Urteil des SozG Koblenz vom 28.08.2008

SozG Koblenz: krankenkasse, auszahlung, ungerechtfertigte bereicherung, krankenversicherung, krankengeld, mitgliedschaft, versicherungspflicht, arbeitsunfähigkeit, pflege, leistungsklage

Sozialrecht
SG
Koblenz
28.08.2008
S 8 KR 306/06
Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei rückwirkender Aufhebung eines
Arbeitslosengeldbescheides wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2006
wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die für den Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum
14.07.2002 von ihr getragenen Krankenversicherungsbeiträge in einer Höhe von 543,29 € zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat der Klägerin 90 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, diejenigen Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge an die Klägerin auszuzahlen, die die Beklagte von der Bundesanstalt für
Arbeit (= BA) aufgrund einer angeblichen Mitgliedschaft der Klägerin in der Krankenversicherung der
Arbeitslosen im Zeitraum von Juni bis Juli 2002 in einer Gesamthöhe von 606,55 € erhalten hat, obwohl
die Klägerin im genannten Zeitraum bei der Beklagten im Krankengeldbezug stand und die die Klägerin
aufgrund eines rechtskräftigen Urteils an die BA zurückerstatten musste und auch zurückerstattet hat.
Die 1950 geborene Klägerin war im Zeitraum von 1968 bis zum 08.03.2002 als Kundenberaterin bei einer
Bank tätig und als solche bei der Beklagten krankenversichert. Das Arbeitsverhältnis wurde durch einen
Aufhebungsvertrag beendet. Nach Angaben der Beklagten (Bl. 21 d. Gerichtsakte) erhielt die Klägerin
aufgrund einer aufgetretenen Arbeitsunfähigkeit Krankengeld im Zeitraum vom 14.03.2002 bis zum
10.04.2003. Am 31.05.2002 stellte die Klägerin ‑ trotz des erwähnten Bezugs von Krankengeld ‑ einen
Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Nach ihren eigenen Angaben erfolgte diese Antragstellung,
da sie zum genannten Zeitpunkt auf einen Therapieplatz habe warten müssen und man ihr erklärt habe,
dass sie sich für diesen Wartezeitraum dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen müsse. Die Klägerin gab in
dem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld an, dass sie arbeitsfähig sei. Auf ihren Antrag hin
bewilligte ihr die Bundesanstalt für Arbeit ab dem 01.06.2002 Arbeitslosengeld. Nachdem das zuständige
Arbeitsamt Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erlangt hatte, hob es mit Bescheid vom
22.07.2002 (Bl 3 d. Verwaltungsakte) die Gewährung des Arbeitslosengeldes auf und forderte das für den
Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum 14.07.2002 an die Klägerin geleistete Arbeitslosengeld in einer Höhe
von 2.061,40 € sowie die ebenfalls für die Klägerin an die beklagte Krankenkasse geleisteten Beiträge zur
Kranken- und Pflegeversicherung in einer Gesamthöhe von 606,55 € von der Klägerin zurück. Der
insbesondere im Hinblick auf die Beitragsrückerstattung erhobene Widerspruch der Klägerin wurde mit
Widerspruchsbescheid der BA vom 03.12.2002 zurückgewiesen. Eine hieraufhin verspätet erhobene
Klage vor dem Sozialgericht Koblenz unter dem Az: S 11 AL 13/03 wurde mit einem Vergleich beendet,
mit dem sich die BA bereit erklärte, die angegriffenen Bescheide nochmals nach § 44 SGB X
(= 10. Sozialgesetzbuch zur Regelung des Sozialverwaltungsverfahrens und Sozialdatenschutzes) auf
ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Mit einem daraufhin ergangenen Bescheid der BA vom
17.02.2003 (Bl. 12 d. Verwaltungsakte) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2003 (Bl. 18 d.
