Urteil des SozG Koblenz vom 22.06.2010

SozG Koblenz: vergütung, essentialia negotii, taxe, kaufvertrag, krankenkasse, leistungserbringer, vertragsschluss, kaufpreis, verordnung, vertragsarzt

Sozialrecht
SG
Koblenz
22.06.2010
S 16 KR 337/09
Vertragsschluss zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer
Mangelt es an einer Einigung hinsichtlich der Höhe der Vergütung, so ist zwischen der Krankenkasse und
dem Leistungserbringer kein Vertrag zustande gekommen.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 126.478,37 € festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung von
Sprechstundenbedarf streitig.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine nach § 126 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)
zugelassene Leistungserbringerin, die Verbandsmittel und Medizinprodukte entwickelt, produziert und
vertreibt. Aufgrund von Verordnung hessischer Vertragsärzte belieferte sie diese im Jahre 2005 und 2006
mit sog. Sprechstundenbedarf. Hierbei handelt es sich um Arzneimittel, Verbandsmittel und sonstige
Materialien, die ein Arzt in der Praxis verwendet und die nicht bereits durch die Gebühren und Leistungen
nach der Gebührenordnung abgegolten sind.
Gemäß dem zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung H und der Beklagten als Vertreterin der
Landeskrankenkassen in H bestehenden Sprechstundenbedarfsvereinbarung ist der Vertragsarzt dazu
berechtigt, verbrauchten Sprechstundenbedarf zu Lasten der Krankenkassen auf Rezept zu verordnen,
um so seine Bestände wieder aufzufüllen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Sprechstundenbedarf
seiner Art nach bei mehr als einem Versicherten Anwendung findet.
Gemäß § 1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung erfolgt die Verordnung des Sprachstundenbedarfs
durch die Vertragsärzte allein auf Kosten der Beklagten; diese regelt intern mit den übrigen
Krankenkassen ein Erstattungsverfahren.
Die Klägerin hat bereits in der Vergangenheit den von ihr gelieferten Sprechstundenbedarf mit der
Beklagten abgerechnet. Dabei wurden diese sog. Netto-Listenpreise der Vergütung zugrunde gelegt, die
in vollem Umfang der sog. L-Taxe entsprechen.
Mit Wirkung zum 01.03.2005 schlossen die Krankenkassen in H mit dem H Apothekerverband einen
Arzneimittelliefervertrag über die Versorgung der Versicherten mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln,
Verbandsmitteln und Hilfsmitteln. Hierbei wurde in § 13 eine Vergütungsvereinbarung geschlossen; diese
wandte die Beklagte in der Folgzeit auch auf die Abrechnungen der Klägerin an und nahm hier
Kürzungen vor.
Mit Schreiben vom 07.06.2005 beanstandete der Bundesverband für Medizintechnologie e.V., dem die
Klägerin angehört, in einem Schreiben an die Beklagte dieses Vorgehen. Die Abrechnung und Vergütung
zu den Netto-Listenpreisen sei üblich. Um von diesem Vorgehen abzurücken, seien rechtliche Gründe
erforderlich, die aber nicht ersichtlich seien. Hier könne insbesondere nicht auf eine Vereinbarung mit
dem Apothekerverband verwiesen werden, der im Verhältnis zur Klägerin nicht bindend sei.
Die Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 21.06.2005 mit, dass sie aufgrund der getroffenen
Vereinbarung mit dem Apothekerverband nunmehr davon ausgehe, dass die hier vereinbarte Vergütung
die ortsübliche sei; damit seien die mit dem H Apothekerverband vereinbarten Preise die Obergrenze
dessen, was erstattet werden könne. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot.
Die Klägerin wandte sich sodann erneut mit Schreiben vom 22.09.2005 an die Beklagte und teilte dieser
mit, dass sie mit den Kürzungen nicht einverstanden sei. Das Bundessozialgericht habe in diesem
Zusammenhang bereits mehrfach entschieden, dass den Krankenkassen kein Recht zur einseitigen
Leistungsbestimmung zukomme. Daneben sei es ständige Rechtsprechung, dass aus einem
bestehenden Rahmenvertrag keine Rechtsfolgen für unbeteiligte Dritte abgeleitet werden könnten.
