Urteil des SozG Koblenz vom 11.02.2009

SozG Koblenz: besondere härte, wiedereinsetzung in den vorigen stand, lebensversicherung, haus, wohnung, alleinstehende person, verwertung, unfallversicherung, briefkasten, rückkaufswert

Sozialrecht
SG
Koblenz
11.02.2009
S 6 AS 734/07
Verwertung von Vermögen
1. Auf die Klage hin wird der Bescheid vom 10.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
07.08.2007 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ergänzende Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ab dem 15.12.2006 ein Anspruch auf Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19ff Zweites Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) zusteht. Die
Beklagte geht davon aus, dass der Kläger nicht hilfebedürftig sei, weil er über verwertbares Vermögen
verfüge.
Der 1982 geborene Kläger erlitt 1998 einen Verkehrsunfall, seit dem ist der Kläger querschnittsgelähmt.
Er sitzt im Rollstuhl. Aus einer Unfallversicherung erhielt der Kläger eine erhebliche Geldsumme
ausgezahlt, die er in eine kapitalbildende Lebensversicherung einbrachte. Zum 01.01.2007 betrug der
Rückkaufswert dieser kapitalbildenden Lebensversicherung 128.228,20 €.
Diese Lebensversicherung, die bei der Victoria Lebensversicherung AG abgeschlossen worden war,
wurde seitens des Klägers am 24.05.2006 als Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten
Forderungen der V und R N-L eG oder eines die Geschäftsverbindung fortsetzenden Rechtsnachfolgers
der Bank gegen H G, O 17, N, abgetreten. Bei H G handelt es sich um die Mutter des Klägers.
Die ebenerdige Wohnung im eingeschossigen Haus O 17, N, in der der Kläger allein wohnt, war in den
Jahren 1999 und 2000 behindertengerecht umgebaut worden. Hierbei war insgesamt eine Summe in
Höhe von 53.500,00 DM investiert worden, wobei diese Summe durch eine Eigenleistung der Mutter des
Klägers in Höhe von 7.000,00 DM sowie im Übrigen durch Fremdmittel aufgebracht worden war.
Ursprünglich war geplant, dass der Kläger das Haus O 17 der Mutter abkauft und dessen Mutter wollte mit
der Kaufsumme ein neues Haus in der H-S-Straße, N, erwerben. Da der Kläger seinerzeit über keine
Festanstellung verfügte, lehnte die Bank die vorgesehene Finanzierung ab. Danach erhielt die Mutter des
Klägers seitens der Bank die Finanzierung für das Haus in der H-S-Straße, wofür sie das Haus in der O 17
belasten musste. Zur Finanzierung des Hauskaufs der Mutter in der H-S-Straße war seitens der Bank die
Abtretung der Forderung gegen die V L AG mit der Versicherungssumme in Höhe von 143.865,00 €
vorgenommen worden.
Die Mutter des Klägers zahlt für die Finanzierung des Hauses in der H-S-Straße Zinsen in Höhe von
542,88 € monatlich. Nach Ablöse des Kredits für das Haus in der H-S-Straße im Jahr 2011 ist vorgesehen,
dass der Kläger das Haus in der O, in dem er wohnt, grundbuchmäßig ins Eigentum übertragen bekommt.
Derzeit zahlt der Kläger seiner Mutter Darlehenszinsen in Höhe von 340,00 €, und bis zur Überschreibung
des Hauses O ins Jahr 2011 darf er dort wohnen.
Der Kläger geht einer Teilzeitbeschäftigung nach.