Verwaltungsakte) lehnte die BA eine Rücknahme des ehemalig erlassenen Aufhebungs- und
Rückforderungsbescheides ab, da dieser nicht rechtswidrig gewesen sei. Die hierauf von der Klägerin im
Juli 2003 unter dem Az.: S 11 AL 327/03 vor dem Sozialgericht Koblenz erhobene Klage wurde mit Urteil
der 11. Kammer des Sozialgerichts vom 24.04.2005 (Bl. 28 ff. d. Verwaltungsakte) zurückgewiesen. Unter
Hinweis auf die vorsätzlich unrichtigen Angaben der Klägerin im Antragsformular zur Bewilligung von
Arbeitslosengeld, bestätigte das Gericht die Rechtmäßigkeit des ehemalig im Juli 2002 durch die BA
erlassenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides im Hinblick auf das der Klägerin gewährte
Arbeitslosengeld. Zudem wies das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass die BA zu Recht direkt von der
Klägerin (und nicht von der Krankenkasse) nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III (= 3. Sozialgesetzbuch zur
Regelung der Arbeitsförderung) bzw. nach § 335 Abs. 5 SGB III (im Hinblick auf die
Pflegeversicherungsbeiträge) die von der BA an die Kranken- und Pflegekasse geleisteten Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge zurückgefordert habe. Die BA sei nach § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III nicht
gehalten gewesen, die von ihr an die Krankenkasse geleisteten Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge von der Krankenkasse zurückzufordern, so dass die Klägerin von einer
Ersatzpflicht im Sinne von § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III befreit würde. Eine Befreiung von der Ersatzpflicht
käme nach § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III nämlich nur bei einem "weiteren Krankenversicherungsverhältnis"
mit eigener Beitragsleistung in Betracht. § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III finde daher keine Anwendung, wenn
der betroffene Versicherte ohne eigene Beitragsleistung zweitversichert sei, wie dies beim Bezug von
Krankengeld der Fall sei. Während des Bezuges von Krankengeld bestünde nämlich Beitragsfreiheit.
Gegen das Urteil der 11. Kammer des Sozialgerichts Koblenz legte die Klägerin durch ihren Rechtsanwalt
Berufung unter dem Az.: L 1 AL 67/05 bei dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ein und wies
nochmals darauf hin, dass sie entgegen den Angaben im erstinstanzlichen Urteil keine vorsätzlich
falschen Angaben gemacht hätte und der Bundesanstalt für Arbeit auch umgehend mitgeteilt habe, dass
man ihr früher als erwartet einen Therapieplatz zur Verfügung gestellt habe, was das Arbeitsamt jedoch
nicht weiter beachtet habe, sondern trotz allem Arbeitslosengeld bewilligt habe. Das ihr zuviel gezahlte
Arbeitslosengeld habe sie auch umgehend zurückerstattet, jedoch sei es ihrer Auffassung nach nicht
rechtmäßig, von ihr auch die von der BA an die Krankenkassen geleisteten Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge erstattet zu verlangen. Vielmehr müsse sich die BA insoweit direkt an die
Krankenkasse wenden, die diese Beiträge erhalten habe. Für sie habe nämlich aufgrund des
Krankengeldbezuges ein beitragsfreies Krankenversicherungsverhältnis bestanden, so dass sie gar keine
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung während des erwähnten Zeitraumes hätte an die
Krankenkasse leisten müssen.
Der Rechtsanwalt der Klägerin hat jedoch aufgrund des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts des § 335
Abs. 1 SGB III, der eine eindeutige rechtswidrige Vorgehensweise der BA nicht erkennen lasse, die
Berufung zurückgenommen.
Mit Bescheid der BA durch die Arbeitsagentur M vom 24.11.2005 (Bl. 42 d. Verwaltungsakte) wurden die
von der Klägerin geforderten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 606,55 € mit einem
Leistungsanspruch der Klägerin verrechnet und mithin das rechtskräftige Urteil der 11. Kammer
umgesetzt.
