Urteil des SozG Koblenz vom 24.04.2009

SozG Koblenz: zuschuss, reparaturkosten, umbau, treppe, einbau, wartung, wohnung, ermessen, quelle, begriff

Sozialrecht
SG
Koblenz
24.04.2009
S 3 P 106/08
Reparatur eines Treppenlifters
1. Der Bescheid vom 17.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 wird
aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der Reparatur des Treppenlifters des Klägers zu bezuschussen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand:
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Erstattung der Kosten der Reparatur
seines Treppenlifters.
Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 01.08.2003 Leistungen nach Pflegestufe II. Im Dezember
2002 kaufte der Kläger einen Treppenlifter, der von der Beklagten am 27.12.2002 mit 2.557,00 € nach §
40 Elftes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) bezuschusst wurde.
Im Juni 2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass der Treppenlifter sich nicht mehr bewege und
reparaturbedürftig sei. Er fügte einen Kostenvoranschlag für die Reparatur in Höhe von 2.029,03 € bei und
beantragte hierfür einen Zuschuss nach § 40 SGB XI. Der Kläger legte zudem ein Attest von Dr. R vor, der
die Reparatur für den Treppenlifter aufgrund der Multiplen Skleroseerkrankung des Klägers befürwortete.
Mit Bescheid vom 29.06.2007 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die Reparatur des
Treppenlifters ab. Bereits am 27.12.2002 habe sie im Rahmen einer Wohnumfeldgestaltung (Einbau eines
Treppenlifters) einen Zuschuss in Höhe des möglichen Höchstbetrages von 2.557,00 € gezahlt. Eine
erneute Kostenerstattung für die gleiche Maßnahme sei daher nicht möglich. Den hiergegen gerichteten
Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2007 zurück. Bei einer Reparatur
von wohnumfeldverbessernden Maßnahmen könne nicht nochmals ein Zuschuss als
wohnumfeldverbessernde Maßnahme geleistet werden.
Mit Urteil vom 05.08.2008 hat das Gericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide
verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die
Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerhaft erfolgt, da nicht überprüft worden sei, ob die
Tragung der Reparaturkosten allein durch den Kläger diesen unverhältnismäßig belaste und inwieweit die
Pflegesituation des Klägers durch die Funktionsuntüchtigkeit des Treppenlifts verschlechtert werde.
Mit Bescheid vom 17.10.2008 hat die Beklagte es wiederum abgelehnt, einen Zuschuss zu den
Reparaturkosten des Treppenlifts als Wohnumfeldverbesserung nach § 40 Abs. 4 SGB XI zu gewähren.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts K sei nicht zu prüfen, ob die Tragung der Reparaturkosten
allein durch den Antragsteller diesen unverhältnismäßig belaste. Im gemeinsamen Rundschreiben zum
Pflegeversicherungsgesetz der Spitzenverbände der Pflegekassen vom 10.10.2002 sei ausgeführt, dass
wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, deren Einbau bzw. Umbau bereits von der Pflegekasse
bezuschusst worden sei und die repariert werden müssten, nicht nochmals als wohnumfeldverbessernde
Maßnahmen bezuschusst werden könnten.
Es handele sich auch nicht um eine erneute Maßnahme, für die erneut ein Zuschuss gezahlt werden
könnte. Der Treppenlifter sei 2002 wegen der erheblich eingeschränkten Gehfähigkeit zur Überwindung
der Treppe eingebaut worden. An dieser Situation habe sich nichts verändert.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2008
zurück. Es liege kein veränderter Pflegebedarf und somit keine neue Maßnahme vor.
Hiergegen richtet sich die am 06.10.2008 beim Sozialgericht erhobene Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, die Reparatur des Treppenlifters müsse bezuschusst werden, da er ihn
dringend zum Erreichen seines Schlafzimmers benötige. Zum einen sei die Reparatur nach § 40 Abs. 3
dringend zum Erreichen seines Schlafzimmers benötige. Zum einen sei die Reparatur nach § 40 Abs. 3
SGB XI zu zahlen, zum anderen sei der Treppenlifter nicht für die Ewigkeit gebaut und müsse daher auch
mal repariert werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 17.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Instandsetzung des Treppenlifters zu übernehmen bzw.
zumindest zu bezuschussen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, sie könne nur dann einen weiteren Zuschuss zahlen, wenn es sich um eine neue
Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI handele. Da sich die Pflegebedürftigkeit des Klägers aber
nicht geändert habe, sei die Maßnahme dieselbe wie noch bei der Anschaffung des Treppenlifters im Jahr
2002.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Prozessakte sowie den der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Beratung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Die Beklagte ist unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, die Reparatur des
Treppenlifters zu bezuschussen.
Der Anspruch des Klägers richtet sich vorliegend nach § 40 Abs. 4 SGB XI. Wie bereits im Urteil vom
05.08.2008 ausgeführt, kommt entgegen der Auffassung des Klägers die Erstattung der Reparaturkosten
nach § 40 Abs. 3 Satz 3 SGB XI vorliegend nicht in Betracht. Der Treppenlifter ist kein Hilfsmittel im Sinne
des § 40 Abs. 3 SGB XI. Dies hat auch bereits das BSG in seinem Urteil vom 03.11.1999 (Az.: B 3 P 6/99
R) entschieden.
Der Anspruch des Klägers richtet sich vielmehr nach § 40 Abs. 4 SGB XI.
Nach § 40 Abs. 4 SGB XI können die Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur
Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, wenn dadurch eine
möglichst selbständige Lebensführung wiederhergestellt oder die häusliche Pflege ermöglicht oder
erheblich erleichtert wird. Diese Voraussetzungen liegen hier offensichtlich vor, denn der Kläger kann
ohne den Treppenlifter sein Schlafzimmer nur dann erreichen, wenn er von anderen die Treppe hoch
getragen wird. Auch morgens kommt er erst in Wohnzimmer und Küche, wenn ihn jemand hinunter trägt.
