Urteil des SozG Koblenz vom 04.05.2009

SozG Koblenz: versicherter, unternehmer, unfallversicherung, unternehmen, versicherungsschutz, sozialversicherung, auflage, ausnahme, beitragspflichtiger, hessen

Sozialrecht
SG
Koblenz
04.05.2009
S 7 U 266/07
Kostenbeschluss
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
Nachdem sich der Rechtsstreit in der Hauptsache durch Klagerücknahme erledigt hat, ist vom Gericht nur
noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese
Entscheidung nicht nach § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG), sondern nach § 193 SGG zu treffen.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die
Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Nach Satz 3 der Vorschrift entscheidet das Gericht auf
Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird.
Die §§ 184-195 SGG finden jedoch nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG keine Anwendung, wenn in einem
Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen gehört. In diesem
Fall werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben und die §§ 154-
162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden.
Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte,
Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenen-leistungsempfänger, Behinderte oder deren
Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser
jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind.
Die erkennende Kammer hält auch nach nochmaliger Überprüfung an ihrer bereits bislang vertretenen
Rechtsauffassung fest, dass § 183 SGG auch dann uneingeschränkt anzuwenden ist, wenn ein in der
gesetzlichen Unfallversicherung versicherter oder als solcher veranlagter Unternehmer vor einem Gericht
der Sozialgerichtsbarkeit klagt. Voraussetzung für die Gerichtskostenfreiheit ist dabei lediglich, dass er in
dieser Eigenschaft - nämlich als versicherter Unternehmer - an dem Verfahren als Kläger oder Beklagter
beteiligt ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob es sich bei dem
Verfahren um eine Leistungsstreitigkeit, eine Beitragsstreitigkeit oder einen Streit um den
Versicherungsstatus als solchen handelt. Eine Einschränkung der Gerichtskostenfreiheit nach § 183 SGG
auf so genannte Leistungsstreitigkeiten lässt sich weder allgemein, noch für den speziellen Fall eines in
der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Unternehmers begründen. Die Gerichtkostenfreiheit
nach § 183 SGG, die nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift in der Sozialgerichtsbarkeit als der
Grundsatz anzusehen ist, von der die mit Wirkung vom 02.01.2002 eingefügte Regelung des § 197a SGG
eine Ausnahme darstellt, ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht von den materiellrechtlichen Grundlagen
der jeweiligen Rechtsstreitigkeit abhängig, sondern allein von der Stellung der Beteiligten in dem
Verfahren. Ist ein Versicherter in dieser Eigenschaft an einem Klageverfahren als Kläger oder Beklagter
beteiligt, so ist dieses Verfahren für ihn kostenfrei, wobei es nicht darauf ankommt, ob Gegenstand des
Klageverfahrens ein Leistungsanspruch, eine Beitragsverpflichtung oder die Klärung einer Statusfrage ist.
In dem vorliegenden Verfahren richtete sich die am 18.10.2007 eingegangene Klage nach dem Antrag in
der Klageschrift ausdrücklich nur gegen den so genannten Zuständigkeitsbescheid der Beklagten vom
28.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2007. Mit diesem Bescheid hatte die
Beklagte gegenüber dem Kläger festgestellt, dass seit dem 30.10.1995 ein landwirtschaftliches
Unternehmen im Sinne des § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII betrieben werde, für das die Landwirtschaftliche
Berufsgenossenschaft B der zuständige gesetzliche Unfallversicherungsträger sei. Weiter wurde darauf
hingewiesen, dass sich der Versicherungsschutz bei Tätigkeiten für das Unternehmen unter anderem auf
in dem Unternehmen Beschäftigte und den Unternehmer erstrecke und für den Versicherungsschutz
jährlich Beiträge entsprechend den Betriebsverhältnissen des Unternehmens erhoben würden.
Der Kläger hatte zwar auch gegen den nachfolgend erlassenen Beitragsbescheid vom 16.02.2004
Widerspruch eingelegt, dieser Beitragsbescheid für das Jahr 2003 war aber nachfolgend aufgehoben
worden, nachdem festgestellt worden war, dass der Kläger den Waldbesitz mit einer Fläche von 16,71 ha
im November 2001 an eine Besitzgemeinschaft abgegeben hatte. In dem Bescheid über die Beendigung
der Zuständigkeit vom 10.04.2007 und dem berichtigten Beitragsbescheid ebenfalls vom 10.04.2007
wurde zwar jeweils darauf hingewiesen, dass noch Beitragsverbindlichkeiten für die Umlagejahre 1998-
2001 in Höhe von 341,98 € zu begleichen seien. Diese Bescheide waren von dem Kläger aber weder mit
einem weiteren Widerspruch noch mit der Klage angefochten worden. Streitgegenstand des vorliegenden
Klageverfahrens war mithin allein der Zuständigkeitsbescheid vom 28.11.2003. Mit diesem Bescheid
wurde zum einen festgestellt, dass es sich bei dem forstlichen Grundbesitz um ein landwirtschaftliches
Unternehmen im Sinne des § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII handelt, gleichzeitig wurde aber auch festgestellt,
dass der Kläger als Unternehmer dieses Unternehmens gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII gesetzlich
unfallversichert ist. Mithin war nicht nur die Erfassung des Grundbesitzes als forstwirtschaftliches
Unternehmen streitig, sondern auch der Status des Klägers als Versicherter in der gesetzlichen
Unfallversicherung. Nach Auffassung der Kammer war der Kläger deshalb im Sinne des § 183 Satz 1 SGG
in seiner Eigenschaft als Versicherter an dem Klageverfahren beteiligt.
