid vom 17.01.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente in
Höhe von zur Zeit 1.134,51 EUR.
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Am 04.04.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zusicherung, dass sein
Lebenspartner eine Hinterbliebenenversorgung in dem für den Ehepartner
vorgesehenen Umfang erhalten wird.
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Mit Schreiben vom 15.4.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, § 46 SGB VI sehe eine
Hinterbliebenenversorgung nach dem Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung
gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften nicht vor.
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Hiergegen legte der Kläger am 18.04.2002 Widerspruch ein mit ausführlicher
Begründung hinsichtlich der Bedenken der Verfassungsmäßigkeit der Norm.
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Mit Schreiben vom 24.04.2002 stellte die Beklagte klar, das Schreiben vom 15.04.2002
sei kein Verwaltungsakt, der mit dem Rechtsmittel des Widerspruchs angefochten
werden könne. Es handele sich lediglich um ein aufklärendes Schreiben. Nachdem der
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Kläger darauf bestanden hatte, einen Widerspruchsbescheid zu erhalten, wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2002 den Widerspruch als unzulässig
zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 07.8.2002 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, die Klage sei
zulässig und begründet. Durch die Ablehnung oder Unterlassung der Beklagten, eine
Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X abzugeben, sei er beschwert.
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Hinsichtlich der Begründetheit könne die Beklagte bei verfassungskonformer Auslegung
des § 46 SGB VI zu einer positiven Entscheidung gelangen. Andernfalls wäre nämlich §
46 SGB VI mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht vereinbar. Es sei mit dem Gleichheitssatz
und dem Verbot der Benachteiligung nicht zu vereinbaren, wenn einem Lebenspartner
für den Todesfall des anderen im Unterschied zum Ehegatten
Hinterbliebenenversorgung versagt werde. Dies gelte erst recht seit Inkrafttreten des
LPartDisBG. Im Rahmen der eingetragenen Lebenspartnerschaft seien sich die Partner
zu gegenseitigem gesetzlichen Unterhalt verpflichtet. Dem müsse eine
Hinterbliebenenversorgung entgegenstehen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ausführliche Klagebegründung Bezug
genommen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 15. und 24. April 2002 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 01. August 2002 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen zuzusichern, dass sein Lebenspartner für den Fall seines Versterbens und
Überlebens des Lebenspartners eine Hinterbliebenenversorgung in dem für Ehepartner
vorgesehenen Umfang erhalten wird; hilfsweise festzustellen, dass sein Lebenspartner
für den Fall seines Versterbens und Überlebens des Lebenspartners eine
Hinterbliebenenversorgung in dem für den Ehepartner vorgesehenen Umfang erhalten
wird; hilfsweise das Verfahren auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht zur
Entscheidung der Frage anzurufen, ob § 46 SGB VI in der geltenden Fassung mit dem
Grundgesetz und der Entschließung des Europäischen Gerichts entsprechend der
Richtlinie 2000/78/EG zu vereinbaren ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung verblieben, § 46 SGB VI sei vom
Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt; als öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger sei es
nicht ihre Aufgabe, die Verfassungswidrigkeit festzustellen. Darüber hinaus sei die
Klage unzulässig.
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Hierzu hat der Kläger ergänzend vorgetragen, die Zusicherung im Sinne des § 34 SGB
X werde ebenso wie die des § 38 Verwaltungsverfahrensgesetz einhellig als
Verwaltungsakt angesehen. Diese sei auch im Rahmen der gebundenen Verwaltung
zulässig. Weigere sich der Versicherungsträger, könne dies im Wege der
Verpflichtungsklage erzwungen werden.
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Die Verwaltungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen
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Verhandlung. Auf sie sowie auf die Gerichtsakten wird wegen des Sachverhaltes im
Einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Hinsichtlich des Hauptklageantrags hat die Beklagte im angefochtenen
Widerspruchsbescheid den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig
zurückgewiesen. Die Schreiben der Beklagten vom 15.04. und 24.04.2002 sind keine
Verwaltungsakte, sondern haben lediglich aufklärende Bedeutung. Sie stellen
insbesondere nicht die Versagung einer Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X dar. Der
Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, eine solche Zusicherung zu erhalten. Nach §
34 Abs. 1 S. 1 SGB X bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen
bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen zu ihrer Wirksamkeit
der schriftlichen Form. Im Bereich der Rentenversicherung haben Zusicherungen im
Sinne dieser Vorschrift kaum Bedeutung, soweit es sich um Pflichtleistungen handelt. In
Betracht kommt die Zusicherung allenfalls bei Ermessensleistungen z. B. bei der
Übernahme erst später entstehender Unkosten oder bei der Entscheidung über
leistungsrechtliche Auswirkungen nachzuentrichtender Beiträge (BSG 56, 249). Eine
weitergehende Bedeutung, etwa die Zusicherung von Ansprüchen auf wiederkehrende
Leistungen, wie z. B. Ansprüche auf Rente, hat die Zusicherung im Bereich der
Rentenversicherung nicht.
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In dem mit Widerspruch angegriffenen Schreiben hat die Beklagte erkennbar weder
einen Verwaltungsakt erlassen wollen noch eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X
abgelehnt.
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Damit ist zur Überzeugung der Kammer die kombinierte Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage des Klägers im Hauptantrag abzuweisen.