So hatte der Kläger nach seinen Angaben auch während der Zeit des Stillstandes des Treppenlifters im
Wohnzimmer geschlafen, da er keine Möglichkeit hatte, sein Bett zu erreichen. Die häusliche Pflege wird
daher durch einen funktionstüchtigen Treppenlifter offensichtlich erheblich erleichtert. Auch eine
selbständigere Lebensführung wird durch die Reparatur des Treppenlifters wiederhergestellt.
Der Bezuschussung der Reparatur des Treppenlifters steht auch § 40 Abs. 4 Satz 3 SGB XI nicht
entgegen. Hiernach dürfen die Zuschüsse einen Betrag in Höhe von 2.557,00 € je Maßnahme nicht
übersteigen. Zwar ist bereits für die Anschaffung des Treppenlifters ein Zuschuss in Höhe von 2.557,00 €
gezahlt worden, die Reparatur des Treppenlifters stellt aber zur Überzeugung der Kammer nicht dieselbe
Maßnahme dar, wie die Anschaffung des Treppenlifters. Aus dem Wortlaut des § 40 Abs. 4 SGB XI ergibt
sich, dass nach Sinn und Zweck der Regelung alle in einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund des
objektiven Pflegebedarfs notwendigen und vom Grundsatz her bezuschussungsfähigen
Einzelmaßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen in ihrer
Gesamtheit rechtlich eine einzige Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 4 Satz 3 SGB XI darstellen.
Die Reparatur des Treppenlifters war offensichtlich zum Zeitpunkt der Anschaffung des Treppenlifters
noch nicht notwendig und stellt daher zur Überzeugung der Kammer eine neue Maßnahme im Sinne des
§ 40 Abs. 4 SGB XI dar. Wie das BSG in seinem Urteil vom 19.04.2007 - Az.: B 3 P 8/06 R - ausgeführt hat,
ist es nicht erforderlich, dass eine Ausweitung des Pflegebedarfs eingetreten ist. Diese stellt lediglich die
wohl häufigste Variante einer nachträglichen Änderung der Pflegesituation dar. Maßgeblich ist nach den
Ausführungen des BSG ‑ denen sich die Kammer anschließt - allein die nachträgliche objektive Änderung
der Pflegesituation. Es ist abzugrenzen, ob verschiedene Einzelmaßnahmen eine Gesamtmaßnahme
darstellen, die nur ein Mal bezuschusst werden kann oder ob es sich rechtlich um zwei verschiedene
Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen handelt, die dann
mehrfach bezuschusst werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber offensichtlich
nicht jede Reparatur oder Wartung von erfolgten wohnumfeldverbessernden Maßnahmen als
bezuschussungsfähig angesehen hat, da die Kostenerstattung für Reparaturen nur für Pflegehilfsmittel
nach § 40 Abs. 3 SGB XI vorgesehen ist. Nach § 40 Abs. 3 Satz 3 SGB XI umfasst der Anspruch bei
Pflegehilfsmitteln auch die notwendige Instandsetzung und Ersatzbeschaffung.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Treppenlifter aus Laiensicht wohl eher als technisches
Hilfsmittel betrachtet wird und erst durch den dauerhaften Einbau zu einer wohnumfeldverbessernden
Maßnahme wird. Auch wird von dem Begriff der wohnumfeldverbessernden Maßnahme, grundsätzlich der
Umbau der Wohnung, wie z. B. die Verbreiterung von Türen oder der Umbau des Badezimmers, z. B.
durch einen höhenverstellbaren Waschtisch oder ein erhöhtes WC, umfasst. An Geräte, die
Verschleißerscheinungen zeigen und gegebenenfalls nicht nur repariert, sondern auch erneuert werden
müssen, hat der Gesetzgeber offenbar nicht gedacht. Dass hierdurch dann - wie vorliegend - ganz
erhebliche Kosten für den Pflegebedürftigen entstehen können, muss aber auch berücksichtigt werden,
insbesondere wird die Pflegesituation des Klägers durch die Funktionsuntüchtigkeit des Treppenlifts ganz
erheblich verschlechtert. Sein Hilfebedarf steigt dadurch, dass er dann die Treppe hinauf und hinunter
getragen werden muss, ganz erheblich an.
Die Kammer ist daher der Überzeugung, dass bei einer rechtssystematischen Auslegung
funktionswiederherstellende Maßnahmen - wie vorliegend eine erhebliche Reparatur - im Gegensatz zu
funktionserhaltenen Maßnahmen (wie z. B. eine Wartung) als eine neue Maßnahme zu behandeln sind.
Da die Beklagte trotz der entsprechenden Verurteilung die Rechtsauffassung des Gerichts im neuen
Bescheid vom 17.10.2008 und im Widerspruchsbescheid vom 11.12.2008 nicht ausreichend beachtet hat,
hat vorliegend - trotz einer grundsätzlichen Ermessensentscheidung der Beklagten über das "Ob" der
Bewilligung eines Zuschusses - eine Verurteilung zur grundsätzlichen Bezuschussung zu erfolgen.
Nach alledem ist bei der Berücksichtigung des Gesamtsystems zumindest bei erheblichen
Reparaturkosten - wie vorliegend von über 2.000,00 € - die Reparatur als neue Maßnahme zur
Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes anzusehen.
Die Höhe der Bezuschussung steht dagegen noch im Ermessen der Beklagten.
Nach alledem musste die Klage Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).