Urteil des SozG Koblenz vom 20.05.2009

SozG Koblenz: verlust der stelle, zumutbare tätigkeit, wichtiger grund, zumutbare arbeit, kündigung, firma, vorschuss, beweismittel, antritt, quelle

Sozialrecht
SG
Koblenz
20.05.2009
S 2 AS 673/07
Sanktion bei verhaltensbedingter Kündigung
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheides.
Die Klägerin bezieht seit 01.01.2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von der
Beklagten; zuvor lebte sie im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Arge K und erhielt von dieser
entsprechende Leistungen. Für den Zeitraum vom 01.07. bis 31.12.2007 bewilligte die Beklagte ihr
Leistungen in Höhe von 572,30 € monatlich (Regelleistung 347,00 €, Kosten der Unterkunft 225,30 €). Am
28.06.2007 schloss die Klägerin mit der I einen Anstellungsvertrag über eine Teilzeitstelle (60%) und trat
am 01.07.2007 vereinbarungsgemäß eine Stelle als Hauswirtschaftshelferin an. Das Arbeitsverhältnis war
befristet und sollte am 30.06.2008 enden. Mit Schreiben vom 11.07.2007 kündigte die Arbeitgeberin das
bestehende Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 26.07.2007. Auf Nachfrage der Beklagten teilte
die frühere Arbeitgeberin der Beklagten mit, diese habe sich bereits am 3. Tag bei verschiedenen
Mitarbeitern über die Arbeit beschwert und keine Anpassung gezeigt. Sie habe sich über Mitarbeiter aus
osteuropäischen Ländern mit den Worten geäußert, "sie könne nicht mit Ostblockvolk". Nach 10 Tagen
habe sie ihrem Vorgesetzten gegenüber mitgeteilt, dass ihr die Arbeit keinen Spaß mache und sie sich
nicht wohl fühle.
Mit Bescheid vom 03.08.2007 senkte die Beklagte den der Klägerin zustehenden Anteil des
Arbeitslosengeldes II unter Wegfall eines eventuell zustehenden Zuschlags nach § 24 SGB II für die Zeit
vom 01.09. bis 30.11.2007 monatlich um 30% der Regelleistung ab. Zur Begründung führte sie aus, die
Klägerin habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die Arbeit als Hauswirtschaftshelferin bei der Firma I
aufgegeben, obwohl eine Fortführung der Tätigkeit für sie zumutbar gewesen sei. Gründe, die dieses
Verhalten erklären und als wichtig im Sinne der Vorschriften des SGB II anerkannt werden könnten, seien
aus den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, sie habe ihre neue Stelle
bei der Firma I sehr ernst genommen. Sie habe sich schnell eingearbeitet und sei stets pünktlich gewesen.
Das Arbeitsverhältnis zu kündigen, sei allein die Entscheidung ihrer Arbeitgeberin gewesen. Sie selbst
habe nicht gekündigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als
unbegründet zurück. Sie argumentierte, die Kündigung sei zwar einseitig durch die Arbeitgeberin erfolgt,
jedoch habe die Klägerin Anlass zur Kündigung gegeben so dass ihr ein Verschulden am Scheitern des
Arbeitsvertrages gegeben sei.
Mit der am 28.08.2007 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, sie habe sich selbst um die Stelle bei
der Firma I bemüht. Den Verlust der Stelle habe sie nicht zu vertreten. Im Betrieb sei ihr durch die
vorhandenen Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen ausgrenzend begegnet worden. Der Arbeitgeber habe
nicht schlichtend eingegriffen, sondern anstatt dessen gekündigt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 04.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2007
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Verwaltungsentscheidung nach wie vor für rechtmäßig.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T S. Wegen der diesbezüglichen
Einzelheiten wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 20.05.2009 Bl. 141 ff. der Gerichtsakten
verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie die Leistungsakten der Beklagten, die
vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 03.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
16.08.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Rechtsgrundlage für den
angefochtenen Bescheid ist § 48 SGB X in Verbindung mit §§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB 2, 330 Abs. 2
SGB III, 31 SGB II. Hiernach ist ein begünstigender Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die
Zukunft oder für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei
seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung
liegt in der Absenkung der Regelleistung.
Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c wird bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen das Arbeitslosengeld II
unter Wegfall des Zuschlages nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vH des den erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige
Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit fortzuführen und
er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund nachweist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die
Klägerin hat unstreitig ab 01.07.2007 eine im Sinne des § 10 SGB II zumutbare Tätigkeit aufgenommen.
Sie hatte grundsätzlich auch die Möglichkeit diese Tätigkeit fortzuführen. Sie hat jedoch durch ihr
Verhalten am Arbeitsplatz (gezielt) Anlass für die Beendigung der Tätigkeit durch die Arbeitgeberin
gegeben. Insbesondere ist die Kündigung zum 26.07.2007 nicht etwa aus gesundheitlichen Gründen
erfolgt oder weil die Klägerin für die aufgenommene Tätigkeit persönlich nicht geeignet war. Vielmehr
erfolgte die verhaltensbedingte Kündigung durch die Arbeitgeberin wegen Verletzung arbeitsvertraglicher
Nebenpflichten. Zudem fehlte ihr nach dem Urteil der Arbeitgeberin für die Arbeit die notwendige
Motivation. Die Kammer stützt diese Feststellungen auf die Aussage des Zeugen S, der bekundet hat,
dass er aufgrund des Gesamteindruckes, den er von der Klägerin gewonnen hatte, vom Fehlen der
notwendigen Motivation für die zugewiesene Tätigkeit ausging. So brachte die Klägerin ihm gegenüber z.