Nach Rücknahme der Berufung stellte der Rechtsanwalt der Klägerin im September 2005 umgehend bei
der beklagten Krankenkasse im Auftrag der Klägerin einen Antrag auf Auszahlung der durch die BA an die
Krankenkasse geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Zeitraum vom 01.06.2002 bis
zum 14.07.2002 in erwähnter Höhe von 606,55 € (Bl. 9 d. Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 27.01.2006 (Bl. 57 d. Verwaltungsakte) lehnte die beklagte Krankenkasse eine
Auszahlung der von der BA erhaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ab und wies zur
Begründung auf die Urteilsgründe der 11. Kammer des Sozialgerichts Koblenz im Urteil vom 24.02.2005
hin.
Hiergegen erhob die Klägerin durch ihren Rechtsanwalt mit der Begründung Widerspruch, dass das von
der Beklagten erwähnte Urteil sich ausschließlich mit dem Innenverhältnis zwischen der Klägerin und der
BA auseinandersetze und keine Aussage im Hinblick auf eine mögliche Erstattungspflicht der
Krankenkasse gegenüber der Klägerin treffe. Hierbei müsse bedacht werden, dass die Klägerin wegen
des Krankengeldbezuges nicht zur Beitragsleistung verpflichtet gewesen sei. Sofern die beklagte
Krankenkasse dennoch aufgrund von fehlgelaufenen Verwaltungsvorgängen Versicherungsbeiträge für
die Klägerin zu Unrecht erhalten habe (um die das Vermögen der Klägerin nunmehr zu Unrecht gemindert
sei), müsse die Krankenkasse diese Beiträge an die Klägerin zurückerstatten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 (Bl. 64 ff d. Verwaltungsakte) wies die Beklagte den
erhobenen Widerspruch mit der Begründung zurück, dass nach dem klaren Wortlaut in § 335 Abs. 1
Satz 2 SGB III eine Beitragsrückerstattung der Krankenkasse an die Bundesagentur für Arbeit mangels
eines zweiten beitragspflichtigen Krankenversicherungsverhältnisses nicht in Betracht käme. Nach der
genannten Regelung werde daher folglich auch die Klägerin nicht von ihrer Ersatzpflicht befreit und könne
eine solche Befreiung auch nicht über die beklagte Krankenkasse erreichen.
Mit einer am 14.07.2006 vor dem Sozialgericht Koblenz eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr
Begehren weiter.
Der Rechtsanwalt der Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, dass es sich bei der Vorschrift in § 335
Abs. 1 SGB III um keine abschließende Regelung zur Erstattung von zu Unrecht durch die BA geleisteter
Versicherungsbeiträge handele. Vielmehr werde gerade im konkreten Fall deutlich, dass
§ 335 Abs. 1 SGB III eine lückenhafte Regelung darstelle. Zwischen den Beteiligten könne es als praktisch
unstreitig angesehen werden, dass der Gesetzgeber die im konkreten Fall bestehende Fallkonstellation
bei der Regelung in § 335 Abs. 1 SGB III übersehen habe, nämlich den Fall, dass neben einem
angenommenen Krankenversicherungsverhältnis aufgrund (fehlerhafter) Gewährung von
Arbeitslosengeld nicht ‑ wie im Gesetz vorgesehen ‑ ein weiteres beitragspflichtiges
Krankenversicherungsverhältnis bestehe, sondern ein (beitragsfreies) Krankenversicherungsverhältnis
(im konkreten Fall aufgrund Bezugs von Krankengeld). Sowohl im ersten (vom Gesetz vorgesehenen Fall)
wie auch im zweiten Fall sei die beklagte Krankenkasse jedoch um Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge, die die Bundesagentur für Arbeit an die Krankenkasse geleistet habe, ohne
Rechtsgrund bereichert. Im ersten, gesetzlich geregelten Fall des § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III liege die
Bereicherung darin, dass die Krankenkasse "doppelt" Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für ihr
Mitglied erhalten habe und im anderen Fall darin, dass sie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
erhalten habe, obwohl der Versicherte an sich beitragsfrei bei ihr versichert gewesen sei. Das Vermögen
der Klägerin sei demgegenüber durch die von ihr an die Bundesagentur für Arbeit (aufgrund der