Versicherte im Sinne des § 183 SGG sind vorwiegend die in der Sozialversicherung einschließlich der
Alterssicherung der Landwirte, der sozialen Pflegeversicherung und der Arbeitslosenversicherung
versicherten Personen nach Maßgabe der besonderen einschlägigen Vorschriften (unter anderem §§ 24
ff. SGB III, §§ 5 ff. SGB V, §§ 1 ff. SGB VI, §§ 2 ff. SGB VII); als Versicherte privilegiert sind aber auch die in
der privaten Pflegeversicherung versicherten Personen (§ 23 SGB XI, vgl. BSG 12.02.2004 - B 12 P 2/03 R
-, 19.04.2007 - B 3 P 6/06 R -). Auf die Privilegierung kann sich der Versicherte insbesondere berufen,
wenn der Streit um den Versichertenstatus als solchen geht. Eine von einem Versicherten geführte
Streitsache liegt aber auch dann vor, wenn das Versicherungsverhältnis schon beendet ist und nur noch
um Beiträge gestritten wird (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 183, Rd-
Nr. 5).
Kein Versicherter im Sinne des § 183 SGG ist dagegen grundsätzlich der Arbeitgeber, der zur Beitrags-
oder Umlagezahlung für seine versicherten Arbeitnehmer herangezogen wird (z. B. nach §§ 346, 354
SGB III, § 249 SGB V oder § 150 SGB VII), auch wenn es im Streitfall um Fragen der Versicherung der
Beschäftigten geht. Allerdings kann auch ein Arbeitgeber selbst Versicherter im Sinne des § 183 SGG
sein, nämlich dann, wenn er ausschließlich oder zugleich einen Streit um die eigene Versicherung z. B.
nach § 2 SGB VI oder § 2 Abs. 1 Nr. 5a oder § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII führt (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer,
a. a. O., Rd-Nr. 5a mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung, auch der Gegenmeinung).
Für die Frage der Kostenprivilegierung ist es auch nicht relevant, ob eine Klage oder eine
Rechtsverteidigung letztlich Erfolg hatte. Das Verfahren ist deshalb auch dann kostenfrei, wenn ein
Beteiligter sich in einem Rechtsstreit erfolgreich gegen die Feststellung der Versicherteneigenschaft
gewehrt hat. Maßgebend für die Kostenprivilegierung ist, dass über den Status als Versicherter gestritten
wird (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer, a. a. O., Rd-Nr. 9 mit weiteren Nachweisen).
In dem vorliegenden Klageverfahren wurde um den Versichertenstatus des Klägers in der gesetzlichen
Unfallversicherung als landwirtschaftlicher Unternehmer gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII gestritten. Er hat
diesen Rechtsstreit deshalb auch als Versicherter im Sinne des § 183 Satz 1 SGG geführt, so dass die
Kostenentscheidung nach § 193 und nicht nach § 197a SGG zu treffen war.
Zwar hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits in mehreren Beschlüssen die
Kostenregelung des § 197a SGG in Fällen angewendet, in denen - soweit dies aus den
Entscheidungsgründen ersichtlich war - entweder die Unternehmereigenschaft des Klägers und seine
Eintragung in das Unternehmerverzeichnis der beklagten Berufsgenossenschaft streitig war (Beschluss
vom 17.12.2008 - B 2 U 251/08 B -) oder in denen die Beitragsveranlagung als Unternehmer in der
Landwirtschaftlichen Unfallversicherung streitig war (Beschluss vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B -,
Beschluss vom 05.03.2008 - B 2 U 353/07 B -). Diese Entscheidungen enthalten aber keine eingehende
Begründung zu der vom BSG angenommenen Nichtanwendbarkeit des § 183 SGG. In dem Beschluss
vom 05.03.2008 führt das BSG aus, der Kläger gehöre nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen,
da er gegenüber der Beklagten keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung verfolgt habe, sondern er sich gegen die Erhebung von Beiträgen von ihm als
Unternehmer gewandt habe. In dieser Entscheidung verweist das BSG auf den Beitrag von Köhler, Das
Kostenprivileg des § 183 SGG im Falle eines unfallversicherten Unternehmers, in Die
Sozialgerichtsbarkeit 2008, Seite 76 ff. Köhler vertritt darin unter Hinweis auf Entscheidungen der
Landessozialgerichte Thüringen, Niedersachsen-Bremen, Hessen und Brandenburg die Auffassung, dass
ein landwirtschaftlicher Unternehmer in beitrags- und mitgliedschaftsrechtlichen Streitigkeiten mit seiner
zuständigen Berufsgenossenschaft nicht gerichtskostenprivilegiert im Sinne des § 183 SGG sei. Zur
Begründung führte er aus, dass die Kostenprivilegierung sich nur auf die Eigenschaft der Beteiligten als
Versicherte oder Leistungsempfänger beziehe und ein selbständiger Landwirt, der gegen einen
Beitragsbescheid klage, sich nicht in seiner Eigenschaft als Versicherter sondern als beitragspflichtiger
Unternehmer zur Wehr setze.