Mit Bescheid vom 10.07.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Bestreitung des
laufenden Lebensunterhalts nach dem SGB II ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger bewohne
derzeit alleine ein im Jahr 1982 errichtetes, mittlerweile behindertengerecht umgebautes Hausgrundstück
mit 4 Räumen, Bad und Küche mit einer Wohnfläche von 120 qm. Für dieses im Eigentum der Mutter
befindliche Hausgrundstück werde ein Mietzins in Höhe von 300,00 € gezahlt. Die Lebensversicherung
diene zur Sicherheit und zur späteren Ablösung des Darlehens, welches die Mutter zur Errichtung des
neuen Hausgrundstücks bei der V und R N aufgenommen habe. Da der Kläger jedoch weder Eigentümer
des von ihm bewohnten Hausgrundstücks noch des von der Mutter neu errichteten Hausgrundstücks sei,
könnte das vorhandene Vermögen in Form der Lebensversicherung nicht unberücksichtigt bleiben. Der
aktuelle Rückkaufswert der Lebensversicherung betrage 128.228,20 €. Dieses Vermögen überschreite
das geschützte Vermögen in Höhe von 4.500,00 € um ein Vielfaches, so dass eine laufende Leistung
nach dem SGB II als Beihilfe ausgeschlossen ist. Auf die Möglichkeit einer darlehensweise
Hilfegewährung wurde hingewiesen.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er habe die Geldsumme aufgrund seines Unfalles
erhalten, hierbei handelt es sich quasi um ein Schmerzensgeld. Das vorhandene Vermögen in Höhe der
Lebensversicherung sei somit nicht in die Berechnung aufzunehmen. Eine darlehensweise
Hilfegewährung komme nicht in Betracht, da er ein solches Darlehen nicht zurückzahlen könne.
Nachdem die Beklagte festgestellt hat, dass bei dem Unfall, der zu der Behinderung des Klägers geführt
hat, kein Dritter beteiligt war und es sich somit nicht um ein Schmerzensgeld, sondern um eine Leistung
aus einer Unfallversicherung handelte, wies sie mit Bescheid vom 07.08.2007 den Widerspruch zurück.
Zur Begründung führte sie aus, bei dem in Rede stehenden Vermögen handele es sich um Leistungen
aus der Unfallversicherung. Im Übrigen verwies sie auf den angefochtenen Bescheid.
Die Klageschrift vom 08.09.2007 gegen den am 11.08.2007 zugegangenen Widerspruchsbescheid ging
am 14.09.2007 bei dem Sozialgericht ein.
Unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Mutter macht der Kläger geltend, diese habe die
Klageschrift vom 08.09.2007 am selben Tag, einem Samstag, in den Briefkasten in N-E eingeworfen.
Hierbei habe sie sich versichert, dass dieser noch am selben Tag, nämlich um 12.15 Uhr, geleert werde.
Es sei davon auszugehen gewesen, dass die Klageschrift spätestens am Montag den 10.09.2007 bzw.
allerspätestens am Dienstag dem 11.09.2007 fristgerecht eingehen würde. Erst durch Schreiben des
Gerichts sei er auf den Klageeingang vom 14.09.2007 aufmerksam gemacht worden. In Anlehnung an
§ 233 Zivilprozessordnung (ZPO) treffe ihn keinerlei Verschulden am verspäteten Zugang der Klageschrift.
Im Übrigen macht der Kläger geltend, dass aus der Unfallversicherung stammende Vermögen, welches
bis 2011 fest angelegt sei, sei bei der Berechnung nicht heranzuziehen. Gemäß § 12 Abs. 3 Ziffer 5 SGB II
sei Vermögen dann bei der Berechnung von Leistungen auf Grundsicherung nicht zu berücksichtigen,
wenn es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks angemessener
Größe bestimmt ist, soweit dies zu Wohnzwecken behinderter Menschen diene oder dienen soll und
dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde. Da die Wohnung
im Haus in der O 17 behindertengerecht umgebaut worden sei und vorgesehen sei, dass dieses
Hausgrundstück im Jahr 2011 eigentumsmäßig auf ihn übertragen wird, könne Vermögen dann nicht
berücksichtigt werden, soweit die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen
eine besondere Härte bedeuten würde. Infolge seiner Schwerbehinderung und der Tatsache des
behindertengerechten Umbaus der Wohnung würde für ihn durch einen etwaigen Einsatz der Leistungen
aus der Unfallversicherung eine besondere Härte dann entstehen, wenn er das Geld im Jahr 2011 nicht
mehr zum Erwerb des behindertengerecht ausgebauten angemessenen Hausgrundstücks zum Einsatz
bringen könne.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 10.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2007 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, ihm ergänzende Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, nach den Mitteilungen des Klägers solle die Eigentumsübergabe nach Fälligkeit der
Unfallversicherung erst im Jahr 2011 erfolgen. Diese Zeitspanne von ca. 4 Jahren bis zum Jahr 2011
erfülle nicht die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Ziffer 5 SGB II. Das vorhandene Vermögen könne zum
jetzigen Zeitpunkt nicht unberücksichtigt bleiben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Prozessakte sowie den der Verwaltungsakte. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Auch wenn die Klage gegen den am 11.08.2007 zugegangenen Widerspruchsbescheid vom 07.08.2007
bei Gericht erst am 14.09.2007, mithin nicht innerhalb der Klagefrist des § 87 SGG erhoben wurde, ist
infolge der zu gewährenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG die Klage zulässig.