Verpflichtung aus rechtskräftigem Urteil) erstatteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gemindert,
die sie selber aufgrund des beitragsfreien Versicherungsverhältnisses nicht an die Beklagte hätte
entrichten müssen. Nach Ansicht der Klägerin sei die beklagte Krankenkasse daher entweder aufgrund
bereicherungsrechtlicher Grundsätze oder unter Anwendung der vom Gericht angeführten Vorschrift in
§ 26 SGB IV (= 4. Sozialgesetzbuch zur Regelung der gemeinsamen Vorschriften für die
Sozialversicherung) gehalten, die ihr nicht zustehenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge an
die Klägerin auszuzahlen. Entgegen der Auffassung der Beklagten würde die erwähnte Vorschrift in
§ 26 SGB IV auch nicht durch die speziellen Bestimmungen des SGB III verdrängt, da die angeführte
Vorschrift in § 335 Abs. 1 SGB III gerade aufgrund ihrer lückenhaften Regelung keine abschließende
gesetzliche Vorschrift darstellen könne.
Der Klägervertreter beantragt im Namen der Klägerin,
den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2006
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die für den Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum
14.07.2002 erhaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in einer Höhe von 606,55 €
auszuzahlen.
Der Beklagtenvertreter beantragt im Namen der Klägerin,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass § 335 Abs. 1 SGB III durchaus abschließend die Erstattung für an sie von der
Bundesagentur für Arbeit geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen regelt. Die hierin
enthaltene „lex specialis“ verdränge die allgemeinen Vorschriften im SGB IV, also insbesondere auch die
Vorschrift in § 26 SGB IV. Gleiches gelte auch für die Rechtsgrundsätze der ungerechtfertigten
Bereicherung in §§ 812 BGB (= Bürgerliches Gesetzbuch).
Das Gericht hat mit Beschluss vom 04.01.2007 die Pflegekasse notwendig beigeladen. Des Weiteren hat
die Beklagte auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass sich die Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung wie folgt aufschlüsseln würden: die im streitentscheidenden Zeitraum an sie von der
BA geleisteten Krankenversicherungsbeiträge beliefen sich auf 543,29 € und die
Pflegeversicherungsbeiträge auf 63,26 €.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die die
Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die dem Rechtsstreit beigezogenen
Gerichtsakten mit den Az: S 11 AL 13/03 sowie S 11 AL 327/03 // L 1 AL 67/05 verwiesen, die ihrem
wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage hat im Umfang des angegebenen Tenors Erfolg und musste im Übrigen abgewiesen
werden.
Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 27.01.2006 (Bl. 57 ff. d. Verwaltungsakte) in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.06.2006 (Bl. 64 ff. d. Verwaltungsakte) ist nach Auffassung der Kammer
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, so dass der Bescheid aufzuheben ist, die
Anfechtungsklage mithin vollen Erfolg hat. Während die gleichzeitig erhobene Leistungsklage im Hinblick
auf die begehrte Auszahlung von Krankenversicherungsbeiträgen ebenfalls Erfolg hat, kann dies für die
von der Klägerin getragenen Pflegeversicherungsbeiträge - mangels Passivlegitimation der beklagten
Krankenkasse ‑ nicht angenommen werden.
Unstreitig hat die Klägerin ihre Klage allein gegen die Krankenversicherung und nicht gegen die
Pflegekasse gerichtet. Die Krankenkasse kann jedoch (mangels Zuständigkeit) nicht verpflichtet werden,
Pflegeversicherungsbeiträge auszuzahlen. Hieran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass die
Krankenkasse im angegriffenen Bescheid - ihre Kompetenz überschreitend – auch für die
Pflegeversicherung eine Auszahlung von Pflegeversicherungsbeiträgen an die Klägerin abgelehnt hat.
Dieser, die Zuständigkeiten missachtende, rechtswidrige Bescheid ist zwar unter anderem auch aus dem
erwähnten Grunde aufzuheben. Dies kann aber nicht zu einer Perpetuierung der Rechtswidrigkeit
dadurch führen, dass die Beklagte nunmehr zu (Rück-)Zahlungen verpflichtet wird, die unstreitig in den
Zuständigkeitsbereich der Pflegekasse fallen. Sofern die Klägerin eine Auszahlung der
Pflegeversicherungsbeiträge gegenüber der beklagten Krankenversicherung begehrt, musste die Klage
daher abgewiesen werden.
Im Übrigen hat die Klage – wie bereits erwähnt ‑ nach Auffassung der Kammer Erfolg, d.h. die beklagte
Krankenkasse ist verpflichtet, die an sie von der Bundesanstalt für Arbeit geleisteten
Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 543,29 € an die Klägerin auszuzahlen. Die Ablehnung einer
Auszahlung der erhaltenen Krankenversicherungsbeiträge durch die beklagte Krankenkasse in den
angegriffenen Bescheiden ist rechtwidrig, da die Klägerin einen Anspruch auf Auszahlung der von ihr
„getragenen“ Krankenversicherungsbeiträgen hat.
Anspruchsgrundlage ist insoweit § 26 Abs. 2 SGB IV. Nach dieser Vorschrift sind zu Unrecht entrichtete
Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des
Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht
entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat; Beiträge, die für Zeiten entrichtet
worden sind, die während des Bezuges von Leistungen beitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten.
Im streitentscheidenden Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum 14.07.2002 sind (zumindest aus der
Perspektive der Klägerin) für die Klägerin zu Unrecht Krankenversicherungsbeiträge in einer Höhe von
543,29 Euro (sowie Pflegeversicherungsbeiträge in einer Höhe von 63,26 Euro) an die beklagte
Krankenkasse entrichtet worden.
Da die Klägerin im streitentscheidenden Zeitraum ununterbrochen Krankengeld von der Beklagten
bezogen hat, waren von ihr Kranken-(wie auch Pflege-)ver-sicherungsbeiträge – wie von der Beklagten im
Übrigen auch nicht bestritten – nicht zu entrichten gewesen. Nach § 224 Abs. 1 Satz 1 SGB V (= 5.
Sozialgesetzbuch zur Regelung der gesetzlichen Krankenversicherung) ist nämlich ein Mitglied für die
Dauer des Anspruchs auf Krankengeld beitragsfrei, d.h. die Klägerin genoss einen beitragsfreien
Versicherungsschutz.
Sofern die damalige Bundesanstalt für Arbeit - wie im Urteil der 11. Kammer des Sozialgerichts Koblenz
vom 24.02.2005 (Az: S 11 AL 327/03 // L 1 AL 67/05) festgestellt – dennoch Kranken-(wie auch Pflege-
)versicherungsbeiträge für die Klägerin an die beklagte Kranken- (bzw. Pflege-)versicherung abgeführt
hat, bestand jedenfalls aus Sicht der Klägerin eine ungerechtfertigte Bereicherung der beklagten
Krankenkasse.
Wegen der Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V tritt zwar Kraft Gesetzes mit Bezug des Arbeitslosengeldes
eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ein, die auch nicht entfällt, wenn die
Arbeitslosengeldbewilligung nachträglich aufgehoben und die Leistung zurückgezahlt wird (was übrigens
auch der Grund für die Erstattungsregelung in § 335 Abs. 1 SGB III ist; siehe zu allem auch Schmidt in
Hauck/Noftz, SGB III K § 335 Rz. 7). Jedoch ist auch diese Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der
Arbeitslosen aufgrund des Krankengeldbezugs aus Sicht der Klägerin beitragsfrei. Wenn die
Bundesanstalt für Arbeit die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Unkenntnis des
Krankengeldbezugs an die Krankenkasse entrichtet hat, erfolgte dies zu Unrecht.
Die erwähnten Beiträge sind nach § 26 Abs. 2 letzter Halbsatz SGB IV auch für Zeiten entrichtet worden,
die während des Bezuges von Leistungen (wegen des Krankengeldbezugs) beitragsfrei sind, so dass die
Beiträge auch dann zu erstatten sind, wenn parallel Leistungen erbracht worden sind. Die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 SGB IV sind mithin erfüllt.
Nach § 26 Abs. 3 SGB IV steht der Erstattungsanspruch demjenigen zu, der die Beiträge getragen hat. Wie
sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut in § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB IV ergibt, kommt es somit ausdrücklich
nicht darauf an, wer die Beiträge geleistet hat. Anders als im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht des
§ 812 BGB bedarf es insoweit keiner Erwägung zur „Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs“, also zu
der Vorraussetzung, dass eine Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung zwischen dem Bereicherten
und Entreicherten eingetreten sein muss, was sich gerade in einem Dreiecksverhältnis im Zivilrecht als
zuweilen sehr kompliziert darstellt. Die Regelung in § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB IV stellt jedoch – wie erwähnt ‑
schon von ihrem Wortlaut her klar, dass Gläubiger des Erstattungsanspruchs stets derjenige ist, der
rechtlich tatsächlich belastet worden ist (siehe ebenfalls KassKomm/Seewald, § 226 SGB IV RdZ. 24).
Unerheblich ist es insoweit, dass nicht die Klägerin direkt die Krankenversicherungsbeiträge an die
beklagte Krankenkasse geleistet hat, sondern die damalige Bundesanstalt für Arbeit. Rechtlich getragen
hat sie jedoch im konkreten Fall die Klägerin, wie sich aus der rechtskräftigen Entscheidung der 11.
Kammer des Sozialgerichts Koblenz vom 24.02.2005 ergibt, die auch insoweit vollstreckt worden ist, als
die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid der Arbeitsagentur M-K vom 24.11.2005 (Bl. 42 d.
Verwaltungsakte) die von der Klägerin erstattet verlangten Krankenversicherungsbeiträge mit
Leistungsansprüchen der Klägerin gegen die Bundesagentur für Arbeit verrechnet hat.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der beklagten Krankenkasse ist auch nicht nach
§ 27 Abs. 2 SGB IV verjährt. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV verjährt ein Erstattungsanspruch in vier
Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Vorliegend sind die
Beiträge durch die Bundesanstalt für Arbeit bereits im Juni und Juli 2002 entrichtet worden. Hiernach
würde der Erstattungsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres 2006 verjähren. Nach
§ 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV wird die Verjährung aber (unter anderem) durch einen schriftlichen Antrag auf
die Erstattung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt. Im konkreten Fall hat die Klägerin
durch ihren Rechtsanwalt im September 2005 (siehe Bl. 9 d. Verwaltungsakte) den erwähnten Antrag auf
Erstattung der durch die Bundesanstalt für Arbeit an die Krankenkassen geleisteten Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 606,55 € gestellt, womit der Anspruch nicht als verjährt
angesehen werden kann.
Entgegen der Auffassung der beklagten Krankenkasse kann auch nicht davon ausgegangen werden,
dass die Vorschrift des § 26 Abs. 2 SGB IV aufgrund einer Vorrangigkeit der Regelung zur Erstattung von
Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 335 Abs. 1 SGB III nicht zur Anwendung kommt.
Zwar ist es zutreffend, dass nach § 1 Abs. 3 SGB IV solche Regelungen in den Sozialbereichen dieses
Gesetzbuchs (d.h. also allen Sozialgesetzbüchern, die sich mit den einzelnen Sozialbereichen befassen,
also mithin auch die des SGB III) unberührt bleiben, soweit sie von den Vorschriften dieses Buches (also
des SGB IV) „abweichen“. Nach Ansicht der Kammer kann die Vorschrift in § 335 Abs. 1 SGB III jedoch im
konkreten Fall nicht als abweichende Vorschrift zu § 26 Abs. 2 SGB IV angesehen werden.