B. zum Ausdruck, dass die Arbeit finanziell nicht lukrativ sei. Außerdem beklagte sie, dass der Weg zur
Arbeit lang und kostenaufwendig sei. Auf den Vorschlag des Zeugen, ihr einen Vorschuss für den Ankauf
des notwendigen Bustickets zu zahlen, reagierte sie nicht. Ebenso wenig berücksichtigte sie in diesem
Zusammenhang, dass sie für die Phase der Einarbeitung (Juli 2007) zwar in einer Einrichtung in K, ab
01.08.2007 jedoch wohnortnah in K eingesetzt werden sollte. Zudem störte die Klägerin den
Betriebsfrieden, in dem sie Unruhe in das Team brachte, dem sie zugeteilt war. Unter anderem hatte die
Klägerin Probleme sich von der Vorarbeiterin, einer Rumänin, anweisen zu lassen, was Probleme bei der
Diensteinteilung mit sich brachte. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin nicht in
der Lage gewesen wäre, sich vertragskonform zu verhalten. Das Angebot, ihr einen Vorschuss für den
Kauf des für den Weg von und zur Arbeit erforderlichen Bustickets , zu geben, hätte ihr über einen evt.
finanziellen Engpass geholfen. Die Aussicht, nach einem Monat wohnortnah eingesetzt zu werden, hätte
sie motivieren müssen, den längeren Arbeitsweg vorübergehend in Kauf zu nehmen. Sie war sich im
Übrigen nicht nur in der Möglichkeit bewusst, dass sie durch ihr Verhalten eine Arbeitgeberkündigung
auslösen könne, sondern nahm dies sogar billigend in Kauf. Die Kammer stützt diese Feststellung auf die
Aussage des Zeugen S, der bekundet hat, die Klägerin habe ihm gegenüber zum Ausdruck gebracht,
dass die Arbeit für sie nicht finanziell lukrativ sei und gemeint, er könne ihr ja kündigen, dann nehme sie
wieder Arbeitslosengeld in Anspruch.
Die Klägerin hatte für ihr Verhalten auch keinen wichtigen Grund. Wichtiger Grund sind alle Umstände des
Einzelfalles die über Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Einzelnen in Abwägung mit
entgegenstehenden Belangen der Allgemeinheit das Verhalten des Hilfebedürftigen rechtfertigen. Bei den
wichtigen Gründen im Vordergrund stehen persönliche, insbesondere familiäre oder gesundheitliche
Gründe, Glaubens- oder Gewissensgründe oder in der Arbeitssituation selbst Liegende, z. B. das
Auftreten einer Mobbingsituation. Zwar hat die Klägerin behauptet, dass sie von den anderen Mitarbeitern
gemobbt worden sei. Sie hat dies aber weder näher dargelegt noch wurde ihr diesbezüglicher Vortrag
bewiesen. Im Gegenteil bekundete der Zeuge S, dass er von einem Mobbing der Klägerin nichts wisse.
Soweit die Klägerin gesundheitliche Probleme anführt, sind diese ebenfalls nicht bewiesen. Die
undatierten Ausführungen der Klägerin Bl. 12 ff. der Gerichtsakten sind kein Beweismittel im Sinne des §
118 SGG. Dem Angebot der Klägerin, sie als Partei zu vernehmen, war nicht war nicht nachzugehen, da
das SGG als Mittel der Sachaufklärung lediglich die Erörterung mit den Beteiligten (§ 106 Abs. 1 und
§ 112 Abs. 2 SGG) nicht dagegen die Parteivernehmung kennt, denn § 118 Abs. 1 SGG verweist nicht auf
die §§ 445 ff. ZPO (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar 9. Auflage § 103 Anmerkung 12 mit
weiteren Nachweisen).Im übrigen kann nach § 445 ZPO eine Partei, die einen ihr obliegenden Beweis mit
anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, den
Beweis grundsätzlich nur durch Vernehmung des Beweisgegners antreten.
Die Klägerin war auch vor Antritt des Arbeitsverhältnisses über die eintretenden Rechtsfolgen bei
Kündigung durch den Beschäftigungsgeber belehrt worden. Die letzte entsprechende schriftliche
Belehrung befindet sich in der am 16.02.2007 abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung, gültig bis
26.08.2007, die die Eingliederungsvereinbarung vom 13.12.2006 teilweise ersetzte. Damit lagen die
tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Absenkung der Leistung um 30% der Regelleistung vor. Nach
§ 31 Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB II tritt die Leistungsabsenkung mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf
das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Absenkung der Leistung feststellt. Die
Absenkung dauert drei Monate. Nach alledem durfte die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Monate
September bis November 2007 teilweise aufheben. Die Klage war demzufolge abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 SGG.