Ausweislich des Vorbringens des Klägers und insbesondere unter Berücksichtigung der eidesstattlichen
Versicherung von H G ist davon auszugehen, dass diese die Klageschrift vom 08.09.2007 am selben Tag,
hierbei handelte es sich um einen Samstag, in den Briefkasten geworfen hat. Ausweislich der Erklärung in
der eidesstattlichen Versicherung wies der Briefkasten den Vermerk auf, dass an diesem Samstag um
12.15 Uhr der Briefkasten geleert werde. Insofern war davon auszugehen, dass die Klageschrift
spätestens am Montag, dem 10.09.2007 bzw. allerspätestens am Dienstag, dem 11.09.2007, mithin
fristgerecht, bei Gericht eingehen würde. Da im Übrigen nach wie vor auf die Zuverlässigkeit der
Postdienste abzustellen ist, ist davon auszugehen, dass der Kläger ohne Verschulden daran gehindert
war, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Mithin war ihm Widereinsetzung in den vorigen Stand zu
gewähren. Mit gerichtlichem Schreiben vom 15.05.2008 war dem Kläger auch mitgeteilt worden, dass
keine Bedenken mehr gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen.
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Kläger dem Grunde nach aufgrund seines
Leistungsantrages vom 15.12.2006 ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu.
Der Kläger war Berechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Er ist auch erwerbsfähig gemäß § 7 Abs. 1 Nr.
2 SGB II i. V. m. § 8 SGB II. Trotz seiner Querschnittslähmung ist der Kläger erwerbsfähig im Sinne dieser
Bestimmung, er geht auch einer Teilzeittätigkeit nach.
Der Kläger war auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i. V. m. §§ 9ff SGB II.
Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und
den Lebensunterhalt, der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht
ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht
von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen,
erhält.
Der Kläger geht zwar einer zumutbaren Arbeit nach, dies allerdings lediglich in Teilzeit. Unter
Berücksichtigung des vom Kläger nachgewiesenen Einkommens bleibt es der Beklagten vorbehalten,
nach entsprechender Prüfung den genauen Umfang der Hilfebedürftigkeit und mithin die Höhe des
Leistungsanspruchs festzustellen. Entgegen der bisherigen Auffassung der Beklagten ist jedenfalls
bezogen auf den Tag der Antragstellung vom 15.12.2006 etwaiges Vermögen nicht zu berücksichtigen.
In Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten ist zwar davon auszugehen, dass infolge der nach
dem erlittenen Verkehrsunfall im Jahr 1998 ausgezahlten Unfallversicherungssumme grundsätzlich
Vermögen vorhanden ist. Dies ist allerdings seitens des Klägers in eine kapitalbildende
Lebensversicherung bei der V L AG eingebracht worden. Zum 01.01.2007 betrug der Rückkaufswert
dieser kapitalbildenden Lebensversicherung 128.228,20 €.
Gleichwohl ist aber aktuell bezogen auf den Zeitpunkt der Leistungsbeantragung eine entsprechende
Verwertung nicht möglich. Im Mai 2006 hat der Kläger seine gegenwärtigen und künftige Forderungen
gegenüber der Victoria Lebensversicherungs AG als Sicherungsgeber der V und R N-L eG zur Sicherung
aller bestehenden, künftigen und bedingten Forderungen der Bank oder eines die Geschäftsverbindung
fortsetzenden Rechtsnachfolgers der Bank gegenüber H G, N, abgetreten. Mithin scheidet eine
Verwertbarkeit dieses Vermögens sowohl bezogen auf den Zeitpunkt der Leistungsbeantragung sowie
auch bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aus. Es liegt eine rechtliche
Unverwertbarkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II vor.
Unter Berücksichtigung des Zeitablaufs, das heißt der Abtretung der Versicherungssumme zur Sicherheit
an die Bank im Mai 2006 und dem Tag der Antragstellung vom 15.12.2006 ist für das Gericht auch nicht
ersichtlich, dass seitens des Klägers in rechtlich zu missbilligender Weise verwertbares Vermögen einer
Bindung zugeführt wurde. Bestätigt wird dies insbesondere auch dadurch, dass dieses Vermögen gerade
den Zweck erreichen soll, dem Kläger eine behindertengerecht umgebaute Wohnung ins Eigentum
überzuführen. Aufgrund der aufgezeigten Abläufe ist es für das Gericht nachvollziehbar, dass zwar bis
2011 das in der kapitalbildenden Lebensversicherung eingebrachte Vermögen als Sicherheit zur
Finanzierung eines Hausgrundstücks der Mutter des Klägers dienen soll, im Jahr 2011 aber das von ihm
bewohnte Hausgrundstück in der O in sein Eigentum übergehen soll.
Zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass gemäß § 9 Abs. 4 SGB II auch derjenige hilfebedürftig
ist, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen
nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde, so dass ihm gemäß § 23 Abs. 5
SGB II die entsprechenden Leistungen als Darlehen zu erbringen sind. Diesbezüglich geht auch das
Gericht davon aus, dass infolge der Sicherungsabtretung sowohl eine sofortige Verwertung des
vorhandenen Vermögens nicht möglich ist und dies für den Kläger ansonsten auch eine besondere Härte
bedeuten würde.
Gleichwohl scheidet vorliegend aber eine solche darlehensweise Leistungsgewährung aus. Nach
Überzeugung des Gerichts steht § 12 Abs. 3 Ziffer 5 SGB II generell einer entsprechenden
Berücksichtigung des hier strittigen Vermögens entgegen. Nach dieser Bestimmung ist Vermögen nicht zu
berücksichtigen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines
Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt ist, soweit dieses zu Wohnzwecken behinderter
oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die
Verwertung des Vermögens gefährdet würde.
Diese Voraussetzungen liegen gerade vor.
Wie dargelegt, soll mit der aktuell zur Sicherung abgetretenen kapitalbildenden Lebensversicherung bis
zum Jahr 2011 eine anderweitige Finanzierung sichergestellt werden. Gleichzeitig soll zu diesem
Zeitpunkt das noch im Eigentum der Mutter des Klägers befindliche Hausgrundstück in der O in dessen
Eigentum übergehen.
Dieses Hausgrundstück dient zu Wohnzwecken eines behinderten Menschen. Der Kläger, der
querschnittsgelähmt ist, ist auf einen Rollstuhl angewiesen und die Wohnung im Haus der O wurde u. a.
mit erheblichen Fremdmitteln behindertengerecht umgebaut.
Auch wenn ausgehend von der Leistungsbeantragung im Dezember 2006 bis zur beabsichtigten
Eigentumsübertragung im Jahr 2011 eine erhebliche Zeitspanne liegt, geht das Gericht gleichwohl davon
aus, dass das hier im Streit stehende Vermögen zur "baldigen" Beschaffung eines angemessenen
Hausgrundstücks dient. Der Begriff der "baldigen Beschaffung" wird vom Gesetz allerdings nicht
konkretisiert. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zum Arbeitslosenhilferecht war dies nicht mehr
der Fall, wenn das entsprechende Ereignis erst in mehreren Jahren eintreten würde (vgl. Juris
Kommentar, § 12 RdNr. 123, m. w. N.). Andererseits kann diese Zeitgrenze jedoch allenfalls im Sinne
einer nicht verbindlichen Richtschnur gesehen werden, wobei insbesondere nicht nur rechtliche, sondern
auch tatsächliche Hindernisse berücksichtigt werden sollten. In diesem Zusammenhang ist für das Gericht
von ausschlaggebender Bedeutung, dass die Wohnung im Hausgrundstück O bereits vor einigen Jahren
behindertengerecht umgebaut wurde und seither vom Kläger bewohnt wird. Im Übrigen ist nach dem
glaubhaften Vorbringen des Klägers davon auszugehen, dass ihm 2011 das Hausgrundstück O ins
Eigentum des Klägers übertragen werden wird. Gerade unter Berücksichtigung dieser besonderen
Umstände geht das Gericht davon aus, dass das Vermögen zur "baldigen" Beschaffung des
Hausgrundstücks dienen soll.