Regelungsziel des § 335 SGB III ist es nämlich – wie oben bereits erwähnt ‑ der Bundesagentur für Arbeit
es zu ermöglichen, von ihr abgeführte Versicherungsbeiträge im Falle der nachträglichen Aufhebung von
Arbeitslosengeldbewilligung auch unter Berücksichtigung der Tatsache zurückverlangen zu können, dass
„an sich“ nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V eine Versicherungspflicht kraft Gesetzes eintritt, die auch bei einer
nachträglichen Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung nicht entfällt (siehe § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V
letzter Halbsatz), so dass das Abführen von Versicherungsbeiträgen „an sich“ zu Recht erfolgte (siehe zu
allem auch Schmidt in Hauck/Noftz, SGB III K § 335 Rz. 7). § 335 Abs. 1 SGB III stellt daher keine
„abweichende“ Regelung zu § 26 Abs. 2 SGB IV dar, sondern erweitert die in § 26 Abs. 2 SGB IV
gesetzlich vorgesehenen Erstattungsansprüche zugunsten der Bundesagentur für Arbeit, in dem sie trotz
der bestehenden Versicherungspflicht kraft Gesetzes Erstattungsansprüche für die Bundesagentur für
Arbeit für geleistete Versicherungsbeiträge vorsieht.
Die Klägerin bedarf im konkreten Fall jedoch gar nicht der erweiterten Erstattungsmöglichkeit des
§ 335 Abs. 1 SGB III, um zu Unrecht von ihr „getragene“ Versicherungsbeiträge von der beklagten
Krankenkasse zurückfordern zu können. Selbst, wenn man nach der gesetzlichen Regelung in
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V davon ausgeht, dass mit dem Bezug von Arbeitslosengeld (unverrückbar) eine
Mitgliedschaft in der „Krankenversicherung der Arbeitslosen“ (= KVdA) für die Klägerin begründet wird,
ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Klägerin auch bei einer Mitgliedschaft in der KVdA bei
längerem Krankengeldbezug (wie gegeben) beitragsfrei (auch in dieser Krankenversicherung) versichert
gewesen ist und mithin von ihr „getragene“ Versicherungsbeiträge als zu Unrecht entrichtet anzusehen
sind.
Gegen die Annahme, dass die Vorschriften im SGB III generell die Regelungen im SGB IV verdrängen, so
dass aus diesem Grunde eine Rückforderung von zu Unrecht getragenen Versicherungsbeiträgen
ausscheiden würde, spricht ferner auch die Regelung in § 351 Abs. 1 Satz 1 SGB III, in der sogar
ausdrücklich in einem speziellen Fall der Erstattung von gezahlten Versicherungsbeiträgen auf das
Abweichen von § 26 Abs. 2 SGB IV hingewiesen wird, also mithin geradezu bekräftigt wird, dass bei
ansonsten bei „zu Unrecht entrichteten Beiträgen“ die Grunderstattungsnorm des § 26 Abs. 2 SGB IV gilt.
Auch kann man die detaillierte Erstattungsregelung von geleisteten Versicherungsbeiträgen in
§ 335 Abs. 1 SGB III nicht dahin interpretieren, dass sie sämtliche andere
Beitragsrückerstattungsansprüche anderer Beteiligter als der Bundesagentur für Arbeit ausschließt. Weder
Wortlaut noch Gesetzeszweck würden eine solche Auslegung rechtfertigen.