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Hinsichtlich des Hilfsantrags auf Feststellung der begehrten Erklärung hat die Kammer
bereits Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit. Mit der Feststellungsklage gemäß § 55
Abs. 1 Ziffer 1 SGG kann u.a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse
an der baldigen Feststellung hat. Hinsichtlich des Feststellungsinteresses muss das
zugrundeliegende Rechtsverhältnis konkretisiert sein; eine Rechtsposition oder ein
allgemeiner Rechtszustand genügt nicht, solange sie sich nicht zu einem
Rechtsverhältnis "verdichtet" haben. Zur Klärung nur abstrakter Rechtsfragen dürfen die
Gerichte nicht angerufen werden, auch nicht, wenn der Versicherungsträger Auskunft
erteilt hat (BSG SozR 1500, § 55 Nr. 2). Im vorliegenden Fall hat die Kammer Bedenken,
ob sich das Rechtsverhältnis bereits "verdichtet" hat. Dies würde genauso gelten, wenn
ein Ehepartner einer heterosexuellen Ehe den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung
für den anderen Lebenspartner festgestellt haben will. Unstreitig ist nämlich für den
Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, dass ein Feststellungsinteresse dann zu
bejahen ist, wenn eine Anwartschaft auf eine Rente besteht. Hierunter ist in der Regel
die Anwartschaft auf eine eigene Rente zu verstehen: Rentenanwartschaften
unterliegen nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
der Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz. Im Bereich der
Hinterbliebenenversorgung wird jedoch lediglich ein Anspruch aus abgeleitetem Recht
geltend gemacht. Darüber hinaus ist zum Zeitpunkt der Feststellungsklage noch von
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einer ganzen Reihe tatbestandsmäßig notwendiger Unwägbarkeiten auszugehen:
Voraussetzung für einen Hinterbliebenenrentenanspruch ist zum einen das vorzeitige
Ableben desjenigen, aus dessen Rente ein Hinterbliebenenrentenanspruch hergeleitet
wird und zum anderen die Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles die
Ehe bzw. die eingetragene Lebenspartnerschaft überhaupt noch besteht. Insofern neigt
die Kammer der Ansicht zu, dass es sich vorliegend um die Abklärung einer abstrakten
Rechtsfrage handelt mit der Folge, dass die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht
gegeben ist. Letztendlich hat die Kammer diese Frage jedoch unentschieden gelassen,
da sie jedenfalls die Klage für unbegründet hält: Ein Anspruch auf
Hinterbliebenenversorgung besteht für den Ehepartner des Klägers nach dem Wortlaut
des § 46 SGB VI nicht. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift haben Witwen oder Witwer, die
nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf
Witwenrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist diese Vorschrift einer ergänzenden bzw.
analogen Auslegung nicht zugänglich. Voraussetzung hierfür wäre, dass eine
Regelungslücke besteht. Der Gesetzgeber hat jedoch bewusst und gewollt den
Tatbestand des § 46 SGB VI so eng gefasst.
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Die Kammer hat sich aber auch nicht gedrängt gefühlt, das Verfahren auszusetzen und
den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht zur Beantwortung der Frage
vorzulegen, ob § 46 SGB VI in der geltenden Fassung mit dem Grundgesetz im
Einklang steht. Es ist zwar zutreffend, dass die Partner gleichgeschlechtlicher
Lebensgemeinschaften gegenüber Ehepartnern im Rahmen des § 46 SGB VI ungleich
behandelt werden. Nicht jede Ungleichbehandlung führt jedoch zu einem Verstoß des
Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Vielmehr liegt ein solcher Verstoß nur dann vor, wenn er
willkürlich ist und keine sachliche Grundlage hat.
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Nach den gesetzgeberischen Intentionen beruht die Hinterbliebenenversorgung auf
dem Schutzgedanken des Art. 6 Grundgesetz. Da in der Regel aus den unter Art. 6
geschützten Personenkreisen der Bevölkerungsnachwuchs hervorgeht, der zur
Aufrechterhaltung eines Staatsgebildes notwendig ist, ist der Staat nicht nur berechtigt,
sondern sogar in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht in immer
stärkerem Maße verpflichtet, dem Schutzgedanken des Art. 6 Grundgesetz Rechnung zu
tragen.
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Hieran hat sich auch durch das LPartDisBG zur Überzeugung der Kammer noch nichts
geändert. Von seinem gesetzgeberischen Wortlaut her dient das Gesetz der
Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften. Wenn der
Staat nunmehr einen ersten Schritt zur Beendigung der Diskriminierung dieses
Personenkreises tut, so bedeutet dies nicht automatisch, dass er in allen Bereichen eine
Ungleichbehandlung abschafft. Vielmehr muss der Staat, um überhaupt handlungsfähig
zu bleiben, die Möglichkeit besitzen, sich weitere Schritte zu überlegen und auf ihre
Finanzierbarkeit hin zu überprüfen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht z. B. bei der
erstmaligen Einführung von Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der
gesetzlichen Rentenversicherung für zulässig erachtet.
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Insofern ist die Kammer der Überzeugung, dass zur Zeit der Ausschluss
gleichgeschlechtlicher Partner an der Hinterbliebenenversorgung des § 46 SGB VI mit
dem Grundgesetz noch vereinbar ist.
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Daher war die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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