Weiter geht das Gericht davon aus, dass es sich auch um die Beschaffung eines "angemessenen"
Hausgrundstücks handelt.
Die Wohnung umfasst zwar eine Größe von 120 qm. Ob für eine alleinstehende Person eine solche Größe
allerdings angemessen ist, ist grundsätzlich fraglich. Wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles
geht das Gericht aber gleichwohl davon aus, dass es sich um eine angemessene Größe handelt. Von
ausschlaggebender Bedeutung ist für das Gericht hierbei, dass der Kläger als Querschnittsgelähmter auf
einen Rollstuhl angewiesen ist. Er hat deshalb einen besonderen, behinderungsbedingten Raumbedarf,
z. B. in Form eines Übernachtungs- und/oder Aufenthaltsraumes für eine Betreuungsperson. Die
Wohnung wurde zudem mit erheblichen finanziellen Mitteln, im Wesentlichen Fremdmitteln,
behindertengerecht umgebaut, und zwar lange vor Inkrafttreten des SGB II und damit in Unkenntnis der
später geltenden Regeln insbesondere des § 22 SGB II. Aus diesem Grund ist es nach Überzeugung des
Gerichts für den Kläger in Anbetracht der getätigten Investitionen unzumutbar, gegebenenfalls in eine
andere kleinere Wohnung zu ziehen, die zunächst gefunden und eventuell erst noch behindertengerecht
umgebaut werden muss.
Trotz ihrer tatsächlichen Größe von 120 qm ist die vom Kläger aktuell bewohnte Wohnung unter
besonderer Berücksichtigung seiner persönlichen Situation im Ergebnis als angemessen anzusehen.
Auch unter Berücksichtigung des § 12 Abs. 3 Ziffer 6 SGB II scheidet die Berücksichtigung des hier allein
strittigen Vermögens aus. Hiernach ist Vermögen gerade dann nicht zu berücksichtigen, wenn seine
Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Hilfebedürftigen eine besondere Härte
darstellen würde. Die bereits aufgezeigten Umstände wie die bereits durchgeführte behindertengerechte
Umbaumaßnahme im Haus der O sowie der vorgesehene Einsatz der kapitalbildenden
Lebensversicherung letztlich zur Eigentumsübertragung des Hauses in der O an den Kläger steht der
Berücksichtigung dieses Vermögens entgegen, da ansonsten bei der von der Beklagten vorgesehenen
Berücksichtigung des Vermögens für den Kläger eine besondere Härte im Sinne dieser Bestimmung
eintreten würde. Gerade die besonderen Umstände des Einzelfalles machen es dem Gericht deutlich,
dass vorliegend dem Interesse des Hilfebedürftigen an dem Erhalt des Vermögens der Vorrang zu geben
ist gegenüber dem öffentlichen Interesse des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern. Gerade die
aufgezeigte Zweckbestimmung des Vermögens bedingt vorliegend einen Härtefall, so dass in
Übereinstimmung mit der Auffassung des Klägers dieses Vermögen nicht zu berücksichtigen ist.
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
Vorliegend konnte die Beklagte lediglich dem Grunde nach verurteilt werden, ergänzende Leistungen
nach dem SGB II zu gewähren. Ihr bleibt es vorbehalten, unter konkreter Berücksichtigung des zu
berücksichtigenden Einkommens unter Heranziehung der gesetzlichen Bestimmungen die genaue
Leistungshöhe zu berechnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.