Die Beklagte lehnte eine Vergütung nach den Netto-Listenpreisen jedoch nach wie vor ab. Mit Schreiben
vom 02.11.2005 teilte sie der Klägerin mit, dass sich die Marktüblichkeit der zugrunde gelegten Preise
schon daraus ergebe, dass nur diese von allen Krankenkassen in H gezahlt werden würden; der Preis sei
weiterhin durch die Apotheken unterbreitet worden. Der Klägerin habe man zu keinem Zeitpunkt höhere
Beträge als den Apotheken erstattet. Aus den zitierten Urteilen des Bundessozialgerichts folge für den
Leistungserbringer, dass dieser nur den marktüblichen Preis für seine Leistungen fordern könne.
Schließlich stünde einer höheren Vergütung auch die Gleichbehandlung aller Vertragspartner entgegen.
Mit ihrer am 19.12.2008 beim Sozialgericht W erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter
und führt aus:
Zwischen den Beteiligten sei ein Kaufvertrag nach Maßgabe der §§ 433 ff. BGB geschlossen worden; dies
folge aus § 69 SGB V, wonach die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften ergänzende Anwendung finden
würden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts trete der Vertragsarzt bei diesem
Vertragsschluss als Vertreter der Krankenkasse auf; der Vertrag komme sodann durch die Annahme in
Form der Lieferung der verordneten Hilfsmittel zustande. Zwischen den Beteiligten habe über Jahre
hinweg Einigkeit über eine Vergütung nach der sog. L-Taxe bestanden; man müsse hier von
innerparteilichem Gewohnheitsrecht ausgehen. Dem stünde auch nicht der von der Beklagten mehrfach
herangezogene Arzneimittelliefervertrag entgegen, denn dieser binde ausschließlich den
Apothekerverband, nicht aber die Klägerin. Eine Bezugnahme auf verbandsfremde
Vergütungsvereinbarungen scheide aus; auch könnten diese nicht zur Bestimmung des "marktüblichen
Preises" nach § 612 Abs. 2 BGB herangezogen werden. Schließlich stünde der Beklagten kein einseitiges
Preisbestimmungsrecht zu; dies sei ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Entgegen der
Ansicht der Beklagten seien weiterhin keine Produkte abgerechnet worden, die nicht unter die Kategorie
"Sprechstundenbedarf" fallen würden.
Die Klägerbevollmächtigte beantragt,
die Beklagte dazu zu verpflichten, an die Klägerin 126.478,37 € zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihr Vorgehen nach wie vor für rechtmäßig. Die Klägerin habe lediglich Anspruch auf die
marktübliche Vergütung. Daneben fielen auch nicht alle der abgerechneten Positionen unter die
Kategorie des Sprechstundenbedarfs. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass es Aufgabe
der Klägerin sei, die von ihr geltend gemachten Ansprüche nachzuweisen. Dies sei allerdings nicht
erfolgt. Weiterhin sei entgegen der Ansicht der Klägerin kein Kaufvertrags zustande gekommen; denn der
Vertragsarzt werde hier weder versichertenbezogen noch anlassbezogen, sondern quartalsmäßig tätig.
Folglich sei es nicht möglich, hier einen Vertrag zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse
zugunsten eines Versicherten zu konstruieren. Weiterhin sei auch keine Anwendung der sog. L-Taxe
vereinbart worden. Hierbei handele es sich um eine Aufstellung der Firma L, die letztlich die von den
Herstellern festgelegten Höchstpreise enthalte. Auch aus bereicherungsrechtlichen Grundsätzen komme
ein Anspruch der Klägerin nicht in Betracht. Denn wenn man davon ausginge, dass diese eine Leistung
ohne vertragliche Grundlage erbracht habe, dann sei hierfür der Verkehrswert zu erstatten. Dieser
entspreche aber der von der Beklagten vorgenommenen Vergütung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt sowie die Leistungsakten der Beklagten, die
vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere formgerecht erhobene Klage ist nicht begründet. Die Entscheidung der
Beklagten, der Klägerin für die von ihr erbrachten Leistungen nur denn marktüblichen Preis zu erstatten,
ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung des gelieferten
Sprechstundenbedarfs nach den Grundsätzen der sog. L-Taxe besteht nicht; ein Vertrag entsprechenden
Inhalts ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen.
1. Für Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen und Hilfsmittellieferanten über die
Berechtigung zur Erbringung von Leistungen an gesetzlich Krankenversicherte ist der Rechtsweg zu den
Sozialgerichten eröffnet. Maßgeblich hierfür ist, dass die Rechtsbeziehungen der gesetzlichen
Krankenkassen zu den Leistungserbringern von Heil- und Hilfsmitteln spätestens seit dem 1. Januar 2000
durch § 69 SGB V und die Ausgestaltung der §§ 124 bis 127 SGB V dem öffentlichen Recht zugewiesen
worden sind. Auch das Abrechnungsverhältnis des einzelnen Leistungserbringers mit der jeweiligen
Krankenkasse ist seitdem nicht mehr dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Recht zugeordnet (vgl.
BSG, Urteil vom 25. September 2001 - B 3 KR 3/01 R, SozR 3-2500 § 69 Nr. 1). Zwar gehört die Klägerin
als Direktlieferantin für Verbandsmaterial nicht zu den genannten Leistungserbringern und auch nicht zu
den im 8. Abschnitt aufgeführten sonstigen Leistungserbringern. Allerdings ergibt sich aus den Richtlinien
der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs. 2 SGB V (Richtlinien der Spitzenverbände der
Krankenkassen nach § 302 Abs. 2 SGB V über Form und Inhalte des Abrechnungsverfahrens mit
sonstigen Leistungserbringern'' so- wie Hebammen and Entbindungspflegern (§ 301 a SOB V) vom 9. Mai
1996), dass die Krankenkassen die Direktlieferanten den sonstigen Leistungserbringern gleich stellen. In
5 1 Nr. 1. 1.6 der Richtlinie werden die Direktlieferanten von Arznei- und Verbandsmitteln (einschließlich
von Sprechstundenbedarf) als Beteiligte im Sinne der Richtlinien und damit als sonstige
Leistungserbringer genannt.
2. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zulässigerweise durch allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5
SGG. Zwischen den Beteiligten besteht im Rahmen der Versorgung der Versicherten ein
Gleichordnungsverhältnis. Eines Vorverfahrens bedurfte es daher nicht.
3. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch weder aus Vertrag noch aus
ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) zu. Weitergehende als die von
der Beklagten anerkannten Zahlungsansprüche in Höhe des marktüblichen Preises bestehen für den von
der Klägerin auf vertragsärztliche Verordnung hin gelieferten Sprechstundenbedarf nicht.
a) Die Klägerin kann den von ihr geltend gemachten Anspruch zunächst nicht aus einer vertraglichen
Beziehung mit der Beklagten herleiten. Denn vorliegend wurde ein wirksamer Vertrag gleich welcher Art
nicht geschlossen, so dass vertragliche Vergütungsansprüche ausscheiden.
aa) Die Rechtsbeziehungen der Beteiligten in dem hier fraglichen Zusammenhang der Lieferung von
Arznei- und Hilfsmitteln richtet sich gemäß der Vorgabe des
§ 69 SGB V abschließend nach den Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V sowie der §§ 63 und 64 (§ 69
Satz 1 SGB V). Im Übrigen gelten die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben
des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten nach dem 4. Kapitel des SGB V vereinbar sind
(§ 69 Satz 3 SGB V, seit dem 1.4.2007 § 69 Satz 4 SGB V). Das hat letztlich zur Folge, dass ein
vertraglicher Zahlungsanspruch der Klägerin nur dann besteht, wenn sie Leistungserbringerin im Sinne
des § 69 SGB V ist – was oben bereits bejaht wurde – und ein zivilrechtlich wirksamer Vertrag zwischen
den Beteiligten geschlossen wurde, der die Beklagte zur Zahlung der geltend gemachten Vergütung
verpflichtet.
bb) Denkbare, zwischen den Beteiligten geschlossene, Verträge sind vorliegend Kaufverträge nach § 433
BGB analog bzw. Werklieferungsverträge im Sinne des
§ 651 BGB analog. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt demgegenüber das Bestehen eines
Dauerschuldverhältnisses zwischen den Beteiligten, etwa in Form eines sog.
Sukzessivlieferungsvertrages, nicht in Betracht.
Beim Sukzessivlieferungsvertrag, der gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist, handelt es sich um einen
einheitlichen Kauf- oder Werklieferungsvertrag, der auf die Erbringung von Leistungen in zeitlich
aufeinander folgenden Raten gerichtet ist (BGH NJW 1977, 35). Hierbei ist zu unterscheiden zwischen
dem sog. echten Sukzessivlieferungsvertrag, bei dem von vornherein die Lieferung einer bestimmten
Warenanzahlgeschuldet wird, und dem sog. Bezugsvertrag, bei dem die Lieferung auf unbestimmte Zeit
und ohne eine vorherige Festlegung der Liefermenge entsprechend dem Bedarf des Käufers geschuldet
wird (siehe zu dieser Unterscheidung Palandt-Heinrichs, Vorbem. zu § 311 BGB Rn. 27). Ein solcher
Bezugsvertrag, der ein echtes Dauerschuldverhältnis darstellt, besteht zwischen den Beteiligten indes
nicht; denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass zwischen den
Krankenkassen und den (sonstigen) Leistungserbringern durch die vertragsärztliche Verordnung des
Sprechstundenbedarfs ein Kaufvertrag zustande kommt; der Vertragsarzt fungiert hier als Vertreter der
Beklagtenund darf in deren Namen ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags etwa über
den Sprechstundenbedarf abgegeben. Allein die Tatsache, dass dies häufiger, wenn nicht gar
regelmäßig, der Fall ist, führt aber nicht dazu, dass man die einzelnen Kaufverträge ohne Weiteres zu
einem Sukzessivlieferungsvertrag zusammenfassen könnte. Vielmehr ist hier eine entsprechende
Einigung der Beteiligten erforderlich, die – wie noch zu zeigen sein wird – nicht vorgelegen hat.
cc) Ob der von der Klägerin geltend gemachte Vertrag seiner Art nach als Kaufvertrag oder als
Werklieferungsvertrag einzustufen ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn unabhängig vom konkreten
Vertragstypus sind wirksame Verträge über die Lieferung und Vergütung von Sprechstundenbedarf
zwischen den Beteiligten vorliegend nicht zustande gekommen.
Wirksamkeit
BGB oder § 651 BGB richtet – zwingend eine Einigung der Parteien sowohl über den Kaufgegenstand als
auch über den zu zahlenden Kaufpreis voraus. Während sich die Vereinbarung über den Kaufgegenstand
vorliegend unzweifelhaft aus der vertragsärztlichen Verordnung in Verbindung mit den Festlegungen
dessen, was unter den Begriff des Sprechstundenbedarfs fällt, ergibt, erfolgte eine wirksame Festlegung
des Kaufpreises nach Ansicht der Kammer vorliegend jedoch nicht
Die Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises ist sowohl beim Kauf- als auch beim Werklieferungsvertrag die
Hauptpflicht des Käufers; im Regelfall handelt es sich um die einzige Käuferpflicht, die im
Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) steht (§§ 320-326 BGB). Der Kaufpreis zählt damit zu den sog.
essentialia negotii des Vertrages; ausreichend ist allerdings auch die Einigung über die Art der
Kaufpreisbestimmung (vgl. Westermann in Münchener Kommentar zum BGB,
§ 433 Rn. 189). Haben sich die Parteien dagegen weder auf den Kaufpreis noch auf eine Methode zu
seiner Berechnung geeinigt, so besteht nicht nur eine Vertragslücke, die durch ergänzende
Vertragsauslegung geschlossen werden könnte, sondern es fehlt an einer Einigung über einen
wesentlichen Vertragsbestandteil, ohne den ein Kaufvertrag gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht
wirksam zustande kommen kann, soweit kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach §§ 315 ff. BGB
vereinbart wurde (BGH, Urteil vom 07.02.2006 - KZR 24/04).
(2) Unzweifelhaft steht für das erkennende Gericht vorliegend fest, dass sich die Beteiligten in den
zwischen ihnen geschlossenen Verträgen über die Lieferung von Sprechstundenbedarf hinsichtlich der
konkret von der Beklagten zu entrichtenden Kaufpreishöhe nicht geeinigt haben. Dies folgt so bereits
eindeutig aus den Vorträgen der Beteiligten; so ging die Klägerin bei der Lieferung des
Sprechstundenbedarfs, in der letztlich die konkludente Annahme des durch den Vertragsarzt
unterbreiteten Vertragsangebots zu sehen ist, davon aus, dass die Vergütung auf Grundlage der L-Taxe
erfolgen würde. Demgegenüber ging die Beklagte aufgrund der zwischenzeitlich mit dem H
Apothekerverband geschlossenen Rahmenvereinbarung davon aus, nur noch den hier vereinbarten Preis
für den Sprechstundenbedarf zu schulden; für sie bestand damit letztlich eine Maßgeblichkeit dieser
Vereinbarung auch im Verhältnis zur Klägerin. Auch wenn zwischen den Beteiligten nunmehr unstreitig
ist, dass die Klägerin nicht Vertragspartei der Rahmenvereinbarung ist und daher deren Bindungswirkung
nicht unterliegt, fehlte es aufgrund dieser (Fehl)Vorstellung der Beklagten letztlich an einer Einigung
hinsichtlich der konkreten Höhe der zu entrichtenden Vergütung.
(3) Daneben liegt hier auch keine Einigung dergestalt vor, dass sich die Vertragspartner der Tatsache,
dass der konkrete Kaufpreis nicht bestimmt wurde, bewusst gewesen sind, aber zumindest eine Einigung
hinsichtlich der konkreten Art und Weise der Preisbestimmung getroffen haben. Hier gilt das Gesagte
letztlich entsprechend; die Klägerin ging davon aus, dass die Beklagte nach wie vor die sog. L-Taxe bei
der Vergütung zugrunde legen würde. Die Beklagte wiederum sah auch hier in der Rahmenvereinbarung
mit dem H Apothekerverband die maßgebliche Grundlage für die Vergütung von Sprechstundenbedarf.
(4) Da vorliegend kein einseitiges Preisbestimmungsrecht entsprechend der
§§ 315 f. BGB gegeben ist, ist zwischen den Beteiligten kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen.
Ein solches einseitiges Preisbestimmungsrecht besteht in Vertragsbeziehungen nach dem SGB V
allenfalls auf Grundlage ausdrücklicher Regelung (BSG, Urteil vom 17.07.2008 - B 3 KR 16/07 R). Nach
§ 316 BGB steht die Bestimmung der Gegenleistung im Zweifel demjenigen Teil zu, welcher sie zu fordern
hat, soweit der Umfang der Gegenleistung nicht bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, steht aber weder der Krankenkasse
ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht entsprechend § 315 BGB noch dem Leistungserbringer ein
Preisbestimmungsrecht analog § 316 BGB zu (BSG, Urteil vom 17.07.2008 - B 3 KR 16/07 R) zu. Insoweit
folgt aus § 132a Abs. 2 SGB V, dass vertragliche Vergütungsvereinbarungen im freien Spiel der Kräfte
geschlossen werden sollen und dieser Ansatz nicht durch ein Preisbestimmungsrecht für Krankenkasse
oder Leistungserbringer unterlaufen werden darf (vgl. BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 1 S 4). Diese
Erwägungen gelten für das Leistungserbringungsrecht des SGB V allgemein. Eine nicht durch
Gebührenordnung, Rahmenvereinbarung oder eine andere Bestimmung generell festgelegte Vergütung
muss ausgehandelt werden, ohne dass einer Seite dabei durch ein Preisbestimmungsrecht ein
Aushandlungsvorteil zukommen kann.
(5) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung kann die bestehende Vertragslücke auch nicht
durch eine Auslegung dahingehend, dass nach dem objektiven Empfängerhorizont eine Vergütung nach
der L-Taxe vereinbart war, geschlossen werden. Bei Vorliegen eines offenen Einigungsmangels ist eine
solche Auslegung mangels Vertragsschluss vielmehr von vornherein zwingend ausgeschlossen (BGH,
Urteil vom 07.02.2006 - KZR 24/04). Eine solche ist nur beim Vorliegen eines sog. Versteckten
Einigungsmangels nach § 155 BGB denkbar. Diese Vorschrift regelt den Fall, dass die Parteien
irrtümlicherweise glauben, einen Vertrag geschlossen zu haben, während in Wahrheit keine vollständige
Einigung erfolgt ist (sog. versteckter Dissens). Da eine Einigung über die essentialia negotii zwingende
Tatbestandsvoraussetzung für einen Vertragsschluss ist, erfasst § 155 BGB nur die fehlende Einigung in
regelungsbedürftigen Nebenpunkten (RG, Urteil vom 19.09.1918 - IV 157/18). Sie ergänzt damit § 154
BGB.
Vor diesem Hintergrund überzeugt die Kammer die Rechtsprechung des Sozialgerichts H (Urteil vom
18.Juni 2008 – S31 KR 486/06) zumindest insoweit nicht, als dieses unterstellt hat, ein Kaufvertrag sei mit
der Einigung geschlossen werden, die Beklagteschulde den marktüblichen Kaufpreis für
Sprechstundenbedarf. Denn eine entsprechende gesetzliche Regelung dahingehend, dass bei einer
fehlenden Vergütungsvereinbarung der marktübliche Preis als vereinbart gilt, findet sich im Kaufrecht
nicht. Lediglich § 632 Abs. 2 BGB sieht eine entsprechende Regelung für das Werkvertragsrecht vor; eine
analoge Anwendung sowohl auf den Kaufvertrag als auch auf den Werklieferungsvertrag scheidet
allerdings aus. Dies ergibt sich für den Werklieferungsvertrag bereits ausdrücklich aus der Regelung des
§ 651 BGB selbst, die eine Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften des Werkvertragsrechts für den Fall
vorsieht, dass es sich bei der hergestellten Sache um eine nicht vertretbare handelt. Daraus ist der
Umkehrschluss zu ziehen, dass ein Rückgriff auf die übrigen Werkvertragsvorschriften im Falle der
Herstellung einer vertretbaren Sache ausscheidet.
Wenn aber eine gesetzliche Regelung zur Schließung der hier offensichtlich bestehenden Vertragslücke
fehlt und diese sich auf einen wesentlichen Vertragsbestandteil bezieht, dann bleibt es entsprechend der
überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dabei, dass mangels Einigung kein
Vertragsschluss vorliegt, was wiederum zur Folge hat, dass keine Vertragsauslegung möglich ist. Genau
eine solche nimmt das Sozialgericht H aber letztlich vor; für den Abschluss sowohl eines Kauf- als auch
eines Werklieferungsvertrages genügt der generelle Wille, sich vertraglich binden zu wollen, nicht: Ohne
die notwendige Einigkeit der Parteien kann allein aus diesem Bindungswillen folglich auch kein
(auslegungsfähiger) Vertrag konstruiert werden.
dd) Diese rechtliche Würdigung führt letztlich auch dazu, dass – selbst wenn man vorliegend einen
Sukzessivlieferungsvertrag annehmen wollte – auch dieser nicht wirksam geschlossen worden wäre.
Denn auch hier fehlt jegliche Einigung hinsichtlich der zu entrichtenden Vergütung; eine solche setzt aber
auch der oben skizzierte Bezugsvertrag zwingend voraus. Wenn die Parteien einen solchen schließen,
müssen sie Einigkeit erzielen sowohl hinsichtlich des Liefergegenstands, der Art der Lieferung sowie der
hierfür anfallenden Vergütung. Fehlt eine solche Einigung wie im vorliegenden Fall, so führt dies erneut
zur Unwirksamkeit des Vertrages. Entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten besteht hier
insbesondere auch kein "innervertragliches Gewohnheitsrecht", auf welches die Klägerin ihren
Vergütungsanspruch stützen könnte.
b) Scheidet damit ein vertraglicher Anspruch der Klägerin denknotwendig aus, so kommt ein
Zahlungsanspruch lediglich aufgrund bereicherungsrechtlicher Vorschriften der §§ 812 ff. BGB analog in
Betracht. Denn die Lieferung von Sprechstundenbedarf stellt sich mangels wirksamen Vertragsschluss
zwischen den Beteiligten als rechtsgrundlose Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB analog dar mit der
Folge, dass die Beklagte an sich den gelieferten Sprechstundenbedarf an die Klägerin herausgeben
müsste. Da dieser vorliegend aber an die Vertragsärzte geliefert und bereits verbraucht worden ist, ist die
Beklagte zu einer Herausgabe des Erlangten nicht mehr in der Lage. Das wiederum zieht nach § 818 Abs.
2 BGB einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung eines Wertersatzes nach sich. Zu
ersetzen ist dabei der tatsächliche Verkehrswert der Sache, also der Wert, den diese aufgrund ihrer
objektiven Beschaffenheit für jedermann hat (BGH 82, 299). Nicht zu ersetzen ist demgegenüber das
Interesse eines Beteiligten oder der mit einer Veräußerung ggf. zu erzielende Gewinn.
Vorliegend entspricht der Verkehrswert der von der Beklagten tatsächlich vorgenommenen Vergütung
entsprechend der Sonderpreisliste; damit kann der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf eine
höhere Vergütung auch nicht auf bereicherungsrechtliche Grundsätze gestützt werden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1, 2
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO); die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).