Dieser Auffassung kann nach Überzeugung der Kammer schon nicht für Beitragsstreitigkeiten gefolgt
werden, da im Falle der Unternehmerversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII die Beitragspflicht
unmittelbar und untrennbar mit der Versicherungspflicht verknüpft ist, was sich aus § 150 Abs. 1 Satz 2
SGB VII ergibt. Erst Recht kann mit dieser Argumentation keine Ausnahme von der Gerichtskostenfreiheit
nach § 183 SGG begründet werden, wenn es - wie im vorliegenden Fall - um den Versichertenstatus als
solchen geht. Der Umstand, dass es sich bei Beitragsstreitigkeiten von Unternehmern, die Versicherte im
Sinne des § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII beschäftigen, grundsätzlich nicht um kostenprivilegierte
Klageverfahren handelt, liegt nicht darin begründet, dass es sich hierbei um Beitragsstreitigkeiten handelt,
sondern beruht darauf, dass diese Unternehmer grundsätzlich nicht selbst in der gesetzlichen
Unfallversicherung versichert und deshalb auch nicht für sich selbst beitragspflichtig sind. Ist dagegen ein
solcher Unternehmer in einer gewerblichen Berufsgenossenschaft durch Satzung oder freiwillig gemäß §§
3, 6 SGB VII gesetzlich unfallversichert und richtet sich ein Klageverfahren zumindest auch gegen die
eigene Beitragsverpflichtung, so gilt für dieses Klageverfahren auch die Kostenprivilegierung des § 183
SGG. Die Auffassung, dass beitrags- und mitgliedschaftsrechtliche Streitigkeiten gesetzlich versicherter
Unternehmer nicht kostenprivilegiert seien, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 183 SGG, noch lässt
sich eine solche Einschränkung durch eine einschränkende Auslegung des Gesetzes begründen, wie
insbesondere das Bayerische LSG im Beschluss vom 29.06.2005 - L 1/3 U 291/04 (NZS 2006, 445)
ausführlich dargelegt hat. Auch das LSG Rheinland-Pfalz hat in einem Urteil vom 17.04.2007 - L 3 U
271/06 festgestellt, dass für eine einschränkende Auslegung des § 183 Satz 1 SGG kein Bedürfnis
bestehe. Der 3. Senat des LSG Rheinland-Pfalz hat in dieser Entscheidung ausdrücklich seine bisherige
Rechtsprechung aufgegeben, dass der selbständige Landwirt im Streit über seine in der gesetzlichen
Unfallversicherung bestehende Versicherungs- und Beitragspflicht nicht dem Personenkreis des § 183
SGG zuzurechnen sei. Versicherter im Sinne des § 183 SGG sei, wer aufgrund einer Pflichtversicherung
oder einer Selbstversicherung einem Zweig der Sozialversicherung angehöre; entscheidend sei, dass der
Kläger nicht als Arbeitgeber betroffen sei (vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.12.2004 - L 5
LW 13/04 -).
An dieser Rechtsprechung ist nach Auffassung der Kammer weiterhin festzuhalten, da sich für die
Gegenauffassung keine überzeugende Begründung finden lässt. Allein der Umstand, dass der 2. Senat
des BSG bereits in mehreren Beschlüssen zu erkennen gegeben hat, dass er sich der einschränkenden
Gesetzesauslegung zu § 183 Satz 1 SGG im Sinne der Ausführungen von Köhler und mehrerer
Landessozialgerichte angeschlossen hat, ist nach Auffassung der Kammer kein ausreichender Grund,
sich dieser Rechtsauffassung ebenfalls anzuschließen (vgl. auch Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO,
64. Auflage, Einl III 6 Rd-Nr. 47).
Mithin hatte die Kostenentscheidung nach § 193 SGG und nicht nach 197a SGG zu ergehen, so dass
auch eine Streitwertfestsetzung nach § 197a SGG in Verbindung mit den Vorschriften des GKG nicht zu
erfolgen hatte.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG).