Urteil des SozG Köln vom 11.02.2003

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Sozialgericht Köln, S 9 KR 274/02
Datum:
11.02.2003
Gericht:
Sozialgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 9 KR 274/02
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten.
Tatbestand:
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Streitig ist die Kostenübernahme einer ovariellen Stimulation und Kryokonservierung
unbefruchteter Eizellen nach Follikelpunktion.
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Die am 00.00.1976 geborene Klägerin leidet an chronischer Leukämie. Da sie auf das
Medikament Interferon nur ungenügend reagiert und der Übergang zu einer akuten
Leukämie droht, ist eine Knochenmarktransplantation geplant.
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Im August 2002 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine
ovarielle Stimulation und Follikelpunktion in Höhe von voraussichtlich 2500,00 EUR
unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung der Gynäkologischen Klinik der
Universität L. Der Direktor der Klinik, Professor Dr. N führte aus, dass wegen der
Knochenmarktransplantation eine Chemotherapie notwendig sei und hierdurch mit einer
dauerhaften Einschränkung der Fertilität zu rechnen sei. Daher werde empfohlen, die
durch ovarielle Stimulation und Follikelpunktion gewonnenen Eizellen in
unbefruchtetem Zustand einzufrieren. Nach Einholung einer Stellungnahme des
Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) lehnte die Beklagte
den Antrag mit Bescheid vom 21.08.2002 ab, da es sich bei der geplanten Maßnahme
nicht um eine Krankenbehandlung im Sinne des Sozialgesetzbuches handele.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, dass im Zeitpunkt vor der
Chemotheraphie die Kosten der Maßnahme erheblich günstiger seien als zu einem
späteren Zeitpunkt, um die Empfängnisfähigkeit wiederherzustellen, obwohl dies dann
eine Maßnahme der gesetzlichen Krankenversicherung wäre. Sie beabsichtige, die
Maßnahme auf jeden Fall durchzuführen, denn es gehe um den Erhalt ihrer
Empfängnisfähigkeit. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 13.09.2002 zurück.
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Dagegen hat die Klägerin am 08.10.2002 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren
weiterverfolgt. Sie trägt vor, dass nach der Chemotheraphie ihre Empfängnisfähigkeit
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nicht mehr gegeben sei und mit bleibenden Schädigungen des Fötus zu rechnen sei,
wenn die Maßnahme nicht durchgeführt würde.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.01.2002 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 13.09.2002 zu verurteilen, die Kosten einer ovariellen
Stimulation und Kriokonservierung unbefruchteter Eizellen nach Follikelpunktion zu
übernehmen.
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Ein Vertreter der Beklagten ist zur mündlichen Verhandlung am 11.02.2003 nicht
erschienen. Die Beklagte ist hierzu mit Empfangsbekenntnis am 27.01. 2003 mit dem
Hinweis geladen worden, dass das Gericht auch im Falle des Ausbleibens eines
Vertreters verhandeln und entscheiden könne.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, die Klägerin begehre nicht die Wiederherstellung der
Zeugungsfähigkeit, sondern die Möglichkeit, Kinder mittels künstlicher Befruchtung
durch einen zukünftigen Partner zu haben. Dies sei keine Leistung der gesetzlichen
Krankenversicherung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die
Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht konnte auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten entscheiden,
da die Beteiligten auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden sind (§ 126
des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen
Bescheide der Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn
die Bescheide sind rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte die Kostenübernahme der
begehrten Maßnahme abgelehnt.
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Gemäß § 27 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) haben
Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine
Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder
Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 a Abs. 1 SGB V umfassen die Leistungen
der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft.
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Die von der Klägerin begehrte Maßnahme stellt weder eine Krankenbehandlung im
Sinne des § 27 SGB V dar, denn die Maßnahme dient nicht der Behandlung ihrer
derzeitigen Erkrankung, der chronischen Leukämie. Die Behandlung stellt aber auch
keine Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Sinne des § 27 a Abs. 1
SGB V dar, denn dies wäre nur möglich, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 27
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a Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 SGB V erfüllt wären. Dies ist indessen nicht der Fall. Leistungen
zur Herbeiführung einer Schwangerschaft stellen nur dann eine solche der gesetzlichen
Krankenversicherung dar, wenn diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung
erforderlich sind, nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch
die Maßnahmen einer Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht
besteht in der Regel nicht mehr, wenn die Maßnahme vier Mal ohne Erfolg durchgeführt
worden ist, die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen,
miteinander verheiratet sind, ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten
verwendet werden und sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahme von einem
Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter
Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben
unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen
überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121 a SGB V erteilt worden ist. Die
Klägerin begehrt derzeit nicht die Kostenübernahme der Herbeiführung einer
Schwangerschaft im Sinne von § 27 a SGB V, sondern sie begehrt die
Kostenübernahme für den Erhalt der Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung für den
Fall einer späteren Partnerschaft. Eine solche Maßnahme gehört nicht zu den nach § 27
a SGB V zu erbringenden Leistungen der Krankenbehandlung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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