Soweit in § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III geregelt ist, dass die Krankenkasse für den Zeitraum, für den die
Bundesagentur für Arbeit Leistungen zurückgefordert hat und in denen ein weiteres
Krankenversicherungsverhältnis des Versicherten bestanden hat der Bundesagentur, die für diesen
Zeitraum entrichteten Beiträge zu erstatten hat und der (ungerechtfertigte) Bezieher von Arbeitslosengeld
nach § 335 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz SGB III insoweit von der Ersatzpflicht gegenüber der
Bundesagentur für Arbeit befreit wird, bedeutet dies nicht, dass der (ungerechtfertigte) Bezieher von
Arbeitslosengeld nur in diesem Fall keine zusätzlichen Versicherungsbeiträge tragen muss.
Die Vorschrift in § 335 Abs. 1 SGB III bezweckt – wie oben bereits angedeutet ‑ ausschließlich die
Regelung von Erstattungsansprüchen der Bundesagentur für Arbeit gegenüber anderen
Sozialversicherungsträgern. Der Versicherte wird hiervon nur insofern reflexartig betroffen, als die
gesetzliche Regelung bemüht ist, es gleichzeitig zu vermeiden, dass es aufgrund der Erstattungsregelung
zwischen den Versicherungsträgern zu einem von dem Versicherten „doppelt“ finanzierten
Krankenversicherungsschutz kommt und im Umkehrschluss die Bundesagentur für Arbeit hierdurch
„ungerechtfertigt“ zusätzliche (neben der Erstattung der Versicherungsbeiträge durch die Krankenkasse)
noch von dem Versicherten zu erstattende Versicherungsbeiträge vereinnahmen könnte. Aus dieser
Regelung auf eine abschließende Erstattungsregelung für zu Unrecht entrichtete Beiträge für den
Versicherten zu schließen, erscheint weder gesetzessystematisch (siehe die oben dargelegten
Erwägungen) noch nach der Zielsetzung der betroffenen Normen sachgerecht.
Im Ergebnis kann es nämlich nicht als sachgerecht angesehen werden, dass derjenige Versicherte, der
während des Arbeitslosgeldbezugs eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufnimmt, von den zusätzlichen
(für die Arbeitslosenversicherung geleisteten) Versicherungsbeiträgen befreit wird, während derjenige,
der beitragsfrei versichert ist und sich (am Ende noch auf Drängen der Krankenkasse) bei der
Bundesagentur für Arbeit meldet und Arbeitslosengeld bezieht, im Nachhinein – trotzt dauernder
Voraussetzung einer Beitragsfreiheit – die Versicherungsbeiträge zu tragen hat.
Nach alledem hat die Klage aus den oben genannten Gründen im erwähnten Umfang (d. h., was die
Auszahlung von getragenen Krankenversicherungsbeiträge betrifft) Erfolg und musste im Übrigen
abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (= Sozialgerichtsgesetz), wobei die Kammer das teilweise
Unterliegen der Klägerin im Hinblick auf die Auszahlung von getragenen Pflegeversicherungsbeiträgen
berücksichtigt hat.
Die Berufung wird ausdrücklich zugelassen. Grundsätzlich bedarf es im vorliegenden Fall einer
ausdrücklichen Zulassung der Berufung nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG, da der Wert des
Beschwerdegegenstandes des vorliegenden Rechtsstreits, der einen Verwaltungsakt betrifft, welcher auf
eine Geld- bzw. Sachleistung gerichtet ist, 750,00 Euro nicht übersteigt.
Die Berufung ist vorliegend jedoch nach Auffassung der Kammer zuzulassen, da ein Fall des
§ 144 Abs 2 Nr 1 SGG gegeben ist, dh die Rechtssache hat nach Ansicht der Kammer grundsätzliche
Bedeutung. Soweit für die Kammer ersichtlich, ist in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht
höherinstanzlich geklärt worden, wie der Erstattungsanspruch von durch die Bundesagentur für Arbeit
geleisteten Versicherungsbeiträgen im Falle einer vorher bestehenden beitragsfreien Mitgliedschaft eines
Versicherten zu bewerten ist.